
Das ukrainische Ministerium für Informationspolitik hat einen dermaßen großen Lärm um eine Publikation von Myrotworez geschlagen, dass selbst eine der größten deutschen Zeitungen, Die Zeit, einen Artikel über diesen Skandal veröffentlichte.
Es wird berichtet, dass die OSZE „äußerst besorgt sei“: Böse Ukrainer haben eine Liste mit akkreditierten Journalisten veröffentlicht, diese weinen nun, die OSZE verteilt Taschentücher. Gut, alles der Reihe nach.
Die OSZE ist besorgt? Über die veröffentlichte Liste? Mit Journalisten, die in nicht-anerkannten, terroristischen prorussischen Enklaven im Osten der Ukraine, die sich „DVR“ und „LVR“ nennen, akkreditiert waren und dort arbeiteten?
Über was anderes ist OSZE nicht besorgt? Zum Beispiel über den nie stattgefundenen Abzug der schweren Waffen seitens Russlands? Oder über die Angriffe auf ukrainische Stellungen?
Ich möchte Euch doch auf die Tatsache aufmerksam machen, dass erstens die Angaben zu absolut allen akkreditierten Journalisten ganz offiziell auf der Webseite des russischen oder auch des finnischen Außenministeriums zu finden sind: mid.ru oder formin.fi.
Und zweitens, dass die Liste von Myrotworez seit Oktober 2015 auf ihrer Webseite öffentlich verfügbar ist und es eine noch große Frage ist, wer und aus welchem Grund plötzlich einen Skandal daraus gemacht hat. Und drittens, dass die Webseite Myrotworez, die inkompetente Die Zeit-Journalisten als eine „bis dato unbekannte Seite“ bezeichnen, ein Projekt von Freiwilligen ist und seit 2014 existiert. Diese Webseite erfasst Angaben zu Terroristen und Separatisten im Donbas, analysiert und veröffentlicht sie. Die Webseite ist nicht nur unersetzlich für die ukrainische Armee – sie wird selbst von den russischen Grenzbeamten permanent aufgerufen, die sich auf ihre Mitbürger, die im Donbas gekämpft haben und nun zurück nach Hause nach Russland wollen, ganz und gar nicht freuen.
Wir verstehen ausgezeichnet, dass es Europa nur darum geht, dass der Krieg in der Ukraine einfach zu Ende geht, und zwar egal wie. Nur ist die Ukraine ein unabhängiges Land. Und es kämpft für seine Freiheit. Und in erster Linie geht es darum, sich zu verteidigen.
Wenn dort 7.000 Journalisten waren, wo sind ihre Reportagen? Wo sind die Videos und Fotos von russischen Soldaten, Technik, Militärgerät? Was haben sie dort gemacht? Das möchten die Menschen wissen – sonst nichts. Wenn sie alles richtig gemacht haben, die ukrainische Grenze legal überquert und aufrichtige Reportagen gemacht haben, wovor haben sie Angst?
Niemand machte sich Sorgen um Abschusslisten der Terroristen oder um öffentliche Listen der Journalisten in Russland, aber sobald so etwas in der Ukraine passierte – voilà! Nützliche Idioten des Kremls sind direkt vor Ort!
Und was Hacker und ihre Arbeit angeht: Nach diesen zwei Jahren kann ich mit Gewissheit sagen, dass Westeuropa absolut rückständig in seiner Wahrnehmung der Realität ist. Es versteht nicht mal die Wichtigkeit des Informationskrieges. Wenn Ihr das nicht versteht, heißt es nicht, dass andere bereit sind, wegen Eurer Rückständigkeit zu sterben. Die Ukraine verliert seit zwei Jahren jeden Tag Menschen. Und Ihr meint, im gemütlichen Deutschland sitzend, sie verdammen zu dürfen? Bislang haben wir mithilfe von Hackern und auf der Basis ihrer Infos folgende Untersuchungen gemacht: UCA.
Und womöglich Dutzenden Menschen das Leben gerettet. Und Ihr? Seid nicht Ihr es, die die deutsche Bevölkerung über den Ukraine-KRIEG vollkommen desinformiert haben, von Anfang an und bis heute? Mit Eurem „Die-Wahrheit-liegt-in-der-Mitte“? Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Es gibt nur die eine Wahrheit. Wenn du ein demokratischer, unabhängiger Mensch bist, der für seine Freiheit kämpft. Und es gibt die andere – für Imperialisten, Neonazis und Chauvinisten.
Und man muss sich entscheiden, auf welcher Seite man steht. Denn in der Mitte ist GAR NICHTS.
Wir von InformNapalm mögen kein WikiLeaks und keine Arbeit in diesem Stil. Unsere Arbeit ist sehr punktförmig und präzise. Wir halten es für falsch, dass alle Daten veröffentlicht worden sind. Wir hätten das anders gemacht – wir hätten all das analysiert und Angaben veröffentlicht, die zum Beispiel auf einen illegalen Aufenthalt auf dem Territorium der Ukraine oder auf direkte Zusammenarbeit mit Terroristen hinweisen.
Aber wir lassen uns vom Westen und seiner veralteten Denkweise nicht vorschreiben, wie wir die Ukraine zu schützen haben. Wir haben viel zu lange auf Eure Hilfe gehofft. Wir lassen Leute, die seit zwei Jahren ihr Land verteidigen, die mit ihren Informationen Hunderten Soldaten das Leben gerettet haben – wir lassen sie von Euch nicht unter Druck setzen, nur weil sie einmal einen Fehler gemacht haben. Denn Euer Druck (denn wie es scheint, übt gerade der Westen Druck aus, dass die Webseite geschlossen werden soll) und Euer Nasenrümpfen bedeutet den realen körperlichen Tod für jemandem dort draußen an der Front, der von euch zwar weit weg, deswegen aber nicht weniger real ist. Schreibt lieber weiter über Vegetarier und die Modeszene in Berlin. Hier geht es um Menschenleben. Und wenn Journalisten nicht mehr verstehen, dass wenn sie in ein Kriegsgebiet fahren, dies mit allen möglichen Risiken verbunden sein kann – dann wählt Euch einen anderen Beruf oder schreibt für Frauenmagazine.
Wir werden als InformNapalmCommunity noch eine Petition unterschreiben zur Verteidigung von Myrotworez. Zusammen mit anderen, darunter auch Dmitry Timtschuk von der Gruppe „Informationswiderstand“. Am Freitag haben er und zwei andere Abgeordnete des ukrainischen Parlaments und Vertreter der Partei „Volksfront“ eine Rede dazu gehalten: VIDEO.
Die Arbeit der Freiwilligen in der Ukraine ist unermesslich, es ist ein Beispiel für das wahre Bürgerbewusstsein, dafür, wie ein Volk sich selbst organisieren konnte, um sein Land zu verteidigen. Es scheint, als ob vielen die Kraft und die Einigkeit, die das ukrainische Volk in diesen zwei Jahren entfaltet hat, wie ein Brocken im Hals stehen. Der Koordinator unserer OSINT-Gruppe, Irakli Komaxidze, gab der Zeitung vlada.io diesbezüglich ein Interview. Auf die Frage, ob InformNapalm nun sein Vorgehen überdenke und sein Format zu ändern beabsichtige, antwortete Irakli Komaxidze:
– Wir haben nicht vor, unser Format zu ändern, wir setzen die Arbeit fort und werden weiterhin Namen und Identitäten von Separatisten und russischen Besatzern aufdecken. Im Gegenteil, die Geschichte mit Myrotworez motiviert uns zu einem aggressiveren Vorgehen. Wir werden nun nicht nur über offensichtliche Separatisten und Aggressoren sprechen sondern auch über Kollaborateure und gewissenlose Beamte, die das dritte Jahr in Folge in Ministersesseln aussitzen und Freiwilligen die Arbeit vermasseln, anstatt sich mit realem Informationswiderstand zu beschäftigen. Falls die Jungs aus „Myrotworez“ den Wunsch äußern, sich uns anzuschließen, werden wir nur froh sein. Wir haben eine freie Gemeinschaft, jeder, der sich uns angeschlossen hat, hat seine Effektivität in Wort und Tat bewiesen. Wir haben eine einzige Bedingung: Treue für die gemeinsamen Prinzipien, absolute Hingabe an die gemeinsame Arbeit und all das auf freiwilliger Basis.
Es wurde auch die Frage gestellt, ob InformNapalm nun die Art seiner Zusammenarbeit mit den Behörden und Medien in irgendeiner Weise ändern wird.
Irakli Komaxidze sagte dazu, dass InformNapalm nie etwas besonderes von den Medien forderte: „Es reicht uns, dass sie uns dazu verhelfen, unsere Informationen an ein breiteres Publikum zu bringen, also bleibt die Zusammenarbeit unverändert. Mit den Behörden ist das eine andere Sache: Von ihnen haben wir uns längst distanziert, nachdem sie ein paar Mal versucht hatten, Kontrolle über uns zu bekommen. Wir werden zwar weiterhin bestimmte Informationen an die Behörden weiterleiten, die Form und die Thematik bestimmen wir aber immernoch selbst und auf Bestellung arbeiten wir schon mal gar nicht“.
Falls eine Kampagne gegen InformNapalm beginnen sollte, wie sie gerade gegen Myrotworez geführt wird, werden wir zurückschlagen. Im Unterschied zu Myrotworez sind wir sehr viel offener für die Öffentlichkeit. InformNapalm ist eine mehrsprachige Quelle, also werden wir unsere Sicht nicht nur innerhalb der Ukraine verbreiten, sondern global.
Wir setzen unsere Arbeit trotz all der Skandale und Intrigen fort und möchten Euch nun unser neues Promovideo präsentieren, das einer von unseren Freiwilligen, Andrei Garin, in den letzten zwei Tagen fertiggestellt hat:
Dieses Material wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalm vorbereitet. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
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