Eines Abends, bei einem Glas Lemberger Bier in Gesellschaft von Hacktivisten der „UkrainianCyberAlliance“ (UCA) und „CyberJunta“, wurde das Thema der Blockierung von russischen sozialen Netzwerken angesprochen. Alle waren sich einig, dass „VKontakte“ und „Odnoklassniki“ Plattformen sind, die zur Verbreitung von russischer Propaganda und zur Desinformation im ukrainischen Informationsfeld bestimmt sind und unter Bedingungen der russischen „hybriden Aggression“ als Waffen der militärisch-politischen Führung Russlands dienen.
Einer der Hacktivisten erinnerte sich an eine interessante Geschichte, die man eigentlich als eine kleine Informationsoperation zur Identifizierung von einer antiukrainischen Toppropagandistin und Administratorin von Kollaborateuren-Gruppen in sozialen Netzwerken betrachten kann. Unter ihrer Kontrolle befanden sich über 20 aktive öffentliche Gruppen mit einer Gesamtanzahl von über 400.000 Abonnenten. Denkt darüber nach! 400.000 User, unter denen 70% ukrainische Staatsbürger sind, erhielten seit Ende 2013 Informationen, hinter denen sowohl russische Politiker und Abgeordnete als auch Offiziere aus Abteilungen für „spezielle ausländische Militärinformationen“ standen.
Mit Erlaubnis von Aktivisten haben wir uns entschieden, Einzelheiten dieses Minieinsatzes zu erzählen. Bevor Sie jedoch diesen Artikel lesen, empfehlen wir eindringlich, sich mit unseren früheren Publikationen zu diesem Thema bekanntzumachen [1], [2],[3], [4].
Es handelt sich um eine bekannte Administratorin der Kollaborateuren-Gruppen in sozialen Netzwerken unter dem Pseudonym „Marfa Wasiljewna“. Unter ihrer fürsorglicher Führung befanden sich über 20 aktive Gruppen in den Sozialnetzwerken „VK“ und „Odnoklassniki“, unter anderem: „IA Noworossija“, „MIA Noworossija“, „Noworossija segodnia“, „Antimajdan“, „NOWOROSSIJA | SaveDonbassPeople | Antimajdan“, „Noworossija“, „Donezk |Luhansk | Noworossija“.
Der Ansatzpunkt zur Identifizierung der realen Person hinter dem anonymen Account „Marfa“ wurde in einem Arbeit-Chat der „L/DVR“-Propagandisten gefunden, den Zugang zu welchem die Hacktivisten sich bereits früher beschafft hatten. Etwas bedrückt teilte Marfa in dem Chat mit, dass in der aktualisierten Liste der bei der Terrororganisation „DVR“ akkreditierten Journalisten, die auf der Website „Myrotworez“ veröffentlicht wurde, ein Eintrag mit ihrem Namen und dem Namen ihres Ehemannes aufgetaucht sind.
Es kommt darauf hinaus, dass es unter den 5.000 Einträgen in der Liste echte persönliche Angaben von Marfa gibt. Die Neugier hat gewonnen und die Hacktivisten, unterstützt von „Myrotworez“-Aktivisten, haben sich auf eine lange Reise durch den gehackten Chat von „Noworosinform“-Mitarbeitern gemacht, um zusätzliche Indizien für die echte Identität dieser Person zu finden. Durch die Auswertung von Dateiendumps naher Kontakte (wie es sich später herausstellt) von Marfa ist es gelungen, ihre E-Mail-Adresse und die Telefonnummer zu ermitteln [1], [2].
Die Suche in sozialen Netzwerken nach der E-Mail-Adresse letyaga-ya@yandex.ru führte uns zum Facebook-Profil mit den angegebenen Kontaktdaten von „Katja Borsowa“.
Die Sucheingabe „Borsowa“ in der veröffentlichten Liste der Journalisten führte uns zum folgenden Eintrag:
Der Name, Nachname und die Telefonnummer stimmen überein. Doch ist in der Liste der akkreditierten Journalisten eine andere E-Mail-Adresse angegeben worden: solnushkovasilek-8886@yandex.ru. Und in einem anderen an uns weitergeleiteten Dokument steht gegenüber dieser E-Mail-Adresse der Name Katja Stezenko. Zusätzlich ist diese E-Mail an das Profil von Katerina Morosowa gebunden.
Somit haben wir zwei E-Mail-Adressen und drei Katerinas mit den Nachnamen Borsowa, Morosowa und Stezenko. Ein wenig durcheinander, nicht wahr? Blicken wir zurück und erinnern uns daran, dass Katerina in der Korrespondenz mit ihren Arbeitskollegen ihren Ehemann erwähnte. In der Liste finden wir einen gewissen Denis Stezenko, der in den Dumps als ein Video-Ingenieur der „TRK DVR“ und ein Mitarbeiter von „Radio Respublika“ figuriert.
Da es in den Sozialnetzwerken viel zu viele Menschen mit diesem Nachnamen gibt, haben die Aktivisten einen anderen Weg gewählt: Sie haben das E-Mail-Account des Chefredakteurs der propagandistischen Quelle „Radio Respublika“ gehackt, wo Stezenko früher gearbeitet hatte, und haben in ihrem Namen eine Anfrage an die Personalabteilung geschickt, Informationen über Denis bereitzustellen, angeblich fürs sogenannte MGB („Ministerium der DVR-Staatsicherheit“).
Sie nutzten die Gastfreundschaft der Besitzerin des Accounts und beschlossen, in ihrem Namen mit den anderen Mitarbeitern der Personalabteilung von TRK auf Facebook zu sprechen. Dabei haben sie erfahren, dass Katja und Denis kürzlich beim MGB wegen einer Publikation, die den Anführer der Terroristen kompromittiert, verhört wurden.
Somit, mit gebündelten Kräften, wurde das Profil des Freundes von Katja, Denis, ermittelt. Bei ihm wurde das Profil von Katja Borsowa, später in Jekaterina Morosowa umbenannt, entdeckt. Die Fotos der Frau waren zwar gelöscht worden, sind aber in den Cache-Services von „VK“ geblieben. Auf den Fotos sieht man, dass die Haarfarbe der jungen Frau mit der Haarfarbe der Frau, die auf dem Foto mit dem Terroristenanführer Sachartschenko zu sehen ist, übereinstimmt. Das Bild war im Fotoalbum von Marfa Wasiljewna vorhanden.
Weiter beschlossen die UCA-Hacktivisten va banque zu gehen: sie übernahmen die VK-Seite des Anwerbers Wladimir Jeseptschuk, stellten sich als Mitarbeiter des „MGB“ vor und fragten Denis nach seinem und Marfas Ausweisen.
Nachdem Stezenko Jeseptscuk zur Freundesliste hinzugefügt hatte, ist auch das Alter von Jekaterina bekannt geworden. Die Screenshots von Ausweisen haben sie zwar nicht bekommen, nachdem aber erwähnt wurde, dass es ein Gespräch mit dem Chefredakteur von Radio “Respublika“ hinsichtlich seiner persönlichen Daten gegeben hat, gab Denis ungerne zu, Katerina zu kennen und sagte, dass er bereit sei, sie für ein Gespräch online zu gehen zu bitten.
Die Hacktivisten sind noch weitergegangen und haben Borsowa persönlich angeschrieben (Denis hatte sie vorher angerufen und gebeten, ins VK zu schauen). Es war nicht schwer, eine Bestätigung dafür zu bekommen, dass sie diejenige war, die Marfa verwaltete. Im Lauf des Gesprächs verschlimmerte sich die „Persönlichkeitsspaltung“ von Katja-Marfa und es tauchte ein drittes Alter Ego in Person von einer gewissen Jelena auf, die angeblich zusammen mit Katerina die Webseite von Marfa verwaltete. Was fällt einem nur ein, um bloß nicht in den „Keller“ zu kommen. Apropos, interessanterweise wurde Katerina wegen ihren zahlreichen Accounts und sonstiger Aktivität in sozialen Netzwerken bei diesem „Sicherheitsministerium“ bereits früher verhört.
Nun, die Sache ist erledigt! Dürfen wir vorstellen: Borsowa Jekaterina Sergejewna, geb. am 17.02.1988; persönlicher Identifizierungscode: 3234303709; gemeldet in Warganowa Str. 2, Mariupol, Donezker Gebiet.
Übrigens, die Google-Suche gibt uns einen Hinweis darauf, dass 2014-2015 eine gewisse Frau mit dem Decknamen „Marfa“ die Einwohner der besetzten Gebiete des Donbas aktiv in die Reihen der Söldner und Informanten anwarb. Wir können annehmen, dass es sich hier um dieselbe Frau handelt. Dies aufzuklären überlassen wir aber den ukrainischen Sicherheitsdiensten und Rechtsschutzbehörden.
Und, wie es sich in solchen Fällen gehört, ein Sahnehäubchen auf der Torte von den Cyberkriegern. Thema des Tages: „DVR-Sicherheitsministerium“.
Dieses Material wurde von Michail Kusnezow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Zoya Schoriwna; editiert von Irina Schlegel.
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Die Angaben wurden von den Hackern der ukrainischen Cyberallianz exklusiv an InformNapalm zwecks Analyse und weiteren Veröffentlichung übergeben. Die Redaktion von InformNapalm trägt keine Verantwortung für die Erstquelle und die Herkunft der Angaben.
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