Am 19. Januar 2018 ereignete sich in Burjatien (Russland) eine Tragödie: Ein 15-Jähriger Schüler griff mit einem Molotowcocktail und einer Axt eine Lehrerin und die Schüler seiner eigenen Schule Nummer 5 in Sosnowyj Bor, einer kleinen Vorstadt von Ulan-Ude, an. Sosnowyj Bor war früher eine geschlossene Militärstadt – heute ist dort noch immer die 11. Luftsturmbrigade der Luftlandetruppen Russlands stationiert, weshalb in der Stadt weiterhin hauptsächlich Militärangehörige wohnen.
Der Schüler Anton B. kam am Morgen des 19. Januar zur Schule und stürzte in ein Klassenzimmer, in dem Schüler der 7. Klasse Unterricht hatten. Er setzte den Raum zunächst mit einem Molotowcocktail in Flammen, und als die Kinder begannen aus dem brennenden Raum herauszulaufen, griff er sie mit einer Axt an. Dabei hat er drei Schüler und eine Lehrerin schwer verletzt, zwei weiteren Schülern leichte Verletzungen zugefügt. Danach stach er sich ein Messer in den Bauch und sprang aus dem Fenster – er fiel aber auf einen Schneehaufen, wurde festgehalten und ins Krankenhaus gebracht.
Der Pressesekretär des russischen Präsidenten, Dmitry Peskow, machte das Internet für diese schreckliche Tat eines Teenagers verantwortlich:
„Ich möchte Sie daran erinnern, dass das Internet ein absolut freier Raum ist und die Freiheit des Internets zwar viel Gutes bringt und aufrechterhalten werden muss, man aber nicht die Augen davor verschließen sollte, dass das Internet auch viel Übel mit sich bringt, das sich in unserem Leben auf solche monströse und tragische Weise zeigt“.
Die Mitschüler des Neuntklässlers erzählen dagegen etwas ganz anderes: Der Vater des Jungen sei Major der russischen Luftlandetruppen, und zwar der 11. selbstständigen motorisierten Luftsturmbrigade der russischen Streitkräfte, die im Bestand der zusammengesetzten 76. Luftlandedivision im Donbas kämpfte.
Eine Mitschülerin sagte: „Wenn ich ehrlich bin, erwartete ich so etwas nicht von ihm. Er ist aus einer anständigen Familie. Er ist aus einer Familie von Militärangehörigen. In unserem Sosnowyj Bor sind fast alle Kinder von Militärangehörigen. Sein Vater ist Major einer Luftlandebrigade.“
Darüber berichteten auch einige unabhängige russische Medien und Blogger. Die Mitschüler des Jungen teilten gegenüber den Medien auch mit, dass er sich für rechtsextremes Gedankengut interessierte, auf seinem sozialen VK-Netzwerkprofil Bilder mit faschistischer Symbolik postete und seine rassistische Einstellung gegenüber seinen burjatischen Mitschülern auch in der Schule nicht verheimlichte.
Dabei hatte sich ein ähnlicher Vorfall erst vier Tage vorher, am 15. Januar 2018, in einer Schule in Perm ereignet – dort haben zwei 16-jährige Schüler andere Schüler mit Messern angegriffen. Infolge dieses Angriffs wurden elf Schüler schwer verletzt.
Das Ganze erinnert an einen Bumerang, den Russland nun zu spüren bekommt: Die Kremlpropaganda, die jeden Tag von den Fernsehbildschirmen in die Köpfe der Russen hineinfließt und in der permanent zur Gewalt aufgerufen wird, selbst seitens der russischen Politiker, zeigt wohl nun ihre ersten Folgen.
Über die Beteiligung der 11. Luftsturmbrigade an den Kampfhandlungen im Donbas schrieben wir im Januar 2015, als die Leichen von zwanzig russischen Militärangehörigen nach Ulan-Ude gebracht wurden, die im ukrainischen Donbas getötet worden waren. Sie alle waren Militärangehörige der 11. selbstständigen Luftsturmbrigade der Luftlandetruppen Russlands. Die in die Ukraine entsandten Fallschirmjäger der 11. Brigade agierten dort zusammen mit den Fallschirmjägern der 76. Luftlandedivision aus Pskow im Bestand einer zusammengesetzten Abteilung, die Ende Januar 2015 große Verluste durch ukrainische Artillerie davongetragen hatte, lesen Sie Näheres dazu hier: „Cargo 200 was delivered to Ulan Ude, Buryatia“.
Die 76. Luftlandedivision ist uns ebenfalls nicht unbekannt: Ihre Fallschirmjäger beteiligten sich im März 2014 an der illegalen Einnahme der ukrainischen Bohrtürme nahe der Krim: „Die Bohranlagen auf der Krim wurden von den Fallschirmjägern des 104. Luftlanderegiments Russlands eingenommen“.
Dieser Vorfall in einer ehemaligen Militärstadt in Sibirien scheint ein böses Vorzeichen der russischen Zukunft zu sein. Russland bekommt langsam zu spüren, was es bedeutet, Hass gegen die ganze Welt unter der eigenen Bevölkerung zu säen. Russische Kinder, denen der russische Chauvinismus und Imperialismus seit kleinauf nicht nur im Fernsehen eingetrichtert wird, sondern dem sie selbst in ihrer Familie und engstem Umkreis begegnen, werden irgendwann erwachsen. Und diese erwachsene Menschen werden vom Hass und Aggression gegen die ganze Welt erfüllt sein, im Glauben, sie dürften sich alles nehmen, was sie möchten, selbst um den Preis eines anderen Menschenlebens.
Wie im alten Sprichwort: „Du solltest dem andern nicht eine Grube graben, sonst fällst du selbst hinein“. Der Kreml beabsichtigte mit seiner Propaganda, die Russen davon zu überzeugen, dass die restliche Welt ihnen gegenüber fremd und feindselig gestimmt sei und sie darum das Recht hätten, ihre Nachbarvölker wie Tschetschenen, Georgier oder Ukrainer jederzeit anzugreifen und zu vernichten. Wie wir sehen, geht eine derartige Einstellung nach hinten los: Die heranwachsenden traumatisierten Kinder hassen nicht nur andere Nationalitäten, sondern selbst ihre Nahestehenden. Indem Russland im Lauf der letzten fünfundzwanzig Jahre stets behauptete, überall in seinen Nachbarländern herrsche „Bürgerkrieg“, hat es offensichtlich dazu beigetragen, dass bald ein Bürgerkrieg auf seinem eigenen Territorium ausbricht – und dieser wird ein echter werden.
Dieser Artikel wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch vorbereitet.
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