Die belarussische Redaktion von InformNapalm erhält zahlreiche Beschwerden von empörten Bürgern wegen unverständlichen Aktionen, die in letzter Zeit unter Teilnahme von Menschen in russischer Militäruniform „Gorka“ und mit russischen Flaggen in den Regionen und Bezirken der Republik Belarus stattfinden. Vor dem Hintergrund der militärischen Aggression Russlands in der benachbarten Ukraine rufen diese Ereignisse bei sehr vielen Belarussen große Besorgnis hervor: Sie befürchten das blutige Szenario in ihrem eigenen Land. Wir haben nachgehackt, wer hinter diesen Provokationen des russischen Militärs in Belarus steckt und wer diese Aktionen auf lokaler Ebene fördert.
Es wurde festgestellt, dass der direkte Veranstalter der Aktionen die russische öffentliche Organisation der Kriegsveteranen „Kampfbruderschaft“ ist. Der Vorsitzende der Organisation ist der Generaloberst Boris Gromow – Parteimitglied von „Einiges Russland“ und Abgeordneter der Staatsduma (auf dem Bild – rechts von Putin).
Sein Name wird in Russland mit gewaltiger Korruption und Machenschaften assoziiert, die während seiner Amtszeit das Moskauer Gebiet beinahe an den wirtschaftlichen Abgrund gebracht hätten. Neben seinem Vorsitz bei der „Kampfbruderschaft“, leitet Gromow ein Netzwerk, das Veteranen lokaler Kriege und Militärkonflikte vereint, an denen Soldaten der UdSSR und dann Russlands beteiligt waren. Derzeit steigt die Anzahl von neuen Mitgliedern der „Bruderschaft“ wegen Zustrom von Zeitsoldaten, Söldnern und Kämpfern – nach der Okkupation der Krim und den Kampfhandlungen im Donbass – sprunghaft an.
Eine nicht weniger abscheuliche Person ist der erste Stellvertreter des Vorsitzenden der „Kampfbruderschaft“, Duma-Abgeordneter der IV-VI Versammlungen, Mitglied des Föderationsrats der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation, einer der Mitbegründer von „Antimaidan“ Dmitrij Sablin.
Als Gouverneur trug Boris Gromow zum rasanten Aufstieg der politischen Karriere von Sablin bei, dieser war zuerst sein Berater und später übernahm er die Leitung seines Sicherheitsdienstes. Des Weiteren fanden russische Journalisten heraus, dass Gromow und Sablin nicht nur die Geschäftspartnerschaft verbindet, sondern auch Blutsbande: Gromows Nichte ist die Ehefrau von Sablin.
Das erfolgreiche Tandem bediente sich Milliarden von Dollar aus dem Budget des Moskauer Gebiets während der gesamten Amtsdauer von Gromow. Ein Beweis dafür ist beispielsweise die nirgends deklarierte riesige Villa von Sablin am Rublewskoje Chaussee.
Die Unantastbarkeit von den beiden wird anscheinend durch ihre sogenannte öffentliche Arbeit sichergestellt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird eine bedeutende Menge von Söldnern und Kämpfern für die Kampfhandlungen im Donbass durch die „Kampfbruderschaft“ rekrutiert, in deren Reihen Veteranen stehen, die an allen jüngsten von Russland entfesselten Konflikten teilnahmen. Besonders erwähnenswert ist die Rolle von Dmitry Sablin bei der Erschaffung der Bewegung „Antimaidan“, die solche Organisationen, wie „Kampfbruderschaft“, „Russischer Frühling“, „Zentrale Kosakenarmee“, „Ataman-Hundertschaft“, Motorradclub „Nachtwölfe“ und andere unter sich vereint hat. Mit Hilfe von „Antimaidan“ verspricht Sablin Protestaktionen der Opposition in ganz Russland mit Gewalt und unter Einsatz von Kämpfern, erfahrenen Athleten, Kosaken und Biker zu unterdrücken, die allesamt in Speziallagern trainiert werden. Putin garantiert seinen Opritschniken persönliche Unantastbarkeit trotz der hochkarätigen Korruptionsfälle, denn sie verteidigen nicht nur ihr durch Betrug und Diebstahl erworbenes Hab und Gut, sondern auch Putins kriminelles Regime.
Nach seiner Ernennung zum Senator war Dmitry Sablin an der Organisation vom Jugendtrainingslager für junge Putinisten auf der besetzten ukrainischen Krim beteiligt.
Darüber hinaus organisiert er höchstpersönlich die „Antimaidan“-Aktionen und nimmt daran teil.
Das Thema der Zerstörung des totalitären Sowjetregimes vor über zwanzig Jahren ist für die Putinisten zum Grundstein ihres fast religiösen Glaubens geworden, sie seien von Gott auserwählt selbstlos eine große Mission zu erfüllen. Ihre „Mission“ beinhaltet den Kampf gegen den „bösen Westen, der die Köpfe von Millionen verzerrt und versklavt“ und die Demonstration ihres besonderen Weges – trotz der Tatsache, dass dieser Weg vor ihnen unzählige Male auf eine tragische Weise beschritten wurde. Wie ein bekannter Atomphysiker sagte: „Zwei Dinge habe keine Grenzen: das Universum und die menschliche Dummheit“. Und was das Universum betrifft, war er sich nicht sicher.
Es regt ein wahrlich akademisches Interesse an, wie der bizarre religiöse Fetischismus von Anhängern dieser Konfession die Form der Anbetung von riesigen roten Tüchern, vergrößerten Kopien ihrer zentraler Kultgottheit – der Siegesflaggen – angenommen hat, die durch die „Russische Welt“ diskreditiert wurde. Das Bild unten zeigt das Ritual der Verehrung von Dutzenden solcher Tücher auf dem Exerzierplatz eines Panzerregiments in der Ortschaft Pakino im Wladimir-Gebiet Russlands.
Dmitrij Sablin hat versucht diese Aktion eingehend zu erklären: „Wir sollen uns immer an unsere Geschichte erinnern. Jahre vergehen, aber die Erinnerung an unseren großen Sieg lebt. Mit diesem Projekt wollen wir Generation konsolidieren. Der Stern von unserem großen Sieg ist vor allem unsere Antwort auf die Informationskriege, die den Frieden und Sicherheit aller Nationen gefährden,“ – nach Sablins Logik heißt es, je größer und eindrucksvoller die ausgewählten Symbole des Sieges über dem „üblen Westen“ sind, um so mehr Ruhe und Sicherheit bieten sie. Nun, es kann gut sein, denn der Größenwahn war für fast alle zerfallenen Reiche charakteristisch. Putins todgeborenes Reich ist auch keine Ausnahme, geplagt von Paranoia wartet es auf seine Bestattung.
Sablins Projekt „Kampfbruderschaft“ wurde ausgerechnet in Belarus mit dem Ziel gegründet, das Land als eine Art kultureller Kolonie von Russland zu markieren, die unter seinem politischen Protektorat steht, was von lokalen Machteliten von Zeit zu Zeit Kniefall erfordert. Vertreter der Fauna markieren ihr Revier auf eine ähnliche Weise. Zu diesem Zweck wurden nach Belarus „Antimaidan“-Frontmänner aus Wladimir-Gebiet entsandt: Victor Kaurov – der erste stellvertretende Leiter der regionalen Verwaltung und ein korrupter Freak, und mit ihm zusammen Walery Malyschev – der Vorsitzende der „Kampfbruderschaft“-Filiale in Wladimir. Auf dem Bild unten stehen an einem Produkt des Pfeilers der russischen Staatlichkeit Uralwagonzawod: dritter von links – Malyshew, ganz rechts – Kaurow (Archiv).
Aktionen mit roten Tüchern der „Kampfbruderschaft“ finden in beinahe allen regionalen Zentren Belarus statt – in Brest, Grodno, Mogilew, Vitebsk und in der Hauptstadt Minsk sowie in großen Kreiszentren wie Wolchowysk, Lida und in Orscha.
Brest:
Haben sie etwas seltsames bemerkt? Schauen Sie sich die Attribute in den Händen von Demonstranten an: Neben russischem Trikolore und den „Kampfbruderschaft“-Flaggen halten sie auch die von „Antimaidan“ in ihren Händen.
Übrigens, fragt sich jemand, warum sie nur die mitgebrachten russischen Attribute halten? Das ist eine offene Respektlosigkeit gegenüber der Gastgeberseite und der „Große Sieg“ war übrigens eine gemeinsame Errungenschaft. Na gut, der „große Bruder“ wird es besser wissen.
Wir verfolgen weiter die Bewegung von Menschen in der Uniform „Gorka“. Ihre nächste Station ist das Zentrum der Region Grodno, die Stadt Wolchovysk. Das Bild unten zeigt den stellvertretenden Vorsitzenden des regionalen Exekutivkomitees von Wolchovysk Igor Kaschkewitsch, der eine Begrüßungsrede an die hohen Gäste hält.
Dann verlief der Weg der „russischen Patrioten“ durch Grodno, wo sie hochachtungsvoll von lokalen Beamten empfangen wurden: Parteiaktivisten der belarussischen republikanischen Jugendunion (Nachfolger von Komsomol), Veteranen-Organisationen sowie von traditionell für solche Ereignisse zusammengepferchten Studenten der Kadettenschulen und Schüler.
Bemerkenswert sind die erstaunlichen Veränderungen: Auf den Straßen von Grodno haben die Gäste es nicht gewagt, die „Antimaidan“-Flagge zu verwenden und hier kann man die Flaggen der Gastgeberseite sehen.
Das „grüne Männchen“ erkundet die Lage sowie die Stimmung der Stadteinwohner.
Auf dem Bild unten: in einer Reihe neben dem Anführer der „Kampfbruderschaft“ aus Wladimir, den Veteranen und einem Aktivisten der belarussischen republikanischen Jugendunion steht der Vorsitzende des Abgeordnetenrates der Stadt Grodno Anatolij Nikitin (in der Mitte), der durchaus zu potenziellen Agenten des Einflusses Russlands hinzugezählt werden kann, als ein Absolvent der Militärakademie des Generalstabs der Russischen Föderation.
Den nächsten Halt haben die „kleinen grünen Männchen“ in einem wichtigen regionalen Zentrum der Grodno Region, Lida, gemacht, wo sie von lokalen Machthabern nicht weniger warm und begeistert empfangen wurden: Mit Orchester, Gesang und Tänzen, mit einer Ehrenwache begrüßte der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Lida Bezirks Viktor Pranyuk die Gäste höchstpersönlich (unten im Bild).
Militärische und zivile Beamte genieren sich nicht mit den Kämpfern der „Russischen Welt“ und „Antimaidan“-Aktivisten in eine Reihe hinzustellen. Zweiter von links ist der Oberst Michail Sergun, stellvertretender Kommandeur der ideologischen Arbeit unter Grenzsoldaten in Lida; rechts – der Militärkommissar des Lida Bezirks, Oberst Alexander Herman, hinter ihm – der bereits erwähnte Viktor Pranjuk.
Weiter verlief der Weg der Anhänger der Siegestollwut über Minsk, wo sie überraschenderweise nicht so pompös und begeistert empfangen wurden, wie in den Städten der Grodno Region. Hier hat man sich auf Vertreter der Veteranenorganisation beschränkt, dafür aber auf was für welche!
Auf dem Bild unten: Viktor Kaurow neben dem Vorsitzenden der Minsker Veteranenorganisation Anatolij Adonjew, einem Teilnehmer des arabisch-israelischen Krieges der frühen 1970er Jahren und einem Mitarbeiter der Politikabteilungen von verschiedenen Militärbezirken der ehemaligen UdSSR.
Nach einer gründlichen Unterhaltung mit einem lebenden Veteranen des „Krieges gegen Zionismus“ sind die Anhänger des Kults des St.George-Bändchens weitergezogen, um den Frieden von Bürgern in Mogilew, Witebsk und Orscha zu stören, und verliessen dann schließlich Belarus.
Die Unterwürfigkeit von belarussischen Behörden, die genauso wie die Marionettenverwaltungen des von Russland besetzten Südossetien, Abchasien, der Krim, sowie der Terrororganisationen „DVR“ und „LVR“ an der russischen Propaganda-Kampagne teilnehmen und Kriegshetzer empfangen, ruft gewisse Besorgnis hervor. Mit Ehrungen und ganz offiziell werden potentielle Initiatoren von künftigen Enklaven fürs Imperium auf dem belarussischen Territorium empfangen, die die Tragödie von zig Millionen Menschen, die in den Tiegel des schrecklichsten Krieges in der Geschichte der Menschheit geworfen wurden, für einen Fetischismus der Siegestollwut missbrauchen.
Demiurgen, die einen Krieg im einstigen Bruderland Ukraine entfacht haben, wiederholen unermüdlich ihr Lieblingsmantra: „Wir haben gewonnen!“. Leider ist es aber ein Sieg über den gesunden Menschenverstand. Mit ihren Aktionen haben sie Belarus bereits vor die Wahl gestellt: entweder wird es in der festen Umarmung der „Bruderschaft“ langsam ersticken, oder seine Staatlichkeit festigen und die ganze Nation konsolidieren müssen. Die Entscheidung der politischen Eliten von Belarus, die seit mehr als zwei Jahrzehnten selbstlos und masochistisch stranguliert werden, hängt von vielen Faktoren ab, aber vor allem – von dem politischen Willen und dem Wunsch, sich aus der „brüderlichen“ Umarmung zu befreien.
Dieses Material wurde vom Chefredakteur der belarussischen Redaktion der internationalen Gemeinschaft InformNapalm Denis Iwaschin vorbereitet; übersetzt von Andrij Topchan; editiert von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
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