Das internationale Freiwilligenteam InformNapalm identifiziert weitere Ausrüstung und Waffensysteme der russischen Besatzungstruppen auf der Krim. In Rahmen einer OSINT-Untersuchung präsentieren wir Aufklärungsdaten zu exakten Positionen von russischen landbasierten Schiffsabwehrraketensystemen des Typs „Bal“. Die Systeme gehören der neuformierten 15. Raketenbrigade für Küstenverteidigung an, deren Ausrüstung und Waffensysteme aus Dagestan auf die Krim verlegt worden sind.
Einer der Hauptgründe für die Invasion und Besetzung der Krim war die praktisch angewendete Doktrin einer sogenannten „frontnahen militärischen Präsenz“. Nach der Annexion begann die einst blühende Halbinsel sich in eine Militärbasis in Form eines „natürlichen Flugzeugträgers“ zu verwandeln. Diese Tendenz setzt sich auf Kosten der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region fort.
In diesem Sinne hatten die russischen Besatzungstruppen ab März 2014 neben anderen Waffensystemen auch weitere Typen von Flugabwehrsystemen auf die Halbinsel verlegt. Insbesondere wurde nach dem „Neuformatierung“ der Krim im Jahr 2014 dort die 46. selbständige Raketendivision Küstenverteidigung der Marinestreitkräfte stationiert. Diese gehört der Kaspischen Flottille an (Einheit Nr. 85103, Kaspijsk, Republik Dagestan). Bewaffnet ist die Einheit mit mobilen landbasierten Schiffsabwehrraketensystemen des Typs „Bal“. Die NATO-Bezeichnung lautet SSC-6 „Sennight“ (surface-to-surface, coastal defence).
Information zum Schiffsabwehrraketensystem „Bal“
Die besagte Division mit vier Startfahrzeugen, einem Kommandopunkt und einem Transport- und Ladefahrzeug gehört der neu formierten 15. Raketenbrigade für Küstenverteidigung an (Einheit Nr. 80365, offizieller Stützpunkt ist Sewastopol).
Bezeichnend ist, dass in offenen Quellen keinerlei Informationen über Interna der Einheit auffindbar sind. Seltene Ausnahmen waren Aufnahmen der Fahrzeuge des Schiffsabwehrraketensystems auf Paraden oder bei offiziellen Übungen. Den Aufklärern von InformNapalm ist es gelungen einige neue Einzelheiten im Kontext der Waffensysteme und des Personals der Einheit zu entdecken – Dank eines Offiziers der russischen Streitkräfte, der die notwendige Information in seinem Profil in einem sozialen Netzwerk mitgeteilt hat.
Persönliche Daten eines Offiziers der russischen Besatzungstruppen
Oberleutnant der russischen Streitkräfte Nikolai Petrowitsch Melnikow wurde am 3. November 1990 in Kansk geboren. Skype: nikolay23544, sein VK-Profil, archiviertes Profil und Fotoalbum, Kfz-Kennzeichen „м863OE (123)“. Absolvent der Marine-Kadetten-Schule in Kansk (entspricht der Suworow-Militärschule einschließlich Internat). Absolvent der Marinehochschule „S.O. Makarow“.
Im Zeitraum 2012 bis 2013 tauchen bei Melnikow Aufnahmen von seiner Dienstzeit in der Kaspischen Flottille auf, wo er Dienst tat bei der 46. selbständigen Raketendivision der Küstenverteidigung der Marinestreitkräfte. Das bezeugt auch die geografische Angabe der Geotags: „Kaspijsk“, „Kreis Karabudachkent“, „Dagestan“. Außerdem gibt es weitere Indikatoren wie die abgebildeten Waffensysteme und landschaftliche Merkmale. Sein Profil weist eine große Anzahl von Fotos auf, die in erheblichem Maß Informationen wie die Namen seiner Kameraden über die 46. Raketendivision in jener Zeit offenbaren. Wir haben beispielhaft nur einige Aufnahmen ausgewählt, die Komponenten des Schiffsabwehrraketensystems „Bal“ zeigen.
Interessant ist auch ein Foto Melnikows vom 22. Oktober 2012 mit dem Kommentar „hubschrauberlandeplatz. [die maschine] kam aus Mosdok, haben sie aufmunitioniert. danach flog sie weiter, um bärtige typen zu beschießen“ (Rechtschreibung original)
Als überaus reichhaltig erwies sich auch die für uns relevante Dienstzeit dieses „begabten“ russischen Offiziers auf der Krim. Die ersten Fotos von der Krim tauchten im September 2014 auf. Das Foto der neuen Schulterstücke bei der Beförderung zum Oberleutnant trägt das Geotag „Stadt Sewastopol“. Die Schulterstücke sind mit folgender Beschriftung versehen: „Oberleutnant Melnikow Nikolaj Petrowitsch auf Befehl des Kommandos des Militärbezirks Süd-Ost Nr.117 vom 23.06.2014“.
Auf dem nächsten Bild erkennt man, dass Fahrzeuge der Division des frischgebackenen Oberleutnants unterwegs sind (Ortschaft Michajlowka bei der Stadt Saki, nord-westlich von Simferopol), Koordinaten für die Orientierung lauten 45°06’44.1″N 33°38’49.6″E.
Selbstredend wurde ein Offizier wie er „Für die Heimkehr der Krim“ ausgezeichnet (Befehl des russischen Verteidigungsministers vom 01.7.2014 Nr.411, unterzeichnet durch den Kommandeur der Einheit Nr. 80365, Oberst Budanow).
Wie bereits eben angesprochen ist die Einheit Nr. 80365 die neue 15. Raketenbrigade der Küstenverteidigung. Somit ist dokumentiert, dass die Raketensysteme aus Dagestan nun Teil der Krim sind.
Ermitteln der Position der Schiffsabwehrraketensysteme „Bal“ auf der Krim
Im Lauf der Untersuchung des „sozialen Profils“ von Oberleutnant Melnikow konnten mehrere Standorte der Raketensysteme ermittelt werden.
Lokalisierung 1, April 2015: Etwas nördlich des Kaps Fiolent bei Sewastopol, Orientierungskoordinaten: 44°29’52.7″N 33°32’50.1″E
Lokalisierung 2, November 2015: Ortschaft Olenewka, Kreis Tschernomorsk nahe des Kaps Tarchankut am östlichen Ende der Halbinsel, Orientierungskoordinaten: 45°23’26.7″N 32°29’47.1″E. Auf einem der fünf Fahrzeuge ist ein amtliches Kennzeichen zu erkennen: [0680 АО (21)]
Unter der zweiten Lokalisierung im November 2015 ist ebenfalls ein Feldlager zu sehen, wo Melnikow mit seinen Untergebenen fotografiert worden ist.
Man muss festhalten, dass Positionen der Schiffsabwehrraketensysteme „Bal“ als kritisch eingestuft werden – Sie können zum Ziel von Partisanenangriffen werden und sind außerdem Primärziele im Fall einer militärischen Eskalation auf der Halbinsel. Auf der Karte sind Positionen markiert, wo Schiffsabwehrraketensysteme „Bal“ der 15. Raketenbrigade der Küstenverteidigung im Rahmen der vorliegenden OSINT-Untersuchung registriert worden sind.
Zum Abschluss möchten die Freiwilligen des internationalen Teams von InformNapalm dem russischen Offizier der Besatzungstruppen Nikolaj Melnikow viel „Erfolg“ für seinen weiteren Dienst auf der sonnigen Krim wünschen und bedanken sich für die Unterstützung beim Offenlegen dienstlicher Information. Wahrscheinlich lässt sich seine weitere Karriere nach der aktuellen Publikation treffend mit einer Aufnahme aus seiner Dienstzeit in Dagestan illustrieren.
Diese Untersuchung wurde von Nikolay Mahno speziell für InformNapalm durchgeführt; übersetzt von Viktor Duke. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
3 Responses to “Russischer Offizier gibt Geheimnisse über landbasierte Schiffsabwehrraketen auf der Krim preis”
10/08/2016
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28/11/2016
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