Trotz der Okkupation von Georgiens Regionen und der Veränderungen in der Politik der georgischen Regierung, die nach 2012 geschahen, haben sich die Ziele, die sich Russland in Bezug auf Georgien gestellt hat, noch immer nicht verwirklicht. Die Aussenpolitik Georgiens ist wie auch schon früher auf die Partnerschaft mit den Staaten des Westens orientiert und schliesst die Teilnahme Georgiens an der von Russland erschaffenen „Eurasischen Union“ aus. Das wird in der Übersicht zur Aussenstrategie Russlands erwähnt, die „Bürgerliche Informationsgruppe“ veröffentlichte.
Trotz der Probleme im Bau des Eisenbahnanschlusses „Kars-Achalkalaki“ (der das Eisenbahnsystem des Transkaukasiens mit Europa über die Türkei verbinden soll), entwickelt sich der strategische Korridor durch Georgien doch weiterhin. Als ein Paradebeispiel dient hier der Bau der neuen Gaspipeline „TANAP“, die Realisation von welchem im März 2015 begann. Diese Prozesse laufen den strategischen Zielen Russlands zuwider. Zugleich ist offensichtlich, dass sich diese Prozesse unter beliebiger legitimer Regierung in Tiflis fortsetzen werden, was durch die Stimmung der Mehrheit der Bevölkerung Georgiens bestimmt ist.
Diese Realität kann Russland nur verändern, indem es in Tiflis ein ihm absolut untergeordnetes Marionettenregime erschafft und/oder die Souveränität Georgiens vernichtet, es desintegriert, „de-souveränisiert“, wie sich ein russischer Propagandist mal äusserte. Ausserhalb dieser Bedingungen ist die Zielerreichung des Kremls wie auch im Falle der Ukraine in Georgien unrealisierbar.
Zugleich beschränken sich Russlands Ambitionen nicht nur auf Georgien. Das Ziel des Kremls ist die Wiederherstellung der Kontrolle über den ganzen postsowjetischen Raum. Diese Versuche Russlands treffen auf einen Widerstand des Westens. Natürlich ist die Politik des Westens bezüglich der Unterstützung von Georgien und der Ukraine schwächer, als es von den Bürgern dieser Länder gewünscht wird, aber es gibt sie, sie wird langsam aber sicher stärker, und bereitet dem Regime von Putin immer neuere Probleme.
Die politische Situation in Russland, seine Aussenstrategie im Ganzen wie auch die Reaktion des Westens darauf sind die entscheidenden Faktoren für die nationale Sicherheit Georgiens.
Der Mord an Boris Nemzow am 27. Februar 2015 rief Demoralisierung des russischen Oppositionssektors hervor, was sich unter anderem auch im Verzicht auf eine allumfassende Protestbewegung äusserte, die man am 1. März zu beginnen plante.
Das „Verschwinden“ von Putin, das von verschiedenen Gerüchten begleitet wurde, und sein nachfolgendes „Auftauchen“ verstärkte zusätzlich die Demoralisierung seiner Gegner.
In der Ukraine, trotz der Minsker Verhandlungen zur „Feuereinstellung“, setzen sich durch die russische Seite initiierten Kampfhandlungen fort. Dabei läuft im Donbass offensichtlich die Vorbereitung der dort stationierten russischen Militäreinheiten wie auch ihnen unterstellten illegalen bewaffneten Formationen auf eine bevorstehende Offensive. Es existiert eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit dessen, dass diese Offensive bereits Ende Frühling stattfinden wird, oder aber Anfang Sommer 2015. (Siehe die Interaktive Karte des russisch-ukrainischen Krieges).
Dabei setzt Russland eine Kampagne der Terrorakten gegen die Ukraine fort, die am intensivsten in Charkiw und Odessa ist. Das Ziel dieser Kampagne ist die Destabilisierung der Situation in der Ukraine, und zwar in ihren östlichen und südlichen Regionen. Offensichtlich ist dies eine Standardpraxis der russischen Geheimdienste in Bezug auf Länder, die Desintegration welcher sie hervorzurufen versuchen, denn diese terroristische Kampagne wurde vom Russland auch gegen Georgien 2009-2011 verwirklicht.
In Georgien setzt sich nicht nur fort, sondern verstärkt sich zusehends die Aktivität der von den russischen Geheimdiensten kontrollierten Kräfte, was sich in der Tätigkeit der für Russland arbeitenden politischen und anderweitig bekannten Persönlichkeiten wie auch verschiedener Organisationen und Medien äussert. Sie alle sind mit der Verbreitung der prorussischen und antiwestlichen Propaganda in der georgischen Gesellschaft beschäftigt.
Umfragen zeigen auf, dass die Propaganda einen ziemlich beschränkten Einfluss auf die georgischen Bürger ausübt, aber die wachsende Aktivierung prorussischer Kräfte weisen auf Pläne Russlands hin, die gegen Georgien gerichtet sind. Die aggressive propagandistische Kampagne und andere Aktivitäten der 5.Kolonne sind Symptome der laufenden Vorbereitung auf die Realisierung dieser Pläne.
Vor diesem Hintergrund ruft die Serie prorussischer Erklärungen mancher Politiker aus der regierenden Koalition im März 2015 starke Besorgnis hervor (Z. Papuaschwili und G.Topadze), auf welche auch keine erforderliche Reaktion und Bewertung von der regierenden politischen Macht erfolgte.
Zusammen mit Aktivitäten, die gegen die Ukraine und Georgien gerichtet sind, setzt Russland die Arbeit zur Stärkung und Erweiterung der Eurasischen Union fort. An diese Organisation, die Russland, Belarus, Kasachstan und seit dem 1. Januar 2015 auch Armenien vereint, wird sich bald auch Kirgistan anschliessen.
Auch versucht Russland den Widerstand des Westens gegen die russische Expansion mithilfe der Drohungen zu schwächen, wovon die andauernden „Manöver“ der russischen Streitkräfte und Flotte an den Grenzen der NATO-Staaten zeugen. Eins der psychologischen Elemente des russischen Drucks auf den Westen sind die Spekulationen Russlands über einen möglichen Atomkrieg. In Wirklichkeit spiegelt dieser Bluff die Angst Russlands vor potenziellen Handlungen des Westens wider, die sich gegen die russische Expansion richten könnten.
Parallel zu wirtschaftlichen Sanktionen gegen Russland wächst auch die Unterstützung der Ukraine durch den Westen. Neben der finanziellen Hilfe entwickelt sich auch die militärische Zusammenarbeit, als letztes Beispiel welcher die Ankunft von 300 amerikanischen Militärsausbilder in die Ukraine dient.
Das geopolitische Spiel, das mit den heutigen Versuchen der russischen Expansion verbunden ist, wird sich in den nächsten Monaten und wahrscheinlich sogar Jahren fortsetzen. Die Lösungsergebnisse der Ereignisse dieser Nachperiode werden das historische Schicksal der Ukraine und Georgien für nachfolgende Jahrzehnte bestimmen.
Die „Bürgerliche Informationsgruppe“ ist ein nichtstaatliches und unpolitisches Projekt, dessen Ziel es ist, Information im Kontext der realen Bedrohungen für das heutige Georgien zu sammeln, zu prüfen und zu veröffentlichen.
Georgische Version hier: “რუსეთის საგარეო სტრატეგიის მიმოხილვა, მარტი-აპრილი 2015”
InformNapalm; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unser Projekt erforderlich.
Erklärungen zur Karte:
Überschrift: „Versuch der russischen Expansion 2015“
Dunkelrot: – Russland und okkupierte Territorien;
Knallrot: – Russlands Einflusszonen;
Blau: Opponenten der russischen Expansion;
Gelb: – Staaten, die sich in einer unklaren Lage befinden.