
Herr Lamers (CDU, stellvertretender Leiter des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der NATO) hat bei der Parlamentarischen Versammlung der NATO eine ausdrücklich pro-russische Position bezogen und versuchte die Resolution im Sinne Russlands zu entschärfen.
Mustafa Nayyem, Delegierter der Ukraine schrieb am 11.10.2015 Folgendes dazu:
Dies ist meine erste Sitzung als Mitglied der ukrainischen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der NATO. Und ich stehe jetzt schon unter einem leichten Schock, wie sehr sich die öffentlichen Positionen einiger unserer Partner von ihren Spielen hinter den Kulissen unterscheiden. Es zeichnet sich ein Konflikt mit den deutschen Delegierten bezüglich der ukrainischen Frage ab.
Heute soll die Parlamentarische Versammlung der NATO die Resolution «Solidarität mit der Ukraine» verabschieden, deren Autor die französische Delegierte Joëlle Garriaud-Maylam ist.
Der Entwurf der Resolution ist durchaus akzeptabel: Der Parlamentarischen Versammlung der NATO wird vorgeschlagen, die russische Aggression und die Unterstützung der Separatisten im Osten der Ukraine aus Moskau als Tatsache anzuerkennen, und deshalb die Regierungen und Parlamente der Länder des Bündnisses dazu aufzurufen, die Ukraine im Kampf um die Unabhängigkeit und territoriale Integrität durch die Verlängerung der Sanktionen gegen Russland zu unterstützen wie auch der Ukraine die diplomatische, politische, finanzielle, wirtschaftliche und technisch-materielle Hilfe zu gewähren.
Und nun das Erstaunliche. Von den vierzehn Änderungsvorschlägen zu der Resolution kam die Hälfte vom deutschen Delegierten Karl A. Lamers. Ich bin kein Fan von lauten und pompösen Worten, aber bei allem Respekt vor dem Kollegen aus dem Bundestag: Mindestens fünf von diesen Änderungsvorschlägen würde man bei uns in der Ukraine als separatistisch, und die restlichen zwei – als offen pro-russisch und anti-ukrainisch bezeichnen.
Ich führe hier bloß drei seiner Änderungsvorschläge an:
ÄNDERUNG №10: Herr Lamers schlägt vor, den Resolutionspunkt Nr. 8b zu entfernen. Dieser Punkt beinhaltet den Aufruf an die Länder der Allianz, Druck auf Russland solange auszuüben, bis Moskau allen seinen Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Abkommen nachgeht und die Besetzung der ukrainischen Gebiete einschließlich der Krim beendet. Stattdessen schlägt der deutsche Delegierte die lakonische Formulierung vor: „Druck auf beide Konfliktparteien bis zur Umsetzung von Minsker Abkommen auszuüben“. Somit wird die Annexion der Krim ausgeklammert oder gar gestrichen.
ÄNDERUNG №8: Herr Lamers schlägt vor, den Punkt 5 der Resolution zu streichen, und somit den Begriff „pro-russische Separatisten“ aus dem Text zu entfernen. Stattdessen schlägt der deutsche Abgeordnete vor, alle Parteien dazu aufzurufen, sich an Minsker Abkommen zu halten und die Modalitäten der Durchführung von Wahlen auf bestimmten Territorien der Donezker und Luhansker Gebiete einzuhalten. „Alle Parteien?!“ Von welchen allen Parteien im Kontext der Wahlen auf diesen Territorien geht es, wenn der offizielle Kiew keinen Zugang dazu hat und bereits eine beispiellose Anzahl von Zugeständnissen in dieser Angelegenheit eingegangen ist?
ÄNDERUNG №11: Der Punkt 8c der Resolution ruft „Russland und die separatistischen Kräfte auf, alle Einschränkungen für den Zugang der OSZE-Beobachtermission auf das gesamte Territorium der Ostukraine, einschließlich der russischen Grenze entlang abzuschaffen“. Unterdessen schlägt Herr Lamers vor, anstatt „Russland und separatistische Kräfte“ mimosenhaft „alle Parteien“ anzugeben. Anscheinend weiß Herr Lamers nicht, dass weder die ukrainischen Streitkräfte noch die Politiker, noch die freiwilligen Helfer noch die Aktivisten in der Lage sind, die OSZE-Mission daran zu hindern oder es ihr zu ermöglichen in den Osten der Ukraine zu gelangen. (Dies ist übrigens nicht der erste Versuch der deutschen Kollegen, eine solche Änderung durchzubringen. Gestern, dank der Bemühungen von Ivanna Klympush-Tsintsadze und Viktor Tschumak, gelang es der ukrainischen Delegation diese Änderung aus der Resolution des Wirtschaftsausschusses der Versammlung zu entfernen).
Und das Wichtigste, zur Auskunft: KARL LAMERS ist kein einfacher Bundestagsabgeordneter, er ist der stellvertretende Leiter des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Leiter der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung der NATO, und darüber hinaus – Angela Merkels Parteigenosse in der CDU.
Und wenn ich alles richtig verstehe, wird sich bereits in den nächsten paar Stunden in der Parlamentarischen Versammlung der NATO ein Konflikt zwischen den proukrainischen Delegierten und dem Mitstreiter von Angela Merkel abzeichnen.
Vertreter von mindestens sieben Ländern, die an der Tagung teilnehmen, haben ihre Empörung über die Änderungsvorschläge der deutschen Seite bereits zum Ausdruck gebracht. Dabei hatten die Vertreter der Delegationen der USA, Großbritannien, Spanien, Litauen, Polen, Türkei und Luxemburg noch vor der Prüfung der Resolution mündlich volle Unterstützung bei der Aufhebung der Änderungsanträge von Karl Lamers zugesichert.
Ich werde auf der Tagung des Komitees auftreten und die Abschaffung dieser Änderungen einfordern. Über die Resultate werde ich später berichten.
UPDATE. Mustafa Nayyem am 12. 10 2015:
„NATO Parliamentary Assembly unanimously has voted for a resolution „Solidarity with Ukraine“. Thanks to members of all delegations for support the document. By the way yesterday we had a constructive communication with colleagues from the German delegation. We have agreed that we share common approach to the Russian illegal occupation of Crimea and aggression in the East of Ukraine, and are to continue common united efforts to reach peaceful solution to the conflict. The German delegation just in full supported the resolution „Solidarity with Ukraine“ with all Ukrainian amendments – we are sure, that this was possible also due to a constructive position of the head of the delegation – Karl A. Lamers. We do understand, he is a friend of Ukraine, and not of Putin.“
Quelle: Mustafa Nayyem; übersetzt von Andrij Topchan; editiert von Irina Schlegel
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