
Heute, während die gesellschaftliche Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die allmähliche Befreiung des Donbas konzentriert ist (heute ist z.B. Sewersk unter Kontrolle der ukrainischen Armee gekommen), hat an der diplomatischen Front eine neue Offensive gegen die Ukraine begonnen.
Nach spürbaren Verlusten auf dem unmittelbaren Schlachtfeld im Osten der Ukraine und der Unmöglichkeit, eine effektive Kontrolle über “Neurussland” seitens seiner Protegés Zarew-Medwedtschuk zu errichten, hat Putin eine Offensive an der diplomatischen Front aktiviert. Sein Ziel ist offensichtlich: Auf keinen Fall die militärische Vernichtung der Terroristen oder deren Vertreibung aus Donbas zulassen. Darum muss man die schnellstmögliche Beendigung der antiterroristischen Operation (ATO) und die Aufnahme der Verhandlungen mit den Terroristen um jeden Preis durchsetzen. Für diese Aufgabenstellung sind die besten Kräfte des Umfelds von Putin mobilisiert worden, wie auch zahlreiche westliche “nützliche Idioten”.
Die Artillerievorbereitung begann mit einer Salve des treuesten Verbündeten Putins und eines alten Mitglieds des Putin-Umfelds: Mit besonderem Nachdruck riet der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier der gemeinsamen Kontaktgruppe der Ukraine, Russlands und der OSZE dazu, Verhandlungen mit den Separatisten aufzunehmen, mit dem Ziel, das Feuer in der Ostukraine einzustellen.
“Ein Ratschlag an alle: Auf dem Weg der Umsetzung der Berliner Deklaration vom letzten Mittwoch zu bleiben, und zwar – nach der Wiederaufnahme des Dialogs im Rahmen der Kontaktgruppe auch Verhandlungen mit Vertretern der Separatisten fortzusetzen, zur Erreichung des wichtigsten Ziels: der Einigung über die Feuereinstellung in der Ostukraine,” sagte der Diplomat. Seiner Aussage nach kann man ohne die Waffenruhe an eine politische Regulierung des Konflikts in der Ukraine “gar nicht denken”. Trotz des Erfolgs der antiterroristischen Operation in der Ostukraine sagte Steinmeier, dass man “mit rein militärischen Maßnahmen den Konflikt unmöglich lösen könne”: http://www.pravda.com.ua/rus/news/2014/07/7/7031184/.
Einen eigenen Beitrag leistete ein weiterer Vertreter des “kontinentalen Europas”:
Auf Initiative der französischen Seite hat am 9. Juli ein Telefongespräch stattgefunden, zwischen dem russischen Außenminister Lawrow und dem französischen Außenminister Fabius. Im Laufe des Gesprächs wurden auch Fragen der Beilegung des Konflikts in der Ukraine besprochen. Der französische Minister hob die fortlaufende Zuspitzung der Lage in der Ostukraine ausdrücklich hervor und stellte fest, dass die Kyjiwer Regierung in ihrer faktischen Vorgehensweise von den Absprachen zurücktritt, die am 2. Juli in Berlin zwischen den Außenministern der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland getroffen wurden. Lawrow seinerseits betonte, dass “eine bedingungslose und gegenseitig vereinbarte Feuereinstellung” seitens Kyjiw tatsächlich nur durch die Forderung an die Terroristen bedingt ist, sich zu entwaffnen.
Beide Minister drückten ihr gegenseitiges Interesse an einer resultativen Fortsetzung der Arbeit der Kontaktgruppe aus: http://mid.ru/brp_4.nsf/newsline/994ABE9B2B1420C244257D1000503BDB.
Gestern haben sich echte Schwergeschütze in den Beschuss gegen den ukrainischen Präsidenten hinzugeschaltet:
Präsident Petro Poroschenko hat ein dreiseitiges Telefonat mit der deutschen Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Hollande geführt. Der ukrainische Präsident sprach seine tiefste Dankbarkeit gegenüber Deutschland und der deutschen Bundeskanzlerin Merkel aus – für ihre Entscheidung, 2.5 Millionen Euro für die Bürger von Slowjansk und Kramatorsk bereitzustellen, die unter den für die Infrastruktur dieser Städte zerstörerischen Aktivitäten der Terroristen gelitten haben. “Wir nehmen diese Entscheidung nicht nur als einen finanziellen, sondern auch als einen wichtigen moralischen Beistand seitens der EU wahr,” betonte Präsident Poroschenko. Die Präsidenten und die Kanzlerin diskutierten weitere Schritte zur Deeskalation der Situation im Donbas. Poroschenko betonte, dass die Ukraine die Bemühungen und den Beistand von Frankreich und Deutschland in Fragen der friedlichen Beilegung des Konflikts sehr zu schätzen weiß: http://president.gov.ua/ru/news/30715.html.
An das Wesen der vorgeschlagenen friedlichen Beilegung (an den Inhalt einer sogenannten “Kompromissformel mit Putin”) aus dem weitentfernten Washington hat der unermüdliche Putinist-Duginist S. Bschesinskij noch einmal erinnert, womit er zum wiederholten Male für seinen sogenannten “Kompromissplan” des “Sag-dreimal-Nein-zur-Ukraine” warb:
Dieser Kompromiss soll zu einem bestimmten Verständnis zwischen dem Osten und Westen führen, im Rahmen dessen Russland stillschweigend hinnimmt, dass:
- Die Ukraine sich auf einen langen Weg begibt, mit dem Ziel des EU-Beitritts.
- Gleichzeitig die Ukraine deutlich macht, dass sie nicht anstrebt, Mitglied der NATO zu werden, und dass auch der Westen eine solche Möglichkeit gar nicht in Betracht zieht, denn Russland ist über eine derartige Perspektive nicht grundlos besorgt.
- Die Krim-Frage bleibt erstmal auf Eis gelegt.
Als Gegenleistung für die ukrainische Einwilligung in diese “Kompromissformel” kann die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung für diesen Situationsausgang zusichern und zu normaleren Beziehungen mit Russland zurückkehren, was auch die Abschaffung der Sanktionen miteinschließt: http://www.inosmi.ru/russia/20140709/221550118.html.
Von wem und wie genau die sogenannten “schwebenden Fragen” des Putinkrieges gegen die Ukraine bewätigt werden sollen, hat einer von den hochgestellten Mitgliedern des Putin-Umfeds verdeutlicht:
Der ehemalige tschechische Präsident Václav Klaus kann, seiner Aussage nach, die Krise in der Ukraine lösen. Er habe “Erfahrungen in der Aufteilung der Tschechoslowakei, die man auch im Land östlich unserer Grenzen anwenden kann”.
Der ehemalige Präsident Václav Klaus ist auf einer Pressekonferenz zum 10. EU-Beitrittsjahrestag von Tschechien aufgetreten. “Wenn ich Befugnisse hätte, könnte ich die Krise in der Ukraine lösen,” sagte Klaus während der Diskussion “Ukraine zwischen Europa und Russland”, die gemeinsam vom Amerikanischen Institut in der Ukraine (AIU) und dem Institut von Václav Klaus organisiert wurde. Das Thema der Diskussion war “Gründe der ukrainischen Krise und die Rolle Tschechiens in dem Konflikt”. Der ehemalige Präsident berief sich auf seine Erfahrung bei der Aufteilung der Tschechoslowakei: “Zu der Zeit war es unvermeidbar und notwendig. Alles wurde kurz und schmerzlos gemacht. In solchen Fällen kann keine von den Seiten gewinnen, darum sollte man einen Kompromiss finden,” sagte Klaus.
Klaus sagte auch, dass wir Zeugen einer einseitigen westlichen Propaganda sind: http://zpravy.idnes.cz/soucasne-vlade-bych-reseni-ukrajinske-krize-nesveril-rekl-exprezident-vaclav-klaus-v-debate-ic3-/domaci.aspx?c=A140708_174505_domaci_vlo.
Siehe auch: Ex-Präsident von Tschechien bietet seine Dienste bei der Aufteilung der Ukraine an: http://www.eurointegration.com.ua/rus/news/2014/07/9/7024043/.
Ein weiterer Teilnehmer der Diskussion war ein Professor der New-Yorker Universität, Wlad Saubell. In einem seiner auf der Website “Stimme Russlands” veröffentlichten Artikeln verdeutlichte er, dass das im letzten Jahr in Russland verabschiedete Gesetz “Über die ausländischen Agenten” teilweise gerechtfertigt sei, da es “die schwererrungene politische Stabilität in Russland schützt, unterdessen die Welle der Massendemonstrationen von 2011 an die vom Westen organisierten bunten Revolutionen erinnert”: http://voiceofrussia.com/2013_06_07/Is-Russia-s-foreign-agents-law-justified-0107/.
Ein anderer Teilnehmer dieser Pressekonferenz, der Leiter des Amerikanischen Instituts in der Ukraine (AIU), Anthony Salvia, hat schon am 23. Oktober letzten Jahres darauf hingewiesen, dass “eine Unterzeichnung des Assozierungsabkommens mit der EU eine Gefahr für die Souveränität der Ukraine darstellt”: http://www.kyivpost.com/content/author/anthony-t-salvia.
Nach Salvias Meinung, die er unmittelbar auf der Prager Konferenz äußerte, ist Putin “der beste russische Anführer, zumindest seit 1911. Und was auch immer wir von ihm denken, er ist ein demokratisch gewählter Präsident, den wir respektieren sollten”: http://zpravy.idnes.cz/soucasne-vlade-bych-reseni-ukrajinske-krize-nesveril-rekl-exprezident-vaclav-klaus-v-debate-ic3-/domaci.aspx?c=A140708_174505_domaci_vlo.
Ziele des AIU: http://www.aminuk.org/index.php?idmenu=1&idsubmenu=1&language=en.
Die Hauptperson der Prager Konferenz, V. Klaus, spielt in den letzten fünf Monaten eine ausgefallene Rolle in der Desinformationskampagne gegen die Ukraine. Seine detailliertesten Interventionen in diesem Bereich sind hier zu finden: „The Václav Klaus Institute’s public statement on the situation in the Ukraine: Lassen Sie uns keine Vulgarisierung der Diskussion über die Ukraine zulassen”.
Textmäßig erinnert es auf erstaunliche Art und Weise nicht nur an einen anderen Artikel eines anderen Lakaien Putins und wichtigen Mitglieds des Putin-Umfelds, Henry Kissinger „Henry Kissinger: To settle the Ukraine crisis, start at the end“, sondern auch an die Erklärungen von Putin selbst.
Was irgendwie ja irgendwas durchscheinen lässt…
In der Geschichte gab es das nicht nur einmal, dass Siege, die durch Großes Blut auf den Schlachtfeldern erlangt wurden, leicht an den diplomatischen Tischen wieder verloren wurden. Die jetzige Ukraine hat an der diplomatischen Front im gegen sie geführten Krieg leider gar nicht so viele Aktive.
Und wie es aussieht, noch weniger Verbündete.
Quelle: Andreij Illarionow in seinem Blog; übersetzt von Irina Schlegel.