„WIR HABEN WÜRDE!“ – unter diesem Slogan verliefen bislang alle drei Kundgebungen gegen die prorussische Politik der neuen ukrainischen Regierung und die von ihr der Ukraine aufgezwungene Kapitulation, die wohl ein einzigartiges Beispiel in der Geschichte bleiben soll: fünf Jahre lang haben wir uns erfolgreich gegen Russland gewehrt, Meter für Meter hat die ukrainische Armee ihre Territorien zurückerobert, in der Außenpolitik haben wir eine gewisse Stabilität erreicht, was die Unterstützung der Weltanführer angeht, die Wirtschaft der Ukraine verzeichnete einen Zuwachs (was außergewöhnlich für ein Land im Krieg ist), wir haben unsere Energiepolitik vollständig unabhängig von Russland gemacht, die Ukraine gewann internationale Klagen gegen Russland, unser Weg war gerade und es schien, als ob es nur noch ein paar Jahre braucht, bis Russland kein Geld mehr hat, seine Truppen in den Osten der Ukraine zu schicken und die Krim zu ernähren…
Laut den jüngsten Umfragen verlor Selenski im Laufe der letzten zwei Monate 20% seiner Unterstützung unter der ukrainischen Bevölkerung – sein Rating liegt nun bei 52% (bei Präsidentenwahl waren es 73%).
Größtenteils liegt es wohl an seinem Umgang mit der Armee, den ukrainischen Freiwilligen und Volontären. Nachdem der Präsident sich im Oktober dieses Jahres als der Oberbefehlshaber erlaubte, ukrainische Veteranen und Freiwillige, die nach Solote gekommen waren, um sich dem von ihm angeordneten Rückzug der ukrainischen Truppen zu widersetzen, schroff anzugehen und das Video seines abwertenden Dialogs mit unseren Soldaten im Internet viral ging, sind am 6. Oktober etwa 5.000 Menschen auf den Maidan gekommen, um gegen seine Politik zu protestieren, im Anschluss fanden noch Kundgebungen zum Tag der Verteidiger der Ukraine am 14. Oktober, sowie am 21. November statt.
Selenski und seine Regierungspartei ließen sich davon wenig beeindrucken und gingen noch einen Schritt weiter: Neulich entließ er den General Kriwonos, der als einer der besten Spezialisten für Sondereinsätze in der Ukraine gilt, vom Posten des stellvertretenden Sekretärs des Nationalen Sicherheitsrates. Dafür wurde aber einer von Selenskis Kumpels bei der Stand-up-Show „Quartal 95“ namens Siwocho auf den Posten eines Beraters des Sicherheitsrats-Sekretärs befördert: ein Separatist, der nun die Ukrainer davon überzeugen möchte, dass sie aus ihren Steuern Hinterbliebenenrenten für Familien der getöteten Terroristen im von Russland besetzten Teil des Donbas zahlen sollen (wobei laut der Genfer Konvention die Besatzungsmacht alle Kosten für die Versorgung der Zivilbevölkerung in besetzten Territorien tragen muss, das mal abgesehen von der moralischen Verwerflichkeit einer solchen Forderung). Unmut unter der Bevölkerung rief auch die Beförderung von Natalia Korolewskaja – einer zweifelhaften Person, die des Schmuggels und der finanziellen Verbindungen zu den „LVR“-Terroristen beschuldigt wird – auf den Posten der stellvertretenden Leiterin in Fragen der Veteranen in der Werchowna Rada hervor. So jemand soll nun die Fragen der ATO-Veteranen behandeln?
Für einen richtigen Aufruhr in der Gesellschaft sorgte aber folgende Geschichte:
Vor ein paar Wochen wurde der Held der Ukraine, legendärer General und ATO-Teilnehmer, einer der ukrainischen Cyborgs, die den Donezker Flughafen, das ukrainische Stalingrad, 242 Tage lang hielten, Verteidiger der Ukraine im russisch-ukrainischen Krieg, Dmytro Martschenko, auf eine absurde Beschuldigung hin verhaftet.
Ein wenig Vorgeschichte (nach Materialien von Alex Noinets, einem Politiker aus Mykolajiw und Mitbegründer der Partei „DemSokira“): Generalmajor Dmytro Martschenko begegnete dem Krieg 2014 als einfacher Major der Mykolajiwer 79. Luftlandebrigade der Streitkräfte der Ukraine. Im März 2014 führte Major Martschenko im Alleingang, unter dem Deckmantel eines Taxi-Fahrers und mit dem eigenen Auto, die Aufklärung der Stellungen von Bandenformationen im Raum von ukrainischen Ortschaften Krasnoperekopsk-Tschaplinka-Dschankoi auf der Krim. Später beteiligte er sich an den Kämpfen um Debalzewe, kämpfte im Donezker Flughafen. Er ist ein Kavalier des Bohdan-Chmelnizky-Ordens III. Grades. Ein Kriegsgeneral eben – kein Stabsoffizier. Jemand, der kein Geld mit diesem Krieg verdiente, der 2015, erst nachdem die aktive Phase des Krieges vorbei war, ins Verteidigungsministerium kam und nach Aussagen der Militärangehörigen, nicht mal eine eigene Wohnung besitzt und ständig in seinem Büro übernachtete. Jemand, der sein ganzes Leben für die Verteidigung seines Landes aufgab.
Martschenko im Donezker Flughafen. Quelle (ein großes Interview mit dem Generalmajor Martschenko, mit vielen Fotos und Videos): novynarnia.com.
Ende 2015 übernahm er nämlich die Leitung bei der Hauptverwaltung für Entwicklung und Betreuung der Logistik der ukrainischen Streitkräfte. Diese Verwaltung beschäftigte sich mit der Reform der Ernährung und materieller Versorgung der Armee. Sie entwickelte neue Anforderungsspezifikationen für ukrainische Soldatenstiefel „Talan“, neue Uniform, neue Marschverpflegung, die Reform der Ernährung – das alles hat das Team von Martschenko gemacht, weshalb er viel Respekt unter den Militärangehörigen verdiente, die die Ergebnisse seiner Arbeit am eigenen Leibe erfuhren. Es muss auch angemerkt werden, dass diese Verwaltung sich nicht mit Einkäufen beschäftigt – sie entwickelt nur technische Anforderungsspezifikationen.
Im Rahmen der prorussischen Revanche, die einige dubiöse Vertreter der Janukowytsch-Regierung wie A.Portnow vorantreiben, die nach fünf Jahren Verbannung nun zurück in der Ukraine sind und sich hier derzeit völlig ungebunden fühlen, beschäftigt sich nun das Staatliche Ermittlungsbüro unter der Leitung Roman Trubas höchstpersönlich mit der Verfolgung derer, die einen Bezug zur Reformierung der Armee haben (denn sie haben das alte korrupte System der zielgerichteten Vernichtung der ukrainischen Armee schlicht und einfach zerstört). Darum hat Truba eine große Sendung von Schutzwesten aus Depots des Verteidigungsministeriums beschlagnahmt, diese weder markiert noch versiegelt, und Monate später erklären lassen, dass der Schusstest einen „unsachgemäßen Zustand“ dieser Schusswesten aufzeigte.
So wurden die Schutzwesten nach der Beschlagnahmung durch das Ermittlungsbüro aufbewahrt. Quelle: Dmytro Wownjanko
Bei genauerem Hinsehen hat sich jedoch herausgestellt, dass der Schusstest mit panzerbrechender Munition im Kaliber 7.62 durchgeführt wurde, die natürlich eine Schutzweste durchschlagen kann – sie ist ja panzerbrechend, diese Kugel kann selbst die Panzerung eines BTR (Schützenpanzerwagen) durchbrechen. Es wurde auch bekannt, dass Truba mit „unsachgemäßem Zustand“ meinte, das Aramid der Schutzwesten habe beim Nasswerden seine Splitterschutzeigenschaften verloren. Dies ist aber im Grunde die Regel für jedes beliebige Aramid.
Da aber „Schutzwesten von schlechter Qualität“ eine der grundlosen Behauptungen und einer der wichtigsten Slogans („Unsere Armee wird beraubt!“) in Selenskis Wahlkampagne waren, musste Truba wohl die „Ermittlung“ trotzdem fortsetzen, die mit einem Verdacht gegen Martschenko, sowie vier Mitglieder seines Teams, endete.
Martschenko wird beschuldigt, auf eine Beschwerde in sozialen Netzwerken über die schlechte Qualität der Schutzwesten nicht reagiert zu haben (!). Gegen den Hersteller wurden keine Beschuldigungen erhoben. Gegen die Abteilung der staatlichen Einkäufe des Verteidigungsministeriums wurde ebenfalls keine Beschuldigung erhoben.
Am 11. November beschloss der für diesen Prozess zuständige Richter Bilozerkowez eine administrative Verhinderungsmaßnahme in Form eines unverzüglichen Arrests im Gerichtssaal und der Verhängung einer Kaution in Höhe von 76 Millionen Hrywnja (etwa 3.172.069 $ – eine unvorstellbare Summe für die Ukraine) für Martschenko. Die Gerichtsverhandlung im Fall Martschenko wurde auf 12 Uhr Mittags des 12. November angesetzt.
Für Martschenko setzten sich solche Helden der Ukraine ein, wie der Kavalier des Ordens „Für Tapferkeit“ Pawlo Tschaika, bekannte und sehr geachtete Kriegsoffiziere wie Eugen Meschewikin und Achtem Tschyjhos, die die Burgschaft für ihn übernehmen wollten. Zahlreiche Veteranen des russisch-ukrainischen Krieges, die sich sowohl mit dem Zustand der Armee vor dem Jahr 2014 als auch mit den Reformen, die Martschenko bislang durchgeführt hat, bestens auskennen, äußerten ihre Empörung über diese „Verhandlung“. Dabei muss Martschenko seit Wochen auch noch in Untersuchungshaft sitzen – an sich illegal, da er ein aktiver Militärangehöriger im Dienst ist und eigentlich in einer militärischen Arrestanstalt sitzen sollte, ganz bestimmt nicht in einer zivilen Untersuchungshaft.
Das Gericht ignorierte alle Argumente der Verteidigung. Mehr noch: Im Rahmen dieser Verhandlung beschloss das Gericht, den Ermittlern des staatlichen Ermittlungsbüros (DBR) Zugang zu einem der wichtigsten Dokumente der ukrainischen Sicherheitspolitik zu gewähren, dem „Strategischen Plan des Einsatzes der Streitkräfte“, einem Schlüsseldokument des Generalstabs, das die höchste Geheimhaltungsstufe der „besonderen Wichtigkeit“ aufweist und nur etwa 10 Personen im Land zugänglich ist.
„Somit kann man behaupten, dass dieses Verfahren in der Summe der Faktoren sowie unter Einbeziehung der vorherigen Aktivitäten von Roman Truba die Anzeichen eines Staatsverrats aufweist, der einerseits auf die Reduzierung der Kampfbereitschaft der ukrainischen Armee gerichtet ist, durch den Weg der kriminellen Verfolgung der Kriegsoffiziere aufgrund der Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten, und andererseits auf den Erhalt eines Zugangs zu staatlichen Verteidigungsdokumenten mit der höchsten Geheimhaltungsstufe zum Zwecke ihrer weiteren Übergabe (höchstwahrscheinlich unter Beteiligung von Andrej Portnow) an die russische Führung“, schrieb Alex Noinets.
Was den Leiter des Ermittlungsbüros R.Truba und den Richter Bilozerkowez angeht: Juri Gudymenko, Anführer der Partei „DemSokira“, hat neulich Dokumente publikgemacht, die belegen, dass sowohl Truba als auch der Richter Oleh Belozirkowez, permanente Besucher von Kyjiwer Puffs sind. „DemSokira“ hat wohl handfeste Beweise dafür gefunden, dass Truba sich der Dienste eines Kyjiwer Puffs namens „Belotschki-Club“ bedient (wobei Prostitution in der Ukraine illegal ist), dort war er am 30. Juli zu Besuch. Oleh Belozirkowez besuchte denselben (!) Puff mit einem zeitlichen Abstand von nur einem Tag. Wobei der Letztere allein in den letzten Monaten insgesamt 292 Mal Sex-Dienste kontaktierte und im letzten Jahr Kontakt zu einer Sex-Mitarbeiterin dieses Puffs hatte, die erst am 14. September 2019 volljährig wurde. „In fünf Monaten hat dieser „Richter“ so viel Geld für Sex-Dienste ausgegeben, wie der Staat ihm für ein ganzes Jahr Arbeit zahlt – wie das möglich ist, ist durchaus eine Frage von öffentlichem Interesse. Es stellt sich die Frage, welches moralische Recht ein Richter hat, der das Gesetz vollständig ignoriert, über einen Helden des russisch-ukrainischen Krieges, einen Kriegsgeneral, Gericht zu halten“, schrieb Gudymenko.
Aber zurück zu Martschenko und den Reaktionen auf seine Verhaftung und die absurde Gerichtsverhandlung gegen ihn. Am 28. November fand die nächste Sitzung im Fall Martschenko statt – im Appellationsgericht der Stadt Kyjiw. Aber auch dieses Gericht ließ Martschenko unter Arrest bis zum 3. Januar 2020 und verhängte eine Kaution in Höhe von 20.000.000 Hrywnja für ihn (darüber wird in der Ukraine nun bitter gelächelt, dies sei wohl ein „Black-Friday-Rabatt“ gewesen, die Summe von absurden 76 Millionen auf fantastische 20 Millionen herabzusetzen).
Borislaw Beresa, ein ehemaliger ukrainischer Parlamentsabgeordneter, schrieb direkt nach diesem Urteil auf Facebook: „Auf dem ersten Foto sind die Richter des Appellationsgerichts, die das Gericht in eine Farce verwandelt haben und beschlossen, dass ein Kriegsoffizier, der die Ukraine verteidigte und sich nie vor Ermittlungen versteckte, in einer Untersuchungshaft sitzen muss. Und weder über die Expertise der Schutzwesten, die aufzeigte, dass die Beschuldigung falsch ist, noch über die Tatsache, dass Truba den Fall gegen den General Martschenko faktisch fabriziert hat (was bereits jedem klar ist), sind sich die Richter im Klaren. Sie haben auch keine Rücksicht darauf genommen, dass Kriegsoffiziere, Helden der Ukraine, Volksabgeordnete und öffentliche Persönlichkeiten bereit sind, für Martschenko die Burgschaft zu übernehmen und zu garantieren, dass er sich nicht verstecken und mit der Ermittlung zusammenarbeiten wird. Sie haben einfach drauf geschissen. Und auf dem unteren Foto sehen Sie zwei Grünschnäbel aus der Generalstaatsanwaltschaft, die beim Vorlesen der Anklage total durcheinander kamen und von „Durchsuchungen“ schwafelten. Wenn es morgen einen Krieg gibt, werden diese Grünschnäbel die Ukraine auf die traditionelle Staataanwaltschaftsweise verteidigen – indem sie sich in der Generalstaatsanwaltschaft verbarrikadieren (Anm.d.Übers.: eine Anspielung auf die Maidan-Zeiten). Sieht man ihrem Verhalten an.
Weder die ersten noch die zweiten haben verstanden, dass, wenn reale Legenden des Verteidigungskrieges gegen Russland zu ihnen kommen, Helden der Ukraine und Träger der Tapferkeitsorden, die diese für ihre Kampfverdienste und Siege erhielten, diese Menschen mit ihrem Wort und ihrer Ehre die Erfüllung der auf sich genommenen Verpflichtungen garantieren. Oder vielleicht haben sie das alles auch verstanden, nur wurden sie angerufen und es wurde ihnen gesagt, welche Entscheidung sie zu treffen haben? Sieht ganz danach aus. Die Geschichte des Richters Kirejew hat diese Richter und Staatsanwälte wohl nichts gelehrt.
Wir beobachten heute die Fortsetzung der Technologie der Demoralisierung der Armee, bei der die Kriegsoffiziere das Verhältnis des Staates zu ihnen und ihren Kampfbrüdern sehen. Nach der Gerichtsverhandlung sagte einer der Offiziere: „Ich bin in der Hoffnung auf Gerechtigkeit und ehrliche Justiz hierhin gekommen. Ich gehe, den Glauben verloren“.
Das Gericht hat also der Burgschaft für Martschenko, angeboten von folgenden Personen, nicht getraut:
1. Vom legendären ehemaligen Kommandeur der 95. Luftlandebrigade, Helden der Ukraine und einem Parlamentsabgeordneten Mychailo Sabrodski.
2. Vom Helden des Donezker Flughafens, dem Offizier der 79. Luftlandebrigade und dem Leiter der Streifenpolizei der Ukraine Eugen Schukow.
3. Vom Ritter des Bohdan-Chmelnizky-Ordens und Kommandeur der 95. Luftlandebrigade Maxym Myrhorodski (Kampfname Mike).
4. Vom Kriegsoffizier der 79. Luftlandebrigade, Oberst Semen Kolejnyk.
5. Von mir.
6. Der Volksabgeordneten der 7., 8. und 9. Legislaturperiode Maria Ionowa.
Wenn diese Liste kein Vertrauen des Gerichts hervorruft – welche Bürgen braucht es dann? Wir verstehen jedenfalls, dass wir diese Schlacht verloren haben, aber wir haben kein Recht, den Kampf zu verlieren. Und es geht nicht nur um Gerichte. Es geht hier schon um die ganze Ukraine. Eine ehrliche Justiz in der Ukraine starb heute für mich. Diese Leute kann man nicht mehr ändern. Insofern kann nur eine vollständige Lustration helfen. Und diese Obrigkeit wird sich mit keiner Lustration der Gerichte beschäftigen. Es hat für sie keinen Sinn. Sie hat diese allesamt einfach unter ihre Kontrolle genommen, wie es bislang jede vorherige Obrigkeit getan hat. Und heute haben wir die gesteuerte Justiz in Aktion gesehen. Pfui!“
Im Gerichtssaal waren auch solche legendären Krieger anwesend wie Mychailo Sabrodski (links unten auf dem Bild), Ex-Kommandeur der 95. Luftlandebrigade, sowie der Generalmajor Ihor Gordyjtschuk (rechts unten), der Ende August 2014 beim Ausbruch aus dem Ilowajsker Kessel schwerste Verwundungen erlitt, wochenlang im Koma lag und noch immer in Rehabilitation ist.
Sowohl der Ex-Verteidigungsminister der Ukraine (unter Poroschenko) Stepan Poltorak, als auch der neue Verteidigungsminister Andrii Sahorodnjuk sprachen ihre Unterstützung für Martschenko aus. S.Poltorak sagte, er habe Dmytro Martschenko vertraut und werde ihm weiterhin vertrauen, denn er sei für ihn einer von denen, die sich nicht davor fürchteten, an den heißen Kämpfen im Osten teilzunehmen und später die Korruptionsschemas im Verteidigungsministerium zu zerstören, und äußerte außerdem die Hoffnung, dass die von Martschenko initiierten Reformen weiter entwickelt werden. Der neue Verteidigungsminister A.Sahorodnjuk kritisierte die Entscheidung des Gerichts und sagte, dass sie alle Dmytro als jemanden kennen, der weder zur rechtswidrigen Tätigkeit fähig sei, noch der Gesellschaft irgendwelchen Schaden zufügen könnte.
Der Kommandeur der 95. Luftsturmbrigade der Ukraine, Maxym Myrhorodski, Ritter des Bohdan-Chmelnizky-Ordens und Volksheld der Ukraine, trat im Appellationsgericht ebenfalls auf und bot an, die Burgschaft für den Generalmajor Dmytro Martschenko zu übernehmen, damit er sich während der Verhandlung unter Hausarrest, statt in der Haft, befindet. Nachdem das Gericht dies verweigerte, sagte Oberst Myrhorodski:
„In einem solchen Bestand wie es heute im Gericht der Fall war, versammeln wir, Offiziere, uns nur auf Beerdigungen unserer Kampfbrüder. Für uns ist es sehr wichtig. Heute wurde uns, den Verteidigern der Ukraine, gezeigt, dass wir für den Staat ein Niemand sind, dass unsere Meinung nichts bedeutet. Gegen die Militärangehörigen wird ermittelt, das Gericht hat noch nicht entschieden, ob sie schuldig sind oder nicht, aber sie werden hinter Gittern gehalten. Menschen, die ihr Blut vergossen, Menschen, die bewiesen haben, dass sie bereit sind, ihr Leben für ihr Land zu opfern, müssen nun beweisen, dass sie Respekt verdienen. Vor einem Gerichtsurteil wird wer auch immer freigelassen. Wenn es sich aber um Offiziere handelt, wird eine Kaution in Höhe von 20 Millionen Hrywnja angeordnet – eine unvorstellbare Summe für sie. Soll das Gericht den Grad der Schuld bestimmen: warum werden aber Militärangehörige für die Zeit der Gerichtsverhandlung hinter Gittern gehalten, als ob sie Kriminelle wären, als ob es kein Vertrauen zu ihnen gibt, als ob sie flüchten würden? Ich bin gekommen, um mit meiner Ehre für ihn zu bürgen: Martschenko wird nicht flüchten. Es stellte sich heraus, dass es nicht genug war. Nicht mal mein Wort ist genug. Nicht mal das Wort anderer Offiziere und Generäle ist genug. Unser Land traut uns zu, in den Krieg zu ziehen, und ist sich sicher, dass keiner von uns vom Schlachtfeld flüchtet, vertraut darauf, dass wir bereit sind, in den Tod zu gehen. Und dabei findet unser Land, dass jemand von uns vor einem Ermittler flüchten würde. Die Richter, die dies so entschieden, gehen nach hause und werden ruhig ihre Familie umarmen. Weil bei uns nur tote Helden geehrt werden – um die Lebenden kümmert sich keiner. Der Kommandeur der 128. Brigade – wer erinnert sich an seine Familie? Es gab Lärm, und nun ist alles schon vergessen. Der Wert des Lebens eines Soldaten im Krieg beträgt 1.200.000 Hrywnja postum Auszahlungen und der Preis der Freiheit und Ehre ist also eine Kaution in Höhe von 20 Millionen. Diese reale Haltung des Staates hat heute das Appellationsgericht in Kyjiw gezeigt, das all diejenigen demütigte, die die Ukraine verteidigen“.
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Das Ganze sieht nach einer zielgerichteten Rache gegen diejenigen aus, die über fünf Jahre lang die Ukraine im Krieg gegen Russland verteidigten, es riecht nach einer geforderten Genugtuung des Kreml, dem all diese Menschen jahrelang im Hals standen, da sie diejenigen waren, die es verhinderten, dass er die Ukraine verschluckt, wie er dies schon immer wollte und wie er dies gerade mit Belarus getan hat. Die Ukraine soll für ihn ein Fressnapf werden, ein Anhängsel, aus dem er sich bedienen und ernähren will. Eine freie Ukraine ist tödlich für den Kreml, denn sie zerstört seine Hoffnungen auf alleinige Herrschaft im Osten Europas. Der Kreml hat die Ukraine auf militärischem Wege nicht besiegen können, hat aber die Schlacht im Informationsraum gewonnen, indem er sich derselben Methoden wie bei den US-Wahlen 2016 bediente: Propaganda in sozialen Netzwerken und Medien, Diskreditierung der ukrainischen Reformen, Lobbyierung der ihm gegenüber loyalen Politiker, Bestechung der Journalisten und öffentlichen Persönlichkeiten. Nun diskreditiert er mit den Händen der ukrainischen Justiz und Politiker die ukrainische Armee und die ukrainische Freiwiiligenbewegung (die Diskreditierung der Freiwilligenbewegung ist das Thema des zweiten Teils dieser Artikelreihe).
Wir gehen jedenfalls am Sonntag, den 8. Dezember, zur Verwaltung des Präsidenten an der Bankowaja-Straße in Kyjiw, um gegen die vom Kreml aufgezwungene Kapitulation der Ukraine zu demonstrieren. Und wir werden dort auch den ganzen 9. Dezember verbringen – den Tag, an dem das Treffen im Normandie-Format stattfinden soll. Wir werden uns dieser Kapitulation widersetzen. Damit die Ukraine frei bleibt – so wie sie es die letzten fünfundhalb Jahre war. Damit unsere Kinder und Enkelkinder wissen, wer ihre gefallenen und lebenden Helden waren. Damit sie in einem freien Land im Frieden leben können, denn dieser ist nur nach einem vollständigen Sieg der Ukraine über dem Kreml möglich.
P.S. Wir laden westliche Journalisten herzlichst nach Kyjiw ein: wir sind keine „heißen Köpfe“, wie man uns gerade gerne darstellen möchte. So etwas kann auch nur jemand sagen, der in fünf Jahren Krieg nie da gewesen ist: unsere Krieger sind ruhig und besonnen – sie haben zu viel gesehen. Wir wurden auch von niemanden „gesteuert“ und niemand hat uns in diesen Krieg „geschickt“ – wir sind sehr verschieden, unsere politischen Ausrichtungen sind sehr verschieden, wir stritten uns auch viel unter einander. Uns vereint die Liebe zur Freiheit und zur Ukraine. Kommt her und sprecht mit uns, wir werden am 8. an der Bankowaja-Straße sein.
Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst; korrigiert von Raul Bruning.
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