
Der Reporter, Fernsehmoderator, Abgeordnete des russischen Parlaments über vier Amtszeiten, und nun Publizist Alexander Newsorow meint, dass die Kriegshandlungen in der Region von Donbass für Russland viel schlimmere Folgen als für die Ukraine haben und schließlich zu Revolution führen werden.
Nach seinen Worten läuft die sogenannte „Russische Idee“, egal wie sie ursprünglich formuliert war, immer auf dasselbe hinaus — die Notwendigkeit, jemandes Eingeweide um die eigenen Panzerketten zu wickeln. Dabei kann sie in schöne Worte wie „Geistigkeit“, „Güte“ und „Ideale der Gerechtigkeit“ verpackt sein.
„Die Situation in der Ostukraine ist für mich besonders dramatisch, weil viele meiner alten Freunde dort kämpfen – Menschen, mit denen ich die wichtigsten Momente in meinem Leben verbinde, gute und anständige Menschen, die unter der Wirkung derjenigen imperialen patriotischen Droge stehen, gegen die nicht mal die besten Vertreter der Menschheit immun sind. Nicht alle dort sind Gauner, Schurken oder Nazisten, aber es spielt keine Rolle mehr, denn ihre schreckliche Rolle haben diese Menschen schon gespielt.“ — sagt er.
Was seine Vorhersage zur Entwicklung der Situation betrifft, so äußerte Newsorow seine Überzeugung, dass „der Auslöser des Mechanismus eines großen und schrecklichen Krieges betätigt wurde, auch wenn nur wenige das schon verstanden haben. Und es ist unmöglich, diesen Prozess aufzuhalten, denn etwas verheerendes ist passiert – der Krieg ist außer Kontrolle geraten. Und ich fürchte, wir werden dies mit keinen Mitteln rückgängig machen können.
Er ist der Meinung, dass es viel schlimmer für Russland ausgeht als für die Ukraine. „Deshalb bin ich auch so besorgt. Glauben Sie mir, dass ich Ihrem Land gegenüber zärtliche Gefühle hege, und es ist mir nicht gleichgültig, was mit ihm passiert, aber noch mehr sorge ich mich um das Schicksal Russlands, denn hier lebe ich, und meine Angehörigen. Und Russlands Zukunft ist viel schrecklicher als die der Ukraine, besonders wenn man daran denkt, dass jemand Russland auf die dumme Idee gebracht hat, es besäße eine Armee.
Wie Newsorow sagt, „sind die russischen Streitkräfte keine Armee, und sind es nie gewesen — nicht zu sowjetischen Zeiten, nicht danach. Seitdem hat sich nichts geändert, sie wurden nur äußerlich ein bisschen getarnt: blinde Scharfschützen bekamen schöne Uniformen, taube Funker — neu gestrichene Helme, und der immer besoffene Oberstleutnant, der so gerne den Appell auf dem Minenfeld abhält (so etwas habe ich in Tschetschenien nicht nur einmal gesehen!) — wurde ein bisschen aufgehübscht.
„Was nun die heutige Situation betrifft, so ist sie einfach schrecklich, und wird von Tag zu Tag schlimmer. Der Krieg beginnt sehr selten aus dem heiteren Himmel, wie im Kino, und wird niemals aus dem Grund weitergeführt, aus dem er angefangen hat – täglich wächst der Schneeball aus Kränkungen, Hass, Propaganda — wie Block schrieb, „jeder Tag mehrt den Gram“. Am Ende hat man vergessen wie es angefangen hat. Und weil die Ereignisse eskalieren, ist es leider klar, dass wir unser heutiges Gespräch halbes Jahr später als kindisch und naiv empfinden werden, im Vergleichen zu dem Albtraum, den wir noch erleben werden.
Der Frieden ist etwas fragiles, und die Einsicht, dass er um jeden Preis gewahrt werden muss, hat uns alle leider wieder mal verlassen, und natürliche menschliche Eigenschaften — Dummheit, Gier, Aggressivität – haben Oberhand genommen. Ich hoffe sehr, dass die Ukraine genug Mut und Kraft aufbringen kann, um dem Einhalt zu gebieten, aber das wird nicht leicht sein“ — so der Publizist.
Übersetzt von Olena Köpnick