Die InformNapalm-Community ist auf die Faktensuche der russischen Aggression in der Ukraine spezialisiert. Dieser Krieg hat jedoch auch eine andere Seite – die sozialen Schwierigkeiten der Binnenflüchtlinge aus den besetzen Gebieten der Ukraine. Die Lösung dieser Probleme lastet häufig auf den Schultern von Freiwilligen, während die träge Staatsmaschinerie immer neue und neue Hindernisse schafft. Viele Aktivisten unserer Informationsgruppe sind ebenfalls Geiseln dieser kritischen Situation geworden, in der sich der Staat von den Problemen der Binnenflüchtlingen distanziert. Die gesamte Last an mit Binnenflüchtlingen verbundenen Probleme muss man entweder alleine, oder mit der Hilfe von nicht gleichgültigen Menschen lösen.
Die Ukraine kann man ohne jegliche Übertreibung als einen „Staat der Freiwilligen“ bezeichnen, ohne deren selbstloses und aktives Handeln unser Land schon längst zur leichten Beute für den Aggressor geworden wäre. Aber um das Problem effektiv lösen zu können, muss es detailliert untersucht und die Aufmerksamkeit nicht nur von den ukrainischen, sondern auch den internationalen Organisationen darauf gelenkt werden. In diesem Zusammenhang publizieren wir das Interview mit dem Freiwilligen und dem Koordinator der humanitären Organisation „Proliska“ Ewgenyi Kaplin, welches er dem Verlag „Face News“ gab.
Freiwilliger: Binnenflüchtlinge aus dem Donbass müssen über russisches Territorium in die Ukraine evakuiert werden
Binnenflüchtlinge aus dem Donbass müssen gelegentlich über Russland auf ukrainisches Territorium gebracht werden. Der Koordinator der humanitären Organisation „Proliska“, Ewgenyi Kaplin erzählt von den Ausstellungsschwierigkeiten der Passierscheine auf der Webseite des SBU (ukrainischer Sicherheitsdienst) und erklärt, dass Freiwillige mittels Verhandlungen versuchen, die Menschen auf einfacherem Wege zu evakuieren. Er hält fest, dass die Organisation bereits seit mehr als einem Jahr von den Spenden einfacher Bürger existiere: alles wird von dem Geld eingekauft, das sie uns über Facebook schicken. Darüber hinaus müssen sich die Freiwilligen sogar nach Unterkünften für die Binnenflüchtlinge umsehen. Er bezeichnet die Behörden als passiv und unterstreicht, dass man auf Bürokratie stoße. Im Gespräch mit FaceNews erinnert sich Ewgenyi Kaplin an drei Flüchtlingswellen aus dem Donbass, die unter Beschuss geraten sind und fügt hinzu, dass es bis heute Interessierte an einer Ausreise gäbe – es rufen Menschen aus den lokalen Gebieten der heutigen Zuspitzung an.
-Sie helfen Binnenflüchtlingen bereits seit einem Jahr. Hat sich das Engagement der helfenden Menschen auf irgendeine Weise verändert?
-Jetzt gibt es weniger Hilfe als letztes Jahr. Das Volk ist erschöpft. Der große Verlust ist auch noch mit den Veränderungen der Rechtsgrundlage und der Einführung neuer Regeln für die Güterbewegung entlang der Demarkationslinie und ihrer Überquerung verbunden. Letztes Jahr konnten wir die Hilfsgüter direkt auf den Straßen in Zelten sammeln. Nach der Einführung dieser neuen Verfahren wird ein riesiges Paket an Dokumenten benötigt, um die Ladung an den entferntesten Punkt zu bringen, der von der Ukraine kontrolliert wird – Unterlagen, die das Eigentum der Ware bestätigen, Quittungen, Begleitpapiere usw. Sprich, wir wurden der Möglichkeit, Hilfsgüter bei den Menschen direkt zu sammeln, beraubt. Jetzt muss alles, was eingeführt wird eingekauft werden, um die Eigentumsrechte nachweisen zu können. Das ist das eine.
Und zweitens gibt es recht aggressiv eingestellte Personen, sowohl auf der einen, als auch auf der anderen Seite. Im September letzten Jahres kam es zu zwei Provokationen an unseren Annahmestellen. Die erste war am 3. September. Menschen mit rechtsradikalen Ansichten beschuldigten uns, Kinder von Terroristen zu ernähren und zerstörten eine Annahmestelle für Hilfsgüter. Eine Woche später griffen sie einen zweiten Punkt an – ein Zelt ist abgebrannt. Daraufhin bekam ich Anrufe mit Drohungen und Anschuldigungen, wir würden die Menschen für die Banderowzy herausbringen – nun aber von der anderen Seite.
-Hört man häufig im Bezug auf die Binnenflüchtlinge, sie seien selbst schuld?
-Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Gesellschaft gespalten. Recht häufig hören wir die Meinung: selbst schuld, sie haben selbst nach Russland, Putin gerufen. Aber Menschen, die so reden, waren dort nicht und haben keine Vorstellung davon, dass es diese Pseudoreferenden in sehr vielen Dörfern, sowohl in der Oblast Donezk als auch der Oblast Luhansk im Grunde genommen nicht gegeben hat. Die Menschen, die eine pro-russische Haltung hatten, sind entweder auf dem Territorium dieser Gebilde geblieben, ich meine die „DVR“ und „LVR“, oder sie sind nach Russland ausgereist. Diejenigen, die wir in die Ukraine bringen sind loyale und die am wenigsten beschützte Gruppen von Bürgern, um die der Staat verpflichtet ist, sich zu kümmern. Heute können wir sagen, dass der Staat diese Menschen im Stich gelassen hat.
Wir sehen kinderreiche Familien, die sechs bis acht Monate ohne Leistungen ausharren. Mit ihnen setzt sich niemand in Verbindung, niemand bietet ihnen eine Unterkunft auf dem ukrainischen Territorium an. Diese Arbeit machen wir. Sprich, wir suchen wohin wir die Familie vorübergehend einquartieren können, irgendeine Option leerstehender Häuser, Sozialunterkünfte. Wir rufen eine Spendenaktion aus. Ein Dank an die sozialen Netzwerke und gute Menschen. Danach versuchen wir die Frage nach einer dauerhaften Unterkunft zu lösen.
Der Hauptgrund, weshalb die Menschen in den Kampfzonen bleiben liegt darin, dass sie Angst haben auf der Straße zu landen. Viele haben negative Erfahrungen gemacht. Sie sind schon einmal zur ersten Station des Notfallministeriums oder eines Bahnhofs gefahren, übernachteten dort einige Tage und dann sahen sie sich gezwungen zurückzukehren. Unsere Methode zeigt, dass 80-90 % derjenigen, deren Wohnungsfrage geklärt wurde in der Ukraine bleiben.
Ärgerlich ist auch, dass sogar nach der Ausfuhr auf das ukrainische Territorium, wir diese Familien eineinhalb bis zwei Monate unterstützen müssen. Da der Staat sehr träge ist. Sogar ab dem Augenblick, ab dem alle Dokumente vorgelegt wurden, kann es sein, dass bis der Staat alles in den Datenbänken geprüft hat, eine Mutter eineinhalb bis zwei Monate ohne Leistungen ausharrt.
-Wie sucht ihr die Unterkünfte für diese Menschen?
-Anfangs haben wir den Großteil der Menschen, die wir herausbrachten, in dichten Siedlungen untergebracht. Das waren die territorialen Zentren. Jetzt haben wir das Projekt „Haus“ gestartet. Wir suchen leerstehende Häuser oder Objekte, die man bereit ist kostenlos und längerfristig gegen Nebenkosten zu vermieten oder das Eigentum an Menschen zu übertragen, die vom Krieg betroffen sind. Aber solche Objekte gibt es freilich sehr wenige. Jetzt haben wir mit dem Transport einer Großfamilie begonnen, die aus 18 Personen besteht. Zwölf von ihnen sind Kinder und eine Person ist eine behinderte Frau mit Down-Syndrom. Für diese Familie wollen wir in den sozialen Netzwerken eine gezielte Spendenaktion just für einen Hauskauf starten. Wir haben eine günstige Variante finden können.
-Ihr findet ein Haus und wendet euch dann an die örtlichen Behörden?
-Die Behörden sind sehr passiv. Ich habe versucht mit dem Vorsitzenden des Stadtbezirksrates zu reden, um aus den Bezirken der Oblast Charkiw jeweils ein leerstehendes Haus an Menschen als Unterkünfte zu vermitteln. Es gibt da ein Programm von dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen bei Flüchtlingsfragen: sie können etwas mit Instandsetzungsarbeiten aushelfen, wenn dieses Haus einer Familie für eine dauerhafte Nutzung übergeben wird. Der Vorsitzende des Stadtbezirksrates sah mich an und sagte: „Und an wen wird das Geld überwiesen? Wenn es an mich überwiesen wird, werden wir eine Unterkunft finden. Wenn es der Flüchtlingsfamilie überwiesen wird, dann haben wir keine Unterkunft, das ist eine sehr langwierige Prozedur usw.“.
Jeder stößt auf Bürokratie. Deshalb wenden wir uns in unserem Projekt direkt an die Menschen. Sprich, es erscheint die Information, dass es hier in diesem Dorf ein leerstehendes Haus gibt. Wir versuchen den Eigentümer zu finden, mit ihm zu sprechen und ihn davon zu überzeugen, das Objekt, wenn es nicht gebraucht wird, in die Nutzung der Menschen zu übergeben. Es gibt Fälle, in denen zum Beispiel ein Eigentümer sein Besitz zum Verkauf anbietet und solange es nicht verkauft ist, die Leute dort kostenlos wohnen lässt. Es kommt vor, dass Eigentümer die Unterkunft zwar nicht überschreiben, aber erlauben auf langfristiger Basis dort zu wohnen, damit jemand auf das Haus aufpasst. Wir haben ein positives Beispiel in der Oblast Cherson, als ein Eigentümer zugestimmt hat, das Haus seiner verstorbenen Verwandten einer Flüchtlingsfamilie zu überschreiben.
-Sucht ihr in der gesamten Ukraine nach Häusern?
-Es gibt Menschen, die unmittelbar an die Stadt Charkiw und ihre Oblast gebunden sind, weil ihnen hier eine Arbeitsstelle versprochen wurde, oder aus irgendwelchen anderen sozioökonomischen Gründen. In einem solchen Fall bemühen wir uns eine Möglichkeit vor Ort zu finden. Wenn eine Person nicht gebunden ist, suchen wir in der gesamten Ukraine nach einer Unterkunft.
-Wann war der Höhepunkt der Massenmigration der Menschen aus der Ostukraine? Reisen sie heute immer noch aus?
-Der erste Gipfel war im Mai-Juni letzten Jahres, als sie Slowjansk und Kramatorsk verließen. Das hat besonders Charkiw und die Oblast Charkiw zu spüren bekommen. Der zweite Gipfel war Mitte August, Anfang September letzten Jahres, als sich die Grenzabschnitte der kontrollierten und nicht kontrollierten Gebiete verschoben und eine aktive Phase der Kampfhandlungen mit Artillerie- und Luftstreitkräfteeinsätzen lief. Zu dem Zeitpunkt waren Slowjansk und Kramatorsk bereits ukrainisch, der Konflikt verlagerte sich jedoch. Das sind Stanyzja Luhanska, Luhansk, Lyssytschansk, die Umgebung von Lyssytschansk, Zolotoje, die Stadt Perwomajsk und der Kiewer Stadtteil von Donezk und Horliwka. Und der recht hohe, dritte Gipfel war ab Ende Dezember bis Anfang Februar im Winter diesen Jahres, als die Zuspitzung rund um Debalzewe begann.
Aus Debalzewe wurden mit Hilfe unterschiedlicher freiwilliger und religiöser Organisationen dreitausend Menschen evakuiert. Dabei tauchten die Busse des Notfallministeriums und der Regierung erst am letzten Tag der Evakuierung auf. Und drei Wochen lang wurde die Evakuierung und die Lieferung von Lebensmitteln in das Aufmarschgebiet von Debalzewe – das sind auch Fashewka, und die Stadt Wuhlehirsk, und die Siedlung Tschernuchino, und die Stadt Debalzewe, und Switlodarsk – vollständig von den Freiwilligen durchgeführt.
Zum jetzigen Zeitpunkt erreicht täglich ein Minimum von 10-15 Anrufe die Hotline. Es rufen Leute aus den nicht kontrollierten Gebieten an, die ausreisen möchten, es aber alleine nicht schaffen, da die Finanz- und Wohnmöglichkeiten fehlen. Es rufen Menschen aus den lokalen Gebieten der heutigen Zuspitzungen an. Während der letzten paar Wochen ist es zu lokalen Verschärfungen in den Bezirken von Switlodarsk, in der Ortschaft Luhanske, Marjinka, Krasnohoriwka und Awdijiwka gekommen. Ich denke, dass es aufgrund der sich dort befindlichen Elektrizitätswerke dazu kommt. Im Rayon Marjinka befindet sich das Kurachowka Kraftwerk, in Switlodarsk das Wuhlehirsk-Kraftwerk.
-Musstet ihr in einem Jahr Arbeit die Menschen unter „Grad“-Beschuss (BM-21 Mehrfachraketenwerfersystem) evakuieren?
-Tatsächlich geht jede Reise in das Kampfgebiet damit einher, dass man jederzeit unter Beschuss geraten kann. Den ganzen Februar, März, den ganzen Januar über gab es Evakuierungen, als sich ein Kilometer hinter uns die ukrainische Artillerie und einen Kilometer vor uns die der „DVR“ befand. Sie lieferten sich Feuergefechte über die Köpfe der Menschen hinweg.
Es gab einen Fall, als die Evakuierung von dem Gebiet der „LVR“ über Stanyzja Luhanska erfolgte. Ein Fahrzeug unserer Freiwilligen-Helfer brachte die Menschen aus der Luhansker Richtung und unsere Fahrzeuge kamen aus Charkiw. Die Umverteilung fand auf neutralem Boden statt. Bei dieser Evakuierung wurden fünf Kleinbusse eingesetzt. Wir hatten Funkgeräte, eine militärische Begleitung auf der ukrainischen Seite, wir sprachen über die Funkgeräte miteinander und haben uns in die „Funkwelle der LVR“ eingekeilt. Daraufhin, im selben Augenblick als die Kinder sich umsetzten, wurde der Ort, an dem wir uns befanden, von „Grad-Raketen“ übersät.
In Tschernuchino waren wir die einzige Gruppe, die unter Häuserkampf-Bedingungen die Menschen bis zum 7. Februar evakuierte. Zu dem Zeitpunkt wurde eine Hälfte der Ortschaft von den ukrainischen Streitkräften, die andere von den „LVR“-Kosaken kontrolliert und die Straße dazwischen war das Grenzgebiet. Zwischen den Häusern links stand die eine Artillerie, rechts die Artillerie der anderen. Sie lieferten sich Feuergefechte und es waren halbstündlich Häuserkämpfe und Säuberungsoperationen im Gange. Und unter solchen Bedingungen wurden die Menschen evakuiert. Für Busse war es zu dem Zeitpunkt bereits unmöglich durchzukommen, aber wir hatten Freiwillige vor Ort und ein Fahrzeug mit örtlichen Kennzeichen.
Binnen einen Jahres gab es unter unseren Evakuierten keine verletzten oder getöteten Menschen. Ein Fahrzeug war durchlöchert von Splittern, die Reifen sind geplatzt und man musste mit den geplatzten Reifen weiterfahren und die Leute nach Switlodarsk bringen, weil es unter den Kampfbedingungen keine Möglichkeit gab sie zu wechseln.
-Und gab es Verletzte unter den Freiwilligen?
– Nein.
-Wie schafft ihr es Menschen aus den nicht kontrollierten Gebieten herauszubringen? Jetzt gilt doch das Passierschein-System. Fahrt ihr über Russland?
-Vor einigen Tagen evakuierten wir eine Mutter mit fünf Kindern aus dem Kampfgebiet der Ortschaft Luhanske. Einige Tage zuvor ist eine weitere Familie ausgereist. De jure wird dieses Gebiet von der Ukraine kontrolliert. Tatsächlich sind zwei Drittel des Dorfes unter ukrainischer und ein Drittel unter „DVR“-Kontrolle. Da es de jure ukrainisches Territorium, eine gewöhnliche Außengrenze ist, können wir von der ukrainischen Seite hineinfahren. Das alles machen wir ohne Passierscheine.
Selbstverständlich laufen vor jeder Fahrt auch Gespräche mit der lokalen Bevölkerung, und den Aktivisten vor Ort, und dem Militär, und mit Organisationen, die bereit sind diese Menschen aufzunehmen und mit den Freiwilligen, die sie unterwegs mit Nahrung versorgen müssen. Das ist eine ganze Operation, in der fünf, sechs, sieben Freiwilligen-Gruppen involviert sind.
Eine ganze Kette, um in das Gebiet zu fahren und so wenig Zeit wie nur möglich dort zu verbringen. Um für den Schutz der Freiwilligen und des Transports zu sorgen. Um die Menschen vorübergehend in Charkiw unterzubringen und hier mit ihnen weiter zu arbeiten oder eine Fahrkarte kaufen und sie in eine andere Oblast schicken. Sich zu vergewissern, dass sie dort aufgenommen werden.
Was die nicht kontrollierten Gebiete angeht, ist es hier auch unterschiedlich. Seit dem 20. Januar, nach der Einführung des Passierschein-Systems, sind bei uns 400 Personen aus dem nicht kontrolliertem Gebiet evakuiert worden. Ungefähr 90 % von ihnen, evakuierten wir ohne Passierscheine nach den Verhandlungen mit dem SBU, der Gruppe der Zivil-militärischen Zusammenarbeit der ukrainischen Streitkräfte und mit den Freiwilligen auf dieser und der anderen Seite.
Vor einem Monat, mit der Inbetriebnahme der Webseite des SBU, haben wir versucht Passierscheine für sechs Familien zu beantragen. Für vier Familien bekamen wir sie nach einem Monat, für zwei Familien bis Heute noch nicht. Den Antrag reichten wir ungefähr sieben Tage lang ein, da die Webseite des SBU hing. Wenn man sich das vorstellt, dass es irgendwo auf der anderen Seite zu einer Eskalation kommt und die Menschen 30-40 Tage auf die Passierscheine warten müssen, ist es eine schlechte Vorgehensweise. Deshalb versuchen wir die Menschen durch Verhandlungen auf einfacherem Wege zu evakuieren. Es gibt Fälle, in denen ein Kind dringend eine Operation benötigt oder eine bettlägrige alte Frau herausgebracht werden muss – gelegentlich evakuieren wir über russisches Territorium. Entweder bezahlen wir die Reise und holen sie dann in Charkiw ab, oder die mit uns befreundete Freiwilligen fahren dorthin und bringen die Menschen heraus.
-Was ist am schwierigsten zu beschaffen – Lebensmittel, Medikamente oder Hygieneartikel?
-Es ist alles schwierig zu beschaffen, denn keine einzige internationale Organisation beschäftigt sich mit der Finanzierung von Treibstoff für die Evakuierung, oder von Lebensmitteln, oder von Hygieneartikeln. Von gar nichts. All das wird von uns von dem Geld gekauft, welches die Menschen über Facebook schicken.
-Das bedeutet, dass eure humanitäre Initiative vollständig auf Spenden beruht?
-Diesen Monat haben wir einen Mini-Zuschuss von der „International Renaissance Foundation“ für die Gehälter einiger Personen für unser Büro in Charkiw erhalten. Das sind Leute des Projekts „Haus“. Sie fahren durch die Dörfer und sehen sich die Häuser an, in die Binnenflüchtlinge einquartiert werden könnten. Wiederum deckt es keine unmittelbar benötigten Kosten. Im Grunde genommen lehnt jeder beliebige Spender, wie auch der Staat, es aus irgendeinem Grund ab, uns Geld für den Einkauf von Hilfsgütern, die Treibstoffbeschaffung für die Evakuierung usw. zu geben. Seit mehr als einem Jahr existieren wir Dank der Spenden gewöhnlicher Menschen. Der Staat hat uns bis Heute keine einzige Kopeke gegeben.
Obwohl als Tschernuchino evakuiert wurde und die Menschen sich an die Notfallhotline des Ministerkabinetts und des Notfallministeriums mit der Bitte sie zu evakuieren wandten, gab man ihnen dort meine private Nummer und sagte, dass für die Evakuierung Ewgenyi zuständig ist. Ich bekam drei- bis vierhundert Anrufe am Tag. Gleichzeitig hat uns der Staat auf keinerlei Weise unterstützt.
Wir besitzen keine Dienstfahrzeuge, wir erledigen unsere Arbeit vollständig mit den privaten Fahrzeugen unserer Freiwilligen. Das sind Kleinbusse und Pkw’s von den Menschen, die zu uns kamen und uns sagten, dass sie helfen möchten. Eines dieser Fahrzeuge ist bereits 50 000 Kilometer innerhalb dieses einen Jahres gefahren. Einer unserer Evakuierungs-Busse muss dauernd repariert werden. Ebenso haben wir ungefähr 150 Tonnen humanitärer Hilfe, die in die Konfliktzone gebracht wurden, aus eigener Tasche und den Mitteln von den Spendern gekauft und dorthin gebracht.
– Wie groß ist der Personalbestand eurer humanitären Mission?
-Wir haben keine Masse an Leuten, die ständig im Büro sitzt, deshalb ist die Zahl relativ. Wenn wir Charkiw betrachten, dann haben ungefähr einhundert Menschen an unseren Projekten teilgenommen. Wir haben zehn permanente Fahrer, bei jeder Fahrt benutzen wir drei Fahrzeuge. Im Büro von Charkiw sind drei ständige Mitarbeiter – das ist unsere Hotline. Sie bearbeiten die Anfragen und suchen nach Häusern.
Ungefähr 70 Personen sind Freiberufler-Freiwillige. Sie können kommen und beim Sortieren der Lebensmittel in Lebensmittelpäckchen helfen. Wenn wir ein Evakuierungsteam, Verhandlungsführer und Psychologen in der Konfliktzone brauchen, nehmen wir sie ebenfalls mit.
Jetzt sind noch einige humanitäre Annahmestellen im Norden der Oblast Donezk, die von der Ukraine kontrolliert wird, hinzugekommen. Das sind Slowjansk, Biloserske, Rodynske, die Stadt Switlodarsk, die Ortschaft Luhanske, die Stadt Dserschynsk, der Bezirk von Marjinka, das Dorf Galizino. Insgesamt sind es neun. In diesen Ortschaften und unter anderem auch im Kriegsgebiet, haben wir kleine Freiwilligen-Gruppen, denen wir die humanitäre Hilfe übergeben, und sie sammeln Informationen über die Menschen, die das Gebiet verlassen wollen. Jede Gruppe besteht aus drei bis sieben Personen. Größtenteils sind es entweder Freiwillige aus den Reihen der Binnenflüchtlinge, oder, wenn es das Kriegsgebiet ist, die einheimische Bevölkerung.
-Wie häufig werden Binnenflüchtlinge zu Freiwilligen?
-In den Post-Konflikt-Gebieten häufig. Nicht unbedingt Binnenflüchtlinge, aber Menschen, die den Konflikt miterlebt haben. In dem selben Slowjansk versorgt man nun die Binnenflüchtlinge, die aus anderen Gebieten kommen. Im Charkiwer Büro besteht ungefähr die Hälfte der Mannschaft, die das Jahr mit uns verbracht hat, aus Binnenflüchtlingen. Es sind größtenteils Menschen aus der Mittelschicht. Vor geraumer Zeit haben wir versucht, uns an die Flüchtlinge mit den teuren ausländischen Autos zu wenden, aber sie sehen die Probleme der Menschen, die geblieben sind, nicht. Es gab Fälle, als sie es abgelehnt haben zu helfen.
InformNapalm unter Hinweis auf Face News; übersetzt von Kateryna Matey.
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