Offensichtlich ist, dass die Pandemie wichtige soziale und wirtschaftliche Auswirkungen für die Europäische Union mit sich gebracht hat. Von entscheidender Bedeutung ist aber, in diesen Corona-Zeiten auch andere fundamentale internationale Probleme nicht außer Acht zu lassen.
Europa wird die Folgen des Viruses mit zahlreichen Maßnahmen erfolgreich bekämpfen können. Aber es gibt ein gefährlicheres Problem als der Coronavirus, und zwar Russlands wachsender Einfluss.
Gerade ist wohl kaum jemand überrascht darüber, dass die russischen Trolle die Panik in Verbindung mit dem Coronavirus aufheizen und in den sozialen Netzwerken ausbreiten – dies sind wohl Nachrichten, an die wir uns längst gewöhnt haben. Der Kreml hat sich in die Wahlen in den USA, der Ukraine, Frankreich und selbst beim britischen Brexit eingemischt, und zwar mit Hilfe verschiedener Online- und Offline-Aktivitäten, die der jeweiligen Bevölkerung die für den Kreml günstigen Narrative aufgedrängt haben (ein Beispiel dafür in Deutschland war der „Fall Lisa“).
Erwähnenswert ist auch der kremlische Versuch, die Gunst der Europäer mit sogenannten „Kulturzentren“ oder NGOs zweifelhafter Herkunft zu gewinnen, wie dem “Forschungsinstitut Dialogue of Civilizations”, das von Putins engstem Kameraden Wladimir Jakunin gegründet wurde.
Lesen Sie zum Thema der russischen „Kulturzentren“ in Deutschland: „Das Tolstoi-Institut, oder die „Liebhaber der italienischen Oper“„
Die russischen soft power Methoden sind aber nur der sichtbare Teil des Eisbergs. Bei vielen europäischen Politikern und Analytikern existiert ein fehlerhaftes veraltetes Denken, Russland habe angeblich keine wirtschaftlichen Interessen im Westen. Es geht hier aber nicht um russische Oligarchen, die die teuersten Jachten oder Autos im Westen kaufen, sondern um einen strukturellen Einsatz des russischen Geldes zwecks Verstärkung des russischen Einflusses in Europa.
Der Bericht „Russian Economic Interference in Europe: Case Studies of Germany, Ukraine, Poland, Austria and The Czech Republic“ ist in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich: Darin wird gezeigt, wie tief der Kreml in den Volkswirtschaften Deutschlands und der Ukraine verwurzelt ist. Österreich ist ebenfalls ein wichtiger wirtschaftlicher und politischer Partner Russlands. Auch in Tschechien hat der Kreml seine spezifischen Interessen. In Polen ist dagegen Russlands Präsenz unbedeutend, wenn man von Gesamtzahlen spricht.
Der Bericht enthüllt, dass der Energiesektor in den ausgewählten Staaten als Schlüsselbereich für Moskau gilt. Der Export von Gas und Öl ist die wichtigste Einnahmequelle für den Kreml, deshalb versucht Russland seinen Umsatz im Energiesektor zu erhöhen. Deutschland ist dabei der größte russische Gasverbraucher. Moskau hat seine politischen Verbindungen genutzt, um seine Interessen dort voranzubringen. Auch den deutschen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder hat Moskau engagiert, um seine verschiedenen Energie-Projekte in Europa zu lobbyieren (wie das berüchtigte Nord-Stream-II-Projekt). Wenn man von der Ukraine spricht, so ist es eine bekannte Tatsache, dass die starke Abhängigkeit der Ukraine von russischem Öl und Erdgas in der Vergangenheit den Russen mächtige Einflusshebel gegeben hatte. Besonders deutlich kam es Winter 2009 zu Tage, als der Kreml den Ukrainern seinen Gashahn abgedreht hatte. Dieser Schritt gab einen großen Anstoß für prorussische Politiker in der Ukraine, die eine Veränderung der außenpolitischen Ausrichtung der Ukraine anstrebten. Im Ergebnis dieser russischen Strategie hatte der prorussische Kandidat Wiktor Janukowytsch die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010 gewonnen. Die Konsequenzen seines damaligen Sieges für das Land sind nun wohl allen bekannt (Maidan, Besetzung der Krim, Krieg im Donbas).
Eine andere wichtige Frage, die sich im Zusammenhang mit Russlands Einfluss in Europa stellt, ist die massive Geldwäscherei. Die russische Elite bemüht sich, ihr Einkommen durch vertrauenswürdige europäische Finanzinstitute zu legalisieren. Deutsche und österreichische Banken sind ein integraler Bestandteil der komplexen Schemas, bei denen das schmutzige russische Geld in Rechtsgüter verwandelt wird. Die Deutsche Bank– und die Raiffeisen Bank-Affären sind aufschlussreiche Beispiele in diesem Kontext.
Ohne einen substanziellen Gegenwiderstand wird Russland seine an der Ukraine erprobten aggressiven Verhaltensmuster auch in anderen europäischen Staaten einsetzen.
Dieser Artikel wurde von Anatolij Schara, Analytiker bei One Philosophy Group of Companies, exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst; korrigiert von Irina Schlegel. Titelbild: Karikatur von Schwarwel.
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