Dass in unserer Stadt, Region, Land etwas seltsames passiert, ist direkt nach dem Machtantritt Janukowitschs und seiner „Familie“ klar und ziemlich deutlich geworden. Obwohl es gar nicht um Janukowitsch, sondern um die Einstellung zum Geschehen seitens jeden Einwohners von Horliwka, Artemiwsker Gegend und schliesslich – der Ukraine selbst geht. In dieser schweren Zeit ist es für jeden von uns sehr wichtig, selbständig eine Bewertung der Situation abzugeben und sich nur zwei Fragen zu beantworten: ist es das wert und was genau hat uns gestört, ausser der Gesetzlosigkeit? Für wessen Glück oder Reichtum sterben wir, verlieren unsere Kinder, Nahestehenden, Verwandte, verlassen unsere Häuser und Heimat?
Wenn man zum Wesen der Frage zurückkehrt, sollte man die Aufmerksamkeit auf die Ereignisse vom Februar 2014 lenken. Züge der gut bezahlten Tituschkas und Mengen von ergeben-hörigen verarmten Bergmännern und Haushaltskunden unter schwungvollen Reden des Bürgermeisters von Horliwka, des Generaldirektors der Betriebsgesellschaft „ArtemKohle“ und der Spitze der lokalen „Partei der Regionen“ Klep E.W. wurden zum Antimaidan geschickt. In den Couloiren haben die Vertreter der Obrigkeit die Vorbereitung der „Heimatverteidigung“ vor „Banderowyzen und Nationalisten“ geführt. Die Organisatoren waren dieselben- die Kriminellen und die Obrigkeit der Region, gestützt von prorussischen Landsmännern und russischen Geheimdiensten. Es hat nicht funktioniert.
Draussen war März.
Im März wird von der örtlichen Führung auf ihren geheimen „Abendmahlen“ die Entscheidung getroffen, ihren Status des Ungehorsams und Unantastbarkeit der Region zu demonstrieren, ihre Ablehnung der neuen Führung in Kiew wie auch im Gebiet im Stil „Donbass hat noch niemand auf die Knien gestellt und wird auch keiner“. Es beginnt die intensive Tournee der Volksabgeordneten aus „Partei der Regionen“ (Boiko, Lewtschenko, Korolewskaja und andere) durch die Region zur Abstimmung des Planes des weiteren Vorgehens, der Konfrontation, des Krieges.
Es werden Selbstverteidigungstruppen und erste Blockposten organisiert, das Gebäude der Stadtverwaltung wird rund um die Uhr von unbekannten, aber gut vorbereiteten jungen Männern des Bürgermeisters der Stadt bewacht. Es beginnen massenhafte, von den Medien gut vorbereitete Demos in Donezk und anderen Städten des Gebietes. Tituschkas oder bereits gar nicht mehr getarnte gewöhnliche Kriminelle (die lokale kriminelle Autorität Armen, seine Leute und andere) treten hervor und machen sich in ganz Donbass und Ukraine bekannt, es tauchen erste Opfer auf.
Ihnen spielen der ehemalige Gouverneur des Donezker Gebietes Schischazky A.W. und die Bürgermeister der Städte nach. Der neue Gebietsgouverneur, wie nach einem vorher angefertigten Drehbuch, macht unerwartet für alle seine ersten und unsicheren Schritte in seinem neuen Amt, wobei offensichtlich einem ihm nicht zustehenden. Die kriminelle Polizei und Staatsanwaltschaft schweigen und sehen tatenlos zu. Das Volk ist in Agonie und Ratlosigkeit wegen dem Unverständnis für das Geschehen verfallen. Die Erinnerung an die friedlich eingenommene Krim ist frisch. In die Massen, wie Öl ins Feuer, werden im Voraus durch die russischen Geheimdienste vorbereiteten Gerüchte über die von Kiew und dem Rechten Sektor geplanten Massensäuberungen nach nationalem und ethnischem Merkmal wie der Region, so auch des ganzen Donbasses von all seinen Einwohnern verbreitet. Äusserst couragiert aktiviert sich die Bewegung „Russische Welt“.
April. Kiew, sich auf die Präsidentschaftswahlen vorbereitend, ist in die Verteilung der Macht vertieft, die Armee mit einer unbeschreiblich grossen Anzahl an Offizieren und Generälen hat sich als ineffektiv erwiesen, das Innenministerium und der SBU haben ihre Hilfslosigkeit bereits im März bewiesen, die lokale Führung ist schon im russischen „Thema drin“ und lässt sich auch nur noch von diesem leiten.
Der 13-14. April 2014 wurde für Horliwka zu dem Moment, wo unter dem harmlosen Wort „Lustration“ die Einnahmen der Gebäuden von Horliwkas Polizeihauptverwaltung und Stadtrat stattfinden.
Es tauchen erste „Helden“ jener Zeit auf: Besler I.N., Schulschenko A.F., Sapunow O.O, Kuz I.I., Otschenko W.W., Kosenko A.I., Petrow A., Grigorjan K. und andere, zu der Zeit niemandem in der Stadt bekannte Persönlichkeiten. Sie erklären auf der Stelle über ihre Herkunft: Vertreter der Geheimdienste der Russischen Föderation und ehemalige Gefängnisinsassen. Auch deklarieren sie ihre Pläne für die Zukunft von Donbass: Austritt aus der Zusammensetzung der Ukraine, Verbot für die Durchführung der Präsidentschaftswahlen in der Stadt, Bildung der „DVR“ und Anschluss an Russland.
Es taucht der erste „Volksbürgermeister“ auf, aber nicht für lange. Unterabteilungen des Innenministeriums der Ukraine wechseln auf die Seite der Aufständischen, SBU und Staatsanwaltschaft lösen sich auf, der Bürgermeister erschafft den Anschein seiner Entlassung vom Dienst und blockiert die Arbeit der Stadtverwaltung, die Abgeordneten des Stadtrates fahren massenweise ins „Urlaub“ ausserhalb der Stadt. Die Stadt geht unter vollständige Kontrolle der lokalen deklassierten Elemente und der Mitarbeiter des FSB und GRU über. Der Plan wird weiterhin in Gang gesetzt, und Kiew schweigt!
Es taucht der Abgeordnete des Stadtrates Rybak auf, der öffentlich versucht, seine Einstellung zur neuen Bewegung zu äussern. Er wird faktisch auf der Stelle „entsorgt“, womit auch die Ernsthaftigkeit des Geschehens demonstriert wird (das Abreissen der „DVR“-Flagge vom Gebäude des Stadtrates kann als Anlass für einen Mord nicht dienen, und die allzu schnelle Auffindung seiner Leiche bei Slowjansk verwundert sogar die Ermittler der Verwaltung für innere Angelegenheiten). Aber seine Sache hat es getan: das Volk ist nun tatsächlich erschreckt und demoralisiert.
Weiter passiert alles sehr schnell. Ein weiteres Mal wird eine geheime Tagung des Stadtrates gehalten, wo eine Reihe äusserst interessanter Resonanzentscheidungen getroffen wird. Gut informierte und vorbereitete Menschen beginnen die Stadt Richtung Ukraine zu verlassen, denn „eigene Leute“ braucht man überall. Am Ende des Monats werden im Gebäude des Stadtrates Söldner einquartiert, sogenannte „Slowjansker“ und ihre Familien.
Es beginnt die Medien- und Organisationsvorbereitung zur Durchführung eines Referendums nach Krimer (Russischem) Szenario, wo zu Schlüsselfiguren die gleichen Kuz, Kosenko und Klep werden.
Mai. Der flaue Monatsanfang wird durch die Unsicherheit der lokalen Bevölkerung und ihrer Adaptation an die neuen Pläne der politischen und sozial-ökonomischen Entwicklung der Stadt, Region, Republik bestimmt.
Wobei der Grad der Leidenschaften in der Stadt durch die Ereignisse in Slowjansk und Donezk immer weiter angeheizt wird. In der Stadt tauchen neue politische konfrontierende Bewegungen und Gruppen aus gestrigen Anhängern der Föderalisierung, wie auch reguläre russische Militäroffiziere und tschetschenische Rottenführer auf. Es taucht ein weiterer „Volksbürgermeister“ auf und verschwindet gleich wieder.
Definitiv über seinen Sieg erklärt der neuen Republik der Bürgermeister der Stadt, der öffentlich von „Abwehr“ unterstützt wird, wie auch von Abgeordneten des „DVR“-Rates Otschenko und Kosenko. Es steigt die Zahl der Festgenommen und in den Keller der Stadtverwaltung beförderten Unternehmensleiter und Geschäftsmänner der Stadt. Zwischen der Horliwka-“DVR“ und der Donezker-“DVR“ beginnt eine feindliche und sogar eine militärische Konfrontation.
Juni ist im Gedächtnis mit Luftanschlägen auf die Polizeihauptverwaltung geblieben – den Generalstab der Söldner, wie auch einer äusserst geheimnisvollen und durchaus erklärbaren Verhaftung des Bürgermeisters und der Machtübernahme der Stadt durch einen anderen Protegé und Weggefährten des „verhafteten“ Bürgermeisters – Gubanow D.W., der seine Verbindung zu GRU (Anm.d.Red. Russische Hauptverwaltung für Aufklärung) Russlands nicht sonderlich verheimlicht. Es steigt die Anzahl wie auch das Niveau der Ausblidung der Söldner. Die Stadt geht in den Zustand des Standrechts über.
Juli ist zweifellos zum Anfang aller Anfänge geworden. Die ersten Beschüsse der Stadt, erste Opfer unter Zivilbevölkerung, erste Panik und massenhaftes Verlassen der Stadt durch ihre Einwohner.
August verlief unter dem Lärm der Bombardierung des kompletten Perimeters der Stadt. Die Stadt ist menschenleer geworden und erinnerte an eine Kulisse der billigen amerikanischen Horrormovies – ausser der Obdachlosen und tschetschenischen Söldnern in abgedrückten Autos mit „Allah Akbar“-Ausrufen sieht man niemanden.
Der öffentliche Verkehr wird faktisch eingestellt. Es beginnen ernsthaftes Aussetzen der Wasser- und Elektrizitätsversorgung, Lieferung der Lebensmittel, wie auch Schliessungen der Geschäfte. Bemerkenswert war der Beschuss des Marktes „Fourchette“ im Raum des Busbahnhofes und des anliegenden Territoriums, als die Besler-Söldner innerhalb von fünf Minuten den ganzen Laden auseinandergenommen haben, der zum dem Zeitpunkt niemandem mehr gehörte.
September. Das Niveau und die Ernsthaftigkeit der Kampfhandlungen in der Stadt und an ihren Rändern erreicht seinen Höhepunkt. In der Stadt taucht eine grosse Anzahl der Panzertechnik auf, unter anderem auch Panzer, Selbstfahrlafetten, „GRADe“, „Uragane“ und vieles mehr. Ihre Anzahl genau zu bestimmen ist faktisch unmöglich, sie sind in der ganzen Stadt verteilt, inklusive des Zentrums. Die Schulen sind geschlossen, städtische Betriebe haben ihre Arbeit eingestellt. Die Stadt hängt buchstäblich in der Luft, viele Einwohner verlassen die Stadt. Alle warten ungeduldig auf die Minsker Verhandlungen, aber auch sie bringen keine Ruhe, die Folgen ihrer Nicht-Einhaltung sind aber grauenvoll.
Oktober, November und Dezember 2014 verlaufen in einer für ihre Einwohner bereits gewohnten Ordnung. Die russischen Militärangehörigen verheimlichen zwar ihre Zugehörigkeit, lassen sich aber deutlich erkennen. Schlagkräftige Bombardierungen AUS der Stadt, wobei sich die mobilen und stationären Feuerstellungen der russischen Militärangehörigen unmittelbar in den Wohngegenden befinden, Erwiderungen der Bombardierungen auf die Stadt, neue und ernsthafte Zerstörungen, neue Opfer unter Zivilbevölkerung. Sich sehr gefreut und gefeiert hat fast die ganze Stadt über die Abreise von Besler I.W., aber dann hat man angefangen zu verstehen, dass ein neuer „Feldherr“ kommen wird und Raub, Erpressung, Plünderungen einen neuen Anfang nehmen werden, was auch passiert ist. Es begann der Prozess der Selbstvernichtung unter den Söldnern und die Bombardierungen der Stadt durch die Söldner selbst. Das wurde zur Neuheit dieser Monate, sogar für die lokale Volkswehr.
Im Januar 2015 ist das Volk von Horliwka einfach nur müde geworden. Man möchte glauben, dass es den Fehler verstanden hat, den es begangen hat, aber weit gefehlt. Wenn man mit den Einwohnern spricht, versteht man, dass bei weitem nicht alle „aufgewacht sind“, nicht allen der Schuppen von den Augen gefallen ist. Man kann sie verstehen. Ausser derjenigen, die gemordet, geraubt und vergewaltigt haben. Die Arbeit der russischen Medien unter den Mündungen der russischen Gewehre und Haubitzen hat ihnen professionell und auf lange Sicht das Gehirn durchgewaschen. Und solange sie nicht verstehen werden, dass unser Glück in unseren eigenen Händen liegt, und ganz und gar nicht in putinschen, wird diese Stadt kein normales Leben anfangen können.
Die Einzelheiten, Fakten, Daten sind im Internet, Printmedien und unserem Gedächtnis festgehalten. Es ist nur notwendig, sich daran zu erinnern und sie furchtlos an alle entsprechenden Behörden unserer Ukraine zu melden. Nur so werden wir unsere Angst, unsere Feinde und das putinsche Regime in unserer Heimat besiegen- in Donbass.
Einwohner von Horliwka Arthur Kornik hat dieses Material speziell für InformNapalm geschrieben; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf den Autor und unsere Ressource erforderlich.
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