
Der Vorsitzende der tschechischen Partei „TOP 09“ Miroslav Kalousek ist der Meinung, dass die tschechische Regierung mit ihrer heuchlerischen Politik aufhören und die Ukraine mit Waffenlieferungen unterstützen soll. Die Position der tschechischen Regierung dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gegenüber hält Kalousek für einschmeichelnd. Darüber hinaus erinnerte er an den Anfang des Zweiten Weltkrieges und daran, welche Ereignisse davor stattfanden.
– Die tschechische Regierung hat beschlossen, keine Waffen an die Ukraine zu liefern. Was denken Sie darüber als Vertreter der Opposition?
– Wenn man sieht, was in der Ukraine geschieht, glaube ich, dass unsere Regierung ihren Standpunkt zur Bewaffnung der Ukraine überdenken sollte. Die aktuelle Position der tschechischen Regierung und anderen EU-Staaten ist: „Wir unterstützen die Ukraine, bestehen auf der Souveränität ihrer Grenzen, die durch internationale Abkommen anerkannt wurden, dabei wollen aber nicht helfen, dass die Ukraine ihre Grenzen selbständig verteidigen kann. Das ist unlogisch.
Das wäre das Gleiche, wenn der US-Präsident Franklin D. Roosevelt 1940 erklärt hätte: er unterstütze die Freiheit und die Souveränität Großbritanniens, aber die USA würden auf keinen Fall Waffen liefern, denn das würde den Konflikt in Europa verschärfen. Eine solche Situation würde zu nichts anderem führen, als zu einer Besetzung von Großbritannien und kurz danach- von ganz Europa durch Hitler. Nur die bewaffneten Konvois der USA halfen Großbritannien und Europa, die Freiheit zu verteidigen.
Man darf nicht sagen, man unterstütze die Ukraine und dabei keine einzige Patrone geben, mit der Begründung, es könne zur Eskalation des Konflikts führen. Das bedeutet, dass wir die Ukraine nicht unterstützen. Wenn wir auf der Seite der Ukraine sind, dann sollten wir ihr helfen, sich zu verteidigen. Alles andere ist nur Heuchelei und ein Rückzug vor dem russischen Aggressor.
– Wenn Sie in der Regierung wären, was würden Sie anstelle des Ministerpräsidenten tun?
– Wenn ich Regierungsbefugnisse hätte, dann würde ich Gespräche mit der Regierung der Ukraine über die Waffenlieferungen führen. In der Geschichte des tschechischen Staates wäre es nicht das erste Mal. Ich erinnere mich an 1948, als die ganze Welt gegen Waffenlieferungen an Israel war und die Tschechoslowakei den Mut fand, Israel zu bewaffnen.
– Heute gibt es in der Ukraine einen Waffenstillstand. Würde eine Bewaffnung der Ukraine zu keiner Verschärfung des Konfliktes führen?
– Es gibt keine Waffenruhe, wenn dort geschossen wird. Wenn wir wirklich wollen, dass die Ukraine frei wird, sollten wir es ihr ermöglichen, ihre Grenzen zu verteidigen, denn Russland liefert die fortschrittlichsten Waffensysteme an die Separatisten. Diejenigen, die wollen, dass die Ukraine frei bleibt, sagen auch, dass sie dazu in der Lage sein muss, sich zu schützen. Diejenigen, die keine Waffen liefern wollen, wollen im Grunde nicht, dass die Ukraine frei wird.
– Wollen Sie damit sagen, dass der tatsächliche Wunsch der tschechischen Regierung ist, dass die Ukraine nicht frei wird?
– Ich will damit sagen, dass die tschechische Regierung Putin gegenüber eine einschmeichelnde Position einnimmt, sie hat kein umfassendes Konzept der Außenpolitik.
– Eine solche Position vertritt nicht nur die tschechische Regierung. Zum Beispiel, der Ministerpräsident der Slowakei Robert Fico sagte, wenn die NATO-Staaten die Ukraine bewaffnen, dann wird es einen großen Krieg geben.
– Wir alle erinnern uns an das Jahr 1938, als Neville Chamberlain und Edouard Daladier genau das Gleiche sagten.
Autor: Jan Martinek, Právo; Quelle: novinky.cz; übersetzt von Andrij Topchan; redaktiert von Irina Schlegel
Anmerkung der Redaktion: „TOP 09“ – die einflussreichste und zahlreichste Oppositionspartei in Tschechien, in Jahren 2010-2013 war sie in der Regierungskoalition. Miroslav Kalousek – Stellvertretender Parteivorsitzender, Finanzminister in der erwähnten Regierung.