
Es gibt alle Gründe Gernot Erlers Aussagen als politische Korruption zu werten
von Vitaly Portnikov
Russlandbeauftragter der deutschen Bundesregierung Gernot Erler kritisierte die Ukraine in einem Interview für die russische Redaktion der Deutschen Welle und gab Kyjiw die Schuld an der Eskalation des Konflikts mit den Okkupanten.
Schon das Thema der Aussagen des deutschen Regierungsvertreters lässt einen staunen. Erler ist kein Journalist und kein Politologe. Zu seiner Verantwortung in der Bundesregierung gehört die Zusammenarbeit mit Russland, und nicht mit der Ukraine. Seine Aufgabe ist die deutsche Wirtschaft in Russland zu fördern, und nicht die russische Regierung zu verteidigen oder die ukrainische zu kritisieren. Vor allem wenn die Kritik wie eine Reihe von direkten Zitaten aus russischen Fernsehprogrammen klingt, oder noch schlimmer – eine Wiedergabe des Inhalts von Briefen, die Erler womöglich von der russischen Botschaft in BRD erhält.
Erlers Besorgnis ist verständlich. Wenn der russisch-ukrainische Konflikt nicht gelöst wird, werden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland früher oder später versickern und seine Position wird überflüssig. Das ist aber nicht nur ein Problem der Ukraine. Putin geht verantwortungslos in vielen anderen Regionen der Welt vor. Selbst wenn wir die Krim „vergessen“, wozu uns der hohe deutsche Beamte eigentlich rät, wird Putin einen anderen Ort für Konfrontation mit dem Westen finden. Denn sein Ziel ist gar nicht die Krim. Sein Ziel ist die Konfrontation mit der NATO. Wusste Erler das nicht? Spricht man im russischen Fernsehen etwa nicht darüber? Berichten deutsche Geschäftsmänner nicht darüber? Nun, spätestens jetzt muss er das wissen. Aber dies bedeutet nicht, dass er nicht weiter machen wird – die Russen haben immer wieder loyalen hochrangigen Beamten aus dem Westen profitable Positionen angeboten. Das beste Beispiel ist Gerhard Schröder, ehemaliger Bundeskanzler Deutschlands und zugleich seine Schande. Will Erler eine weitere Schande werden? Nun, das zahlt sich ja nicht schlecht aus.
Dieses Interview von Erler zum Thema „Ukraine“ ist nicht das Einzige von der Sorte. Kürzlich kritisierte der deutsche Beamte die Ukraine bereits in einem anderen Interview an deutsche Medien. Dabei sorgte er sich darum, dass die Zielgruppe – die russische Führung – wahrscheinlich nicht auf Deutsch liest. Warum denn die russische, und nicht die ukrainische? Bei dem deutschen staatlichen Radiosender gibt es doch auch die ukrainische Redaktion. Aber Erler gab sein Interview demonstrativ an die russische Redaktion – und entgegen der Logik seiner Position sprach er über die Ukraine. Er dient nicht – er liebedienert…
Die Hauptthese in Erlers Interview – das ist gar keine Kritik an dem, was auf der Krim passiert, wie viele sich vielleicht denken werden. Erler versucht die Situation so darzustellen, als wäre es nicht Russland, sondern die Ukraine, die das Minsker Abkommen nicht einhalten würde. „Wir wissen, dass es im Prinzip bei der Umsetzung von Minsk II solche Dinge gab, die für die Ukraine schwierig umzusetzen waren, und während die russische Seite immer wieder beteuert, dass sie alle Bedingungen erfüllt, hat die Ukraine damit Probleme. Und diese Schlüsse sind nicht so falsch,“ sagte der deutsche Russlandbeauftragte.
Aber die Frage ist: Welche Punkte des Minsker Abkommens hat die russische Seite denn bereits erfüllt? Um den Abzug von schweren Waffen und den Waffenstillstand zu gewährleisten, benötigte Russland nicht ein paar Wochen, sondern mehrere Monate – dabei wird an der Frontlinie noch immer geschossen. Von welchen Gesetzen, Verfassungsänderungen und andere Problemen kann die Rede sein, wenn es noch immer geschossen wird? Das Minsker Abkommen II musste bis zum 1. Januar 2016 umgesetzt werden. Die Tatsache, dass es verlängert wurde, ist das Ergebnis des russischen Wunsches, seine militärische Präsenz auf dem ukrainischen Boden aufrechtzuerhalten, und gar nicht das Ergebnis der mangelnden Effektivität des ukrainischen Parlaments. Die Verlängerung des Abkommens wurde dank des guten Willens der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs möglich. Das ist guter Wille und kein erzwungener Schritt. Und Herr Erler muss es wissen. Ich spreche schon gar nicht davon, dass man in dieser Situation nicht behaupten kann, dass „die Krim derzeit keine Rolle in den politischen Prozessen spielt“, während ausgerechnet die Annexion der Krim und die träge Reaktion darauf seitens der internationalen Gemeinschaft Putin den Weg für den Krieg im Donbas freigemacht hatte.
Vor einigen Monaten beschrieb mir ein hochrangiger europäischer Diplomat Moskaus Taktik in seinen Beziehungen mit der EU. Ihm zufolge wird Russland alles tun, um die Sanktionen gegen seine Wirtschaft zu mildern. Und das Wichtigste bei dieser Arbeit ist gar nicht die Umsetzung von Minsk II. Das Wichtigste ist dabei, die Ukraine zu beschuldigen, das sie das Minsker Abkommen nicht einhält. Der Diplomat sagte sogar, mit wessen Hilfe die russische Führung diese These verbreiten wird: „Über bestimmte deutsche Sozialdemokraten“. Herr Erler ist ein deutscher Sozialdemokrat, ein Parteigenosse von Herr Schröder und von anderen bekannten Herren. Genau aus diesem Grund halte ich solche Aussagen nicht für eine politische Position, sondern für politische Korruption.
Zur Auskunft: Witalij Portnikow – Journalist und politischer Kommentator, Kolumnist für Radio Liberty. Witalij Portnikow arbeitet mit Radio Liberty seit 1991 zusammen. Er ist Redakteur und Moderator von Sendungen der russischsprachigen Redaktion von Radio Liberty „Zeit der Besucher“ und „Zeit der Presse“. Er wurde 1967 in Kyjiw geboren. Absolvent die Journalistik-Fakultät der Moskauer Staatlichen Universität. Arbeitete als Observer bei „Nesawissimaja Gaseta“, als Kolumnist für eine Reihe von russischen Zeitungen und Internetressourcen. Arbeitet aktiv mit russischen, ukrainischen, polnischen, weißrussischen und baltischen Massenmedien. Ein Experte im postsowjetischen Raum, Beziehungen Russlands mit den GUS-Staaten sowie Mittel- und Osteuropa.
Quelle: svoboda.org; übersetzt von Andrij Topchan; editiert von Irina Schlegel
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