Der politische Kommentator Alexej Minakow hat exklusiv für InformNapalm eine interessante OSINT-Untersuchung zur größten russischen Wirtschaftsaffäre des letzten Jahres durchgeführt – der Privatisierung von 19,5% „Rosneft“-Aktien.
Um irgendwie das riesige Defizit im Staatshaushalt der Russischen Föderation zu stopfen (es handelt sich hier um ca. 2 Trillionen Rubel), beschloss die russische Regierung 19,5% Aktien des Staatsunternehmens „Rosneft“ zu verkaufen. Scheinbar eine einfache Aufgabe. Man legt Kriterien fest, ruft eine öffentliche Ausschreibung aus, die Käufer sollen ihre Preisvorschläge machen, und anschließend wird die Wettbewerbskomission den Gewinner wählen.
Doch das ist Russland – hier wird alles anders geregelt. Die Information über die Käufer fehlte bis zum letzten Moment, und der Einkauf von Aktien wurde mittels eines komplizierten und verzwickten Schemas geregelt – über 50 Akten, die in mehr als 5 juristischen Gerichtsbarkeiten unterzeichnet worden sind und zu denen es keinen öffentlichen Zugang gibt.
Der größte Deal des Jahres, der auf dem globalen Öl- und Gasmarkt stattfand, ist außerdem von einem Schleier von Geheimnissen umgeben. Angefangen bei der Festnahme des Wirtschaftsministers Alexej Uliukajew in einem Büro von „Rosneft“ im November 2016, angeblich wegen Annahme von Schmiergeld, ein Monat vor dem Abschluss des Geschäfts, und bis hin zum Tod von Oleg Jerowinkin im Dezember 2016, der bei „Rosneft“ eine Abteilung leitete, die für die Annahme und Weiterleitung von geheimen Dokumenten zuständig ist.
Käufer von „Rosneft“-Aktien.
19,5% der Aktien wurden zu gleichen Teilen (50/50) unter zwei Käufern aufgeteilt – dem schweizerischen Händler Glencore und dem Staatsfonds von Katar. Summe des Deals: 10,2 Milliarden Euro. Dabei hat Glencore nur 300 Millionen Euro bezahlt, und der Staatsfond von Katar – 2,5 Milliarden Euro. Weitere 7,4 Milliarden Euro wurden als Non-Recourse-Finanzierung von der italienischen Bank „Intesa Sanpaolo“ zusammen mit russischen Banken (welche genau das sind – wird nicht angegeben und bleibt ein Geheimnis) bezahlt.
Das Unternehmen Glencore kooperierte mit UdSSR bereits seit 1979, indem es trotz Sanktionen Weizen lieferte. Offensichtlich wiederholt sich die Geschichte. Angesichts von heutigen Sanktionen gegen Russland hat das Schweizer Unternehmen die Möglichkeit bekommen zum größten Händler von russischem Öl weltweit zu werden. Laut Geschäftsbedingungen, bekommt Glencore einen fünfjährigen Vertrag zur Lieferung russischen Öls unter Umfangsvergrösserung des Aktiendepot auf 220 000 Barrel täglich.
Katar ist ein Land, mit dem Putin ein Krieg in Syrien um den europäischen Gasmarkt führt. Ausgerechnet Katar finanziert und versorgt die syrische Opposition mit Waffen, um das Regime von Assad zu stürzen, der ein Gegner des Baus einer Pipeline aus Katar nach Europa über Syrien ist. Und die Teilnahme dieses Investors am „Rosneft“-Deal ist ziemlich überraschend, angesichts der offensichtlichen politischen Feindschaft zwischen den beiden Staaten.
Der letzte Begünstigte im Aktienpaket ist ein gemeinsames Unternehmen von Glencore und des Staatsfonds von Katar – QHG Shares Pte. Ltd.
Auf dem Screenshot: Auflistung der Aktionäre (Aktienbesitzer) der „NK Rosneft“ AG, die über 5% Grundkapital des Unternehmens besitzen. Stand: 1. Januar 2017. Im roten Kästchen: QHG Shares Pte. Ltd (Aktionär) – Anzahl von Aktien: 2 066 727 473, Anteil im Gesamtkapital: 19,5%.
Dieses gemeinsame Unternehmen ist in Singapur registriert. An sich – eine Steueroase. Erlaubt nur 5% Steuer von dem Gewinnanteil aus Aktien zu beziehen. Im anderen Fall würde der Anteil 15% sein wie für ein ausländisches Unternehmen, das russische Aktien besitzt.
Screenshot: www.rosneft.ru/upload/site1/document_file/message_09012017_.pdf. „Mitteilung über einen rechtserheblichen Umstand „Über den Erwerb des Rechts eine bestimmte Stimmenzahl zu verwalten, die den abstimmenden Aktien zufallen, die das Grundkapital des Emittent bilden“. Adresse: (QHG Shares Pte. Ltd.); 1 Tamasek Ave., 34-01 Millenia Tower, Singapore, 039192
Zwischen dem gemeinsamen Unternehmen und den zwei Firmen gibt es noch weitere vier „Puffer“- Unternehmen: QHG Investment LLP und QHG Holding – registriert in Großbritannien, Qatar Holding – in Qatar, QHG Cayman – auf den Kaiman-Inseln.
Screenshot:www.glencore.com/assets/media/doc/news/2016/201612072145-Rosneft-holding-statement.pdf
Am selben Tag, den 7. Dezember, hält Putin eine Sitzung mit Setschin ab, bei der er über eine etwas andere Summe des Deals spricht – 10,5 Milliarden Euro. Diese Summe unterscheidet sich bedeutend von der, die der Käufer von „Rosneft“-Aktien angegeben hat – sie ist um ganze 300 Millionen Euro größer.
Auf dem Screenshot: „W. Putin: – Igor Iwanowitsch, ich möchte ihnen zum Abschluss des Privatisierungsgeschäfts zur Veräußerung eines großen [Aktien-]Pakets unseres führenden Öl-und Gas-Konzerns „Rosneft “ – 19,5 %, gratulieren. Das Geschäft wurde während des aufsteigenden Trends des Ölpreises abgeschlossen, was sich dementsprechend auf den Wert des gesamten Unternehmen auswirkt.
In dieser Hinsicht ist der Zeitpunkt sehr günstig und der gesamte Umfang des Geschäfts ist sehr bedeutend – 10,5 Milliarden Euro. Zusammen mit der Firma „Beschneft“, die Sie kürzlich erworben haben sind es 17,5 Milliarden Dollar. Selbst im ersten Teil ist dies das größte Privatisierungsgeschäft, d.h. die größte Transaktion im weltweiten Öl-und Gas-Sektor im vergangenen Jahr 2016″ (Screenshot: http://kremlin.ru/events/president/news/53431).
Man könnte annehmen, dass der russische Präsident sich schlicht und einfach versprochen hätte. Aber nein, Igor Setschin erwähnte im Lauf desselben Treffens die gleichen 10,5 Milliarden Euro (Screenshot:http://kremlin.ru/events/president/news/53431
Mehr noch, am selben Tag sagte der Pressesekretär des russischen Präsidenten Dmitry Peskow den Journalisten, dass im Staatsbudget 10,5 Milliarden Euro verbucht wurden.
Wegen der Differenz bei den Zahlen des Deals auf der offiziellen Webseite von „Rosneft“ wurde sogar ein Schwindelmanöver mit Press Release durchgeführt. Jede Publikation hat ein Veröffentlichungsdatum, bei einer Pressemitteilung wurde das faktische Datum, der 10. Dezember 2016, entfernt, und im Text der Pressemitteilung wurde rückwirkend der 7. Dezember angegeben, das Datum des Deals (Screenshot: https://www.rosneft.ru/press/releases/2016/12).
Die Pressemitteilung selbst wurde auch korrigiert. Doch die Internetuser schafften es, Screenshots der ursprünglichen Version der Website zu machen. Nach der Änderung verschwand die Erwähnung der Quellen des Eingehens von 10,5 Milliarden Euro in die Staatskasse, und die restlichen 300 Millionen Euro werden in die Staatskasse auf Kosten der Dividenden des Unternehmens „Rosneftegas“, dem „Rosneft“ gehört, einfließen.
Screenshots: www.rosneft.ru/press/releases/item/185047, die zu unterschiedlicher Zeit gemacht wurden. Rot markiert ist der Absatz der ursprünglichen Version der Website, der später gelöscht wurde:
„Aus den Ergebnissen der Privatisierung des 19,5% -Anteils der „Rosneft“ AG erhält die Staatskasse der Russischen Föderation 710,8 Milliarden Rubel (11,1 Milliarden Dollar oder 10,5 Milliarden Euro), inklusive der Mittel aus dem Verkauf der Aktien in Höhe von 692 Milliarden Rubel (10,2 Milliarden Euro), die das Konsortium beim Abschluss der Verhandlungen des Aktienverkaufs der „Rosneft“ AG am 6. Dezember 2016 (352,65 Rubel pro Aktie) mit 5% Nachlass erworben hat. Hinzu kommen außerdem 18 Milliarden Rubel (0,3 Milliarden Euro) aus Dividenden der „Rosneftegas“ AG bedingt durch eine geänderte Dividenden-Politik, welche durch den Betriebsrat der „Rosneft“ AG im Rahmen der Vorbereitung des Verkaufs der Anteile bestätigt wurde“.
Hier liegt übrigens auch die Antwort auf die Frage nach dem genauen Umfang des Deals. Und die Ursache dieser Zahlenmanipulationen besteht darin, dass der Verkauf von 19,5 % der „Rosneft“-Aktien einer Anordnung der Regierung vom 7. Dezember 2016 mit der Forderung entsprach, dass der Mindestpreis der Aktien 748,26*0,95=710,847 Milliarden Rubel beträgt. Das ist äquivalent zu 10,5 Milliarden Euro.
Screenshot: „Die Veräußerung durch die „ROSNEFTEGAS“ AG 2 066 727 473 Stück an gewöhnlichen namentlichen Aktien der öffentlichen AG „Rosneft“, was 19,5% ihres Grundkapitals ausmacht, unter folgenden Bedingungen:
– bei der Veräußerung von Aktien der „Rosneft“ AG gilt eine Preisfestlegung in Höhe von nicht weniger als 748,26 Milliarden Rubel, multipliziert mit dem Korrekturkoeffizient von 0,95, der von einem durch „ROSNEFTEGAS“ beautragten Investitionsberater empfohlen wurde, an einen Käufer, der die besten Bedingungen anbietet und Eignungsforderungen erfüllt, die durch die Direktive der Regierung der Russischen Föderation vom 08. Juli 2016 Nr. 4928P-P13 vorgegeben sind.
– Der Endtermin der Geschäftsvereinbarung zum Verkauf von Aktien der „Rosneft“ AG durch die „ROSNEFTEGAS“ AG – nicht später als der 5. Dezember 2016″.
Der Termin der Umsetzung des Geschäfts gemäß der Anweisung der Regierung war mit dem 5. Dezember befristet, tatsächlich fand der Deal am 7. Dezember statt, d. h. es gab eine Verspätung um 2 Tage. Eine Anweisung ist kein Gesetz, doch Setschin wollte den „Befehl von oben“ befolgen, wenn nicht in Bezug auf Fristen, dann eben in Bezug auf die Summe des Deals. In der Summe haben sie sich verhauen – für 10,5 Milliarden Euro fehlten 300 Millionen Euro, deshalb haben sie sich diese Zuzahlung von 300 Millionen Euro in die Staatskasse aus den Dividenden von „Rosneftegas“ ausgedacht, worüber in der Öffentlichkeit überhaupt nicht gesprochen wird.
Chronologie der Lügen von Putin und Setschin über das Geld in der Staatskasse aus dem Verkauf von 19,5% der Rosneft-Aktien
16. Dezember: Der „Rosneft“-Konzernchef Igor Setschin meldet Wladimir Putin, dass alle Mittel vom Verkauf von 19,5% „Rosneft“-Aktien in die Föderale Staatskasse überwiesen worden sind. Der Erhalt von 710,8 Milliarden Rubel wurde auch vom russischen Finanzministerium bestätigt.
19. Dezember: Drei Tage später veröffentlicht Reuters die Information, dass die Bank Intesa Sanpaolo – der Hauptkreditgeber der ausländischen Käufer von 19,5% „Rosneft“-Aktien – kein Geld an sie gezahlt habe und die potenzielle Teilnahme an der Finanzierung des Erwerbs von 19,5% Unternehmensaktien „noch eingeschätzt wird“. Das Geld von der italienischen Bank ging erst im Januar ein.
Es läuft darauf hinaus, dass an dem Tag, dem 16. Dezember, kein Geld vom Verkauf der 19,5% „Rosneft“-Aktien einging. Setschin und Putin haben das ganze Land und die ganze Welt erneut belogen.
Und selbst am 23. Dezember – drei Tage nach der Erklärung der italienischen Bank – hat Putin bei seiner großen Pressekonferenz sein Volk erneut über den Zahlungseingang aus der Privatisierung eines Teils der Aktien in die Staatskasse belogen.
„Was das Geld betrifft, ob die Ausländer die Gelder für die erworbenen 19,5% des Rosneft-Pakets überweisen. Die Gelder sind in die Staatskasse der Russischen Föderation in vollen Umfang bereits eingegangen“ Wladimir Putin, den 23. Dezember 2016.
Wenn aber die italienische Bank – der Hauptkreditgeber des ganzen Geschäfts – zu diesem Zeitpunkt kein Geld für den Erwerb der „Rosneft“-Aktien überwiesen hatte, woher stammen denn die Zahlungseingänge in die Staatskasse der russischen Föderation? Einen Hinweis gab uns Putin höchstpersönlich während seiner Pressekonferenz:
„Ja, es gibt eine solche Reserve, wie die Gelder von „Rosneftegas“… Das Geld unterliegt der Kontrolle der Regierung. Und manche Sachen finanzieren wir daraus dann, wenn die Regierung vergisst, dass es Prioritäten gibt, die größere Beachtung verdienen…Und für solche Sachen, für die es letzten Endes, nach allen Diskussionen und Auseinandersetzungen, die Regierung kein Geld hat, die aber eine Finanzierung benötigen, werden wir die Mittel aus Rosneftegas ausgeben“.
Die Schlussfolgerung lautet, dass die Gelder in die Staatskasse nur dank liquiden Mitteln auf dem Konto von „Rosneftegas“ überwiesen worden sind. Und dort gab es offensichtlich freie Mittel – es genügt, das Datum auf den 5. Dezember 2016 zurückzudrehen. An jenem Tag kündigte „Rosneft“ an, dass sie die Bedingungen von 10-Jährigen Bonds auf 600 Millionen Rubel (ein Betrag, der der Summe des 19,5%-Geschäfts nahe steht) festgelegt habe, und sammelte die Ausschreibungen innerhalb von nur einer halben Stunde ein. Und obwohl der Pressesprecher von „Rosneft“ beteuerte, dass die Gelder aus der Platzierung von Obligationen auf die Außengeschäfte und Refinanzierung der Schulden geleitet werden, waren das nur Worte.
Wie gesagt: Putin, Setschin und andere Machthaber haben in der Öffentlichkeit gelogen – im Dezember sind die Gelder aus dem Verkauf von „Rosneft“-Aktien nicht in die Staatskasse eingegangen. Putin hatte es eilig und konnte den vollständigen Zahlungseingang von den Käufern der „Rosneft“-Aktien in Jahr 2017 nicht abwarten, denn die Gosduma (das russische Parlament) hat den Staatshaushalt für 2017 bereits mit der Berücksichtigung von Zahlungeingängen aus dem Verkauf von 19,5% „Rosneft“-Aktien in 2016 verabschiedet.
Die Abwesenheit von Zahlungseingängen aus dem Aktienverkauf im Dezember 2016 könnte man sehr einfach anhand der Finanzberichte des Unternehmens zurückverfolgen und diese Putin oder Setschin vor die Nase werfen. Richtig, aber die Jungs sind keine Idioten und haben auch das vorgesehen. Um ihre Manipulation zu verheimlichen, hat die russische Regierung im Dezember 2016 eine Entscheidung darüber getroffen, dass die Finanzberichte von „Rosneftegas“, dem die „Rosneft“ gehört, nicht veröffentlicht werden. So ist die Finanzlage und die Geldströme des weltgrößten Öl-und Gas-Unternehmens zu einer „black box“ geworden. Und das bedeutet, dass der Deal zur Privatisierung eines Teils der „Rosneft“- Aktien erst ein Anfang der Geschichte der größten Affären in diesen Unternehmen ist.
Dieses Material wurde von Alexey Minakow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Zoya Schoriwna/ Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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2 Responses to “Wirtschaftliche Affären in Russland: Über die Privatisierung von „Rosneft“-Aktien”
09/04/2017
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