von Irina Schlegel
In der Nacht auf Donnerstag, den 8. Februar 2018, haben die Amerikaner in Syrien eine klare rote Linie für Assads und Putins Truppen gezogen. Diese Operation fand in den deutschen Medien wenig Beachtung, wird aber seit Tagen heiß im russischsprachigen Internetsegment diskutiert. Wie es aussieht, wurde den russischen „WirSindDaNichtlern“, die seit 2014 fremde Uniformen anziehen und sich als „Freiwillige“ ausgeben, wobei sie in anderen Ländern Krieg führen und Zivilisten ungestraft ermorden, endlich mal die rote Karte gezeigt. Anscheinend haben Assad und der Kreml eine beispiellos dumme und sinnlose Offensive in Syrien gestartet, die innerhalb von sechs Stunden unterbunden wurde.
Nach Meinung einiger Wehrexperten beschlossen wohl Assad und der Kreml eine erdölreiche Gegend in 80km Entfernung von Deir ez-Zor einzunehmen, um irgendwie ihre Ausgaben für den Krieg zu kompensieren – dabei störte sie allerdings die syrische Opposition, die dieses Territorium ein paar Tage zuvor unter ihre Kontrolle gebracht hatte. Diese syrischen Oppositionstruppen (SDF) gehören zur antiterroristischen Koalition mit den USA. Unter ihnen gibt es auch amerikanische Berater.
Wie die NZZ am Donnerstag schrieb: „In Begleitung von Journalisten, was sicher kein Zufall ist, haben hohe amerikanische Offiziere in Manbij klargemacht, dass sie Angriffe auf die SDF in dieser Gegend nicht akzeptieren würden. Mit Blick auf ihre kurdischen Verbündeten erklärte der Oberkommandant der amerikanischen Truppen in Syrien und im Irak, General Paul Funk, diese hätten im Kampf gegen die islamistischen Terroristen eine Schlüsselrolle gespielt, und man habe völliges Vertrauen in sie. Der Kommandant der amerikanischen Sondertruppen im Irak und in Syrien, General Jamie Jafford, doppelte nach: Man wolle keinerlei Zweifel aufkommen lassen, dass sich die Amerikaner und ihre Verbündeten im Fall eines Angriffs heftig verteidigen würden.“
Nichtsdestotrotz beschloss der Kreml wohl, das Territorium „abzutasten“ und im Falle geringen Widerstands einzunehmen. Die Operation wurde äußerst demonstrativ vorbereitet.
Wie einige russische Quellen unter Berufung auf einen Artikel in der Washington Post berichten: „General Hassan, der Kommandeur der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) in dieser Region, weist auf die Stelle östlich der Stadt Deir ez-Zor hin, woher seinen Worten nach Assads Panzer und Artillerie am Mittwochabend einen Vorstoß Richtung des Stabsquartiers starteten, in dem sich seine Truppen und einige Berater aus den amerikanischen Sonderkräften befanden.
Hassan habe Aufklärungsangaben über die Vorbereitung der Offensive bekommen und rief daraufhin mittwochs um etwa 21:30 Uhr einen russischen Offizier in Deir ez-Zor an, mit dem er in Kontakt steht, in der Hoffnung, dass dieser die Operation einstellt. „Wir haben ihnen gesagt, dass wir bestimmte Bewegungen beobachten und dass wir die Teilnehmer dieser Operation nicht angreifen möchten. Sie (die Russen) haben unser Angebot nicht angenommen, sie stritten alles ab und sagten, dass überhaupt nichts passiert.“ Hassan sagte dies gegenüber mehreren Journalisten, die am Donnerstag mit dem Generalmajor Jamie Jarrard in Manbij ankamen.“
Das kennen wir in der Ukraine nun allzu gut, dieses russische Mantra: „WirSindDaNicht“. Offensichtlich haben auch die Amerikaner versucht, den Zusammenstoß zu vermeiden: Das Pentagon erklärte am Donnerstag, dass „Vertreter der Koalition im permanenten Kontakt zu ihren russischen Kollegen standen, sowohl vor der Offensive, als auch während und nach dieser“. Wie üblich, versicherten die Russen natürlich, dass sie niemanden angreifen werden, und schon gar nicht die Koalitionskräfte. Kennen wir alles.
Wie General Hassan sagte, begann der Angriff um 22:00 Uhr: Assads und Putins Truppen starteten ihre Offensive unter Deckung von Panzern und Artillerie, die Geschosse schlugen in ungefähr 450 Metern Entfernung von den Stellungen ein, auf denen sich die Demokratischen Kräfte Syriens und amerikanische Soldaten befanden.
Offizielle russische Medien, sowie der Kreml, schweigen zu diesem Vorfall. Der Kreml zeigte sich nur „sehr besorgt über die entstandene Situation in Syrien“. Jegliche Verluste streitet er bisher ab und behauptet, seine Truppen hätten an der Operation nicht teilgenommen. Wobei einige russische Journalisten und selbst der berüchtigte ehemalige Feldkommandeur der terroristischen Bandenformationen im ukrainischen Donbas Igor Girkin/Strelkow die Informationen über die russischen Verluste sehr wohl bestätigen. Sehr viele Links zu verschiedenen russischen Informationsquellen (Telegram-Kanälen und anderen sozialen Netzwerken), in denen diese Informationen bestätigt werden, findet man in einer Publikation der ukrainischen Ausgabe NewsAder (auf Russisch).
Wie die unabhängige russische Quelle „Russische Welt“ berichtet (Anm.d.Red: Hier und nachfolgend im Text beziehen wir uns hauptsächlich auf ihre Zusammenfassung des Kampfes, die von einem russischen Wehrexperten erstellt wurde), beteiligte sich zunächst an dem Angriff vermutlich eine bataillon-taktische Kampfgruppe, die aus mehr als 10 Panzern und etwa 30 Einheiten anderer Militärtechnik bestand. Nachdem die amerikanischen Militärangehörigen die vorderste Linie verlassen hatten, beschlossen die Russen, die Offensive weiter zu entwickeln und setzten eine zweite bataillon-taktische Kampfgruppe ein, deren genauer Bestand unbekannt ist.
Das liessen sich die Amerikaner nicht mehr gefallen, und griffen die Kolonne mit HIMARS (High Mobility Artillery Rocket System) an. Nachdem sie die russischen Artillerie vernichtet hatten, griffen sie die hinteren Abteilungen an und vernichteten mit einem einzigen hochpräzisen Angriff die zweite bataillon-taktische Gruppe.
General Hassans Worten nach, habe ihn mitten in diesem Gemetzel der russische Offizier erneut angerufen und darum gebeten, die Kampfhandlungen einzustellen, damit sie die russischen Toten und Verletzten abholen konnten – also, im Laufe einer Offensive, die er vorher bestritten hatte. Der kurdische Kommandeur sieht darin einen Treubruch. „Wir vertrauen den Russen nicht mehr,“ sagte Hassan. Einer der anwesenden Journalisten unterstrich die Paradoxie dieser Situation: Ein russischer Offizier streitet zunächst die Durchführung eines Angriffs ab und bittet später darum, das Feuer einzustellen. Hassan sagte daraufhin, dass es „komisch sei, dass eine Staatsmacht nicht weiß, was ihre Bodentruppen tun“.
Wir möchten daran erinnern, dass die Russen genau diesen Trick in einem der letzten Kämpfe um den Donezker Flughafen angewandt hatten, als sie gegenüber den ukrainischen Militärangehörigen beteuerten, nur ihre Toten und Verletzten abholen zu wollen, in Wirklichkeit aber das ganze Stockwerk verminten – unter den Trümmern dieses später gesprengten Stockwerks wurden die letzten ukrainischen Verteidiger des Donezker Flughafens begraben…
Nach dem Gegenangriff der Amerikaner wurden etwa 80% der Kräfte Assads und Putins vernichtet. Dann kamen die Lockheeds AC130 und zwei Kampfhubschrauber zum Einsatz, unter Deckung von F22-Jägern wurde die Gegend der gegnerischen Offensive vollständig geräumt. Putins und Assads Verluste belaufen sich insgesamt auf 90% Militärtechnik und etwa 70-80% der lebenden Kräfte. Die Amerikaner beendeten diesen Zusammenstoß wohl ohne Verluste. Die gesamte Operation dauerte etwa sechs Stunden.
Über die genauen Verluste ist im Grunde wenig bekannt, die Angaben unterscheiden sich. Einigen Berichten zufolge handelt es sich um 217 getötete russische Soldaten – alles Vertreter des nicht unbekannten russischen privaten Militärunternehmens „Wagner“, über welches InformNapalm mehrmals schrieb, da seine Mitglieder auch im Donbas gekämpft hatten. Es handelt sich bei ihnen um russische Speznas, die sowohl in der Ukraine als auch in Syrien an der vordersten Linie kämpfen. Vor der Offensive geben die russischen Militärangehörigen ihre Pässe ab und ziehen sich Uniformen von Assads Truppen über. In Wirklichkeit sind sie reguläre russische Zeitsoldaten, was wohl jedem längst bekannt sein sollte.
Es gab aber noch eine zweite bataillon-taktische Gruppe, die aus mindestens drei Kompanien bestand, weshalb einige Quellen die Anzahl der getöteten russischen Militärangehörigen sogar auf 640 Soldaten setzen.
Diese Vernichtung der russischen Gruppierung in Syrien schockierte sowohl den Stab der russischen Truppen in Syrien, als auch den Kreml selbst. Verschiedenen Angaben nach, wurden bei diesem Gegenangriff in ein paar Stunden etwa 20% aller russischen Sturmabteilungen vernichtet.
Die Amerikaner scheinen den Spieß umgedreht zu haben: Ein paar Stunden später erklärten offizielle amerikanische Quellen, dass sie Kräfte Assads bei ihrer Offensive auf amerikanische Stellungen vernichtet haben. Über russische „WirSindDaNichtler“ in dieser Gegend sei ihnen nichts bekannt.
Nach Russland wurden währenddessen etwa 150 Verwundete gebracht. Ein Teil der Verwundeten blieb dabei auf dem Territorium der russischen Luftwaffenbasen in Syrien. Offizielle russische Medien schweigen dazu – der russische Präsident hatte ja bereits offiziell erklärt, dass Russland in Syrien gesiegt habe, darum kann es dort auch keine Toten geben.
Außerdem erschien im Netz ein entziffertes Funkgespräch zwischen russischen Militärangehörigen in Syrien. Diese Informationen wurden dem Telegram-Kanal WarGonzo entnommen, den ein russischer Militärkorrespondent namens Semjon Pegow führt. Da dieses Gespräch hauptsächlich aus Schimpfen und Flüchen besteht, haben wir eine Zusammenfassung davon gemacht.
An diesem Gespräch nehmen vier russische Soldaten teil. Einer erzählt davon, dass zweihundert Russen in der ersten Kompanie getötet wurden, in der zweiten – zehn und die dritte auch sehr „zerrüttet“ wurde. Er spricht davon, dass die Russen ein Betriebswerk einnehmen wollten, in dem sich die Amerikaner befanden, und er gar nicht verstehe, warum sie überhaupt dorthin vorgestoßen sind, sie seien nun endgültig erniedrigt worden, und er glaube, dass die russische Regierung wohl einen Rückzieher machen, keinen Gegenangriff starten und niemanden dafür bestrafen wird, dass sie so viele Verluste haben.
Die zweite Stimme spricht davon, dass 177 Tote allein in der 5. Kompanie zu verzeichnen sind. Die zweite Kompanie sei kaum getroffen worden, dafür sei aber die 5. Kompanie faktisch komplett vernichtet.
Die dritte Stimme sagt, er habe mit einem Überlebenden telefoniert, der erzählte, dass sie in einer Kolonne standen, in 700 Metern Entfernung von den Stellungen der syrischen Opposition, ein russischer Trupp sei dabei vorgezogen. Als etwa 300 Meter zu den gegnerischen Stellungen blieben, wurde auf den Stellungen die amerikanische Flagge gehisst und sie wurden sogleich angegriffen. Zunächst mit Artillerie und später mit Kampfhubschraubern, dabei sei nicht mal Infanterie zum Einsatz gekommen – Artillerie habe gereicht. Insgesamt gäbe es 215 Tote. Er zeigt sich auch verwundert über die Ziele dieser Operation, er wisse nicht, was man sich dabei erhofft habe, „dass die Amerikaner und Syrer selber die Stellungen aus Angst verlassen?“ Er verstehe es nicht.
Die vierte Stimme sagt, von ihrem Militärgerät seien nur ein Panzer und ein Spähpanzer geblieben, alles andere sei vernichtet worden, alle Panzer gleich in den ersten Minuten des Kampfes.
***
Nun, da der Kreml jegliche Teilnahme an dieser Operation und seine Verluste abstreitet und offizielle amerikanische Quellen gerechterweise erklären, Assads Truppen bei ihrer Offensive gegen die SDF gestoppt zu haben, überlassen wir dem Leser selbst zu entscheiden, wo hier die Wahrheit liegt. Wir sind jedenfalls froh, dass jemand endlich mal beschlossen hat, Putins Waffen gegen ihn selbst zu richten, und gratulieren den Amerikanern zu ihrer ausgezeichneten hochpräzisen Abwehroperation.
Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch verfasst; korrigiert von Klaus H.Walter.
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2 Responses to “Rote Linie für Putins Truppen in Syrien: Ein hochpräziser US-Gegenangriff stoppt die Offensive gegen die SDF”
21/02/2018
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