
Kürzlich ist Wiktor Suworows neues Buch „Reinfall“ erschienen. In dem Buch geht es um Chruschtschow, Schukow und darum, wie die UdSSR einer Militärdiktatur und die Welt dem Dritten Weltkrieg entgangen sind. Die Redaktion von ukrinform.ua kontaktierte Wladimir Bogdanowitsch (Wiktor Suworow ist ein Pseudonym), um über sein neues Buch, den Krieg Russlands und darüber zu sprechen, was man mit der Armee machen soll und wie man aus diesem Krieg als Gewinner herauskommt. Wiktor Suworow ist zwar eine umstrittene Person, dennoch sind seine Gedankenspiele und Ideen für uns interessant…
Chruschtschow war im Vergleich zu Schukow eine weiche Tscheburaschka (Anm.d.Übers.: eine sehr beliebte russische Zeichentrickfigur)
– Wladimir Bogdanowitsch, zwei Haupteindrücke nach Ihrem Buch. Der erste: Es ist beeindruckend, wie meisterhaft Chruschtschow Schukow von der Macht zurückgedrängt hat…
– Aber er konnte das Image eines „Idioten“ nicht loswerden – bei den meisten bleibt er so in Erinnerung. Und er hat aber alle überlebt: Stalin, Berija, Molotow, Malenkow, Kaganowitsch – waren ja alles Wisente. Schukow hat er aber „aufgegessen“. So ist das.
– Als ich über Schukow gelesen habe, dachte ich, man müsste dem Nationalrat vorschlagen, die eine russische Serie über ihn in der Ukraine zu verbieten, denn darin wird der Tyrann reingewaschen. Was denken Sie?
– Er hat viel angestellt. Die von ihm angeordneten Atomwaffentests auf dem Truppenübungsplatz Tozkij haben zum Massensterben der einheimischen Bevölkerung geführt. Als Journalisten während der Perestroika versuchten, Statistiken darüber zu finden, wie viele krebskrank geworden waren, brannte das Kreiskrankenhaus samt allen Dokumenten aus. Alles wurde vertuscht. Ungarn… Er hat den vierten Stern des Helden der Sowjetunion für den Einsatz in Ungarn bekommen, für die Niederschlagung der dortigen Revolution. Die erste Medaille hat er nicht im Bürgerkrieg bekommen, sondern für die Niederschlagung eines Aufstands in der Provinz Tambow nach dem Bürgerkrieg. Ein Henker ist eben ein Henker.
– Zurück zu Ungarn… Ihre Beschreibung der ungarischen Revolution 1956 ist so bildhaft. Die Ukrainer haben langsam den Eindruck, dass das eigentliche Ungarn damals gestorben sei und Henker an die Macht gekommen sind. Und diese Henker, die Nachfahren jener Tschekisten, verraten nun durch ihre Zusammenarbeit mit „Gasprom“ und Putin Ungarn und führen Krieg gegen die Ukraine. Wie ist Ihrer Meinung nach dieses historisch unlogische politische Verhalten des heutigen Ungarn zu erklären?
– Ich kann die Frage nicht beantworten. Aber man soll es ihnen lassen, schließlich hat Ungarn den ganzen kommunistischen Block zerstört. Die Geschichte war so: 1956, als alles zu Ende war, kamen die neuen Kommunisten an die Macht und sagten den Sowjets: „Ihr habt unsere Bürger mit Füßen nach oben aufgehängt, habt Menschen ermordet, ihr müsst etwas nachsichtiger sein“. Und so fing Ungarn an, liberaler zu werden, das private Geschäft gewann langsam an Kraft, und langsam traten sie aus dem sozialistischen Lager aus. Im Sommer 1989 öffneten sie die Grenze zu Österreich. Denn einst war es die österreichisch-ungarische Monarchie: Brudervölker, ethnisch sind sie verschieden, aber sie stellten das Fundament der österreichisch-ungarischen Monarchie dar. Sie haben die Grenze geöffnet – die Ungarn liefen aber nicht massenhaft nach Österreich, denn die Ungarn hatten ihr Lebensniveau schon hochgebracht. Es war zwar nicht so hoch, wie in Österreich, aber es war akzeptabel. Da die Berliner Mauer immer noch da war, stürmten aber die Ostdeutschen mit ihren Trabis alle nach Ungarn, um über Österreich nach Westdeutschland zu gelangen. Ihre Zahl nahm stetig zu, so dass alle Straßen zu waren. Ich erinnere mich an jene Zeit, ich bin nämlich hingefahren, um mir das Ganze aus der Nähe anzuschauen. Die Menschen nahmen alles mit und fuhren mit ihren Trabant einfach los. Außer ihnen gab es auch Polen, Tschechen. Die Straßen waren tatsächlich komplett zu: Die Autos standen so dicht wie in diesem Sommer in der Warteschlange zur Krim-Fähre. Und dann blieb der ostdeutschen Regierung nichts anderes übrig: Sie sahen, wie ihre Bürger flohen, so eine Schande fürs Land. Also haben sie gesagt: Ja gut, wir lassen die Menschen durch die Berliner Mauer durch. Und daran müssen wir uns immer erinnern. Als die Berliner zu der Mauer stürmten, fing da was total Verrücktes an: Menschen verbrüderten sich mit Grenzschutzbeamten, und die Mauer war gefallen. Ich wiederhole: Das ist Verdienst Ungarns. Wir müssen immer daran denken. Darum ist ihr Bezug zu ihrer Geschichte – das ist ihre Sache. Lasst uns an unsere Geschichte denken.
– Jeder will Freunde haben und dabei wissen, dass diese wirklich Freunde sind…
– Verstehen Sie, es gibt gewisse Armeeregeln, die im Laufe der Jahrhunderte entstanden sind, genauso ist es mit den Gefängnisregeln. Zum Beispiel eine Kaserne, ich habe sieben Jahre lang in Kasernen gewohnt, seit ich 11 war, seit der Suworow-Schule (militärische Schule in Moskau), dort wurden Jungs mit 11 aufgenommen. Das war eine harte Lebensschule, die Hälfte hat nicht durchgehalten. Die Schule konnte man verlassen, das war ja kein Jugendwerkhof. Aber eine ernsthafte Schule des Lebens war es. Zum Beispiel wenn ich da von bösen Buben angegriffen werde. Dann nimmt man einen Bleistift fest in die Hand, so dass das stumpfe Ende zwei Zentimeter aus der Faust ragt. Wenn man angegriffen wird, ist ein Schlag mit so einem Bleistift verheerend. Verstehen Sie, wovon ich spreche? Wer sich verteidigt, der wird respektiert. Solange du dich nicht verteidigst, wird sich keiner für dich einsetzen, im Knast gilt das genauso. Sobald du dich verteidigst, wird mit Gewißheit irgendjemand sagen: „Lasst ihn los, was wollt ihr von ihm…“. Diese Regel müssen alle Ukrainer lernen. Solange die Ukraine ihren Unabhängigkeitskrieg nicht nach allen Regeln der Kunst führt, wird ihr keiner ernsthaft helfen. Sobald die Ukraine sich verteidigt, werden sich alle an ihre Seite stellen. Die Regel gilt im Gefängnis, in der Armee – das ist die Regel der Urgesellschaft, so ticken wir Menschen. So funktionieren wir seit Jahrtausenden, wir sind Tiere. Wenn ein Tier zurückbeißt, ist es gut, sobald es aber seinen Schwanz einzieht, greifen es alle an, selbst die, die das gar nicht wollten.
– Sie schreiben aber über Chruschtschow mit unverhohlener Sympathie…
– Die Sache ist, dass Nikita Chruschtschow an sich ein Tier war. Im Buch erwähne ich, wer er war, als er 1. Sekretär des Moskauer Regionalkomitees war, wer er während des Holodomors, während des Großen Terrors usw. war. Dennoch war er im Vergleich zu Schukow ein weiches Plüschtierchen. Verstehen Sie, es gibt zwei Arten der Grausamkeit. Zum Beispiel die von Stalin. Über Stalin schreibe ich mit gewisser Sympathie, denn er war ein sehr grausamer Mensch, aber er war intelligent. Das war ein Mensch mit zugespitztem Sinn für satanischen Humor. Stalin hatte einen Sinn für Humor. Es gibt die Stalin-Jokes. Ich sammle sie, sie sind furchtbar grausam, aber dieser Mensch verstand Humor, in ihm gab es also etwas Menschliches. Wenn man über Schukow spricht, sollte man seine Memoiren lesen. Dort gibt es keinen einzigen Witz, keine Andeutung, man sieht überhaupt keinen Menschen. Das ist eine bürokratische Maschine, die keinerlei menschliche Gefühle besitzt. Also schreibe ich über Chruschtschow, weil bei all seiner Brutalität ein Sinn für Humor ihm nicht fremd war. Unter den Menschen, die keinen Sinn für Humor hatten, waren Hitler, Lenin, Schukow – das waren furchtbare Tyrannen. Und ein Tyrann mit Sinn für Humor hat doch noch etwas menschliches. Ich denke, dass man Chruschtschow ein Denkmal errichten könnte. Das ist natürlich nicht ernst gemeint. Aber sehen sie, Lenin (also, sein Denkmal) wurde gestürzt, und auf den Sockel sollte man Chruschtschow setzen. Die Inschrift sollte aber lauten: Das ist ein grausamer Tyrann, ein Feind, auf seinem Gewissen sind Holodomor, Terror, usw. Er hat uns aber vor Schukow gerettet, deshalb müssen wir uns bei ihm bedanken.
Putin ist ein Vaterlandsverräter, die von ihm aufgehetzte Masse könnte ihn zertrampeln.
– Das letzte Buch ist nicht das einzige, in dem Sie zeigen, dass die Welt im Feuer eines nächsten Krieges untergehen kann. Glauben Sie, dass Putin vorhat, weiter als nur in die Ukraine vorzustoßen?
– Die Sache ist, dass alle Kriege, die die UdSSR geführt hat, sowie alle ihre Aktivitäten im Ausland eigentlich Verteidigungskriege waren. Sind Sie nicht einverstanden? Ich werde es Ihnen beweisen. Ein normales menschliches Leben war ein gefährliches Vorbild für die Völker der UdSSR. Unsere Anführer wollten die Möglichkeit eines solchen Vergleichs aus der Welt schaffen, damit keiner das würdige Leben im Ausland sehen kann. Nicht weil wir mehr Landfläche gebraucht hätten. Davon hatten wir genug. Nicht weil wir Erdöl oder Gas haben wollten, sondern weil man Vorbilder zum Nachahmen zerstören wollte, denn Menschen besuchten das Ausland und sahen dieses wunderschöne Leben dort. Ich erzähle Ihnen, warum die UdSSR in Rumänien nicht einmarschiert hat. 1968 war ich in der Tschechoslowakei. Gleich nach der Rückkehr in die UdSSR wurde ich in die 66. Gardedivision abkommandiert, die in der Nähe von Tschernowitz an der Grenze zu Rumänien stationiert war. Kaum war die Ordnung in der Tschechoslowakei wiederhergestellt worden, wurde der Genosse Ceausescu in Rumänien ganz wild und wollte von uns nichts wissen, er ging seinen eigenen Weg… Man hat uns oft in Alarmbereitschaft versetzt, jedes Mal dachte ich, dass man uns hinschickt. Mein Kommandant war Oberstleutnant Protasow, einmal fragte ich ihn: „Wann marschieren wir endlich in Rumänien ein?“ Er sagte, das wird nicht passieren. Ich sagte: „Ceausescu geht doch seinen eigenen Weg, er hört nicht mehr auf uns.“ Und er sah mich an, und sagte: „Bist du denn so dumm, dass du es nicht verstehst?“. Nein, verstehe ich nicht. Er sah mich mit Mitleid an und sagte: „So eine einfache Sache verstehst du nicht.“ Dann sagte er: „In Rumänien ist alles nach unserer Art und Weise. Er ist ein dreifacher Volksheld, seine Frau ist im Politbüro, sein Sohn ist im Zentralkomitee, alles wie bei uns.“… Das erkläre ich jetzt nur so, seine Rede bestand eigentlich hauptsächlich aus Schimpfworten.
Die Kernbotschaft seiner Aussage war: Von Rumänien geht keine Ansteckungsgefahr aus, genauso wie von Nordkorea oder China damals. Alle Chinesen liefen in gleichen Hosen, fuhren die gleichen Fahrräder und hatten einen großen Führer. Kein Mensch in der UdSSR träumte vom Leben wie in China oder in Nordkorea. Das heißt, sie waren für uns nicht gefährlich. Taiwan stellte eine Gefahr dar, Hongkong – sie sind zwar auch Chinesen, Hongkong war aber gefährlich. Legte ein sowjetisches Schiff dort mal an, liefen gleich zwei Matrosen weg. Denn das war ein Magnet, ein Magnet des normalen Lebens.
Unsere Führer mussten also die normalen menschlichen Gesellschaften zerstören, um an der Macht zu bleiben. Sie haben sich vor der ganzen Welt verteidigt. Ein weiteres Beispiel: 1979 gab es in Iran eine religiöse Revolution. Damals war ich in den USA. Dort erschien ein Buch von mir. Einige Amerikaner sagten mir: „Schau mal, diese religiösen Fanatiker werden der UdSSR nun Probleme bereiten“. Worauf ich antwortete: „Nein, Jungs, die sind gegen die USA“. Dann sagten sie: „Im Gegensatz zur UdSSR sind wir hinter dem Teich, wir unterdrücken die Moslems nicht und haben keine gemeinsame Grenze“. Dann sagte ich: „Jungs, ihr werdet Probleme haben“. Das sagte ich am Abend, am nächsten Morgen riefen sie mich an und fragten, woher ich das alles wusste. Religiöse Fanatiker hatten die Botschaft der USA besetzt. Ich sagte: „Wieso? Das war doch einfach vorherzusehen“. Schaut mal: Da sitzen religiöse Fanatiker beisammen, reden, reden, man hört ihnen zu. Plötzlich läuft eine Amerikanerin in einem Minirock über die Straße und all die Fanatiker – wie Stiere mit Hörnern – alle glotzen sie an. Und die ganze religiöse Propaganda verliert auf der Stelle ihre Wirksamkeit. Deshalb waren die USA für den religiösen Iran, für all die Fanatiker eine Ansteckungsgefahr. Sie mussten mit den USA etwas machen – erklären, dass es ein sehr böses Land ist. Die UdSSR war für sie dagegen kein schlechtes ansteckendes Vorbild. Unsere Bürger waren alle schlicht angezogen und verführten die Iraner nicht mit ihrem Aussehen.
Die Existenz von normalen Ländern war also ein ansteckendes Vorbild für unsere Bürger – wir sahen wie sie leben und fragten uns: „Warum leben wir nicht so wie sie?“ Sie mussten also vernichtet werden, damit der Kommunismus bei uns bestehen konnte. Das heißt: Wir verteidigten unseren Kommunismus durch Kriege. Wir überrollten Polen, Ostdeutschland, Ungarn. Das waren alles Verteidigungskriege. Ich behaupte auch, dass auch Putin in der Ukraine einen Verteidigungskrieg führt. Denn das Vorbild des Maidan ist sehr ansteckend fürs russische Volk. Russen könnten fragen: „Warum werden unsere Diebe nicht eingesperrt?“ Durch diesen Krieg verteidigt Putin seine Macht.
– Schließen Sie nicht aus, dass er weitergehen könnte? Nach Europa, in die NATO-Länder?
– Ich kann für ihn nicht sprechen. Tatsache ist, dass er nicht in der Lage ist, wenigstens einen Schritt im Voraus zu denken. Im Donbas ist er steckengeblieben – das muss man zugeben, und er kann nicht mehr raus. Er ist nicht in der Lage, den Donbas mit Lebensmitteln zu versorgen. Sobald er sich aus dem Donbas zurückzieht, wird er gestürzt. Er hat in Russland einen zügellosen Chauvinismus entfesselt. Man liebt ihn dafür, dass er Russlands Grenzen vor sich herschiebt. Sollte er stehen bleiben oder nachgeben, wird er von der Meute zertrampelt, die er selbst aufgehetzt hat. Deshalb muss er immer vorwärts marschieren. Das ist wie auf dem Everest-Gipfel: Entweder krabbelt er aufwärts oder rollt hinunter und bricht sich den Hals.
– Sind Sie auch der Meinung, dass wir auf eine massive Invasion vorbereitet sein müssen?
– Das haben noch die alten Römer gesagt: Si vis pacem, para bellum. Wenn du Frieden willst, bereite Dich auf einen Krieg vor. Wer Frieden will und einem Kannibalen einen Palmen-Ast reicht, der wird gefressen. Die Orks verstehen nur Stärke. Es besteht kein Diskussionsbedarf mehr, dass wir es hier mit Orks zu tun haben.
– Die Theorie eines Rassenkrieges reifte in den Tiefen der deutschen Intelligenz, sie wurde nicht von Obsthändlern entwickelt, da waren Intellektuelle am Werk. Derzeit wird in die Köpfe der russischen Öffentlichkeit ein Virus eingepflanzt. Es wird propagiert, dass Russland und Deutschland zwei große Länder waren und eine dritte Kraft alles tat, um sie zu zerstreiten. Denken Sie, dass dies vielleicht Teil eines Plans sein kann, Hitler reinzuwaschen?
– Einen schlechten Tänzer stört alles, selbst die hohen Absätze – wenn alles zusammenbricht, dann müssen sie sich ja etwas einfallen lassen. Jeder, der nicht in der Lage ist, in den eigenen vier Wänden alles in Ordnung zu bringen, sucht draußen nach einer Erklärung für seine inneren Probleme. Putin vermag es nicht, die inneren Probleme zu lösen, deshalb sucht er im Außen nach Gründen, warum alles schiefläuft. Er kann doch nicht sagen, dass er ein Dummkopf ist, wenn er so viele Milliarden hat. Als er an die Macht kam, schwankte der Ölpreis zwischen 7, 10, 14 bis 20 Dollar pro Barrel. Und Russland lebte davon. Jetzt, nach 15 Jahren seiner Machtübernahme, ist ein niedrigerer Barrel Preis als 100$ mit einer nationalen Katastrophe vergleichbar. Können Sie sich das vorstellen: Das Land stellt nichts außer Kalaschnikows und Matroschkas her. Erdöl und Gas haben sie ja nicht hergestellt – das hat die Natur vollbracht, und das nicht mal in der Nähe von Moskau. Warum ist der Lebensstandard in den Baltischen Ländern höher, wo es weder Erdöl noch Gas noch Gold oder Diamanten gibt? Diese Länder haben – ohne etwas zu haben – ihren eigenen Weg gefunden. Warum sind Krankenhäuser und Schulen in Russland trotz Erdöl, Gas, Nickel, Chrom, Gold, Diamanten, Silber, Uran so erbärmlich? Für welche Gelder bauen sich Putins Freunde solche Jachten und Paläste? Ich denke, dass dies der wahre Grund dafür ist, warum Putin nach vorne marschieren und nicht etwa nach einer Erklärung für seine Gier, Dummheit und seinen Hochverrat (er ist ein Landesverräter) suchen muss – er muss nach Feindbildern suchen. Einer hat also die Deutschen und die Russen zerstritten und wenn das nicht passiert wäre, wäre alles in Ordnung. Den Deutschen geht es aber gut, sie haben kein Erdöl, kein Gas, sie haben nichts außer einer Bevölkerung, die hart arbeitet. Laufen Sie mal durch die deutschen Straßen, schauen Sie mal, wie sie leben. Und das nachdem sie zwei Weltkriege und alle Kolonien verloren haben, kolossale Reparationen gezahlt haben und Millionen ihrer Bürger in Kriegen umgekommen sind… Diese ganzen Theorien, dass jemand sich mit Russland zerstritten hat, und wir darum nun in der Scheiße sitzen – nein, sie sitzen eben nicht in der Scheiße, und darum brauchen sie diese Theorien auch nicht.
Jeder Russe ist verantwortlich dafür, was in Russland passiert
– Sind die russischen Intellektuellen für ihre allumfassende Teilnahme am Desinformationskrieg verantwortlich?
– Diese Worte wurden Marx oder Engels zugeschrieben, aber diese Weisheit ist viel älter: „Jedes Volk hat die Herrscher, die es verdient“. Als Janukowytsch und Pschonka an der Macht waren, verdienten die Ukrainer sie. Seit die Ukrainer gesagt haben: „Wir brauchen das alles nicht“, haben sie nun das, was sie haben. Da die Russen seit 15 Jahren einen unabsetzbaren Führer haben und das als Stabilität bezeichnen, tragen sie alle die Verantwortung dafür, was in Russland geschieht. Ich meine: jeder, jeder ist verantwortlich. Ich auch, meine Mutter ist eine Russin, mein Vater ist ein Ukrainer, aber ich bin auch verantwortlich dafür, was in Russland passiert. Das ist auch meine Schuld, denn ich habe die Interessen meiner Heimat nicht entschlossen genug verteidigt. Meine Heimat ist sowohl die Ukraine als auch Russland. Ich hätte noch entschlossener handeln sollen, hätte schärfere Bücher schreiben sollen. Schade nur, ich weiß nicht wie…
– Wladimir Bogdanowitsch, wie soll man die ukrainische Armee reformieren? Kann das während des Krieges funktionieren? Welche Beispiele sollte man für die Reform nehmen?
– Als erstes möchte ich sagen, dass ich auf keinen Fall möchte, dass man glaubt, ich würde aus einer sicheren Entfernung Ratschläge geben – ich habe kein moralisches Recht darauf. Aber wäre ich in der Ukraine… Das Wichtigste wäre, die Menschen in der Ukraine zu bewaffnen. Glauben Sie nicht? Dann sage ich Ihnen: Seit jeher durften nur Sklaven und Verrückte keine Waffen besitzen. Solange der Waffenbesitz verboten ist, werden wir nicht vorankommen. Ich bin oft in Lettland, dort kann man sich legal eine Waffe kaufen. Leute in Lettland besitzen Waffen. Russen oder Letten – kein Unterschied, alle haben Waffen, benehmen sich korrekt und keiner kommt auf die Idee irgendeine Oma auf der Straße zu beleidigen, weil man damit rechnen muss, dass die Oma eine Pistole hat. Kriminalität gibt es in Lettland kaum, niemand tötet jemanden. Also muss man damit anfangen – mit der Bewaffnung der Bevölkerung. Ich habe in der Schweiz vier Jahre lang als sowjetischer Spion verbracht. Alle Schweizer sind bewaffnet. Und es war Machiavelli, der vor vier oder fünf Jahrhunderten gesagt hatte, dass die Schweizer besser als alle andere bewaffnet sind und dass sie das freieste Volk der Welt sind. Das ist ein Zeichen der Freiheit. Sobald den Bürgern in Lettland erlaubt wurde, Waffen zu besitzen, ist die Kriminalitätsrate ums Zweifache gesunken, auf der Stelle.
– Unsere Bataillonskommandeure halten es für richtig, den Bürgern Waffen zu geben.
– Solange das Volk über keine Waffen verfügt, werden wir Sklaven bleiben. Und die Sklavenmentalität wird auch bleiben, die Menschen werden die Höherstehenden wie irgendwelche Himmelsbewohner ansehen. Bewaffnete Menschen sind freie Menschen. Einmal wurde ich in den USA vom inzwischen verstorbenen amerikanischen Buchautor Tom Clancy empfangen. Er war übrigens nur zwei Wochen älter als ich. Damals hatte ich keine solch‘ militaristischen Gedanken. Ich sagte zu ihm: „Du hast Waffen, lass‘ uns schießen gehen“. Dann zeigte er mir eine Kalaschnikow. Ich fragte ihn: „Was ist, wenn du angegriffen wirst?“ Und er antwortete: „Keiner wird mich je angreifen wollen.“ Er hat meine innere Welt mit diesem Satz verändert: „Keiner wird mich je angreifen wollen“. Da gibt es sowas nicht, dass wenn da ein gutes Haus steht, sich Lustige finden, die da einbrechen wollen. Das zeigen sie nur in Filmen so. Aber ich wiederhole, dass die Rekonstruktion der Armee mit der Bewaffnung der Bevölkerung anfangen muss. Exzesse, Besoffene – all das ist besser, als eine Sklavennation. Es läuft ein Asi über die Straße und macht meine Frau an, und ich habe keine Waffe in der Tasche, um ihn abzuschrecken. Verstehen Sie, das entwickelt ein richtiges Gefühl in uns, in uns allen. Und so läuft eine Bande über die Straße, irgendwelche Minderjährigen, so um die 20 Mann, und greifen Passanten an, und die Passanten verstecken sich in Hauseingängen. Das ist eine Nation der Feiglinge. Gebt uns Waffen. Hier in England habe ich eine Waffe.
– Sagen Sie, was soll man mit den zahlreichen Generälen in der ukrainischen Armee machen? Davon haben wir etwa Zweihundert, sollte man sie alle lustrieren, entlassen, einsperren? Haben wir überhaupt Zeit dafür?
– Die Zeit haben wir, die Gelegenheit dazu ist auch da. Ganz einfach: Ein General soll ein Bataillon unter sein Kommando bekommen – kein Regiment, keine Brigade, sondern ein Bataillon. Dann soll dieser General beweisen, was er drauf hat. Wenn er es schafft, dann wird ihn seine Mannschaft unterstützen und somit wird der General ein General bleiben. Lustration durch Kampfhandlungen. Die Jungs, die ihr Leben lang in den Büros saßen, sollen nun ihre Talente unter Beweis stellen und beweisen, dass sie ihrer Heimat, der Ukraine, dienen wollen.
Sie sollen dahin fahren, in den Krieg. Jeder soll so ein militärisches Praktikum machen. Du bist ein Leiter, also brauchst du ein Truppenpraktikum, nimm‘ deine Generalsschulterklappen ab. Wir setzen dich ein, wenn du willst: Nimm‘ eine Kompanie, nimm‘ einen Trupp, aber gehe dahin, gib‘ deine Befehle dort. Und sollen die Jungs nach einem Monat deiner Befehlsgebung eine Bewertung schreiben, und unterschreiben sollen es alle. Aber dafür, wenn du zurückkommst, lassen wir dich auf deinem Dienstposten und werden dich sogar befördern.
– In der Tat ist man den Generalen sehr misstrauisch gegenüber eingestellt, man sagt, sie planen Kriege der Vergangenheit. Und wenn man miteinbezieht, dass wir keine Kriege geführt haben, dann ist die Frage berechtigt, ob wir ihre Erfahrungen überhaupt brauchen.
– Alle Menschen sind verschieden, man muss ihre Fähigkeiten in der Praxis überprüfen, das ist alles. Man soll einfach fragen: Kannst du Menschen im Krieg anführen? Also fahr‘ hin! Wieviele Leute brauchst du? 30, 40, 100 Soldaten – wieviele kannst du auf dich nehmen, entscheide selbst. Und wenn du es schaffst, 30 Menschen anzuleiten, und diese 30 Menschen dir eine gute Charakteristik schreiben – dann werden wir dich auf einem hohen Generalposten sitzen lassen, denn du warst im Krieg, du hast gezeigt, wozu du fähig bist. Die Tatsache, dass ein General sein ganzes Leben im Büro verbracht hat – das ist nicht seine Schuld. Vielleicht hat er ja militärische Bücher gelesen, vielleicht hat er Sport gemacht, vielleicht hat er beobachtet, wie sich die Kriegskunst entwickelt, die Kriegswissenschaft in den anderen Ländern – wozu soll man ihn denn direkt rauswerfen? Lassen Sie es ihn versuchen. Und wenn er es nicht schafft, dann hat er ja eine gute Rente, kann ja seine Enkel großziehen, sie morgens zur Schule bringen, aber in der Armee brauchen wir ihn nicht.
– Wladimir Bogdanowitsch, sagen Sie, wieviele Jahre braucht man, um einen anständigen Nachrichtendienst aufzubauen?
– Wissen Sie, es gibt Beispiele, wo das Leben dich einfach zwingt und das Leben die Sache auf die Spitze treibt: Bleibt die Ukraine am Leben oder nicht. Das Leben bringt Persönlichkeiten nach vorn, die fähig sind, und siebt die Unfähigen aus. Glänzendes Beispiel dafür ist Napoleon Bonaparte, das Beispiel aller Beispiele. Entweder wird Frankreich jetzt erwürgt, oder es taucht irgendein Bonaparte auf. Ich bin mit dem Begriff „Antiterroroperation“ absolut nicht einverstanden. Was ist eine Operation? Operation sind irgendwelche Handlungen, die durch eine gemeinsame Idee und Plan verbunden sind. Irgendwelche Feinde haben irgendwas besetzt, haben ein Flugzeug entführt, irgendwelche Terroristen, also muss man das Flugzeug befreien – das ist eine Antiterroroperation. Eine Operation kann kein halbes Jahr dauern, ohne einen einheitlichen Plan, einer gemeinsamen Idee – da ist was passiert, hier ist was passiert usw… Das ist keine Operation. Das ist ein Krieg der Ukraine für ihre Unabhängigkeit. Die alten Chinesen sagten, man muss alles nur richtig benennen können. Sie werden fragen, warum? Weil richtig benennen richtig verstehen bedeutet. Jetzt bezeichnen wir das als eine Antiterroroperation, wenn wir das aber als einen Großen Vaterländischen Krieg des ukrainischen Volkes für seine Unabhängigkeit bezeichnen, wenn wir sagen: „Brüder, Jungs, wir kämpfen für unsere Unabhängigkeit und wir müssen diese durchsetzen!“- dann wird es auch ein anderes Resultat geben, es wird eine andere Beziehung zu jenen Jungs geben, die ihr Blut vergießen, zu einer Regierung, die unpopuläre Entscheidungen trifft, zu einer Polizei, die die gesellschaftliche Ordnung gewährleistet, und auch zu jenen Gaunern, die den Krieg gegen die Ukraine führen. Es wird eine ganz andere Einstellung geben. Denn es IST ein Großer Vaterländischer Krieg des ukrainischen Volkes für seine Unabhängigkeit.
Quelle: Wiktor Suworow im Gespräch mit Lana Samochwalowa, Eugene Jakuna, Victor Mischkowski, erschienen in ukrinform.ua.; übersetzt von Andrij Topchan/ Irina Schlegel.
CC BY 4.0
2 Responses to “Wiktor Suworow: „Man muss alles nur richtig benennen können“”
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