Dank der kriegerischen Einstellung des US-Präsidenten Donald Trump hat die Welt sich wieder an die Existenz von Nordkorea erinnert. In Richtung dieses Landes begab sich ein Teil der US-Flotte, und die Welt wartet nun atemlos auf einen baldigen Zusammensturz des nordkoreanischen Staatssystems. Wir sollten die Überlebensfähigkeit von solchen Regimen aber auch nicht unterschätzen.
Das Erbe der UdSSR
Im XX. Jahrhundert entstand dank der UdSSR eine ganze Reihe von Ländern, deren bloße Existenz der Welt Sorgen bereitet – ihnen entgegenzuwirken versucht aber keiner. Selbst die Entstehung des Staates UdSSR schien in den ersten Jahren eine vorläufige Sache zu sein und interessierte nach dem Ende des I. Weltkrieges kaum jemanden.
Millionen russischer Emigranten saßen über die ganze Welt zerstreut herum und warteten darauf, dass die Sowjets infolge der Volksaufstände endlich fallen und sie zurück nach Hause gehen werden. Die brutale Auslöschung von ideologischen Feinden und der Militarismus der Sowjetunion hatten aber ihre Sache getan: Nach den ersten schwierigen Jahren begann die UdSSR, das „Imperium des Bösen“ aufzubauen. Auf die Situation hatte auch die Tatsache keinerlei Wirkung gehabt, dass die Weltgemeinschaft die UdSSR jahrelang nicht anerkannte (Die USA zum Beispiel erkannten diesen Staat erst 1933 an). Der Zweite Weltkrieg hat das Recht der Sowjetunion auf Existenz nur bestätigt und seine Geschichte auf Jahrzehnte verlängert.
Gerade dank der UdSSR entstanden auf der Welt auch andere Pariastaaten, mit deren Existenz ihre Nachbarn zwar nicht einverstanden waren, aber nichts dagegen tun konnten. Das grellste und erfolgreichste Beispiel für Geburt und Tod eines solchen Landes war die DDR, die formal zwischen 1949 und 1990 existierte. Gerade das geteilte Deutschland wird mit dem geteilten Korea verglichen, was wohl auf die Möglichkeit der späteren Wiedervereinigung hindeutet. So einfach ist das Ganze aber nicht.
In den ersten Jahren der Existenz der BRD und DDR war das Leben in beiden Deutschlands schwer, bald verstand das Volk aber alle „Vorteile“ des Lebens im Sozialismus und flüchtete Richtung Westen. Daraufhin wurde 1961 die Berliner Mauer errichtet, die nicht mal 30 Jahre lang existierte – am Ende hatte Ostdeutschland gegenüber dem westlichen Länderblock wirtschaftlich und ideologisch verloren. Nach dem Fall der Berliner Mauer begann ein langer Prozess der Reintegration, der bis zum heutigen Tag noch kein Ende genommen hat.
Über die deutsche Wiedervereinigung
Getrennt waren die beiden Teile Deutschlands keine vollen 45 Jahre (1945-1990). Geteilt durch die Mauer waren sie noch kürzer – insgesamt 28 Jahre (1961-1989). Am Ende stand vor der BRD (mit 63,7 Millionen Bevölkerung) die Aufgabe, ein Land mit 16,7 Millionen Einwohnern zu integrieren, was ein Verhältnis von circa 3,8 zu 1 ausmacht. Das wirtschaftlich entwickelte Westdeutschland musste das wirtschaftlich rückständige Ostdeutschland, dessen Absatzmärkte auf die Länder des Warschau-Pakts und andere UdSSR-Satelliten gerichtet waren, auf das eigene Niveau bringen. 40% des Außenhandels der DDR gingen damals in die Sowjetunion und mit dem Zerfall der UdSSR sind ostdeutsche Waren nutzlos geworden, da sie auf den Weltmärkten nicht konkurrenzfähig waren.
Die Wiedervereinigung Deutschlands war eine politische Entscheidung und kann als Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit betrachtet werden. Die zaghaften finanziellen Einschätzungen der Wiedervereinigung unterscheiden sich dabei um Hunderte Milliarden Deutsche Mark: Der CDU/CSU-Fraktionssprecher Matthias Wissmann schätzte diese auf 890 Milliarden Mark in 10 Jahren (FAZ-Interview vom 17.02.1990), das Hamburger Archiv der Weltwirtschaft (HMWA) sprach von über 1000 Milliarden Euro. Wenn man den Wechselkurs der deutschen Mark zum Euro berücksichtigt (1,95583), war die Rede von einer Summe von ungefähr 500 Milliarden Euro. In Wirklichkeit wurde per Jahr 2014 über 2000 Milliarden Euro ausgegeben, wobei diese Summe jährlich um 100 Milliarden Euro größer wird.
Die Westdeutschen waren gezwungen, die Infrastruktur des östlichen Teils des Landes auszubauen und das ganze System der sozialen Versorgung der ehemaligen DDR auf sich zu nehmen. Um die Ausgaben zu rekompensieren wurde der Solidaritätszuschlag eingeführt – als eine temporäre Maßnahme zur Abdeckung der BRD-Ausgaben im Golfkrieg, die später faktisch zu einer separaten Steuer für die Wiederherstellung der DDR wurde. Allmählich wurde auch die Mehrwertsteuer von 14% auf 19% erhöht. Die Staatsschulden sind dabei seit 1989 ums Vierfache gestiegen.
Am Ende ist die Infrastruktur im Ostdeutschland an manchen Stellen sogar besser geworden, als in Westdeutschland. 28 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer wohnen hier ein paar Millionen Menschen weniger als zu Zeiten der DDR. Ostdeutsche verdienen dabei um 30% weniger als die Westdeutschen, und die Renten der Westdeutschen sind noch immer größer als die der Ostdeutschen und werden erst 2024 auf dem gleichen Stand sein.
Ein Teil der ostdeutschen Bevölkerung nostalgiert noch immer nach den DDR-Zeiten, dafür wurde sogar ein Wort ausgedacht – Ostalgie. Besonders relevant wird diese (N)ostalgie bei den Wahlen: Selbst Jahre später wählen die Ostdeutschen noch immer linke Parteien. Wenn in Bayern nur 2,1% (2013) Die Linke wählen, so bekommt die Partei in Thüringen ganze 28,8% (2014). Auch Rechtsextreme haben in Ostdeutschland starke Ergebnisse vorzuweisen (4,9% für NPD in Sachsen im Jahr 2016), ebenso wie Nationalkonservative (24,3 AFD in Sachsen-Anhalt ebenfalls 2016). Im Osten Deutschlands ist bereits eine neue Generation großgewachsen, die die DDR nicht kannte – ideologische Unterschiede zum Westdeutschland sind aber noch immer zu verzeichnen.
Wie kann Korea wiedervereint werden
Was Nord- und Südkorea betrifft, so sieht hier die Sache noch schlimmer aus. Die Teilung des Landes fand noch 1945 statt und hat sich durch den Korea-Krieg 1950-1953 nur noch verschlimmert. Es sind 70 Jahre vergangen, es sind Generationen von Süd- und Nordkoreanern großgewachsen, für die das getrennte Korea keine Tragödie eines Landes und eines Volkes ist, sondern die Geschichte von zwei verschiedenen Ländern und zwei verschiedenen Völkern. Der Zerfall der UdSSR hatte für Nordkorea keine solchen Folgen, wie es im Fall der DDR gewesen ist: zu der Zeit war Pjöngjang bereits aus dem Protektorat der Sowjetunion unter das Protektorat von China übergegangen.
Die Bevölkerung von Nordkorea beträgt 24,7 Millionen Menschen gegen 51,5 Millionen in Südkorea. Das Verhältnis ist fast 1:2, was ums Doppelte das Verhältnis zwischen DDR und BRD übersteigt (1:3,8). Wenn man berücksichtigt, dass die Gesamtbevölkerung von Korea und Deutschland ungefähr gleich ist, wird die Wiedervereinigung der beiden Teile Koreas noch teuerer zu stehen kommen, als die Wiedervereinigung Deutschlands.
Erschwert wird die Situation auch dadurch, dass der Zusammensturz der DDR vor dem Hintergrund der Schwächung der UdSSR geschah – der Hauptsponsor Nordkoreas, dank dem das Land überhaupt noch existiert, ist aber China (50% Import), das zurzeit nicht sich abzuschwächen beabsichtigt.
Wenn man sich vorstellt, dass bestimmte Amerikaner unter Trump beschließen, die Sache mit Nordkorea zu regeln, für wen wird es günstig sein? Südkorea wird 25 Millionen neuer Bürger aufnehmen müssen. Soll man diesen Menschen Wahlrecht geben? Wie sollen Millionen Arbeitsplätze für sie geschaffen werden? In den langen Jahren hat die Welt sich dran gewöhnt, ohne nordkoreanische Waren auf den Märkten auszukommen.
Und wie wird China auf eine Intervention reagieren? Wird Nordkorea nach seiner bedingten militärischen Niederlage nicht zu einem noch größeren Satelliten von China? Braucht es denn Südkorea, Japan oder USA? Zweifelhaft.
Eher ist der Fall des Regimes in Nordkorea erst nach einem Fall oder der Schwächung Chinas selbst möglich. Dann kommt aber die Frage des Preises und der Zweckmäßigkeit auf.
Ferner, wenn das Problem auf Gewaltwege gelöst werden soll, so sind zahlreiche Opfer unter Zivilsten Südkoreas zu erwarten: von der Grenze bis zu den Vororten der 10-Millionen-Seoul sind es etwas mehr als 20 Kilometer. Außer Raketen, die bei den ersten Angriffen vernichtet werden müssten, besitzt Nordkorea noch die Rohartillerie (zum Beispiel die Panzerhaubitzen „Pion“ mit einer Schussweite von 40 Kilometern), die die Wohnvierteln von Seoul und Umgebung mit 25 Millionen Einwohnern unter Beschuss nehmen kann.
Nordkorea – die Zukunft der „D/LVR“?
Dank der Erfahrung der DDR-Integration und am Bespiel von Nordkorea kann man über die Zukunft der „D/LVR“ sinnieren. Diese beiden selbsternannten Formationen werden so lange existieren, wie Russland sie über die offene Grenze unterstützt. Und wir sehen, dass die UdSSR, als deren Nachfolger sich Russland versteht, keinen einzigen Satelliten aus ihrer Einflusszone aus eigenem Willen heraus entließ und der Wiedervereinigung Deutschlands nur aus dem Grund nicht im Wege stand, da sie selbst am Rande des Zerfalls war.
Nordkorea hat auch eine gemeinsame Grenze mit Russland und war einst auch ein Satellit der UdSSR. Seine Einwohner hatten aber weniger Glück als die Ostdeutschen, denn zu der Zeit als die Sowjetunion schwach wurde, genoss das nordkoreanische Regime bereits die Unterstützung von China.
Ein wichtiger Faktor bei der eventuellen Reintegration ist die Preisfrage. Am Beispiel der DDR sieht man, dass es sich hier um Hunderte Milliarden Euro handelt, die die BRD bei den Außenmärkten leihen musste, um die Wiedervereinigung zum erfolgreichen Ende zu bringen. Im Fall der „D/LVR“ wird die Situation dadurch erschwert, dass der Krieg in der Region anhält, während im Fall der DDR nur eine allgemeine wirtschaftliche Rückständigkeit vorlag. Einerseits werden die Summen, die die Ukraine für die Reintegration dieser Region ausgeben müssen wird, deutlich kleiner sein, trotzdem wird es sich um Dutzende Milliarden Euro handeln. Woher die Ukraine dieses Geld nehmen und ob sie sich überhaupt dermaßen verschulden sollte, ist eine große Frage.
Ausgehend von der Erfahrung der DDR sollte man verstehen, dass die Einwohner von solchen Regionen, nachdem sie eine Zeit lang unter ideologischer Okkupation gelebt haben, am Ende beginnen, am Stockholm-Syndrom zu leiden und selbst nach ihrer Befreiung weiterhin für Linke und Kommunisten ihre Stimmen abgeben, vor denen sie einst über die Berliner Mauer geflüchtet waren. Und je länger unsere Bürger sich unter dem ideologischen Druck Russlands befinden, desto kleiner sind die Chancen darauf, sie jemals wieder in den vereinten ukrainischen Raum zurückzuführen. Selbst Deutschland hat es nur zum Teil geschafft.
Die Einwohner der „DVR“ und „LVR“ sollten die Erfahrung des Nordkoreas und der DDR im Blick haben: früher oder später wird das Regime der Überquerung der Demarkationslinie verschärft, es wird wenn keine Mauer wie in Deutschland, so doch eine demilitarisierte Zone wie in Nordkorea entstehen. Im Grunde sind die Einwohner der besetzten Regionen zu Geiseln von Russland/UdSSR2.0 geworden, das in seiner ganzen Geschichte nichts anderes zu Stande brachte, als Formationen a la DDR oder Nordkorea zu erschaffen. Solche Projekte ins Leben zu rufen erweist sich immer einfacher, als später den hohen Preis für ihre Rückführung ins normale Leben zu zahlen. Und es ist noch lange keine Tatsache, dass wir die Wiedervereinigung von Korea jemals erleben werden.
Dieses Material wurde von Anton Pawluschko exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel; editiert von Klaus H.Walter. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
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