
Den größten Teil der heute besetzten Gebiete der Region Luhansk kontrollierten unlängst die sogenannten „Donkosaken“, angeführt von Nikolai Kosizyn. Nun begann sich die Lage zu Gunsten der „LVR“ zu ändern. Wenn wir das, was heute in Donbass geschieht, insgesamt betrachten, scheint es, als ob wir uns in einer großen Zeitmaschine befinden, die uns immer weiter in die Vergangenheit entführt. Selbst die Symbole der Separatisten zeigen das deutlich. So z.B. erinnert das „LVR“-Wappen sehr an das sowjetische Wappen, und „DVR“ hat sich den doppelköpfigen Adler als Emblem ausgesucht. In einigen Bezirken ist diese Zeitmaschine noch weiter in die Vergangenheit gereist. Dort ist die Lage zu den Zuständen der fernen Zeit zurückgekehrt, vielleicht noch vor der Herrschaft von Katharina der Großen, als die Kosaken hier die wichtigste politische Kraft waren.
Der führende wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für ukrainische Geschichte an der Akademie der Wissenschaften der Ukraine, Historiker Taras Tschuchlib erzählte in der Sendung von „Hromadske TV Donbass“, wer über das Territorium von Donbass herrschte, bevor das Moskauer Reich es erobert hat.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Territorium von Donbass von den ukrainischen Kosaken besiedelt, angeführt vom Saporoger Ataman Semen Saburski. Ihre Siedlungen lagen in der Gegend der heutigen Stadt Slowjansk, die im 17. Jahrhundert „Tor“ hieß. In der Gegend um Slowjansk gab es seit dem 17. Jahrhundert Kosaken-Gehöfte und Weiler.
„Man muss anmerken, dass das Territorium von Donbass, oder genauer gesagt von den Gebieten Donezk und Luhansk, schon immer ein Grenzgebiet war. Wenn wir von der fernen Vergangenheit sprechen, so war dieses Land zu den Zeiten von Skythien von iranischsprachigen Stämmen besiedelt. Später geht dieses Gebiet in den Besitz des kosakischen Patronats über. Das Land war von turksprachigen Stämmen bewohnt – Kiptschaken und Petschenegen.
Im 14. Jahrhundert kam die Goldene Horde in dieses Land, und die Gebiete geraten in die politische Abhängigkeit vom Krimer Khanat, das seinerseits dem Osmanischen Reich unterstand. Und die Slawen haben dieses Gebiet flächendeckend, wenn man so sagen darf, erst im 17.-18. Jahrhundert kolonisiert“, – ergänzt der Historiker.
Auf dem Gebiet der heutigen Stadt Mariupol befanden sich ebenfalls größere Siedlungen, hier war ein Sitz des Saporoger Heers, der Kalmius-Polanke hieß – das war ein großer Verwaltungsbezirk der Kosaken.
„Wir wissen, dass die heutige Stadt Mariupol in dem Gebiet liegt, wo sich die Kalmius-Polanke befand – das war ein Verwaltungsbezirk der Saporoger Sitsch. Und gegen das Ende des 18. Jahrhunderts gab es hier etwa 500 Höfe“, – erzählt Tschuchlib.
Laut dem Historiker wurden die Donkosaken Mitte des 17. Jahrhunderts die Asowkosaken genannt, da sie zusammen mit den Saporoger Kosaken die Gebiete am Asowschen Meer vom Osmanischen Reich zurückeroberten. Er fügt hinzu, dass nachdem Katharina II die Griechen von der Krim ausgesiedelt hat, die Bevölkerung von Donbass und Asow-Gebiet multiethnischer geworden ist. Die Griechen lebten zusammen mit den Ukrainern.
„Später, als Katharina II die Griechen von der Krim aussiedelte, zogen die Griechen hierhin, sie lebten zusammen mit den Ukrainern, den ukrainischen Kosaken, hier gab es multiethnische Siedlungen. Und wenn wir vom Heer der Donkosaken sprechen, so können wir sagen, dass zuerst die Saporoger Kosaken zusammen mit den Donkosaken die Gebiete von den Krimtataren zurückeroberten, vom Osmanischen Reich. Zusammen mit den Asowkosaken, wie die Donkasaken damals genannt wurden, eroberten die ukrainischen Kosaken Asow in der Mitte des 17. Jahrhunderts“, – erzählt Tschuchlib.
Das Heer der Donkosaken bestand zu 20-30% aus den Saporoger Truppen und den Menschen, die gebürtig aus der Zentralukraine kamen. Selbst nachdem Bohdan Chmelnyzkyj dem Moskauer Reich die Treue geschworen hat, weigerte sich das Heer der Donkosaken, sich den Moskauer Zaren unterzuordnen.
„Donkosaken sträubten sich lange dagegen, den Machtanspruch der Moskauer Zaren anzuerkennen. Sie weigerten sich, dem Zaren Aleksej Michajlowitsch die Treue zu schwören, während Bohdan Chmelnyzkyj ihm 1654 die Treue geschworen hat, gleichzeitig hat das Heer der Donkosaken den Treueschwur den Moskauer Zaren abgelehnt, dazu ist es erst nach dem Aufstand von Stenka Rasin 1671 gekommen. Übrigens bestand damals das Heer der Donkosaken zu 20-30% aus den Saporoger Kosaken der Zentralukraine“, – erklärt Tschuchlib.
In der Zeit als Petro Tschernischewski Ataman war, wurde das Gebiet des heutigen Donbass von den Kosaken, Bauern und Menschen mit höherem sozialen Status besiedelt. Das führte dazu , dass auf diesem Gebiet eine politisch unabhängige Region mit der eigenen unabhängigen Wirtschaft entstanden ist. Aus diesem Grund wurde die Saporoger Sitsch von Katharina II aufgelöst.
„Aber nachdem die neue, sogenannte Saporoger Sitsch entstanden ist, nach 1734, zu den Zeiten des Atamans Petro Tschernischewski, wurde dieses Gebiet vollständig von Bauern, Kosaken und sogar den Vertretern der höheren Klassen kolonisiert. Und wir sehen, wie Katharina II mit ihrem Manifest die Saporoger Sitsch aufhebt, die dem Russischen Reich geholfen hat, die Krim vom Osmanischen Reich zurückzuerobern. Die Saporoger Sitsch wurde aus dem Grund aufgehoben, dass hier eine politisch unabhängige Region entstanden ist, so stand es in dem Manifest von 1775, und dass es in dieser Region eine unabhängige Wirtschaft existierte“, – sagt Tschuchlib.
Nach den russischen Gesetzen gehorchen die modernen Kosakenheere, von denen es 11 gibt, voll und ganz den Befehlen des Staatsoberhaupts, also Wladimir Putin.
„Heute gibt es in Russland 11 Kosakenheere. Sie existieren nicht einfach so wie z. B. unsere Kosakenverbände, als gemeinnützige Organisationen. Sie existieren als staatliche Institutionen, denn jedes Heer, auch das Große Donkosaken-Heer, muss sich an die Statuten halten, die vom russischen Präsidenten festgelegt werden. Es gibt sogar das Gesetz der Russischen Föderation für den öffentlichen Dienst der russischen Kosaken“, – sagt der Historiker.
Dem Historiker zufolge, testet der Ataman des sogenannten Großen Donkosaken-Heers Nikolai Kosizyn, der einen Teil der Region Luhansk besetzt hat, einfach aus, ob es möglich ist, die ideologischen Grundlagen in den besetzten Gebieten zu verbreiten.
„Kosizyn spielt die gleiche Rolle wie Schirinowski in der russischen Politik, er sondiert das Terrain in den besetzten ukrainischen Gebieten und schaut, wie die Einheimischen und das ukrainische Establishment auf seine Vorstöße reagieren. Wenn wir seinen Lebenslauf ansehen, so hat Kosizyn keine höhere Bildung, er hat als Wachmann in Gefängnissen gearbeitet, dann ist er irgendwo in Transnistrien aufgetaucht, später in Abchasien, dann im ehemaligen Jugoslawien“, – erzählt Tschuchlib.
Nach Ansicht des Fachmanns gilt das historische Recht, nach dem angeblich die sogenannten Kosaken einen Teil der Region Luhansk besetzt haben, im Rahmen der heutigen internationalen Beziehungen nicht mehr. Denn nach dem historischen Recht gehörten einige Gebiete der Russischen Föderation früher anderen Staaten, die Russland gegenüber keine Ansprüche geltend machen.
„Ich denke, dass solche wie Kosizyn vor das Haager Tribunal gehören, und so wird es kommen, denn sie besetzen die Gebiete nicht nach dem historischen Recht. Denn die heutige Stadt Wyborg, die vor 1940 zu Finnland gehörte, wurde unter Stalin erobert, und Sankt Petersburg wurde auf dem Fundament einer schwedischen Festung erbaut. Also sollten die Russen Sankt Petersburg den Schweden oder Wyborg den Finnen zurückgeben.
Viele ursprünglich ukrainischen Gebiete gehören heute zur Russischen Föderation, z. B. das historische Starodubtscheno, wo seit den Zeiten von Bohdan Chmelnyzkyj, seit 1870, das Starodubski Regiment (Bezirk) existierte. Heute liegt die Stadt Starodub in der russischen Region Brjansk. Ukraine stellt keine Gebietsansprüche an Russland. Das historische Recht gilt nicht im Rahmen der heutigen internationalen Beziehungen. Teile unseres Landes wurden besetzt, und man versucht, mit Hilfe solcher Kosaken wie Kosizyn die ideologische Basis dafür zu schaffen“,- fügt er hinzu.
Dann erzählt der Historiker, dass die Kosaken, die sich weigerten, sich der sowjetischen Macht zu beugen, nach Sibirien ausgesiedelt wurden, ein Teil von ihnen starb in der Zeit des Holodomors (die große Hungersnot) in 1932-1933. Er fügt hinzu, dass 30-40% der Kuban- und Donkosaken im Zweiten Weltkrieg an der Seite von Nazi-Deutschland gekämpft haben. Für einen der Generäle, der einen Trupp der faschistischen Kosaken anführte, wurde in Moskau sogar eine Gedenktafel aufgestellt.
„Wenn wir vom historischen Recht reden, so ist es uns bekannt, dass die sowjetische Regierung sowohl die Don- wie auch die Kubankosaken bekämpften. Die Hälfte der Kubankosaken, die nicht von den russisch-sowjetischen Truppen vernichtet wurde, wurde zum Teil nach Sibirien ausgesiedelt, zum Teil starb sie in der Zeit der Hungersnot 1932, aber 30-40% der verbliebenen Kuban- und Donkosaken kämpften an der Seite von Nazi-Deutschland gegen die Sowjetunion. So wissen wir von General Krasnow, der die Don-Bataillone der 15. SS-Division befehligte. Heute werden für ihn in Russland, in der Region Rostow, Denkmäler aufgestellt. Und eine Gedenktafel für General Krasnow, der die Nazi-Kosaken befehligte, steht auf dem Gelände der Allerheiligen-Kirche in Moskau“, – sagt Tschuchlib.
„Die ganzen Verweise darauf, dass diese Gebiete ursprünglich mal ur-russisch waren, entbehren jeder Grundlage. Donezk z. B. hieß früher Jusowka und war eine kleine Industriestadt, gegründet auf dem Territorium des Russischen Reiches von John Hughes, der aus Schottland kam und hier seine neue Technologie des Kohlebergbaus einführte. Donezk ist auf dem Gebiet entstanden, wo vorher ukrainische Kosakensiedlungen lagen. Das waren Krutohoriwka, Oleksandriwka, Marjinka, Awdijiwka, ganz zu schweigen vom Norden der Region Luhansk“, – fügt der Historiker hinzu.
Quelle: novosti.dn.ua; übersetzt von Olena Köpnick