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Belarus im Visier des russischen Expansionismus, oder was die Stadt Klinzy und der Senator Klinzewitsch gemeinsam haben

[1]von Imantas Melianas, Ethnokonfliktologe (Vilnius, Litauen)


Mehrere Gründe wirkten sich auf die Wahl des Themas für diesen Artikel aus, allen voran war jedoch das Verständnis dessen, dass das Böse niemals statisch ist – es zieht sich zurück, wenn es auf entschlossenen Widerstand trifft, oder es setzt den Vorstoß fort. Genau so kann man die Expansionspolitik beschreiben, die die heutige russische Regierung im Bezug auf ihre postsowjetischen Nachbarn betreibt.

Das vom Präsidenten W.Putin und seiner Umgebung gewählte Tempo für den Aufbau der Innen- und Außenpolitik Russlands erlaubt ihm keine Entspannung mehr, denn die Bevölkerung, die von der jahrelangen imperialen Propaganda berauscht wurde und an die besondere Mission Russlands geglaubt hat, könnte dafür wenig Verständnis zeigen – mit allen daraus resultierenden Folgen. Dies bestimmt die unausweichliche Fortsetzung der territorialen Expansion vor, zu deren Objekten während der Regierungsjahren des Leningrader KGBlers schon Itschkerien, Georgien und Ukraine wurden, und, wenn man die noch während des Zerfalls der UdSSR gesammelten „Vorräte“ bedenkt, – auch Moldau und Aserbaidschan (das letztere – mittels der Ausbeutung der Idee eines „Großen Armeniens“).

Leider sind auch alle anderen Länder des postsowjetischen Raums vor diesem Unheil nicht abgesichert – weder die Mitgliedsstaaten von NATO, EU und anderen internationalen Organisationen, in denen Russland Dominanz zeigt, noch diejenigen, die einen eigenen besonderen Weg zu gehen versuchen. Wie dem auch sei, kann der imperialistische Appetit der Kremlregierung nicht mehr durch derartig „schonende“ Formen der Eroberung von Nachbarn gestillt werden, wie die zu einer Scheidungsagentur gewordene Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, der scheinbar in einer parallelen Realität existierende „Unionsstaat Russland und Belarus“ oder die nicht geboren werden wollende „Eurasische Union“.

Es ist bekannt, dass Russland ursprünglich 10 Verwaltungseinheiten der ersten Ebene (acht Gebiete, eine autonome Republik und eine Stadt mit Sonderstatus) von der Ukraine abzutrennen versuchte, also die Hälfte des Gesamtterritoriums dieses Staates. Jedoch konnten diese Pläne nur bezüglich der Autonomen Republik Krim, der Stadt Sewastopol und der sogenannten „bestimmten Regionen der Gebiete Luhansk und Donezk“, also nur für Teile dieser Gebiete, verwirklicht werden, was einem offensichtlichen Misserfolg von Kreml gleicht. Ein Misserfolg, den Moskau auf anderen Gebieten zu kompensieren versucht, denn anderenfalls könnte die untergebene Population die Allmacht des Imperiums und des regierenden „Nationalanführers“ anzweifeln. Hier drängt sich eine Frage auf: in welchen Richtungen wird sich diese „kompensatorische Tätigkeit“ zeigen?

Der erste Kandidat in die „neuen Subjekte der Russischen Föderation“ wurde noch letztes Jahr genannt – das ist die sogenannte „Republik Südossetien“. Die gesamte Drecksarbeit wurde in dieser Region schon gemacht: die Zchinwali Region wurde von Georgien, zu dem sie nach internationalem Recht gehört, abgetrennt; sie wurde schon von Russland und einigen Bananenrepubliken als „unabhängiger Staat“ anerkannt, de facto ist sie schon in praktisch alle russischen Strukturen integriert worden, und die Mehrheit der Bevölkerung hat die russische Staatsbürgerschaft. Es ist nicht mehr viel zu tun geblieben, man muss nur in dieser mikroskopisch kleinen Region ein Pseudoreferendum nach dem Krimer Vorbild abhalten, sie zu einem Subjekt der Föderation erklären (die in Wirklichkeit ein ziemlich unitärer Staat ist) und sie im tollpatschigen Versuch, die Spuren des Verbrechens zu verwischen, mit Nordossetien in ein „Einiges Ossetien“ zusammenfügen.

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Unter anderem musste das zu einem mitreißenden Vorbild für die zukünftige „Wiedervereinigung“ aller anderen „abgetrennten“ Territorien werden (selbstverständlich, als ein Bestandteil Russlands oder seines Satelliten Armeniens); allen voran – für die von Russen bevölkerten Teile im Osten von Estland und Lettland und im Norden von Kasachstan, aber auch für die von Armeniern bevölkerten Teile Südgeorgiens, von Gagausen und Bulgaren bevölkerten Territorien im ukrainischen und moldauischen Budjak, awarischen und lesgischen Teilen von Nordaserbaidschan, tadschikischen Teilen von Südusbekistan usw.

Wenn man den Kremlmedien blindes Vertrauen schenkt, müsste Transnistrien zum nächsten (nach der Zchinwali Region) „Subjekt“ des Imperiums werden, dem in diesem Fall noch Belz, Gagausien und Taraclia [3] folgen könnten, wäre nur die Entfernung zu Russland oder wenigstens zur von ihm besetzten und annektierten Krim nicht so groß. Es ist schwer vorstellbar, dass Moskau in der nächsten Zeit erneut einen groß angelegten Krieg gegen die Ukraine ankurbelt, um sich nach Tiraspol durchzuschlagen, wenn es im Bezug auf Charkiw und Saporischschja (und weiter – bis zur Grenze mit Rumänien) sogar während der aktiven Phase des Krieges in 2014-2015 nicht gelungen ist. Davon abgesehen spricht die Meuterei des sogenannten transnistrischen Parlaments gegen den gleichermaßen sogenannten transnistrischen Präsidenten, einen konsequenten Befürworter des Anschlusses von Transnistrien an Russland, eher dafür, dass das wenigstens momentane Ziel von Kreml keine Aneignung dieses ideologisch verseuchten Territoriums, sondern seine Integration in den politischen Körper der Republik Moldau „auf der föderativen Grundlage“ ist. Denn genau dasselbe kann man auch am Beispiel mit den terroristischen Formationen „L/DVR“ beobachten.

Wie dem auch sei, es ist ganz offensichtlich, dass wir auf die falsche Fährte geführt werden, was in Wirklichkeit bedeutet, dass der Kreml seinen Unfug an einem anderen Ort und wahrscheinlich in einer etwas anderen Form vorbereitet. Nachfolgend zeigen wir, dass das nicht nur im Bezug auf geographische Perspektiven der „russischen Welt“ zutrifft.

Trotz der scheinbaren Ähnlichkeit der abchasischen Situation mit der in Zchinwali, wäre der Anschluss von Abchasien ziemlich problematisch. Es liegt daran, dass nach der Vertreibung der Mehrheit der Urbevölkerung (Georgier) eine nationale Minderheit (Abchasen) daran zu glauben anfing, dass Abchasien in Wirklichkeit ein eigenständiger und unabhängiger Staat wäre, und sie, die Abchasen, die tatsächlichen und einzigen Herren dieses „Landes“ wären. Demzufolge fingen sie an, andere nationale Minderheiten anzupöbeln – Armenier und sogar Russen. So werden beispielsweise einheimische Russen oft zu Opfern der gewaltsamen Entwendung ihrer Wohnungen und Häuser; und der heutige „Präsident“ des Marionettenstaats Abchasien R.Hadjimba (damals war er jedoch nur ein „Vizepräsident“) behauptete mal, dass Armenier die Einigkeit „der abchasischen Gesellschaft und des abchasischen Staates“ zerspalten könnten. Womöglich braut sich in Abchasien ein neuer ethnischer Krieg zusammen, im Laufe dessen Russland sich zwischen den ehemaligen Verbündeten/Mandataren (Armenier oder Abchasier) entscheiden müssen wird. Insbesondere nachdem Informationen aufgetaucht sind, dass der „Held von Neurussland“ A.Pawlow, besser bekannt als „Motorola“, von keinen anderen beseitigt werden könnte [4], als den Kämpfern der illegalen Bandenformation der „DVR“ „Pjatnaschka“, die von abchasischen Separatisten gebildet wurde.

Unter diesen Umständen wird sich die Wiederholung der „Zchinwali Option“ in Abchasien schwierig gestalten. Aber wenn auch Abchasien verschlungen werden sollte, was soll W.Putin als nächstes tun? Ob es einem gelingen würde, den imperialistischen Hunger mit solchen Happen zu stillen?

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General A.Ter-Tadewosjan, der davon träumt, die Grenzen der „Republik Bergkarabach“ näher an Russland heran zu verschieben.

Natürlich könnte man hier erwähnen, dass laut einer im September letzten Jahres vom Gallup Institut durchgeführten Umfrage über die Hälfte der Bevölkerung Armeniens ihr Land gern als einen Teil Russlands sehen würde [6]. Das wirft aber eine Frage auf: was würde die andere Hälfte der Bevölkerung dieses Landes von solcher Entscheidung halten? Und wie würden darauf die russischen Nationalisten reagieren, die permanent über die „Überfremdung Russlands durch Kaukasier “ besorgt sind (geschweige von der Reaktion praktisch aller benachbarten Länder)? In anderen Worten: ist das Unterfangen überhaupt der Mühe wert? Hier sollte man jedoch anmerken, dass noch vor zwei Jahren der ehemalige sowjetische und später armenische Generalmajor und der „Held von Arzach“ Arkadij Ter-Tadewosjan sich dazu in derselben Art äußerte: es sei an der Zeit [7], die Grenzen der „Republik Bergkarabach“ näher an Russland heran (oder umgekehrt) zu verschieben, also einen „Korridor“ zwischen dieser Marionettenrepublik und dem russischen Dagestan durchzustoßen. In diesem Fall wird sich nicht nur die „Republik Bergkarabach“, sondern ganz Armenien mit Russland vereinen können (sollte im Kreml die entsprechende Entscheidung getroffen werden).

Eine verlockende Beute wäre auch Kasachstan, denn es ist allgemein bekannt, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung seiner nördlichen Gebiete ethnische Russen sind, viele von denen ihre irredentische Stimmung nicht verheimlichen, dabei ist die kasachisch-russische Grenze praktisch ungesichert. Das stimmt zwar alles, aber jeder Versuch Russlands, Kasachstan oder seinen nordwestlichen Teil zu annektieren, würde unausweichlich dazu führen, dass Moskaus Beziehungen mit Beijing sich noch schneller verschlechtern, als mit Brüssel und Washington. Und genau das versucht man im Kreml möglichst zu vermeiden, denn trotz der scheinbaren Unzurechnungsfähigkeit von Putins Regime sind bei diesen Typen die Wände nicht mit Bleifarbe gestrichen. In anderen Worten ausgedrückt, machen sie sich sehr wohl Gedanken darüber, wie sie ihre kriminellen Pläne mit den geringsten Unkosten verwirklichen.

Deswegen scheint die Republik Belarus angesichts der eventuellen russischen Expansion am meisten verwundbar zu sein. Die kremlischen „Sammler russischer Territorien“ rechnen damit, dass ein bedeutender Teil der belarussischen Bevölkerung einer Perspektive der Vereinigung ihres Landes mit Russland zustimmt oder von dieser Perspektive nicht dermaßen abgeneigt ist, als dass sie die Freiheit und Unabhängigkeit eigenes Landes mit Waffen verteidigen würde. Den belarussischen Beamten von Zentral- und Ortsverwaltungen wird ständig signalisiert, dass sie im Falle ihrer Loyalität gegenüber der Idee der Allrussischen Einigkeit damit rechnen können, ihre Ämter zu behalten, nachdem Belarus seine Souveränität verliert. Außerdem geht man davon aus, dass die belarussischen Militärangehörigen psychologisch nicht dazu bereit sind, auf ihre russischen Kollegen zu schießen. Anders gesagt wird Belarus vom Kreml als eine Art Analogon von Krim betrachtet, nur mit der fünffachen Bevölkerungsanzahl.

Bis zum Beginn der Krimaffäre im Februar 2014 wurde die Meinung der Öffentlichkeit hauptsächlich prorussisch bearbeitet, und nur jetzt, in den letzten zweieinhalb Jahren, bekommt die belarussische Regierung und ein zunehmend großer Teil der Bevölkerung ein klares Verständnis dessen, dass sie doch etwas zu verlieren haben und dass es sich lohnt,  dieses etwas zu verteidigen.

Darüber hinaus ist es kein Geheimnis, dass in Russland schon seit recht langer Zeit die Bearbeitung der öffentlichen Meinung eigener Bevölkerung betrieben wird, im Laufe derer ein unschönes Bild von Belarus und seiner Regierung in den Köpfen von Russen verankert wird. Das offizielle Minsk wird beschuldigt, ein Komplott mit dem Westen zu schmieden und die Ideale der „heiligen Rus“ verraten zu haben, sowie sich mit belarussischen Nationalisten angefreundet und sogar die Politik der „Belarussifizierung“ des eigenen Landes angefangen zu haben.

Eine destillierte Kostprobe solcher Beschuldigungen (und Drohungen) wurde auf „EurAsia daily“ am 5.Oktober [8] dieses Jahres vom professionellen „Belarussologen“ Artur Grigorjew veröffentlicht:

„Die Suche nach den Geldern wurde zu einem der Gründe für die Entscheidung belarussischer Regierung für die „Mehrvektorpolitik“, hinter der sich an erster Stelle das Bestreben nach der Obhut von der EU und den USA mit der unausweichlichen Umstellung auf die antirussische Haltung verbirgt. Abgesehen von dem Westen ist die Mehrvektorpolitik auch auf China gerichtet, in dem die belarussische Regierung naiv einen potentiellen Sponsor sieht. Zum Teil dieser außenpolitischen Strategie wurden die seit 2008 geführte innere Politik der „Belarussifizierung“ und die Verbreitung des Nationalismus mit polnisch-litauischen Wurzeln, die die Zustimmung und die Unterstützung des Westens genießen. Ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen zu nehmen, entschloss sich die belarussische Regierung in ihrer Lust für geopolitische Spiele, die brenzliche Lage des Landes als Pufferzone zwischen Russland und dem Westen in ein Handelsgut zu verwandeln, das an beide Seiten verkauft werden kann“.

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Autoren der „Nekrologen“ an das belarussische Staatswesen Aleksej Dsermant (1), Pawel Swjatenkow (2), Michail Remisow (3) und Jurij Barantschik (4).

Eine gründliche Analyse derartiger Propaganda bedarf einer ganzen Monografie, wenn nicht mehrerer. Nehmen wir deswegen 4 zufällige Tage im August dieses Jahres. So stellte Kolerows Portal „Regnum.ru“ [13] am 4. August eine Rednerbühne dem gut informierten belarussischen Politologen Aleksej Dsermant zur Verfügung, der den Lesern mitteilte, dass „nach Lukaschenko“ „ein Vertreter der Geheimdienste oder Innentruppen zum neuen Staatschef wird (diesem Umstand möchte ich besondere Aufmerksamkeit schenken – Anm.d.Autors), der sich auf Russlands Unterstützung stützen wird“. Er würde „Belarus zu einer engeren Zusammenarbeit mit Russland und der Eurasischen Union anspornen“ und die Sicherheit von Belarus könne während seiner Amtszeit „nur in einem engen Bund mit dem militärisch-industriellen Komplex Russlands“ gewährleistet werden, darüber hinaus „wird die Frage der Erhöhung des Beteiligungsprozentanteils von Belarus im staatlichen Verteidigungsauftrag Russlands zu einer der Prioritätsfragen“.

Wie man sieht, kritisiert Dsermant den Präsidenten Lukaschenko nicht einmal, sondern redet über ihn einfach in der Vergangenheit. Über die Abschaffung des belarussischen Staates wird auch nicht offen geredet, aber es wird vorausgesetzt, dass er zum Anhängsel des russischen militärisch-industriellen Komplex werden soll, und folglich – zur Geisel russischer Militäraffären (was der heutige Regierung immerhin zu vermeiden gelungen ist).

Und schon am nächsten Tag, am 5. August, beschuldigte ein anderer (diesmal russischer) Politologe, ehemaliger Mitarbeiter des Instituts für Nationalstrategie Pawel Swjatenkow die belarussische Regierung in einem anderen imperialistischen Portal „EurAsia daily“ [14] dessen, dass „sie immer von dem Ansatz ausgehen wird, dass es keine Bindungen zwischen Russland und Belarus gibt. Und sie erhält diesen Ansatz um jeden Preis aufrecht, obwohl die Unterstützung solcher Konzepte der ukrainischen Regierung schon ein gesetzmäßiges Ende bereitet hat“. Eine seltsame Andeutung auf den erbärmlichen Abgang von Janukowitsch. Dagegen kann seiner Meinung nach „die Vorstellung von einem einheitlichen russischen Volk zur Grundlage für die Einigkeit von Russland und Belarus werden“.

Spätestens hier müsste schon jedem klar werden, dass ein einiges Volk keine zwei Staaten braucht. Wir schlagen aber vor, besondere Aufmerksamkeit auf folgende Worte im Interview mit P.Swjatenkow zu richten: „Belarus und Russland werden auch weiterhin voneinander abdriften, wenn sich irgendwas nicht schlagartig ändert“. Allem Anschein nach meinte der Politologe unter einer „schlagartigen Veränderung“ alles andere als die anfallenden Wahlen in Belarus. In anderen Worten sieht er nicht nur keine Zukunft für den belarussischen Staat, sondern vermutet (oder sogar weiß), dass die Existenz dieses Staatswesens durch bestimmte radikale (höchstwahrscheinlich – gewaltsame) Mittel unterbrochen wird.

An demselben Tag äußerte sich auf demselben Portal [15] zum selben Thema der Präsident desselben Instituts für Nationalstrategie Michail Remisow, der jedoch nicht so gnadenlos zu den Perspektiven des belarussischen Staatswesens war. Er erkannte zwar die Unansehnlichkeit des Eurasischen Projekts für Belarus an (wie auch davor – für die Ukraine), schlug aber vor, das russische Integrationsprojekt als „ein anderes Europa“ zu positionieren. Anders gesagt, wäre das dieselbe superstaatliche Formation, wie die zuvor geplante Eurasische Union, nur mit einem anderen Namen, so eine Art „anti-europäisches Europa“ mit dem Zentrum in Moskau. In den restlichen Fragen betet Remisow Herrn Dsermant nach – auch er glaubt, dass die Selbstverwirklichung von Belarus nur im „Raum der russischen Kooperation“ möglich wäre, in dem Belarus über eine „größere Autonomie“ und sogar über „das akzeptable Höchstmaß an Souveränität“ verfügen würde. Was unter diesen Wortfügungen gemeint ist, hat Remisow nicht erläutert.

An dieser Stelle sollte man daran erinnert werden, dass in der Internetausgabe des Instituts für Nationalstrategie, „Agentur für politische Nachrichten“ (die Zweigstellen in St.Petersburg, Nischni Nowgorod [16] und sogar Kasachstan hat [17]), nicht nur M.Remisow und P.Swjatenkow ihre Ideen vorantreiben, sondern auch der stellvertretende Ministerpräsident der Russischen Föderation Dmitri Rogosin, der Hauptideologe des „Eurasientums“ Alexandr Dugin, der Vorsitzende des „Isborsk-Klubs“ [18] Alexandr Prochanow, der ehemalige Vorsitzende der New-Yorker Außenstelle des Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit (also der legalen Residentur der RF in den USA) und der Erfinder der Kollokation „guter Hitler“ Andranik Migranjan, der Leiter des „Fonds für effektive Politik“ Gleb Pawlowski und weitere derartige Funktionäre.

Am 6. August äußerte sich zum uns interessierenden Thema der Leiter des analytischen Informationsportals „Imperium“ und stellvertretende Direktor des Instituts für Informationskriege Jurij Barantschik auf „Regnum.ru“. Er versuchte den Leser davon zu überzeugen [19], dass „die Elite schon einen Nachfolger Lukaschenkos gewählt“ hätte, und dass es entweder der Sohn des belarussischen Präsidenten und sein Assistent in Fragen nationaler Sicherheit Wiktor Lukaschenko oder der heutige Außenminister Wladimir Makej sein würden.

Die „Barantschiks“ verstehen sehr wohl, dass die Dynastien postsowjetischer Herrscher kaum Begeisterung bei den Bürgern (sogar den russischen) finden, deswegen spitzen sie die Meinung der Öffentlichkeit im postsowjetischen Raum dagegen (und gleichzeitig – auch gegen den Präsidenten A.Lukaschenko) zu. Und der Chef der belarussischen Diplomatie wird gänzlich als ein ausgefuchster Gauner dargestellt, der „bei den Wahlen den Sohn des Präsidenten mühelos überholen würde“, wonach die ganze belarussische Elite (nach der Aussage von Barantschik) „sich dreinfügen“ würde. Die Elite würde, „ohne dies vom Staatschef zu verheimlichen“ (unter seiner Mitwisserschaft vielleicht?), schon „ihren belarussischen Maidan vorbereiten“.

Und „Maidan“ ist noch gar nichts. Wie es sich herausstellt, schlägt der heimtückische W.Makej dem Belarus auch „die Europäisierung, Katholisierung, Trennung von der russischen Welt und Entfernung des Landes vom Frontaufprall Russlands mit dem Westen“ (was für ein Dreckskerl!) und sogar „die Transformation in die zweite (…) Schweiz“ vor!

Der wachsame Veteran der Informationskriege merkt an, dass „infolge des weichen Souveränitätsspielchens Belarus schon in wenigen Jahren zum Element des polnischen (und in Wirklichkeit – amerikanischen) Konzepts des Intermariums mit allen daraus resultierenden Folgen“ wird. Nachstehend artikuliert Kolerows Autor eine strikte Warnung an die Bürger von Belarus, die sich nicht auf die Stufe von irgendeiner Schweiz zwischen zwei Meeren herablassen wollen, dass „diese Situation nur in dem Fall eintreten würde, wenn Lukaschenko es nicht schafft, die Regierung an seinen Nachfolger noch zu Lebzeiten zu übergeben“ (Gott sei dank, wurden in diesem Artikel keine Optionen der Machtübergabe post mortem thematisiert).

Wir können also verzeichnen, dass Barantschiks Kuratoren folgendes dem belarussischen Präsidenten dringend anraten:

Und schließlich beklagte sich am 7. August im gleichen „Regnum“ noch ein Politologe, Nikolaj Radow, über die Uneinsichtigkeit des offiziellen Minsk in dem von ihm veröffentlichten Artikel [20] „Warum man in Belarus nach den „Handlangern der russischen Welt“ zu suchen anfing?“

Ansonsten sind die Titel anderer Artikel dieses Autors nicht weniger informativ, zum Beispiel „Belarus fängt an, sich wie Ukraine zu benehmen“ [21] (16.05.2016), „Vor wem will sich Belarus verteidigen?“ [22] (20.08.2016), „Wozu will man in Belarus einen Krieg gegen Russland führen?“ [23] (28.08.2016), „Neue Militärdoktrin von Belarus: gegen wen will Lukaschenko einen Krieg führen?“ [24] (29.08.2016) und der in unserem Fall besonders interessante Artikel „Die Hysterie: Erwartet Belarus das Krim-Szenario?“ [25] (06.03.2016).

Wir möchten zugleich anmerken, dass es auf dem „Regnum“ Portal sogar zwei antibelarussische Rubriken gibt – „Die Erbauung der Nation in Belarus“ (in der es meistens darum geht, dass Belarussen ein künstlich entstandenes Volk sind) und die unheimliche „Zukunft von Belarus nach Lukaschenko“. Man sollte nicht vergessen, dass N.Radow zusammen mit dem zuvor erwähnten J.Barantschik, Nikolaj Scheljagowitsch, der den westpolesischen Separatismus künstlich zu schüren versuchte, und Kirill Awerjanow, der die östlichen Gebiete von Belarus an Russland „zurückgeben“ wollte, alle eine ständige Plattform auf der Seite „Treues Volk“ [26] haben (mehr zu diesen Personen können Sie in einem anderen Artikel des Autors nachlesen: „I.Melianas: Die Zergliederung von Belarus ist eine Ersatzvariante des Kremls“ [27] – IN). Übrigens rief K.Awerjanow nur vor kurzem Moskau wieder zu einer Invasion auf: [28] „Heute, wie auch in den alten Zeiten der litauisch-polnischen Herrschaft in der Weißen Rus, wird die Hilfe aus dem brüderlichen Großrussland zur einzigen Hoffnung von Belarussen (als Belarussen bezeichnet er nur den pro-russisch gesinnten Teil der Bevölkerung des Landes, die pro-europäisch gesinnten werden von ihm dagegen als „Litvinen“ bezeichnet – I.M.). Die Russische Föderation muss die belarussische Mehrheit, die einen stabilisierenden Faktor im westlichen Teil der russischen Welt darstellt, in Obhut nehmen. Andernfalls riskiert das in zwei Nationen zerteilte Belarus, den Weg der Ukraine zu wiederholen, wo die ukrainische politische Nation die russische in allen Sinnen des Wortes vernichtet“.

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Putins „Minister ohne Geschäftsbereich in Fragen der Desintegration benachbarter Länder“ W.Surkow mit seinem Chef und das Logo der Belarus-feindlichen Seite „Treues Volk“

Die Herren N.Radow und J.Barantschik auf der Plattform des „Treuen Volkes“ wurden nicht umsonst als ein Bindeglied zwischen den „Architekten“ (oder genauer gesagt – den „Zeichner“) des geplanten Sturzes des belarussischen Staates N.Scheljagowitsch und K.Awerjanow (einerseits) und dem Gründer von „Regnum“ M.Kolerow (andererseits) bezeichnet. Es handelt sich nämlich um einen bekannten Funktionär, dem die Einreise in eine ganze Reihe postsowjetischer Staaten verboten wurde und der mit den Orden von drei nicht anerkannten „Staaten“ geehrt wurde, und der 2008 das „Internationale Institut modernster Staaten“ [31] gründete, dessen Zweigstellen sich auf den von Russland oder seinen Satellitenstaaten besetzten Territorien befinden – auf der Krim, in Transnistrien, Abchasien, in der Region Zchinwali, Bergkarabach und sogar zwischen den Dünen „Sahrawiens“ (Westsahara). Bis vor kurzem wurden auf der Seite des „Instituts“, dessen Arbeit angeblich der Prävention ethnischer Konflikte gewidmet ist, die Partner des Instituts aufgelistet, wie beispielsweise andere Kolerows Seiten „Rex“ [32] und „Ostkraft“ [33].

Darüber hinaus waren unter ihnen die Seiten des „Europäischen Zentrums für geopolitische Analyse“ [34] des polnischen Eurasiers Mateusz Piskorski (mit dem Server in Polen), der „Regionalen gemeinnützigen Organisation für Demokratie und Völkerrechte“ [35], separatistische (oder doch irredentische?) Seiten von „unabhängigen“ Abchasien [36] (seit 2005), Südossetien [37] (seit 2004, mit dem Server in Großbritannien), Transnistrien [38] (mit dem Server in Russland) und „Bergkarabach“ [39] (seit 2008, mit dem Server in Armenien).

Interessant, dass man hier nicht nur die Seiten des formal legalen moldauischen Gagausiens [40], sondern auch die der mysteriösen „Republik Subkarpatische Rus“ [41] in der Ukraine (erinnert etwas an „Jatwigien“, nicht wahr? Serverstandort: USA), der „Arabischen Demokratischen Republik in Sahara“ [42] aus Marokko (mit dem Server in der Schweiz) und der Demokratischen Partei Kurdistans [43] (Serverstandort: Russland). Wir vermuten, dass es noch keine vollständige Liste ist, denn keiner kann mit Sicherheit behaupten, ob sie nicht von irgendwelchen weiteren Wizebsker, Grodnoer oder Brest-Pinsker „Volksrepubliken“ ergänzt wird.

Nach einer gewissen Zeit wurde Kolerow wahrscheinlich von seinen Kuratoren darauf hingewiesen, dass die dermaßen offensichtliche Demonstration der Unterstützung all dieser pro-russischen „Separatismen“ aus einem Zentrum überflüssig ist, wonach die „Partner“ des Kolerows Instituts von seiner Seite unauffällig verschwunden sind…

Doch die oben aufgelisteten „Partner“ des internationalen Instituts modernster Staaten geben noch keine vollständige Übersicht. Folgendes steht in den „Grundrichtungen und Zielen“ [44]einer Zweigstelle des Instituts namens Baltisches Forschungszentrum: „Bei der Gründung des Baltischen Forschungszentrums ging das Internationale Institut modernster Staaten von dem grundlegenden Postulat der außenpolitischen Doktrin der Russischen Föderation aus, das die sogenannten postsowjetischen Länder als solche definiert, die im Laufe der Umwandlung sowjetischer sozialistischer Republiken, die souveräne Teile der UdSSR repräsentiert hatten, zu neuen Staaten entstanden sind, die keine Nachfolger oder Fortführer von davor existierenden staatlichen Formationen sind. Dieses Postulat wurde auch vom Gesetzgeber festgehalten, denn Russland übernahm die Funktionen des Nachfolgerstaates von der UdSSR und der RFSSR“. Dies legt nahe, dass wir alle (also die, die im putin-kolerowschen Neusprech als „modernste Länder“ bezeichnet werden) nur dank der Gnade des „Nachfolgerstaates“ existieren.

11-im [45]13-im [46]

M.Kolerow und das Logo der Seite „Regnum“

So sieht also das Institut und darin arbeitende Politologen aus – „Experten in belarussischen Fragen“, die allem Anschein nach dem putinschen „Minister ohne Geschäftsbereich in Fragen der Desintegration benachbarter Länder“ W.Surkow untergeordnet sind. Aber auch damit ist die Vielfalt der Informationssabotage von Kremls Dienerschaft gegen Belarus nicht erschöpft. In ihrem Arsenal befinden sich auch die Gründung der zukünftigen Regierungspartei [47] (sogar ein passender Name wurde schon vorgeschlagen – „Einiges Belarus“) und die sogenannte Wikipedia-Aggression, wenn dem Massennutzer von Wikipedia eine Fälschung vorgeschlagen wird, die die bevorstehenden Handlungen Russlands bezüglich der Nachbarstaaten rechtfertigen sollte.

Zum Beispiel erschien vor kurzem, am 15. August 2016, im russisch-sprachigen Artikel namens „Die Liste aktiver separatistischer Bewegungen in Europa“ [48] ein neuer Abschnitt, der Belarus gewidmet wurde. Diesem Artikel zufolge existieren ganze drei separatistische Bewegungen in Belarus: die polesische (in den Territorien mit polesischer Bevölkerung), die entweder einen unabhängigen Polesischen Staat oder eine Vereinigung mit der Ukraine anstrebt, die eine Vereinigung mit Polen anstrebende polnische (im Westbelarus) und die russische Bewegung, die die Vereinigung mit Russland in Aussicht hat (im Ostbelarus). Auf diese Weise wird dem Wikipedia-Nutzer der Gedanke vermittelt, dass Belarus ein „künstlicher“ und „nicht lebensfähiger Staat“ ist, der von verschiedenen Arten von Separatismus buchstäblich in Stücke zerrissen wird.

In Wirklichkeit gibt es überhaupt keinen polesischen (oder „jatwjagischen“) Separatismus, und Polen und Ukraine haben keine territorialen Ansprüche an Belarus und unterstützen keine irredentistischen Stimmungen unter eigenen Landsleuten in diesem Land (auch wenn solche tatsächlich existiert hätten). Wir haben es hier mit einem erneuten Versuch zu tun, antipolnische und antiukrainische (und dadurch – antiwestliche) Stimmung bei Belarussen zu verbreiten und dadurch Ausfälle von polnischen und ukrainischen marginalen Radikalen zu provozieren. Aber das Hauptziel dieser Provokation ist es, die Vorbereitung zur Aggression seitens Russlands zu vertuschen und zu versuchen, die Verantwortung wenn nicht mit Warschau und Kiew (worauf sie sich niemals einlassen), dann wenigstens mit den zwar nicht zahlreichen, aber lauten (möglicherweise auch vom Kreml finanzierten) Gruppen von polnischen und ukrainischen „National-Patrioten“ zu teilen. Dies alles erinnert an die Anstrengungen von Putins Propagandisten in 2014 – ihren Wunsch, Polen, Ungarn und Rumänien an die Aufteilung der Ukraine heranzuziehen. Sie konnten aufrichtig nicht verstehen, warum die strohdummen Europäer sich nicht überstürzen, die passende Gelegenheit zu nutzen.

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Man kann sich nur wundern, warum es bis jetzt noch keine Ansprüche an Belarus von irgendwelchen Gruppen von litauischen National-Patrioten gab, besonders wenn es auch einen historischen Grund dafür eigentlich gäbe, denn laut des russisch-litauischen Abkommens vom 12. Juli 1920 sollen Grodno, Lida, Smorgon, Postavy und Braslau [50] mit anliegenden Territorien an Litauen übergehen. Obwohl es nicht ausgeschlossen ist, dass unsere litauischen National-Patrioten nach Erhalt des entsprechenden Befehls von sich nicht hören lassen…

Immerhin scheint Kreml nicht davon überzeugt zu sein, dass es ihm gelingt, Belarus genauso blutlos anzugliedern, wie die Krim, deswegen wurde vor kurzem in der Nähe der belarussischen Grenze mit der Formierung eines neuen Truppenverbandes angefangen, deren Bestand nach Bedarf „internationale Hilfe“ an irgendwelche Kriminelle und „grüne Männchen“ leisten könnte, die zufällig irgendwo bei Wizebsk, Mahiljou oder Homel auftauchen könnten. Die Rede ist von der wiederherstellten 144. motorisierten Schützendivision in Jelnja [51] Smolensker Gebietes (etwa 10 000 Menschen) und der 28. motorisierten Schützenbrigade in Klinzy [52] Brjansker Gebietes (etwa 5000 Menschen), die in den Smolensker und Brjansker Gebieten auf der Basis von den hierher transportierten Truppen der 28. SMSBr aus Jekaterinburg komplettiert werden, die bedeutende Kampferfahrung aus Donbass haben.

Zuerst hat man versucht, uns davon zu überzeugen, dass die Ingangsetzung dieser (und zweier weiteren Divisionen an der ukrainischen Grenze) nur eine Antwort Russlands auf die Stationierung von vier NATO-Bataillonen in Polen, Litauen, Lettland und Estland sei. So hat auch Sergej Schoigu, der Verteidigungsminister Russlands, bei einer Tagung des gemeinsamen Ausschusses der Militärbehörden von RF und Belarus in Minsk behauptet [53], dass „die Handlungen von USA und anderen NATO-Mitgliedern (…) Russland dazu zwingen, Gegenmaßnahmen der defensiven Art zu ergreifen, darunter auch in der westlichen strategischen Richtung“.

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Gut informierte Personen, die ernsthaft (?) mit der Möglichkeit der ukrainischen Invasion ins Smolensker Gebiet rechnen: Russlands Botschafter in Belarus A.Surikow und der Leiter des Zentrums für strategische Analysen und Technologien, Mitglied des öffentlichen Rats des Verteidigungsministeriums RF R.Puchow. Darunter – das Logo des von Puchow geleiteten Zentrums.

Schon möglich, aber dann stellt sich die Frage, wie zweckmäßig das ist, den 4000 NATO-Soldaten die ganzen 30 000 „heldenmütiger“ russischer Krieger entgegenzusetzen. Hier könnte es nur zwei Antworten geben – entweder schätzt Putin die Kampffähigkeit seiner Truppen als sehr gering ein, oder es sind gar keine NATO-Kräfte, mit denen diese Truppen zu kämpfen vorhaben.

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Auf dem Foto: Neue Divisionen an der westlichen Grenze. Jelnja, Bogutschar, Nowotscherkassk – Stationierungsorte neuer Divisionen, deren Komplettierung für 2016 geplant ist. Allem Anschein nach wird die wiederherstellte 144. Motorisierte Schützendivision nicht für den Vorstoß nach Kiew genutzt werden können, sondern nach Wizebsk, Mahiljou und Homel.

Es ist bemerkenswert, wie russische Redekünstler schon kurz danach eine andere Platte auflegten und auffallend nervös sich zu rechtfertigen und zu bekunden anfingen, dass die Verstärkung der russischen Truppengruppierung (der 1. Garde-Panzerarmee) auf der belarussischen Grenze „nur“ für die Invasion in die Ukraine bestimmt sei und deswegen keine Gefahr für Belarus darstellen würde. „Und was Klinzy und die Entstehung dort einer Militärbasis angeht, was hat Belarus damit zu tun?“muckte [58] Russlands Botschafter in Belarus Aleksandr Surikow, der nachdrücklich betonte, dass die Entstehung der Militärbasis „eine präventive Maßnahme der Reaktion auf die wachsende militärische Bedrohung der RF seitens der Ukraine“ darstelle. Man möchte sich sofort vorstellen, wie die ukrainischen Kriegstreiber mit ihren Bajonetten die Zuverlässigkeit russischer Grenzen irgendwo bei Smolensk nach Schwachstellen abgrasen…

Auch Ruslan Petuchow [59], der Leiter des Zentrums für strategische Analysen und Technologien [60] und zugleich Mitglied des Gemeinschaftsrates des Verteidigungsministeriums Russischer Föderation, hat etwas derartiges zu beweisen versucht. Herr Petuchow machte kund [61], dass diese Truppenverbände „bei Bedarf (…) in der Lage dazu sind, einen rasanten Vorstoß nach Kiew zu unternehmen“; der „unabhängige“ Militäranalytiker Anton Lawrow betete ihm nach [62], indem er all dies als „die Verstärkung der Grenze mit der Ukraine“ schilderte.

An dieser Stelle kann man die zutreffende Bemerkung von Andrej Illarionow nicht bestreiten, der darauf hinweist [63], dass die Entfernung zwischen beispielsweise Jelnja und der belarussischen Grenze kleiner als die Entfernung (und die Unwegsamkeit) zwischen Jelnja und der Grenze mit der Ukraine ist, d.h. die russischen Haudegen könnten sich genauso gut irgendwo bei Pskow auf die Invasion in die Ukraine vorbereiten.

(Anmerkung der IN-Redaktion. Zum ersten Mal wurden die Vorteile der belarussischen Richtung für die 144. SMSBr in unserem Artikel beschrieben [51], dem A.Illarionow die schematische Darstellung entnahm).

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Womöglich fiel die „belarussische Wahl“ Putins (das Männlein neben D.Peskow auf dem Bild links) auf F.Klinzewtsch (der Kerl im Fallschirmjägerbarett auf dem Bild rechts).

Wie man sehen kann, werden wir nicht nur bezüglich der Territorien belogen, die Putin in der nächsten Zeit in die wunderbare „russische Welt“ (oder doch in den „russischen Krieg“?) stürzen möchte. Genauso werden wir auch über die tatsächlichen Absichten der Stationierung zusätzlicher Streitkräfte an der belarussischen Grenze und über den mutmaßlichen „Nachfolger“ A.Lukaschenkos im Amt des belarussischen Staatschefs belogen. Es ist nicht grundlos anzunehmen, dass Moskau für diesen Posten nicht Wiktor Lukaschenko oder W.Makej in Betracht zieht, sondern den ehemaligen Politkommissar der Fallschirmjäger, den professionellen Anführer der russischen Organisation der Veteranen von Afghanistan und Mitglied des Politbüros des „Einigen Russlands“ Franz Klinzewitsch. Wie auch Putin selbst, ist Klinzewitsch ein Bürooberst, der schon Arbeitserfahrungen auf besetzten Territorien (2002 wurde er zum Sekretär der Parteiorganisation des „Einigen Russlands“ in neulich erobertem Itschkerien) gesammelt hat.

Der aus der Vilnius Region stammende Pole F.Klinzewitsch ist schon seit langem im Belarus-nahen politischen Umfeld zu sehen. Im Dezember 2011 wurde er zum Abgeordneten der russischen Staatsduma vom (ethnographisch gesehen) eigentlich belarussischen Smolensker Gebiet, einige Jahre später, im September 2015, wurde er zum Vertreter dieses Gebietes beim Föderationsrat der Föderationsversammlung RF. Abgesehen davon agiert er als der stellvertretende Leiter des Sicherheits- und Verteidigungskomitees des Föderationsrates und Mitglied des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung der Parlamentsversammlung des sogenannten „Unionsstaates Russland und Belarus“.

Bis die vermutliche inoffizielle Entscheidung über den möglichen Einsatz von F.Klinzewitsch als „Retter des belarussischen Volkes“ getroffen wurde, hat er sich niemals weder durch besondere politische Sichtweite noch durch seine Redegabe bemerkbar gemacht. Hier ist ein Beispiel seiner damaligen (Mai 2014) Interviews, in dem er über seine Lebensziele redet: [66]Ich hatte vier Lebensträume. Erstens, ein Pilot zu werden. Zweitens, ein General zu werden. Drittens, verdienter Sportmeister zu werden. Und viertens, Held der Sowjetunion zu werden“ (F.Klinzewitsch wurde weder Pilot noch General, Sportmeister oder Held der Sowjetunion). Und hier gibt’s mehr über seine kulturellen Ansprüche: „Ich sehe mir alles an, ich liebe das Fernsehen sehr. Alle, die mich kennen, wissen das. Ich kann nirgends sein, überall muss es gute Sanitärzellen, gutes Sofa oder Bett und einen Fernseher geben. Der Rest (…) spielt keine Rolle. (…) Zuhause habe ich überall Sofas, sogar in der Küche“.

Nachdem man so etwas liest, erscheint A.Lukaschenko geradezu als ein Akademiemitglied im Vergleich zu diesem Oberst (es ist bekannt, dass Putin von jeder Runde der Gespräche mit belarussischem Präsidenten sehr entkräftet wird). Nichtsdestotrotz ist in Klinzewitsch vor einer bestimmten Zeit ein echter Staatsmann erwacht, der, wie es sich herausstellt, in den unterschiedlichsten Fragen der Theorie und Praxis des Daseins Experte ist, wie z.B.:

Es wird also auf diese Weise versucht, den Durchschnittsbürger mit dem Gedanken anzufreunden, dass ein neuer unauslöschlicher Stern auf dem politischen Horizont aufgeht. Wir würden aber besondere Aufmerksamkeit auf die Bemerkungen dieses „Sterns“ richten, die Belarus unmittelbar betreffen, wie beispielsweise das, was er noch im April 2016 äußerte [72]: „Belarus sollte keine Spielchen mit dem Westen spielen, das könnte zu traurigen für Belarus Folgen führen“. Wenn das keine Drohung ist! Oder auf diese, relativ frische Äußerung [73]: „Der Unionsstaat hat seine Funktion erfüllt, er hat unsere Sicherheit gewährleistet“. Sollte das stimmen, dann braucht man ihn nicht mehr, und es taucht eine neue Frage auf – welche Formel für die Unterordnung von Belarus hat man in diesem Fall im Kreml im Sinn? Lesen wir Klinzewitschs Ansprache weiter: „Heute (…) wird eine massive Kampagne zur Diskreditierung Russlands geführt. Dadurch wird auch Belarus auf die Probe gestellt“. Ist dieser Hinweis klar?

Zugegebenermaßen liegt uns noch kein detaillierter von Putin unterschriebener Plan der Besetzung und Annexion von Belarus oder einem seiner Teile vor; wir haben auch keine Anweisungen von Surkow an einen belarussischen Medwedtschuk. Nichtsdestotrotz ist es offensichtlich, dass die dem Belarus drohende Gefahr ganz reell ist. Denn die Frage besteht nur darin, wann genau die russische Aggression mit dem vorangehenden „Volksaufstand gegen den Diktator, der sich dem Westen verkauft hat“ stattfindet. Deswegen muss die politische und militärische Führung westlicher Länder und internationaler Organisationen, die diese Länder vereinen, entsprechende Vorkehrungen treffen, die auf den Erhalt der Unabhängigkeit und territorialen Integrität des belarussischen Staates gerichtet sind. Das ist die notwendige Bedingung für die Prävention der russischen Expansion in der westlichen Richtung.


Dieses Material wurde von Imantas Melianas exklusiv für InformNapalm [74] vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko [75]; editiert von Irina Schlegel [76]. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.

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