Das ist ein Artikel von Sergei Iltschenko, einem moldauischen Journalisten… Interessante Neuigkeiten aus Transnistrien hören wir hier…
Alexander Rschawitin – ein Wehrdienstpflichtiger im Parkanski-Pionierbataillon, der nach Chișinău übergelaufen ist, erzählte uns einige interessante Dinge.
Aus dem Bericht des 3. Kanals (unter diesem Link das Interview mit Alexander Rschawitin für den 3. TV-Sender der Republik Moldau):
Ein Soldat der sogenannten Transnistrien-Armee verliess wegen Schikane eigenwillig das Gelände seiner Militäreinheit.
Nach Worten des 21-jährigen, wurde er im Mai dieses Jahres in die „Streitkräfte“ des sogenannten „Linken Ufers“ einberufen, vor drei Tagen floh er aber wegen Prügel aus der Kaserne. In Chisinau hat der junge Mann Karabiniere um Hilfe gebeten, diese informierten die Polizei, die den Soldaten der so genannten transnistrischen Armee auf der Polizeiwache befragte und den Fall dokumentierte.
Das Drehteam von «Unitatea de Garda» hatte eine Gelegenheit mit dem jungen Mann zu sprechen. Er erzählte den Journalisten, dass er die Kaserne aufgrund des unmenschlichen Umgangs mit Soldaten verlassen hatte.
„Sie verprügeln uns, erpressen Geld. So sieht dort die Tagesordnung aus. Jeden Tag. Wer ihnen kein Geld mitbringt, der wird wieder verprügelt,“ – sagte der Wehrpflichtige.
Nach den mir vorliegenden Informationen hat den Fall der Moldawische Sicherheitsdienst übernommen.
In einem Interview für die Website „Гуляй Поле“ sagte Rschawitin Folgendes: „Ich bin wegen Prügeleien und Erpressung seitens der Dienstälteren – der sogenannten „Großväter“ – weggelaufen. Während der drei Monate meines Dienstes erpressten sie von mir im Durchschnitt 50$ pro Monat. Allerdings rettete das nicht vor Prügeleien und Misshandlungen. Egal, wieviel du zahlst – sie verlangen immer mehr. Die jungen Soldaten werden regelrecht gefoltert: so wurde ich und meine Dienstkameraden mehrmals mit glühendem Eisen an der Haut verbrannt.“
Als Beweis für das Gesagte, zeigte Rschawitin charakteristische Brandflecken auf seinen Händen. Ihm zufolge hat er solche Spuren am ganzen Körper. Man hat eine Münze mit einer Lötlampe zum Glühen gebracht und ihm an die Haut gedrückt.
„Offiziere nehmen an der Erpressung persönlich nicht teil, aber sie greifen auch nicht ein. Die „Großväter“ (Dienstälteren) versorgen sie mit Alkohol und Zigaretten“.
Diese Situation ist durchaus üblich für die Armee des sogenannten Transnistriens. Als ich in der U-Haft im Gefängnis von Tiraspol saß, begegneten mir Dutzend solcher Fahnenflüchtigen. Ihre Geschichten gliechen der von Rschawitin eins-zu-eins, sogar die monatliche Gebühr von 50$ stimmt überein – das reicht in der Regel, um nicht getötet oder verkrüppelt zu werden – wer tötet schon eine Melkkuh? Aber zur gleichen Zeit reicht das nicht, um sich vor Mobbing loszukaufen – die „Großväter“ sind bestrebt aus jedem noch mehr auszupressen.
Die Abenteuer des Soldaten sind für uns aber weit weniger interessant als seine Erzählung über die militärischen Vorbereitungen in Tiraspol. Hier ist das, was Rschawitin über die Ereignisse in der Armee des sogenannten Transnistriens und im russischen Kontingent der „Friedenstruppen“ mitgeteilt hat.
– Warum interessiert sich der Moldawische Sicherheitsdienst für Sie?
– Es stellte sich heraus, dass ich als ein einfacher Soldat ziemlich viel weiß. Anfangs löste es ein gewisses Misstrauen aus, ich wurde gründlich verhört, sogar mehrmals. Man hat wahrscheinlich einen Verdacht gehabt, ich sei ein Agent des Transnistrischen Spezialdienstes, der unter dem Deckmantel eines Fahnenflüchtigen nach Moldawien eingeschleust wurde – dabei macht es wenig Sinn, denn man kann auch ganz legal nach Moldawien kommen.
In der Tat kann ich mein Wissen in erster Linie mit meiner Dienststelle erklären und zweitens – es ist meine Fähigkeit zu sehen und zu hören, was um mich herum passiert. Wer seinen Dienst in Transnistrien ableisten musste, der wird wissen, dass das Pionierbataillon in Parcani eine besondere Militäreinheit ist. Auf seinem Gelände befindet sich der zentrale Verteilungspunkt, wohin die Rekruten aus Bender, Tiraspol sowie aus den nahe gelegenen Dörfern ankommen – kurzgesagt: alle kommen durch ihn durch.
Hier gibt es die Bekleidungs- und Ausrüstungslager, wo die Rekruten ausgerüstet werden, hier gibt es auch die Lager, die die nahegelegenen Militäreinheiten versorgen. Hier werden auch russische Friedenstruppen ausgerüstet, die als Zivilisten ankommen. Kurz gesagt, das Gelände des Pionierbataillons ist tatsächlich ein Umschlagsplatz. Und wer sich dort aufhält, der bekommt jede Menge mit.
Ich habe also in den drei Monaten meines Dienstes Folgendes gesehen und gehört.
Das Erste. Die Einberufung im Frühjahr dieses Jahres war doppelt so gross wie üblich. Man hat alle hinzugezogen – solche, die Nachfrist hatten, Kranke, Studenten. Durch die Militärbasis in Parcani gingen 2500 Personen durch. Ich wiederhole – das ist doppelt so viel wie normalerweise. Das hat natürlich eine Menge organisatorische Probleme verursacht, und darüber haben die Offiziere oft heiß diskutiert, auch in Anwesenheit von uns Soldaten. Es sieht nach einer totalen Mobilisierung vor einem totalen Krieg aus.
Zu beachten ist, dass zumindest in den letzten zwei Jahren in Transnistrien regelmäßig verschiedene Militärmanöver abgehalten werden. Zur Umschulung wurden alle hinzugezogen, einschließlich Abgeordneten des Obersten Rates von Transnistrien. Das Ganze sieht nach einer Vorbereitung auf einen totalen Krieg aus, in dem Tiraspol vorhat, alles auf eine Karte zu setzen. Was das Pionierbataillon in Parcani betrifft: innerhalb des letzten Jahres wurde es strukturell reorganisiert und als Invasionsbataillon nach russischem Modell umgerüstet.
„Darüber hinaus stieg die Anzahl der „Friedenstruppen“ stark an, die in Transnistrien über Chisinau ankommen und in Parcani ausgerüstet werden. Aus Gesprächen der Offiziere und nach meinem eigenen Eindruck wurde das Kontingent der Friedenstruppen innerhalb der letzten drei Monate auf 10.000 Mann aufgestockt“.
Dieser Teil der Erzählung von Rschawitin wird auch durch Informationen aus anderen Quellen bestätigt. Der Grund für die fehlende Reaktion aus Chisinau auf die verdächtig hohe Anzahl von Personen im Einberufungsalter, die nach Transnistrien kommen, liegt darin, dass die Soldaten der russischen Streitkräfte, die zur Verstärkung ihres Kontingents ankommen, fast alle Bewohner der Region Transnistrien sind, die in Russland arbeiteten und einen Vertrag mit der russischen Armee unterzeichnet haben. Sie werden meist in Zivil und mit zivilen Dokumenten zum Dienstort in Transnistrien geschickt. Diejenigen, die die Pässe der Republik Moldawien besitzen, und davon gibt es jede Menge, fahren durch die Ukraine. Nur Besitzer eines russischen Passes fliegen nach Chisinau und machen sich von dort aus auf den Weg nach Parcani.
Diese Fakten sind übrigens sehr einfach nachzuprüfen. Es würde genügen, die Statistik über die Verkäufe von Flugtickets von Russland nach Chisinau in die Hand zu nehmen, und die Alters- und Geschlechtsverteilung der Passagiere der letzten 3 Monate oder des letzen Halbjahres anzuschauen, und dann mit den Angaben der letzten paar Jahre zu vergleichen. Ich denke, dass derjenige, der die Möglichkeit bekommt und sich die Mühe macht, eine solche Studie durchzuführen, über die Ergebnisse staunen wird…
– Womit werden sie bewaffnet?
– Waffen gibt es mehr als genug. Ich habe mit Menschen gesprochen, die Lagerräume bewachen. Die Gerüchte, dass sie halbleer stehen, entsprechen in keinster Weise der Wahrheit. Sie sind bis zur Decke voll. Es gibt Waffen und Munition dazu, die Lagerräume gehen fünf Stockwerke unter die Erdoberfläche, dort gibt es eine ganze unterirdische Stadt. Durch die unterirdischen Galerien fahren gar LKWs. Kurz gesagt, in Transnistrien gibt es keinen Mangel an irgendwelchen Waffen oder Munition. Dabei gilt es sowohl für die Armee Transnistriens als auch für die russischen „Friedenstruppen“. Nur für unseres Bataillon und nur vom Sprengstoff wurden zuletzt 160 kg geliefert.
Wer kann denn nun sagen, dass die Vorbereitung von Transnistrien auf einen Krieg nur ein Bluff und Desinformation ist? Tiraspol bereitet sich buchstäblich vor den Augen aller seit zwei Jahren aktiv auf Kriegshandlungen vor, und diese Vorbereitungen werden mit allem Möglichen erklärt, nur nicht mit der Vorbereitung auf einen Krieg! Hier muss man sich an die berühmte Redensart erinnern: „Wenn etwas wie eine Ente läuft, wie eine Ente schwimmt, wie eine Ente quakt und wie eine Ente aussieht, dann handelt es sich höchstwahrscheinlich auch um eine Ente!“
Ja, weder in Kiew noch in Odessa oder Chisinau will jemand eine unangenehme Tatsache erkennen: Der Krieg rückt näher. Natürlich wird das korrupte Regime in Tiraspol nicht als sein Initiator auftreten. Die transnistrische Front ist nur ein kleiner Teil des gesamten russischen Plans fürs Entfachen eines neuen Weltbrandes. Dieser Plan ist ein verzweifelter Versuch von Putins Clique ihrem bevorstehenden Krach zu entkommen. In der entstandenen Verwirrung hoffen die Kremlbewohner die gestohlenen Gelder in asiatischen Offshore-Firmen zu verstecken und der drohenden Rache zu entkommen.
Wir müssen uns dieser Realität bewusst werden und dazu bereit sein, dass der Krieg sehr bald zur Realität werden könnte. Er kann auch aus Transnistriens Richtung kommen. Die Straußpolitik hat noch niemanden gerettet. Der Boden der politischen Weltarena ist aus hartem Beton.
Quelle: Sergey Iltschenko in polit.ua; übersetzt von Andrij Topchan; redaktiert von Irina Schlegel.
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