Russische Experten äußerten die Möglichkeit eines Terroranschlags mithilfe von „Cyberwaffen“ am Bord von Tu-154, InformNapalm untersucht Aktivitäten in sozialen Netzwerken und warnt vor möglichen Wiederholungen terroristischer Operationen russischer Geheimdienste. Wir sind auch auf das atypische Flugverhalten von Maschinen des Verteidigungsministeriums RF über Krim aufmerksam geworden. Näheres zu diesem Thema können Sie in der neuen Untersuchung der internationalen Aufklärungsgemeinschaft InformNapalm nachlesen.
Versionen: Terror- oder Cyberanschlag am Bord von Tu-154
Unterschiedlichste Vermutungen zum Absturz von Tu-154 des Verteidigungsministeriums RF auf dem Weg nach Syrien werden seit über einer Woche aktiv in den Medien diskutiert. Offizielle Quellen der RF bestehen weiterhin auf einem Piloten- oder technischen Fehler als Absturzursache. Nichtsdestotrotz präsentierte „Moskowski Komsomolez“ am 30. Dezember (Archiv) eine alternative Expertenmeinung. Nach Angaben des Zeitungsverlegers hat das Mietglied des Regierungsausschusses, Generalleutnant der RF Sergej Bajnetow die Möglichkeit eines mit einer bestimmten mechanischen Einwirkung verbundenen Terroranschlags nicht ausgeschlossen. Ein anderer Experte in Fragen der Luftfahrtsicherheit, Wladimir Salnikow, vermutete, dass ein technischer Eingriff in die Arbeit der Flugzeugsysteme zum Absturz geführt haben könnte. Außerdem äußerte er die Annahme, dass „Cyberwaffen“ für die Durchführung des Terrorangriffs verwendet werden könnten, und zwar ein bestimmter ferngesteuerter Sensor.
Wir möchten anmerken, dass die offiziellen Sprecher des Verteidigungsministeriums RF die Möglichkeit eines Anschlags schon in den ersten Tagen ausgeschlossen haben, während in die Medien Informationen darüber gelangt sind, dass der Terroranschlag von der Verwaltung des russischen Präsidenten abgesegnet und die Operation von den Leuten von Ramsan Kadyrow durchgeführt wurden. Es wurde berichtet, dass das Informationsleck von ehemaligen FSB-Mitarbeitern provoziert worden war.
Analyse der Aktivität in sozialen Netzwerken in Verbindung mit der Informationsquelle
Die internationale Aufklärungsgemeinschaft InformNapalm entschloss sich, diese Annahme zu prüfen. Natürlich ist es in diesem Fall praktisch unmöglich, eindeutige Beweise aufzufinden, dennoch gibt es eine Reihe von indirekten Anzeichen der Aktivität mancher Subjekte in sozialen Netzwerken, die Hilfsfäden für die nachfolgende Entwirrung der Situation liefern.
Wir haben die Quelle des vermutlichen Datenlecks ausfindig gemacht: den Facebook-Post des Ex-Sicherheitsdienstleiters des Präsidenten der nicht anerkannten „Transnistrischen Moldawischen Republik“, Obersts der Luftlandetruppen RF Walerij Gratow vom 25. Dezember 2016 (Archiv). Es ist beachtenswert, dass Gratow aktiv als Koordinator für die Anwerbung russischer Söldner für die Kampfhandlungen in Donbass agierte (Foto mit Sachartschenko, Foto mit Giwi und Motorola, Foto mit Besler und Motorola).
In seinem Post schreibt Gratow folgendes: „Zum Absturz von Tu-154 ins Schwarze Meer am 25. Dezember 2016. Ich möchte Informationen mitteilen, die von meinen Freunden – FSB-Veteranen – stammen… Der Terroranschlag wurde von oben abgesegnet, deswegen verbreiten die Medien Berichte darüber, dass der Absturz von einem Piloten- oder technischen Fehler verursacht wurde, ohne dass die Flugdatenschreiber vorhanden sind,“ – steht im Post.
Jede Resonanzstellungnahme bleibt in sozialen Netzwerken nicht unbemerkt, und manchmal kann sogar die Anzahl von „Likes“ und „Shares“ aufschlussreiche Angaben nicht nur zu den Ansichten des Auditoriums liefern (unter dem Ausschluss der Manipulationen durch Trollfabriken), sondern auch über die mit dieser Kundgebung verbundenen Subjekte. InformNapalm führte eine OSINT-Bestandaufnahme von Profilen und Menschen durch, die eine Spur in den Kommentaren, Likes oder durch das Teilen der Inhalte zum geplanten Terroranschlag hinterlassen hatten. Logischerweise könnten „Veteranenfreunde“, auf die Gratow verweist, das Verhalten ihres Gefährten beobachten, wenn das Datenleck von ihnen initiiert wurde.
Zum Thema des Absturzes von Tu-154 hat sich Oberst Gratow übrigens zweimal geäußert, kurz nach dem ersten Post veröffentlichte er eine unzweideutige Anspielung (Archiv): „Leider bleibt die Antwort auf die Frage zur tatsächlichen Ursache des Absturzes von Tu-154 wie im alten Witz: „Wer die Antwort artikuliert, wird für immer inhaftiert““
Beide Posts haben viele Likes gesammelt, wurden aber nicht besonders aktiv kommentiert (zum Vergrößern klicken Sie auf die Bildfläche).
Am meisten aktiv zeigte sich in den Likes und Kommentaren zu den Posts von Gratow ein Nutzer mit dem Nutzernamen Shahen Makoyan (Archiv). Beim detaillierten Betrachten des Profils stellte es sich heraus, dass es sich um einen Oberst des FSB RF (möglicherweise pensionierten, in seinem Profil wird angegeben, dass er knapp 20 Jahre Dienst geleistet hat, könnte deswegen als „Veteran“ bezeichnet werden) Schagen Tengisowitsch Makoyan handelt.
Die Analyse von Fotos auf seiner Seite deutet auch darauf hin, dass er in einer engen Beziehung zu der Luftfahrt stand oder immer noch steht…
Außerdem hat er am 16. Dezember ein Foto von einem Passagierflugzeug Airbus zu seinem Titelbild auf Facebook gemacht.
Auch der Kreis der nahen Kontakte von Schagen Makoyan ist interessant: er besteht aus seinen Kollegen bei dem FSB RF, die auch über Auftraggeber oder Ursachen des Terroranschlags am Bord von Tu-154 informiert sein könnten, sollte sich diese Annahme bestätigen.
Auf dem Foto vom 16. Dezember 2016 steht Schagen zusammen mit der Familie neben einem General des FSB RF. Dies teilt er in seinem Kommentar vom 19. Dezember zu diesem Foto mit: „Mit einem General des FSB Russlands“.
Im Laufe der vorläufigen Gesichtserkennung konnten wir keine Informationen zum General des FSB finden, der neben dem Oberst Schagen Makoyan steht. Sollte er Ihnen bekannt sein, schicken Sie Ihre Informationen auf die Seite der Gemeinschaft InformNapalm bei Facebook.
Unter den Freunden von Schagen Makoyan figurieren auch andere Mitarbeiter des FSB RF, die als „Veteranen des FSB“ bezeichnet werden könnten. Zum Beispiel Oberst Dmitrij Prytkow (Archiv), der in seinem Arsenal nur einige Fotos hat, unter denen auch das Bild mit 4 nicht identifizierten Militärangehörigen in Masken und weißen Tarnanzügen mit der Flagge der Aufklärungstruppen der Streitkräfte RF im Hintergrund (einer der Aufklärer streckt seinen Arm auf charakteristische Weise in einem Hitlergruß) und auch einige Fotos von Medaillen für die Besetzung von Krim.
Der Kreis der Verdächtigen ist mit den Objekten dieser Untersuchung – einem General und zwei Obersten des FSB Russlands – nicht erschöpft. Die Analyse dauert an, aber schon zum heutigen Zeitpunkt gibt es mindestens drei Subjekte aus der näheren Umgebung des Verfassers des Datenlecks zum möglichen Auftragsanschlag am 25. Dezember am Bord von Tu-154 des Verteidigungsministeriums RF (die Version, die schon nach einer Woche von mehreren russischen Experten bestätigt wurde), die man als potentielle Zeugen/Informanten betrachten könnte und die eine ganze Reihe von Kriterien erfüllen. Sie alle sind Veteranen des FSB, die freundschaftliche Beziehungen zum Verfasser des Datenlecks pflegen.
Die Analyse offener Quellen kann nicht das ganze Spektrum der Informationsbeschaffung ersetzen, aber sie kann auf die Fährte bringen, die zu den wahren Ursachen des Vorfalls führen würde.
30. Dezember – das atypische Verhalten des Tu-134AK RA-65976 über Krim
Am 30. Dezember 2016 gegen 15:30 Kiewer Zeit wurde von Besuchern des Einkaufszentrums in Kamyschowa Bucht in Sewastopol ein Video eines niedrig fliegenden Flugzeugs Tu-134A mit deutlich erkennbarer Registrierungsnummer RA-65976 aufgenommen und in sozialen Netzwerken verbreitet.
Dabei bemerkten die Augenzeugen die atypische Flugbahn, die durch die besonders niedrige Flughöhe einer Passagiermaschine in dieser Gegend auffiel:
„Etwas Derartiges gab es noch nie, auch wenn ein Flugzeug von Bilbek abfliegt (ein Flughafen nordwestlich von Sewastopol – Anm.d.Red.), hätte es bis hierher schon an Höhe gewonnen. Das Flugzeug flog aber direkt über dem Einkaufszentrum in südwestlicher Richtung“.
Interessanterweise galt dieses Flugzeug früher als eine Privatmaschine des letzten Befehlshabers der Zentralen Truppengruppierung Generalobersts Eduard Worobjow. Seit 1994 befand es sich im Bestand des 226. selbstständigen zusammengesetzten Flugregiments (Flugbasis Kubinka), seit 2010 wurde es der Flugbasis Tschkalowskaja zugewiesen, derer Flugflotte auch das am 25. Dezember in Sotschi abgestürzte Tu-154 angehörte.
Die Maschine ist sehr alt, sie war im Betrieb seit 1982. In 1994 passiert mit ihr am Flughafen Talagi (Archangelsk) ein Unfall (die rechte Fahrwerkstütze konnte weder vom Haupt- noch vom Notfallsystem ausgefahren werden), infolge dessen sie bedeutenden Schaden erlitt. In diesem Moment befanden sich 56 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder am Bord.
Dieses Flugzeug wird auch nach 35 Jahren der Inbetriebnahme vom Verteidigungsministerium RF aktiv verwendet, aber nach dem letzten Vorfall mit den „Auftriebsklappen“ von Tu-154 in Sotschi betrachten die Menschen mit Verdacht alle unregelmäßig tief fliegenden russischen Militärflugzeuge im Himmel über Krim.
Warum russische Flugzeuge abstürzen – wegen des Alters, durch Pilotenfehler oder doch infolge eines absichtlichen Terroranschlags der Geheimdienste oder sogar eines „Cyberanschlags“ (wie russische Experten ihn nennen) – muss noch festgestellt werden. Wichtig ist, dass das Zitat des russischen Obersts „Wer die Antwort artikuliert, wird für immer inhaftiert“ der Aufklärung tatsächlicher Gründe für den Flugzeugabsturz nicht im Wege steht.
Dieses Material wurde von Andrew Lysytskij und Kusjma Tutow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko; editiert von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
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