Die ukrainische Militärstaatsanwaltschaft ignoriert zahlreiche Beweise dafür, dass der russische Staatsbürger Wiktor Agejew ein regulärer russischer Militärangehöriger ist – sie lässt bei dem Fall Fakten außer Acht, die eine überaus wichtige Bedeutung haben. Zu dieser Schlussfolgerung kommt man, wenn man das Material der Koordinatorin der Medieninitiative für Menschenrechte Olga Reschetilowa auf der Webseite New West Media liest.
In der Publikation werden Kommentare des Staatsanwalts Alexej Mochort angeführt, die er am 24. November im Gericht von Nowoaidar im Gebiet Luhansk gegenüber Journalisten abgab: Angeblich habe Wiktor Agejew bei der russischen Armee gekündigt, nachdem er seinen Wehrdienst abgeleistet hatte.
Der Staatsanwalt erklärte auch, die vorgerichtliche Ermittlung habe nicht feststellen können, dass der im Donbas festgenommene Russe Wiktor Agejew ein aktiver Zeitsoldat der russischen Streitkräfte ist.
Somit hat Mochort im Grunde die Position des Verteidigungsministeriums Russlands wiederholt, dessen Vertreter am 28. Juni ebenfalls behauptet hatten, Agejew habe 2016 aus der Armee gekündigt und sei kein regulärer Militärangehöriger mehr.
Diese Erklärungen stehen jedoch im Widerspruch zu Informationen, die zuvor nicht nur von Vertretern der ukrainischen Präsidentenverwaltung, des ukrainischen Sicherheitsdiensts SBU, von Freiwilligen und von Journalisten erläutert worden waren, sondern auch zu Aussagen von Wiktor Agejew selbst und seiner Mutter.
Zum Beispiel kommentierte der SBU-Leiter Wassilij Grizak den Besuch der Mutter von Wiktor Agejew wie folgt:
„Wir hoffen, dass die Mutter des russischen Zeitsoldaten Wiktor Agejew und russische Journalisten gegenüber den Bürgern Russlands die Wahrheit über die unmittelbare Teilnahme von regulären Truppen, Militärangehörigen und Zeitsoldaten der Streitkräfte Russlands an Kampfhandlungen im Donbas sagen werden. Im Interesse der Russen selbst sollte die Flut der Zinksärge mit russischen Söldnern gestoppt werden“.
Agejew selbst bestätigte ebenfalls, dass er aktiver Militärangehöriger der Streitkräfte Russlands ist:
„Ich bin ein Militärangehöriger. Militäreinheit Nummer 65246, liegt in der Stadt Nowotscherkassk, das ist ein Fernmelderegiment und Lehrzentrum der Luftstreitkräfte Russlands“.
Die Mutter Wiktor Agejews, seine Freunde und ehemaligen Dienstkollegen haben gegenüber dem russischsprachigen Dienst der BBC ebenfalls bestätigt, dass Agejew im März 2017, nach dem Ablauf seines Wehrdiensts, einen Zeitvertrag bei der Armee unterzeichnet hatte und im Dienst blieb.
Wobei InformNapalm nicht nur Aussagen und Kommentare der ukrainischen und der russischen Seite zur Verfügung stehen, sondern auch Fotos sowie Videoaufnahmen des sozialen Netzwerkprofils des russischen Militärangehörigen Agejew. Nach der Festnahme von Agejew am 24. Juni 2017 versuchten die Mitarbeiter russischer Geheimdienste die Spuren seiner Netzaktivität hastig zu löschen. Das Profil von Agejew beim russischen Netzwerk Vkontakte wurde umbenannt (neuer Name: Witalij Popow), die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse sowie sein Geburtsdatum wurden geändert (vom 13. September 1995 auf den 13. August 1980), einige Fotos wurden gelöscht. Sie haben aber nicht geschafft, alles zu entfernen. Die Freiwilligen von InformNapalm haben den Cache des russischen Suchservice Yandex benutzt, die Erstinformationen finden können und diese festgehalten.
Näheres dazu im folgenden Artikel: „Russland sagt sich wieder mal von seinen Militärangehörigen los: Ein Aufklärer der 22. Speznas-Brigade GRU in ukrainischer Gefangenschaft“.
Agejew befindet sich seit Sommer 2017 in Untersuchungshaft in der Ukraine. Er wurde im Laufe der Liquidierung einer Diversionsgruppe der Söldner unweit der Ortschaft Schelobok im Gebiet Luhansk festgenommen. Die terroristische Gruppe bestand aus sechs Personen. Zwei wurden liquidiert, vier wurden gefangengenommen. Außer Agejew wurden folgende Personen festgenommen: Bogdan Wengera, Daniil Gladkow und Andrej Stojanow. Letzterer hat eine Vereinbarung mit der Ermittlungsbehörde unterschrieben, sich zu seiner Schuld bekannt und wurde bereits nach Artikel 258-3 des Strafgesetzbuchs der Ukraine zu sechs Jahren Haft verurteilt.
Interessanterweise wurde diese Diversionsgruppe ebenfalls von einem Staatsbürger Russlands und regulären Offizier der russischen Armee namens Alexander Schtscherba geleitet, der im Lauf des Kampfes getötet wurde.
Die Freiwilligen von InformNapalm haben Fotos der Waffen dieser russischen Aufklärungsgruppe analysiert und festgestellt, dass das Scharfschützengewehr von Alexander Schtscherba nach dem Jahr 2000 in Russland hergestellt wurde. Diese Schlussfolgerungen wurden nach einem Vergleich der Seriennummer des Gewehrs 0061272 mit den Angaben gezogen, die im russischen spezialisierten Forum guns.ru veröffentlicht wurden.
Trotz einer Reihe von direkten und indirekten Indizien ist nun die Anklageseite mit der Position der Verteidigung solidarisch und wiederholt immer weiter, dass Agejew nur einfacher Staatsbürger Russlands sei.
Fassen wir die Fakten und die Chronologie der Ereignisse nochmal zusammen:
- Ein Video, in dem W.Agejew zugibt, dass er zum Zeitpunkt seiner Gefangennahme bei den russischen Streitkräften diente: „Ich bin ein Militärangehöriger. Militäreinheit 65246. Die Militäreinheit liegt in der Stadt Nowotscherkassk, das ist ein Fernmelderegiment und ein Lehrzentrum der Luftwaffe Russlands“;
- Der russischsprachige Dienst der BBC berichtete, dass die Mutter von Agejew, seine Freunde und ehemalige Dienstkollegen gegenüber der BBC bestätigt haben, dass Agejew im März 2017 einen Zeitvertrag bei den russischen Streitkräften unterzeichnet hatte;
- Ein Video mit der Erklärung des SBU-Leiters, in dem er sagt, dass Agejew ein regulärer russischer Militärangehöriger ist;
- Die Fotokopie einer Anfrage der Mutter von Awgejew an die russische Partei „Jabloko“ und eine Anfrage des russischen Abgeordneten Boris Wischnewski an den Verteidigungsminister Russlands;
- Auf diese Anfrage gibt es eine Antwort, in dem das russische Verteidigungsministerium alles dementiert und sich traditionell an seine „Wir-Sind-Da-Nicht“-Linie hält. Zahlreiche Fakten beweisen jedoch, dass Agejew ein regulärer russischer Militärangehöriger ist.
Dieses Material wurde von Roman Burko exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel; editiert von Klaus H. Walter.
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