Russland leitet die terroristischen Formationen „D/LVR“ im Osten der Ukraine an – diese These ist faktisch ein Axiom, das wohl lediglich die russische Propaganda und die wenigen marginalen Anhänger Russlands in den anderen Ländern der Welt abstreiten. Und wenn im Fall mit der „D/LVR“ alles äußerst klar ist, so ist die Kooperation der russischen Geheimdienste mit der terroristischen Organisation ISIS bis heute nicht bewiesen worden, obwohl viele Experten mehrmals auf indirekte Indizien einer solchen Zusammenarbeit hinwiesen. Für Russland ist es dabei ziemlich günstig, ein Schreckgespenst im Nahen Osten zwecks Aufrechterhaltung seines Images eines „Verbündeten im Kampf gegen den internationalen Terrorismus“ zu haben.
Im Heute fehlen in den offenen Quellen direkte Beweise für Zusammenarbeit zwischen dem IS und der russischen Regierung. Einige Videos der Terroristen mit Hinrichtungen von angeblichen Mitarbeitern des russischen FSB sollen wohl jeglichen Verdacht vom Kreml abwenden. Der Präsidentenberater Wladislaw Surkow hat im Unterschied zu gemeinsamen Versammlungen mit den Donbas-Terorristen wie den Sitzungen des „Vereins der Donbas-Freiwilligen“ noch keine gemeinsamen Fotos mit den IS-Anführern gemacht und die russische Propaganda schreibt fleißig bei jeder Erwähnung des IS, dass es eine „in Russland verbotene Organisation ist“. Einige Fakten weisen aber darauf hin, dass die russischen Söldner im Donbas und die IS-Terorristen ein und dieselben Betreuer und Befehlshaber haben könnten.
2015 hatte InformNapalm Fakten der Anwesenheit von russischen Söldnern in Syrien aufgedeckt, die 2014 an den Kampfhandlungen im Donbas beteiligt waren. Es ist uns auch gelungen, neue Belege für die „syrische Dienstreise“ der Verteidiger der russischen Welt zu finden. Im Lauf des Monitorings von sozialen Netzwerken haben wir Fotos der russischen Söldner in Syrien vor militärischen Geländefahrzeugen Humvee gefunden, die der IS 2014 von der irakischen Armee erbeutet hatte.
Ins Blickfeld von InformNapalm ist ein Söldner geraten, womöglich ein regulärer Militärangehöriger der russischen Streitkräfte oder auch ein Söldner aus einem der russischen Privatmilitärunternehmen, die mit den russischen Geheimdiensten kooperieren.
Tamerlan Ruslanowitsch Gogajew. Deckname: „Ardon“. Geb. am 07.07.1987 in der Stadt Ardon im Nordossetien, Russland.
„Veteran“ der russischen Invasion nach Georgien 2008. Später, von 2011 bis Februar 2014, war er ein Zeitsoldat in einer Sonderabteilung der Innentruppen des Innenministeriums Russlands am Nordkaukasus. Seit August 2014 war er ein Mitglied der russischen terroristischen Formation „Sutj Vremeni“ (zu dt. „Das Wesen der Zeit“), wohin er womöglich als Betreuer hinzukommandiert wurde und deren Mitglieder später zur Bandenformation „Wostok“ übergingen.
In sozialen Netzwerken: VK1 (archiviertes Profil, Album, Kontakte), inaktiv seit 2016; VK2 (archiviertes Profil, Album, Kontakte), aktiv seit Dezember 2016; OK (archiviertes Profil, Album, Kontakte), aktiv zwischen 2011 und Februar 2017.
Interessanterweise figurieren sowohl Ardon als auch einige seiner „Kollegen“ aus der Bandenformation „Wostok“ als Gefallene in der desinformativen Liste der russischen „Menschenrechtlerin“ Elena Wasiljewa. In der Liste wird vermerkt: „Nr. 134, Deckname „Ardon“, bestätigt von Myrotworez. Name unbekannt“. Diese Behauptung der russischen Aktivistin lässt sich leicht widerlegen: das Zentrum „Myrotworez“ hat seinen Tod nie bestätigt, sondern nur einen Beitrag mit der Bitte gepostet, die Toten auf einem Foto zu identifizieren, darunter figurierte aber kein „Ardon“. Womöglich ist der Zweck dieser desinformativen Liste von Wasiljewa eine Deckung für die russische Agentur zu schaffen, deren Mission im Donbas beendet ist und die nun nach Syrien verlegt wurde.
Ausgehend von der Analyse der Fotoalben von „Ardon“, in die im Jahr 2016 Fotos der „DVR“-Söldner im Osten der Ukraine und die Bilder der regulären russischen Militärangehörigen am Nordkaukasus ( 1, 2, 3 ) abwechselnd hochgeladen wurden, kann man annehmen, dass das genannte Subjekt seine militärische Karriere 2014 nicht abgebrochen hatte. Höchstwahrscheinlich wechselte er vom Dienst bei den regulären Streitkräften zum Dienst bei einem privaten Militärunternehmen, unter deren Deckung die russischen Geheimdienste ihre Militäroperationen im Donbas und Syrien abwickeln.
Wenn die Fotos von Ardon aus dem Donbas und Nordkaukasus nichts ungewöhnliches aufweisen, so sehen einigen Fotos ( 4, 5 ) aus Syrien, die in sein OK-Profil am 3. Juni 2016 hochgeladen wurden, äußerst interessant aus. Dieselben Fotos wurden in seinem VK-Profil erneut gepostet: am 27. Juni und am 11. September 2016. Die Fotos mit bewaffneten Menschen vor einer Kolonne aus 5 militärischen Hummer in Sandfarbe und einer russischen standardmäßigen beweglichen Führungsstelle auf der Basis eines KamAZ sind wegen ihrer schlechten Qualität und verdeckten Gesichtern schwer zu analysieren.
Folgendes kann man aber mit Sicherheit sagen:
- Die Fotos stammen aus Syrien;
- Auf dem Foto posieren Russen in voller Kampfausrüstung, in standardmäßiger russischer Uniform „Gorka“, die auch bei den IS-Söldnern beliebt ist.
Anmerkung: Bei der Überprüfung der Quelle von syrischen Fotos im Service images.google haben wir festgestellt, dass die Erstquelle dieses Bildes vor der Hummer-Kolonne eine Publikation ist, die im Januar 2016 auf der Livejournal-Seite des Bloggers etoonda erschien. Der Google-Sucher hat keine Ergebnisse zum zweiten Foto ausgegeben, was darauf hinweist, dass das Foto tatsächlich von Ardon selbst stammen könnte.
Bewaffnete Menschen, die vor Hummer posieren, sehen nicht wie gewöhnliche russische Militärangehörige aus, die wir früher in Syrien identifizierten. Höchstwahrscheinlich ist es Speznas oder ein privates Militärunternehmen, womöglich sogar „zwei in einem“ – russischer Speznas, der in Syrien unter der Deckung eines privaten Militärunternehmens agiert. Schwer zu sagen, warum diese Fotos im Album von Ardon aufgetaucht sind. Wenn er oder seine Dienstkollegen keinen Bezug zur „syrischen Dienstreise“ haben, was ist der Sinn, diese Fotos bei sich zu veröffentlichen? Zur Auffüllung des eigenen Albums mit thematischen Bildern kann man wesentlich qualitativere Bilder finden.
So oder so, auf dem Foto mit den Humvee in Syrien posieren Russen. Wie bekannt, stehen diese amerikanischen Fahrzeuge nicht im Dienst der russischen Armee. Man könnte annehmen, dass dies die Hummer sind, die die russischen Militärangehörigen bei den ukrainischen Streitkräften im Donbas erbeutet hatten und später zwecks Provokationen nach Syrien verlegt haben. Die Antwort ist wahrscheinlich aber wesentlich trivialer: nach Angaben von einigen Quellen, sind mehr als 2000 Hummer, die die USA an die irakischen Behörden übergeben hatte, 2014 durch die IS-Söldner erbeutet worden. Einen Teil der Trophäen-Hummer haben die IS-Söldner nach Syrien verlegt.
Einige Zeit später posieren die Russen vor einigen solchen Fahrzeugen in Syrien. Wenn russische Militärangehörige diese Hummers in Syrien bei dem IS erbeutet hätten, hätte die russische Propaganda dieses Ereignis sich nicht entgehen lassen und der ganzen Welt von diesen „Trophäen“ erzählt. Das ist aber nie passiert – das Foto ist bloß in einige Blogs gelangt, ohne jegliche logische Erklärung. Es kommt die Frage auf, warum. Kann es sein, dass der Grund dafür ist, dass ein russisches privates Militärunternehmen in Koordination mit den IS-Söldnern arbeitet?
Als wir andere soziale Netzwerkprofile der Söldner analysierten, die im Donbas gekämpft hatten, haben wir weitere Bilder aus Syrien gefunden. Zum Beispiel, bei Wladimir Anatoljewitsch Saweljew, geb. 01.12.1971 in der Stadt Schachty, einem Söldner aus der „1. slawischen Brigade des Bataillons „Dixon“.
Vor kurzem hatte er in seinem Profil noch eine ganze Fotoserie aus dem Nahen Osten. Er posiert des Öfteren in der „Gorka“-Uniform.
Diese Publikation liefert keine direkten Beweise – sie stellt nur einige Fragen über eventuelle Verbindungen der russischen Geheimdienste und die Koordination ihrer Aktivitäten mit der terroristischen Formation ISIS. Die Spuren dieser Zusammenarbeit sind viel schwieriger zu finden, als eine Spur der „D/LVR“ zu dem Kreml. Aber die Blogger und OSINT-Aufklärer stoßen immer öfter auf indirekte Indizien dieses Tandems, wobei in den russischen Medien immer öfter Nachrichten erscheinen, die die Spur verwischen sollen. Die Wahrheit ist irgendwo in der Nähe…
Dieses Material wurde auf der Basis eigener OSINT-Untersuchung von Irakli Komakhidze und Al Gri in Zusammenarbeit mit Roman Burko exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel.
Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich (Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 ).
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
Besuchen Sie uns beim Facebook: InformNapalmDeutsch
No Responses to “ISIS und der Kreml: Trophäen-Humvee und das russische Befehlsfahrzeug in Syrien”