von Witaly Portnikow
Wenn wir Putin mit Hitler vergleichen, verstehen wir natürlich, dass jeglicher Vergleich hinkt.
Nur ist der Naziführer das Scheußlichste von allen uns bekannten Symbolen des Übels. Die Übereinstimmung von Putler und Hitler in ihren öffentlichen Auftritten, die Übermacht der Geheimdienste, die Militarisierung der Gesellschaft, Aggressivität – all das lässt einfache und für den Leser verständliche Parallele ziehen.
Putin ist aber gar kein Nationalsozialist. Putin ist ein Faschist. Und in seinem Vorgehen erinnert er in Wirklichkeit gar nicht so sehr an Hitler, sondern an Mussolini. Nur ist Putin ein Mussolini mit einer Atombombe. Am sonsten stimmt alles überein, und wesentlich offensichtlicher als mit Hitler.
Dass ein hartgesottener „Sowjet“ mit einem Parteibuch in der Tasche und festem Glauben an den KGB zu einem Träger der ausgekochtesten chauvinistischen Ideologie wurde, ist sehr mussolinihaft, denn der Duce begann seine Karriere als ein sozialistischer Aktivist. Dass Putin nicht einfach nur von der Idee einer regionalen Hegemonie, sondern von der Idee der Wiederherstellung der einstigen imperialistischen Größe besessen ist, ist auch sehr mussolinihaft. Duce hat sich durchaus ernst als einen Nachfolger des Alten Roms wahrgenommen. Und irgendsoein „RhodosUnser!“ kann man durchaus mit „KrimUnser!“ ersetzen. Ja, Mussolini hat die Insel nicht besetzt – es geschah noch vor seiner Zeit. Aber zum Beweis der italienischen Zugehörigkeit der griechischen Insel baute er auf Rhodos den mittelalterlichen Palast der Grossen Magister, der bis heute eine architektonische Dominante der Insel-Hauptstadt bleibt. Und ihr redet von Chersones!
Mit den Krampen war bei Benito auch alles wunderbar. Er bemühte sich darum, sich als den besten Freund der katholischen Kirche zu präsentieren, gerade zu seiner Amtszeit bekam Vatikan des Status eines von Italien unabhängigen Staates. Übrigens, gerade diese fromme Religiosität führte dazu, dass zu ersten Opfern des Regimes – abgesehen von den politischen Gegnern – die Vertreter der sexuellen Minderheiten wurden. Ettore Scola drehte 1977 den Film „Ungewöhnlicher Tag“, wo der grosse Mastroianni einen vom Regime verfolgten Schwulen spielte, der aufrichtig nicht verstehen kann, warum er nicht zu einem Teil der faschistischen Gesellschaft werden kann, und Sophie Loren die Rolle einer Hausfrau, Musterehefrau und Mutter übernahm, einer Hochburg des Regimes. Diese beiden können erst mit einander reden, als der ganze restliche Rom zu einer Parade abzieht, die von Mussolini zu Ehren Hitlers veranstaltet wird. Oh, diese Paraden!
In diesen war die ganze operette der Faschismus-Epoche erkennbar. Nationalsozialist Hitler war furchteinflössend, der Faschist Mussolini, bei all seinen Verbrechen, war dagegen lächerlich und karikaturesk. Genauso wie Putin lächerlich und karikaturistisch mit all seinem Umfeld ist: mit dem „I-Phone“-Dima Medwedew, nie in der Armee gewesenem Schoigu in Generalsuniform, für Spiritismus schwärmendem Patruschew, oder dem in den Einstiegsöffnungen steckenbleibenden Rogosin – jeder Vertreter der heutigen russischen Führung ist kein Mensch, sondern ein Cartoon-Held, lebendige Illustration des Lieblingssatzes von Dmitry Kiseljew, der solche Menschen üblicherweise fragt: „Haben Sie wirklich nicht im Zeichentrick mitgespielt?“. Übrigens, noch eine Karikaturgestalt.
Andererseits gibt diese Ergebenheit gegenüber der „Krampen“ und „Geistigkeit“ preis, warum zum Beispiel der Homophob und Antisemit Putin gegen Schwule kämpfen kann, seinen Antisemitismus aber sehr sorgfältig camoufliert. Mussolini hat doch auch so angefangen: den wohlhabenden Vertretern der jüdischen Gemeinde drängte er die Mitgliedskarte der faschistischen Partei buchstäblich auf und sie wurden zu aufrichtigen Verehrern des Diktators – bis das Bündnis mit Hitler Duce nicht erlaubte, die Konventionen abzuwerfen. Putin ist auch zu allem bereit. Einerseits hilft er Kobson (alter Popsänger), andererseits erinnert die Propaganda am Tag der Ermordung des oppositionellen Politikers Boris Nemzow rein zufällig an seine jüdischen Wurzeln.
Übrigens, Mussolini hatte auch seinen eigenen Nemzow: den sozialistischen Abgeordneten Giacomo Matteotti, der von den Faschisten entführt und ermordet wurde. Mussolini erkannte seine Beteiligung an dieser Abrechnung nie an, obwohl er – er war dennoch ein Politiker und kein Beamter wie Putin- die politische Verantwortung dafür auf sich genommen hat. Aber das wahrhaftige Bild des Verbrechens kennen wir bis zum heutigen Tag nicht, und das trotz der Tatsache, dass der Mord am Oppositionellen zu ernsthaften Protesten gegen das Regime geführt hatte.
Solche Analogien kann man viele finden, aber es gibt eine, die heute besonders interessant ist: Äthiopien. Mussolini eroberte ein afrikanisches Land und ernannte den italienischen König zu seinem Imperator, aber das wurde zum Anfang seines Endes. Ja, das Rating von Duce in Italien überstieg jegliches Maß. Aber Mussolini strich sich aus der Mitte der Anführer zivilisierter Welt aus.
Gegen Italien wurden wirtschaftliche Sanktionen eingeführt. Sie wurden anfangs als nicht sonderlich ernst wahrgenommen, wirkten sich aber auf Stabilität der Macht und den Wohlstand der Italiener aus. Die Schwäche der Armee von Mussolini wurde offensichtlich, seine grenzüberschreitende Dreistigkeit wurde aber auch jedem klar, der etwas mit ihm zu tun haben wollte. Gerade in dieser Zeit machte Mussolini seine „Kehrtwendung zum Osten“ und geriet in die Arme von Hitler, den er noch vor dem Krieg in Äthiopien zu zerschlagen versprochen hatte, falls er seine Aggressivität bekunden sollte.
Genau ab diesem Moment wird der Anschluss Österreichs möglich, dessen Unabhängigkeit die Unterstützung Italiens ermöglichte. Und eigentlich auch alles andere, was danach kam, einschliesslich des politischen Zusammenbruchs und ruhmlosen Todes von Mussolini selbst. Und man braucht nicht zu behaupten, dass er dem Untergang geweiht war. War er nicht. Die autoritären Anführer von Europa, die von einem Bündnis mit dem Führer abgesehen hatten, haben noch drei – drei! – Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg regiert.
Aber zum grössten Schlag für Mussolinis Andenken wurde nicht mal die Tatsache, dass ab dem Moment seiner „Kehrtwendung“ und des endgültigen Bruchs mit den westlichen Demokratien der Nazismus und Faschismus zu einem Ganzen geworden sind. Zum grössten Schlag wurde die Tatsache, dass es die Matteotti-Strasse nun faktisch in jeder italienischen Stadt gibt.
Eine Mussolini-Strasse gibt es dagegen nirgendwo.
Quelle: Witaly Portnikow in ru.espreso.tv; übersetzt von Irina Schlegel.
One Response to “Der Duce aus dem Kreml”
02/12/2015
Arbeit im Putins Sinne: Warum legt ein deutscher Politiker der Ukraine die Sünden Russlands zur Last? - InformNapalm.org (Deutsch)[…] „Der Duce aus dem Kreml„ […]