
Wiktor Resunkow für Radio Svoboda
Ein ehemaliger Ermittlungsbeamter für besonders wichtige Fälle wirft dem russischen Präsidenten und seinem engsten Umkreis Korruption vor.
Wie und wer entwendete mehrere Milliarden aus dem Unternehmen „20. Trust“? Wer sind Gennadiy Petrow und Wladimir Kumarin, und was haben sie mit der Kooperative „Osero“ zu tun? Darüber sprechen wir mit Andrej Sykow, ehemaligen Oberstleutnant der Justiz und Hauptermittlungsbeamten in besonders wichtigen Angelegenheiten in der Abteilung für Korruptionsbekämpfung und Wirtschaftsdelikte bei der Ermittlungsabteilung des Untersuchungskomitees des Innenministeriums der Russischen Föderation im nordwestlichen Föderationsbezirk.
In diesem Jahr sind 15 Jahre vergangen, seit die Generalstaatsanwaltschaft Russlands das Strafverfahren Nr. 144128, das damals unter dem Namen „Der Putin-Fall“ bekannt wurde, eingestellt hat. Andrej Sykow gehörte der Ermittlungsbrigade an, die dieses Strafverfahren bis zu dem Zeitpunkt führte, zu dem Wladimir Putin Präsident Russlands wurde. Danach wurde das Verfahren sofort eingestellt. Den Ermittlern teilte man mit, es dürfe kein Kriminalstrafverfahren gegen den Präsidenten geführt werden.
Andrey Sykow erzählt:
– Der amerikanische Journalist Paul Chlebnikov hat sich seiner Zeit gefragt, wie Russland aus einer Supermacht zu einem Bettlerstaat werden konnte? Antworten auf diese Frage liefern die Akten des Strafverfahrens Nr. 144128. In Russland gibt es eine Tradition: Wenn ein Verdacht aufkommt, dass irgendeine offizielle Personen in Korruptionsaffäre verwickelt ist, wird eher selten ein Strafverfahren eingeleitet. Strafverfahren werden grundsätzlich „aufgrund von Veruntreuung durch unbekannt“ eingeleitet. Zu solch einem halb-anonymen Fall wurde auch das Ermittlungsverfahren, das aufgrund von Veruntreuung von Staatsgeldern durch die Führung des Unternehmens „20. Trust“ eingeleitet wurde.
Das Unternehmen wurde am 20. Oktober 1992 als eine Aktiengesellschaft gegründet und wechselte schnell von einer staatlichen zur vollkommen privaten Firma. Als wir Ermittler begannen, die Tätigkeiten der AG zu untersuchen, kamen wir zu dem Schluss, dass dieses Unternehmen nicht mit dem Ziel gegründet wurde, etwas zu bauen oder zu produzieren, sondern für Unterschlagungen. Natürlich konnte die Führung dieser AG nur dann straffrei stehlen, wenn sie sich der Beihilfe derjenigen höheren Beamten aus Leningrad (St.Petersburg) bediente, die dieses Unternehmen unterstützten.
– Wie funktionierte das Unternehmen „20. Trust“, was für Menschen haben seine Funktionalität gewährleistet?
– Um diese Frage richtig zu beantworten, sollte man diejenigen benennen, die man in diesem Kriminalfall zur Verantwortung ziehen könnte. Wenn wir verschiedene Episoden der Veruntreuung staatlicher Güter betrachten, sehen wir, dass konkrete Beamte dahinter stecken, die die entsprechenden Anordnungen gegeben haben. Sie kontrollierten die Ausführung dieser Anordnungen, sie gaben der Firmenführung freie Hand für die Veruntreuung staatlicher Güter und verschlossen ihre Augen vor all diesen Verbrechen. Jetzt gibt es im Strafgesetzbuch einen Paragraphen – 210. Dieser sieht eine Strafe für die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor. Ich vermute, man sollte diesen Paragraphen in Bezug auf die Leitung der Stadtverwaltung von St.Petersburg sowie die Firmenführung der Firma „20. Trust“ anwenden (Radio Swoboda betont, dass es keinen einschlägigen Gerichtsbeschluss gab).
Das Schema der Veruntreuung war durch die Bedingungen, die zu diesem Zeitpunkt in Russland herrschten, vorherbestimmt. 1992 war ein Jahr, als die Aktiengesellschaft „Korporation „20. Trust“ entstand. Es gab eine furchtbare Devalvierung, der Rubel war gefallen. Im März 1992 wurden in Sankt-Petersburg 32 Todesfälle aufgrund von Unterernährung registriert. 1992 war das Land am Rande der Zahlungsunfähigkeit und von galoppierender Inflation betroffen. Die Unternehmen konnten die Lieferanten nicht mehr bezahlen, Gehälter wurden nicht ausbezahlt, was zu wachsenden Spannungen in der Gesellschaft führte. Die Regierung begann nach einem Ausweg aus der Situation zu suchen, im April-Juni 1992 hat der Kongress der Volksdeputierten der RSFSR (Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik) eine Reihe von Deklarationen sowie eine Anordnung des Präsidenten RF „Unterstützung einer Wirtschaftsreform und Normalisierung des Zahlungsverkehrs in der Volkswirtschaft“ veröffentlicht. Im Rahmen dieser Beschlüsse wurde eine Finanzbehörde mit der Bezeichnung „Föderale Finanzverwaltungsbehörde“ mit Filialen in Moskau, St.Petersburg und anderen Städten gegründet. Der Leiter der Filiale in Sankt-Petersburg war Wjatscheslaw Nikolajewitsch Karetin. Bis dahin hatte er als Stellvertreter von Aleksej Kudrin, dem Vorsitzenden des Finanzausschusses der St.Petersburger Verwaltung fungiert. Wofür war Wjatscheslaw Karetin verantwortlich? Im Zusammenhang mit der Zahlungskrise hat die Zentralbank der Russischen Föderation riesige Summen an Firmen ausgezahlt, um ihren Zahlungsverkehr aufrechtzuerhalten. St.Petersburg bekam eine große Summe. Auf Wunsch des Bürgermeisters wurde eine Sonderkommission ins Leben gerufen, der 15 Personen angehörten, u.a. auch Dmitrij Filippow, der damals die staatliche Finanzinspektion leitete und 1998 im Treppenhaus seines Hauses ermordet wurde.
– War Wladimir Putin ein Mitglied dieser Kommission?
– Nein. Die Anordnung zur Gründung dieser Kommission kam sowohl von Sobtschak als auch von Putin. Die Leitung übernahm Dmitrij Sergejew, der erste Stellvertreter von Anatolij Sobtschak. Die Finanzmittel, die aus dem föderalen Budget zur Verfügung gestellt wurden, sollten zur Unterstützung von staatlichen Unternehmen dienen, damit sie sich gegenseitig bezahlen konnten. Sie waren nicht für private Aktiengesellschaften, wie die „20. Trust“-AG es war, vorgesehen. Als wir nachgeforscht haben, wofür diese föderalen Finanzmittel verwendet wurden, stellten wir allerdings fest, dass über 60% dieser Gelder, die aus dem Budget von St.Petersburg an staatliche Unternehmen verteilt wurden, ausgerechnet an die Firma „20.Trust“ gingen. Die restlichen Gelder, weniger als 40%, wurden unter den staatlichen Firmen in St.Petersburg aufgeteilt. Aber was ist das für Geld?
Wasilij Wasiljewitsch Kabatschinow, der Hauptkontrolleur- und Revisor in der Kontroll- und- Revisionsverwaltung des Finanzministeriums Russlands in St.Petersburg (am 30. November 1999 verbrannte er auf seiner Datscha – dabei war er für seinen nüchternen Lebensstil bekannt), stellte fest, dass von den 23 Milliarden Rubel, die in die Firma „20. Trust“ eingeflossen sind, nur eine Milliarde für die Bedürfnisse der Stadt ausgegeben wurde. Die restlichen 22 Milliarden wurden einfach gestohlen. Diese Gelder wurden von dieser Firma in unterschiedliche Länder überwiesen: nach Spanien, Finnland, Kanada und USA. Das Geld wurde unter verschiedenen Vorwänden überwiesen: für Marktforschungen, die keiner durchführte; für unterschiedliche Doppelarbeiten, die teilweise von unterschiedlichen Petersburger Unternehmen für minimale Beträge ausgeführt wurden. Allerdings teilte die Firma mit, dass sie für diese Arbeiten teure englische Spezialisten der Firma „Wilson Mason“ engagiert habe. Man hat ihnen angeblich das Zehnfache der Summe, die tatsächlich durch die Firma für diese Art von Arbeit ausgegeben wurde, bezahlt. So funktionierte die Entwendung. Für das gestohlene Geld sind u.a. auch in Spanien Villen für Wladimir Putin, Anatolij Sobtschak und eine Reihe von anderen Beamten aus der Stadtverwaltung von St.Petersburg gekauft worden.
– Kommen im Kriminalfall „20. Trust“ der in Spanien international bekannt gewordene russische Geschäftsmann Gennadij Petrow und die in St.Petersburg unter dem Spitznamen „Nachtgouverneur“ bekannte kriminelle Autoritätsperson Wladimir Barsukow (Kumarin) vor?
– Gennadij Petrow kommt im Kriminalfall Nr. 144128 nicht vor. Dort werden weder Petrow noch Kumarin genannt. Aber wenn man den Umkreis von Wladimir Putin betrachtet und versucht festzustellen, ob Leute aus diesem Umkreis einen Bezug zu Petrow und Kumarin hatten, bekommt man sicher eine positive Antwort: Ja, hatten sie. Wie kann man das beweisen? Der Begriff „Kooperative Osero“ (Genossenschaft „Der See“) ist uns bereits bekannt. Und wir wissen, dass es acht Personen waren, die diese Genossenschaft 1996 gegründet haben, die von Wladimir Smirnow angeleitet wurde. Und wer ist Herr Smirnow? Er ist der Leiter der geschlossenen Aktiengesellschaft „Peterburgskaja topliwnaja kompanija“ (PTK – dt. Petersburger-Kraftstoff-Gesellschaft). Gegründet wurde die PTK 1994 von der Petersburger Stadtverwaltung. Wladimir Smirnow wurde Direktor und Kumarin (Barsukow) – sein Stellvertreter. Gibt es hier einen Zusammenhang mit der sog. „Tambower kriminellen Bande“? Sieht so aus. Wurde Herr Kumarin (Barsukow) in der Genossenschaft „Osero“ gesehen? Ja, und sehr oft sogar – bei Wladimir Smirnow. Außerdem gibt es Fakten, die beweisen, dass die Genossenschaft „Osero“ von Sicherheitsstrukturen bewacht wurde, die unmittelbar Wladimir Kumarin (Barsukow) unterstanden.
Und jetzt zu Gennadij Petrow. Man sollte wissen, dass die Genossenschaft „Osero“ nicht nur im Kreis Priosersk, Bezirk Leningrad, existiert. Eine derartige Genossenschaft, mit denselben Mitgliedern, war vorher auf der Wassiljewski-Insel gegründet worden. In der Auflistung der Personen – Mitglieder der Genossenschaft „Osero“ im Kreis Priosersk – sehen wir acht Namen. Jeder einzelne davon war in St.Petersburg wohnhaft. Lasst uns mal schauen, wo der heutige Vorsitzende der ÖAG „Russische Eisenbahn“ Wladimir Jakunin angemeldet war. Wo waren Andrej Fursenko, die Brüder Jurij und Michail Kowaltschuk (allesamt Mitglieder der Kooperative „Osero“) gemeldet? Es stellte sich heraus, dass all diese Personen in der Nalitschnaja-Straße 55 angemeldet waren. Zwei Wohnungen in diesem Haus gehörten Jurij Kowaltschuk – Nr. 34 und Nr. 44, Andrej Fursenko gehörte die Wohnung Nr. 43, seinem Bruder Sergej Fursenko die Wohnungen Nr. 47 und Nr. 48, einem weiteren Mitglied der Genossenschaft, Wladimir Jakunin, gehörten die Wohnungen Nr. 159 und Nr. 160; Wiktor Miatschin, dem Direktor der Bank „Rossija“, gehörten die Wohnungen Nr. 45, 46, 47 und Nr. 173. Außerdem wohnte in dem Haus (in der Wohnung Nr. 29) eine gewisse Frau N.F. Artemjewa, die Hauptbuchhalterin der Genossenschaft „20. Trust“. Und wer hat das Haus gebaut? Das Baltische Bauunternehmen (russ. Baltijskaja Stroitelnaja Kompanija – BSK). Und BSK ist die „Perle“ in der „Krone“ von Gennadij Petrow. Das ist die Antwort auf die Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Gennadij Petrow und dem Kriminalfall Nr. 144128 gibt. Er stand praktisch in unmittelbarer Beziehung zum engsten Umkreis von Wladimir Putin. Die Tatsache, dass fünf Personen aus der Genossenschaft „Osero“ in demselben Haus wohnten, das von dem Unternehmen, das Gennadij Petrow gehörte, gebaut wurde, ist ein klares Beispiel für eine derartig vielfältige Zusammenarbeit.
– Ist das im Jahr 2000 abgeschlossene Kriminalverfahren Nr. 144128 das einzige Kriminalverfahren, mit dem Korruption von Beamten aus der Regierung von Anatolij Sobtschak und seiner Umgebung untersuchte?
– Es gibt noch ein derartiges Strafverfahren, an das ich mich erinnere: das Verfahren gegen die Firma „Renaissance“. Wenn man aber von Materialien spricht, in denen die meiner Meinung nach kriminelle Vorgehensweise von Wladimir Putin zu beobachten ist, sollte man sicher den berühmten Bericht von Marina Salier vom März 1992, erwähnen. Sie untersuchte die Tätigkeiten von Wladimir Putin als Vorsitzender des Komitees für Außenbeziehungen der Stadtverwaltung St.Petersburg. Dabei fand sie heraus, dass das Programm „Lebensmittel gegen Rohstoffe tauschen“, das die Stadtverwaltung ausführte, gescheitert war und riesige Geldsummen gestohlen wurden. Die Verträge wurden von Wladimir Putin und seinem Team so abgeschlossen, dass man sie vor Gericht nicht verklagen konnte. Manchmal fehlten in den Verträgen Zeitangaben, manchmal fehlte die Definition von „Strafsanktionen“. Es ist offensichtlich, dass ein Gericht diese Verträge zurückgeschickt hätte. Marina Salier sagte, dass das Team von Wladimir Putin ca. 100 Millionen US-Dollar gestohlen habe. Das war 1992. Und jetzt lasst uns nachdenken: Wer war Mitglied dieses Teams? Dazu gehörte Aleksej Miller und der Wirtschaftsberater von Anatolij Sobtschak – Dmitrij Medwedew. Der zukünftige Präsident Russlands hat eine Dissertation mit Anatolij Sobtschak als Doktorvater verfasst, der ebenfalls Spezialist für Zivilrecht war. Und dieses Juristenpack – Sobtschak, Medwedew und Putin – sollte plötzlich juristisch total unfähig sein! Die Verträge wurden von ihnen und ihren Angestellten so ausgearbeitet, dass sie juristisch nichtig waren. Dabei sind im März 1992 in Petersburg Menschen an Unterernährung gestorben.
An diesen Verbrechen hat sich auch der Bankier Pjotr Awen beteiligt. Unter anderem kam hier die Frage auf: Wohin verschwanden 997 Tonnen reines Aluminium, wohin ist es verdampft? Die Frage ist bis heute nicht beantwortet, sowie die Frage: Wo ist das Geld, das für dieses Material bezahlt wurde?
Das nächste Element solcher verbrecherischer Tätigkeiten, für die meiner Meinung nach die gesamte Führung der Stadtverwaltung St.Petersburg im Gefängnis sitzen sollte, war der sog. Anna-Jewglewskaja-Fall über die Firma „Renaissance“, die von ihr geführt wurde. Diese Dame, die eine Gastronomie-Ausbildung abgeschlossen hatte, erwies sich im Handel erstaunlicherweise als kleine Diebin, wofür ihr auch in dem Laden, wo sie gearbeitet hatte, gekündigt wurde. Sie gründete ein Bauunternehmen und begann den Bau eines Hauses an der Ryliejew-Straße. Und später bekamen plötzlich die Nichte von Anatolij Sobtschak, der Hauptarchitekt von St.Petersburg Oleg Chartschenko und viele andere Leute aus dem Umkreis von Wladimir Putin in diesem Haus Nr. 3 Wohnungen geschenkt.
– Einer der aktivsten Ermittler in Ihrem Team war Oleg Kalinitschenko. Er verfasste ein großes Dossier über den Vorsitzenden des Komitees für Außenbeziehungen der Stadtverwaltung St.Petersburg Wladimir Putin und über die anderen Beamten. Nachdem das Ermittlungsverfahren gegen Putin abgeschlossen war, ging Oleg Kalinitschenko ins Kloster. Was geschah mit seinem großen Archiv? Haben Sie manche Materialien daraus bekommen können?
– Oleg Kalinitschenko war ein Beamter der 2. Abteilung für Bekämpfung des organisierten Verbrechens in der Hauptverwaltung für innere Angelegenheiten von St.Petersburg und dem Gebiet Leningrad (es handelte sich praktisch um eine Antikorruptionsabteilung: Die Überwachung der Mitarbeiter der Stadtverwaltung von St.Petersburg gehörte zu ihren Aufgaben). Er hat Informationen über buchstäblich alle Personen aus dem Umkreis von Wladimir Putin gesammelt. Zum Beispiel fragte ich ihn mal: „Oleg, was wissen wir über Fursenko und Kowaltschuk?“ Nach einer Minute brachte er mir Unterlagen, aus welchen ersichtlich war, wer in was verwickelt war, wer mit wem aus dem kriminellen Milieu Beziehungen pflegte usw.
Was mit dem Archiv von Oleg Kalinitschenko passiert ist, sollte man vielleicht ihn selbst fragen. Wird er darüber sprechen? Offensichtlich nicht. Oleg ist ins Kloster gegangen und hat jetzt andere Sorgen und Aufgaben. Er interessiert sich für unsere irdische Sorgen nicht. Allerdings habe ich manche Unterlagen, die er mir gegeben hatte, aufbewahrt. Zum Beispiel haben unsere Medien sehr viel über Wladimir Wladimirowitsch Kisseljow, den Organisator des Festivals „Weiße Nächte“ berichtet. Vor ca. zwei Jahren hat er erneut eine Geldsammel-Kampagne gestartet, bei der Wladimir Putin irgendein Liedchen auf dem Klavier spielte. Wohin die Gelder, die bei dieser von Kisseljow geleiteten Wohltätigkeitsaktion gesammelt wurden, gegangen sind, blieb schon wieder unbekannt.
Hier habe ich die Referenz von Oleg Kalinitschenko über diese Person. Ich zitiere: „Referenz über W. W. Kisseljow. Der persönliche Helfer des Bürgermeisters von St.Petersburg, Anatolij Sobtschak, ist Wladimir Wladimirowitsch Kisseljow. Er gilt auch als „die rechte Hand“ von Gennadij Petrow – einer Autorität in der kriminellen Organisation von Malyschew (Anmerkung des Autors: Es handelt sich um das Jahr 1996). W.W.Kisseljow beschäftigt sich mit der Erpressung von Geldern von Inhabern kleiner und mittlerer Unternehmen der Stadt für die Wahlkampagne von Bürgermeister Sobtschak. Gemacht wird dies auf folgende Art und Weise: Es gibt einen Fonds zur Unterstützung der Olympischen Spiele 2004, wohin Unternehmer gezwungen werden, zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Betrag von jeweils 50.000$ zu überweisen. Falls ein Unternehmer das Geld nicht rechtzeitig überweist, wird er gezwungen, das Doppelte der Summe zu zahlen. Dabei werden brutale Methoden der Druckausübung bis hin zur körperlichen Gewalt angewendet. Es werden Festnetznummern verwendet (Die Nummern sind aufgelistet). W.W. Kisseljow ruft bei dem betreffenden Unternehmer persönlich an und fordert die Überweisung der angegebenen Summe zum bestimmten Termin. Im Fall der Ablehnung droht er mit körperlicher Gewalt. Da er ein aktives Mitglied der organisierten kriminellen Bande von Malyschew ist, entscheidet er notfalls über die Ankunft eines „Teams“, das die Gelderpressung übernimmt. Am 18. April 1996 sollte eine Unternehmerversammlung stattfinden, die durch Kisseljow mit Hilfe von Drohungen organisiert wurde. Diese sollte nach Insider-Informationen im „Club 2004“ stattfinden; dabei wurde der Auftritt des ersten Stellvertretenden Bürgermeisters von St.Petersburg und Vorsitzenden des Komitees für wirtschaftliche Außenbeziehungen Wladimir Putin erwartet. Er sollte das Sammeln von Geldern zur Unterstützung der Kandidatur von Anatolij Sobtschak für die bevorstehende Wahl ansprechen.
– Sie beschuldigen Wladimir Putin und manche andere Menschen aus seinem Umkreis der Korruption. Ist Ihnen klar, dass man Sie wegen Verleumdung anzeigen könnte?
– Ich bin Ermittlungsbeamter. Ein Ermittler hat das Recht auf eigene Überzeugungen. Wenn der Ermittler einem Fall nachgeht, bildet er sich eine Vorstellung davon, ob er genug Materialien im Besitz hat, um gegen die eine oder andere Person Anklage zu erheben, wegen eines von dieser Person begangenen Verbrechens. Das Gericht kann sich mit dem Ermittler auch nicht einverstanden erklären. Ein Verfahren, das vor Gericht kommt, kann mit einer Freisprechung enden. Aber bedeutet das, dass der Ermittler im Unrecht ist? Vielleicht ist der Richter im Unrecht? Jeder hat seine Wahrnehmung der Dinge. Bei dem einen wird die Wahrnehmung mit irgendwelchen Idealen gestützt, mit der Überzeugung von der Notwendigkeit eines Kampfes gegen das Verbrechertum. Bei dem anderen kann die Wahrnehmung mit einem Befehl gestützt sein, womöglich mit Schmiergeld. Zum Beispiel sagt Putins Pressesekretär Dmitry Peskow über den von Marina Salier geschilderten Sachverhalt, dass dieser mehrmals untersucht wurde und dass an diesem Fall nichts dran sei. Und wenn aufgrund der Materialien des Sachverhalts wie von Marina Salier vorgebracht kein Verfahren eingeleitet wurde, bedeutet das, dass dabei von Wladimir Putin kein Verbrechen begangen wurde?
Der Wohlstand des Staatsanwalts von St.Petersburg gibt die Antwort auf die Frage, warum keine Strafverfahren gegen Putin und seinen Umkreis eingeleitet wurden. Also lassen Sie uns doch schauen, wer damals Staatsanwalt von St.Petersburg war? Wladimir Iwanowitsch Jeremenko. Und woher taucht bei Wladimir Iwanowitsch plötzlich eine Villa in Repino auf, unweit von der Villa des Konzernchefs des „20. Trust“, Sergei Nikeschin? Was kostet sie? Zum damaligen Zeitpunkt etwa 400 000 Dollar. Woher hat der Staatsanwalt einer Stadt so eine Summe? Und wieviele Wohnungen hat der Staatsanwalt einer Stadt auf dem Newskij Prospekt (einer Hauptstraße in St.Petersburg) und in anderen Stadtbezirken bekommen? Von wem? Auf welche Weise? Dieser Wohlstand des Staatsanwalts von St.Petersburg gibt meiner Meinung nach die Antwort auf die Frage, warum kein Strafverfahren gegen Wladimir Putin und seinen Umkreis eingeleitet wurde.
– Seit die Akten des Falls Nr. 144128 geschlossen wurden, sind über 15 Jahre vergangen. Ist es denn Wert, alte Geschichten aufzuwärmen? Denn auch wenn man anfängt, eine Untersuchung der Fakten, die in diesem Fall ermittelt wurden, durchzuführen, wird es sich herausstellen, dass es sinnlos ist, da die Verjährungsfrist für die Heranziehung zur strafrechtlichen Verantwortlichkeit abgelaufen ist.
– Es gibt einen Begriff der Legalisierung der entwendeten Mittel. Es handelt sich um ein Verbrechen mit dauerhafter Wirkung. Jenes Geld, das in den Jahren 1992, 1995 und 1996 entwendet wurde, befindet sich so oder so auf irgendwelchen Konten, also ist eine Legalisierung der entwendeten Mittel geschehen. Nichtsdestotrotz nehme ich an, dass der Gesetzgeber in Bezug auf Menschen, die das Land leiten, wohl überlegte Änderungen ins Strafgesetzbuch Russlands einfügen sollte. Für diese Personen darf es keine Verjährungsfristen geben, wenn bewiesen ist, dass sie Verbrechen begangen haben, denn Menschen, die an der Spitze eines Staates stehen, müssen absolut sauber und ehrlich sein. Wenn sie es nicht sind, so haben sie kein Recht, einen Staat zu leiten. Ich denke, sobald Putin nicht mehr Präsident des Landes sein wird, werden solche Änderungen in die Strafprozessordnung und das Strafgesetzbuch eingefügt, und es wird eine Möglichkeit geschaffen werden, diese Menschen strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.
– Als Sie in einem Ermittlerteam arbeiteten, haben Sie versucht, diese Abgeordneten und Wladimir Putin strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen?
– Zumindest ermittelten wir in diesen Fällen ehrlich. Und das, was wir zu diesem Straffall ermittelt haben, belegt meiner Ansicht nach die Schuld von Putin selbst wie auch von vielen anderen offiziellen Personen aus seinem Umkreis.
– Kann man den Straffall „20. Trust“ als Korruptionsmodel betrachten, das erst in St.Petersburg eingefahren und dann auf ganz Russland ausgeweitet wurde?
– Absolut, denn die Entwendungen von 1992 haben gezeigt, dass die Räuber sehr verwundbar sind. Wenn solche Firmen durch Personen mit kriminellen Neigungen erschaffen werden, wenn solche juristisch nichtigen Verträge unterzeichnet und zusammengestellt werden, entsteht ein Anlass, den daran Mitwirkenden ihre Posten abzuerkennen. Denn Marina Salier trat mit der Absicht auf, Wladimir Putin seinen Posten abzuerkennen, und der Petersburger Stadtrat hat sie darin unterstützt. Damit man auch weiterhin Entwendungen frei durchführen konnte, risikofrei, musste man alles drumherum kriminalisieren, also musste man sich ein Team zusammensuchen. Und jenes Team, das in der Zeit von 1992 bis 1996 zusammengestellt und geprüft wurde, blieb bis heute im Umkreis von Wladimir Putin. Derselbe Kudrin, Koschin, derselbe Krutschinin, Wjasalow und alle anderen. Der gesamte Umkreis, den es damals gab – der existiert heute noch. Und sie alle bekommen Orden und Auszeichnungen…
Quelle: Wiktor Resunkow für svoboda.org; übersetzt von Zoya Schoriwna/ Irina Schlegel; korrigiert von Klaus H.Walter.
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