Russischer Oppositioneller, Ex-Abgeordneter der Staatsduma Russlands und der Vorsitzende der Partei „Westliche Wahl“ Konstantin Borowoj erzählte „Gordon“ über die kremlische Spur im Mord an dem Publizisten Oles Busina, über die Korruption in den obersten Machtorganen der USA und NATO, über die katastrophale Lage der russischen Wirtschaft und darüber, warum die passive Position des offiziellen Kiew mit einem Verlust der ukrainischen Staatlichkeit droht.
Mord an Busina UND Kalaschnikow sind professionelle Provokationen des Kremls zur Destabilisierung Kiews.
– Am 16. April 2015 wurde in Kiew der Publizist und Schriftsteller Oles Busina ermordet. Ein Teil der ukrainischen Gesellschaft ist überzeugt, dass dies eine Provokation der Geheimdienste Russlands, ein anderer- dass es Lynchjustiz der Radikalen ist, die mit den prorussischen Aussagen von Busina unzufrieden waren. Wozu neigen Sie?
– Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass der Mord an Busina den russischen Geheimdiensten zuzuschreiben ist. Das ist ihre Handschrift, ihre Technologie. Das Ziel ist die Situation innerhalb Kiews zu destabilisieren, offizielle Machtorgane der Ukraine zu diskreditieren. Russland wird vom ehemaligen FSB-Leiter regiert, einem professionellen Tschekisten. Alle aussen- und innenpolitische Handlungen Putins besitzen immer eine provokative, geheimdienstliche Komponente. Ich schliesse nicht aus, dass für den Mord innere ukrainische Kräfte eingesetzt wurden, aber es gibt einen einzigen Auftraggeber- den Kreml.
– Wozu braucht der Kreml Busina oder den ehemaligen Volksabgeordneten der Partei der Regionen Oleg Kalaschnikow, der am 15. April in Kiew erschossen wurde? Die Getöteten waren Marginale, und milde ausgedrückt, haben sie keinerlei Einfluss gehabt.
– Weil diejenigen, die auf irgendetwas einen Einfluss haben- die Oligarchen und Ex-Regionalen – vom Kreml noch gebraucht werden, sie kann man „effektiv einsetzen“. Wer ist im Gewinn nach solchen berühmten Morden? Unter anderem auch die Regionalen selbst, so zynisch es auch klingt. Sie sind die Hauptgewinner, denn sie bekommen einen Anlass herumzuschreien, dass der offizielle Kiew anfing, seine Opponenten zu beseitigen. Ich wiederhole: der Mord wie an Busina so auch an Kalaschnikow ist eine professionelle Provokation des Kremls zur Destabilisierung Kiews und der Untergrabung des Vertrauens zur offiziellen ukrainischen Obrigkeit.
– Ich verstehe nicht, Sie schliessen also Selbstjustiz aus?
– Ich glaube es nicht. War denn Busina auf irgendwelchen Abschusslisten? Der Kreml hat zum Beispiel die Bewegung „Antimaidan“ in Moskau erschaffen, dessen Teilnehmer die Porträts von Boris Nemzow als einem beinahe Hauptfeind Russlands trugen. Putins Freund Chirurg (Alexander Saldostanow, Rufzeichen Chirurg, ist einer der Anführer des moskauer „Antimaidans“, Gründer des Biker-Clubs „Nachtwölfe“) forderte dazu auf, mit der russischen Opposition fertig zu werden, er hat buchstäblich zum Mord aufgerufen. Nichts dergleichen gab es in der Ukraine, und Busina selbst nahm auch keinen besonderen Platz im gesellschaftlichen Bewusstsein ein. Also sollten Sie sich mit den Fragen über seinen Mord an Putin persönlich wenden.
– Hat man schon, bzw. hat man ihm eine Meldung erstattet. Während die Redakteure der ukrainischen Nachrichtenausgaben noch auf eine Bestätigung aus offiziellen Quellen warteten, wurde dem Präsidenten Russlands über den Mord an Busina in weniger als einer Stunde nach dem Ereignis, live in der TV-Sprechstunde mitgeteilt, während des Dialogs des Leaders mit seinem Volk…
– Absolut richtig. Und Putin, ohne nachzufragen, wer denn jetzt dieser Busina sei, antwortete direkt: „Das ist nicht der erste politische Mord, wir haben in der Ukraine mit einer ganzen Reihe solcher Morde zu tun“.
Am 16. April führte Putin eine Live TV-Sprechstunde durch, während welcher er die Fragen des russischen Volkes beantwortete. Darüber, dass in Kiew Oles Busina erschossen wurde, wurde Putin live berichtet, in weniger als einer Stunde nach dem Mord. Video: segodnja.ua
– Sie haben unseres Interview aufgeschoben, indem sie sich darauf berufen haben, dass Sie die vierstündige TV-Sprechstunde konspektieren. Wozu soll man sich den Dialog von Putin mit dem Volk anhören und dann auch noch konspektieren, wenn da eh nur Lügen sind?
– Trotz der Lüge und Propaganda gibt es in Putins Auftritten einen unausgesprochenen Sinn, man kann vieles zwischen den Zeilen lesen. Ich habe grosse Erfahrung in solchen Dingen: ich habe in der Sowjetunion gelebt und beherrsche die Technologie der Klarstellung realer Lage aus den Vorträgen der Generalsekretäre der KPdSU oder der KGB-Vorsitzender sehr gut. Man muss sehr aufmerksam zuhören, um bestimmte Sachen zu verstehen. Zum Beispiel brauchte Putin die jetzige TV-Sprechstunde nur, um das russische Volk zu beruhigen.
– Warum ist denn jetzt das russische Volk auf einmal so beunruhigt?
– Weil es einkaufen geht, den Job verliert und solche Renten bekommt, dass es nicht im Stande zu überleben ist. In Russland sind die Preise fantastisch angestiegen! Es ist nun gelungen, den Rubel-Absturz aufzuhalten, aber sieht aus, als ob es extra zur Putins TV-Sprechstunde gemacht wurde, damit der Führer sagen kann: „Der Rubel ist wieder gestärkt, die Wirtschaft wächst.“ Zu sowjetischen Zeiten nannte man es „siegreiche Relation“ (prahlerische Berichte über eigene Erfolge).
– Ist Ihnen aufgefallen, wie der russische Leader permanent hustete, sich versprach und allgemein sehr träge aussah?
– Ja, weil die Situation in Russland katastrophal ist! So zu tun, als ob die westlichen Sanktionen das Land zu einem wirtschaftlichen Progress führen werden – das ist eine billige Lüge, die nur auf sehr einfältige Menschen einen Eindruck machen kann.
– Putin erzählte vier Stunden lang live, wie gut alles ist: westliche Sanktionen stärken nur den einheimischen Hersteller, technischer Progress ist eine Tatsache, BIP ist um ganze 0,6% gestiegen, der Mittelstand entwickelt sich, die Weizen-Ernte ist unbeschreiblich usw. Den Worten des Präsidenten nach ist in Russland alles in Ordnung, wenn es auch ein paar Schwierigkeiten gibt. Manchmal hat sich Putin sehr witzig versprochen: erst behauptete er, dass imperialistische Ambitionen Russlands Quatsch ist, und später sagte er plötzlich, dass wir stark sind und sich gegen den Westen behaupten müssen. Demonstrierte also seine imperialistische Ambitionen auf eine direkte Art und Weise.
– Welche Hauptmessages musste die Ukraine aus dieser Sprechstunde heraushören, ausser dass der Präsident Russlands unsere Völker noch immer für Brüdervölker hält?
– Putin hat klar zu verstehen gegeben, dass sich die Ukraine mit der Haltung Russlands abfinden muss. In einem bestimmten Moment hat er fast gedroht: er sagte, dass die Versuche des offiziellen Kiews das Problem zu lösen immer zu einer weiteren Verwicklung der Situation geführt haben. Putin erpresste Poroschenko, das ist offensichtlich. Mir ist nur eins klar: wenn der Präsident der Ukraine den Konflikt nicht mit der Kraftmethode löst, wird der Donbass zu einer zweiten Variante von Südossetien, Transnistrien oder Abchasien. Ihr habt keinen anderen Ausgang für die Rückkehr der eigenen Territorien.
Wenn Putin sich endgültig auf der Krim und in Donbass festsetzt, wird Kiew zum nächsten Ziel.
– Offizielle ukrainische Obrigkeit erklärte bereits mehrmals, dass sie die Offensive der russischen Streitkräfte entweder Anfang Mai oder zum Jahrestag des Sieges im Zweiten Weltkrieg erwarten…
– Ich denke, dass es eine Offensive geben wird. Im Februar-März 2014 führten solche Befürchtungen bezüglich der Krim dazu, dass der offizielle Kiew die Halbinsel nicht verteidigen wollte. Wenn sich die Situation wiederholt, wird die russische Offensive bis nach Hauptstadt der Ukraine gehen. Ihr müsst euch auf ein aggressives militärisches Vorgehen Russlands vorbereiten, Ihr müsst Euer Territorium verteidigen. Weder die Amerikaner noch die Europäer werden es für euch tun. Ich habe mehrmals gesagt: wenn die Ukraine nicht anfängt, selber ihre Territorien zu verteidigen, wird sie diese verlieren. Wenn Kiew nicht anfängt, die Krim auf einem militärischen Wege zu befreien, wird die Halbinsel nie wieder in die Zusammensetzung der Ukraine zurückkommen.
– Sie haben selbst über die katastrophale wirtschaftliche Lage Russlands gesprochen. Ausserdem wird die EU im Juli 2015 die Sanktionen bezüglich Russland revidieren. Wird sich Putin tatsächlich auf solch‘ ein teueres Abenteuer wie eine allumfassende Offensive auf Donbass einlassen?
– Putin ist fähig, va banque zu spielen. Er kann natürlich eine ruhigere Situation abwarten – zum Beispiel die Aufhebung oder Lockerung der Sanktionen, aber dann wird sich die Ukraine tatsächlich von Donbass und der Krim verabschieden müssen. Für immer. Ich glaube, Ihre Bürger sind dazu nicht bereit. Unter den heutigen Bedingungen ist jeder Flugzeug- oder Panzerabschuss ein ernsthafter Verlust für den Aggressor, weil die Militärindustrie in Russland vom westlichen Zubehör abhängig ist, der wegen der Sanktionen nicht mehr importiert wird. Wenn Sie nicht anfangen, ernsthaft die eigenen Territorien zu befreien, wird die Frage über den Erhalt der ukrainischen Staatlichkeit aufkommen, denn falls Putin sich endgültig auf der Krim und in Donbass festsetzt, wird Kiew zu seinem nächsten Ziel.
– Hat sich Russland denn nicht bereits „endgültig festgesetzt“, zumindest auf der Krim?
– Natürlich nicht! Kein einziger solider Staat hat die Annexion anerkannt. Wissen Sie, wovor sie im Kreml am meisten Angst haben? Dass die Ukraine tatsächlich anfängt, ihre eigenen Territorien zu befreien. Russland hat noch immer mit der Neuaufrüstung nicht abgeschlossen, es gibt kleinere kampffähige Einheiten, aber im Grossen und Ganzen ist der Staat sehr schwach. Und die Einnahme der Krim war nicht wegen der „militärischen Stärke“ Moskaus möglich, sondern nur infolge der absoluten Tatenlosigkeit von Kiew.
Extra zu einer weiteren Sprechstunde von Putin mit dem Volk bereitete die Organisation „Offenes Russland“, die vom Michail Chodorkowski gegründet wurde, ein Video darüber vor, wie die Versprechungen des Präsidenten Russlands eingehalten wurden, die er während vorangegangener Sprechstunden gemacht hat. Im siebenminütigen Video gibt es auch Versprechungen bezüglich der Ukraine und der Abwesenheit von jeglicher Ansprüche auf die Krim.
Ich schliesse nicht aus, dass die schwache Reaktion der NATO auf die Ereignisse in der Ukraine mit irgendwelchem Kompromat zusammenhängt, das in Besitz des Kremls ist.
– Vor ein paar Monaten haben Sie in einem Interview an unsere Ausgabe den stellvertretenden NATO-Generalsekretär Alexander Vershbow als einen FSB-Agenten bezeichnet.
– …Genauer gesagt habe ich ihn als einen direkten Lobbyisten von Putin in der NATO bezeichnet, der auf politische und gutachtliche Entscheidungen der USA einen Einfluss ausübt.
– In Ihren Anschuldigungen haben Sie sich auf eine gewisse Expertengruppe berufen, die auf Ihre Initiative hin für die Analyse der militärischen Strategie Russlands bezüglich der Ukraine zusammengestellt wurde. Analysiert die Gruppe noch immer die aktuelle Situation? Wenn ja, zu welchen neuen Schlussfolgerungen ist sie gekommen?
– Mein Interview hat eine starke negative Reaktion im Westen hervorgerufen. Niemand möchte als ein Lobbyist von Putin bezeichnet werden, nicht mal Barak Obama, das diskreditiert die Politiker doch sehr. Trotz der nervösen Reaktion, bleibt die Tatsache bestehen: ihre Verpflichtungen gegenüber der Ukraine haben die USA noch immer nicht erfüllt.
– Es ist klar, dass es die Haltung Obamas gibt, der Ukraine keine letalen Waffen zu liefern. Aber die Haltung des US-Präsidenten bestimmen die Wehrexperten und Geheimdienstler, und gerade sie haben auf jüngsten Sitzungen im Kongress auf den Waffenlieferungen an die Ukraine bestanden. Nichtsdestotrotz existiert im Westen noch immer eine starke lobbyistische Gruppe Putins, die das entgegengesetzte Resultat zu erreichen anstrebt, und das ist sehr gefährlich. Russland gab und gibt noch immer riesige Ressourcen für die Bestechung der westlichen Politiker aus. In Europa wurden bereits mehrere Fälle aufgedeckt.
Leider gibt es die Korruption auch in den USA: der Kreml besticht direkt oder indirekt nicht nur die Politiker, sondern auch westliche Journalisten, die plötzlich anfangen, äusserst seltsame Artikel über die Ukraine zu veröffentlichen. Und das ist nicht nur für Kiew, sondern auch für Washington selbst gefährlich. Andrei Illarionow kann mich oder Walerija Nowodworskaja als FSB-Agenten bezeichnen, aber Tatsache bleibt bestehen: die USA erfüllen ihre Verpflichtungen gegenüber der Ukraine nicht.
– Denken Sie nicht, dass es hier nicht nur um eine direkte Bestechung, sondern auch um Kompromat geht, das Putin auf verschiedene einflussreiche Persönlichkeiten des Westens besitzt? Zum Beispiel haben die russischen und westlichen Geheimdienste noch vor der ukrainischen Krise gemeinsame Operationen zur Liquidierung von unerwünschten Politikern durchgeführt…
– Kann sehr gut sein. Sowohl russische als auch westliche Geheimdienste nutzen alle möglichen Ressourcen für das Erreichen ihres Ziels aus. Ich schliesse nicht aus, dass die schwache Reaktion der NATO auf die Ereignisse in der Ukraine mit irgendwelchem Kompromat zusammenhängt, das im Besitz des Kremls ist.
– Sie haben lange Zeit in den USA gelebt, und sind nun nach Moskau zurückgekommen. Fürchten Sie sich nicht, besonders nach dem Mord an Boris Nemzow?
– Ich bin ein Politiker, man muss immer darauf vorbereitet sein. Es geschehen bestimmte Konflikte, aber das ist kein Grund zum Aufgeben.
Quelle: Natalya Dwali in gordonua.com; übersetzt von Irina Schlegel.
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One Response to “Borowoj: Es gibt keine Zweifel, dass russische Geheimdienste den Mord an Busina ausgeführt haben.”
17/05/2015
Konstantin Borowoj: «Ich finde, dieser Krieg kann nur in Moskau enden». - InformNapalm.org (Deutsch)[…] sprach ich bereits in einem Interview über die provokativen Auftragsmorde auf dem Territorium der Ukraine, unter anderem auch über den Mord an Oles Busina – das sind auch nur Instrumente der […]