
Unser ganzes Leben lang wurde uns eingetrichtert, dass die berühmten Banderowzy und allgemein die ukrainischen Nationalisten mit den Nazis gleichzusetzen sind, wenn es den Genozid an den Juden angeht. Wie auch alles andere, was uns von den Bolschewiken mal aufgedrängt wurde, stellte sich auch das als eine Lüge heraus: Die ukrainischen Nationalisten waren verschiedener Gesinnung, und die roten Partisanen waren in ihrer Mehrzahl Antisemiten und Juden-Mörder. Weiß und Schwarz hörte auf zu existieren. Es wurde immer schwieriger. Es ist immer einfacher, alle mit einer Farbe einzuschmieren, Rot – die Juden-Retter, Blau-Gelb (oder rot-schwarz) – die Mörder.
In Wirklichkeit gab es die einen und die anderen auf beiden Seiten. Über die Roten habe ich bereits erzählt. Lasst uns jetzt über die ukrainischen Nationalisten sprechen. Ich schreibe vorrangig für die Juden. Die Ukrainer wissen inzwischen viel darüber, unter den Juden in meiner Generation und älter gibt es dagegen noch sehr viele Stereotypen. Und jegliche Versuche sie zu dementieren rufen sehr oft feindselige Reaktion hervor und man wird der Rechtfertigung der Mörder beschuldigt. Tatsächlich ist das hier aber ein Versuch, sich damit auseinanderzusetzen, wer Mörder war und wer nicht.
„Der Hass auf die Sowjetmacht wurde zu einer gemeinsamen Plattform für Zionisten und ukrainische Bourgeoisie-Nationalisten!“ schrieb die Zeitung „Radianska Ukraina“ („Sowjetische Ukraine“) im August 1971. Der Artikel hieß „Die Verschwörung der Verdammten“. Die Seiten der damaligen ukrainisch-sowjetischen Zeitschriftenpresse sind mit Titeln und Rubriken wie „Fakten gegen Zionisten“, „Die unheimlichen Lichter des blau-weißen Sterns“, „Das provokative Getue der Zionisten“ übersät. In den 70ern waren die Beziehungen zwischen der UdSSR und Tel-Aviv kritisch. Offensichtlich haben die Propagandisten die „sowjetischen Bürger“ nicht nur mithilfe der in Brüssel am 23. Februar 1971 abgehaltenen „Weltkonferenz für den Schutz der sowjetischen Juden“ einer Gehirnwäsche unterzogen. Ende der 60er Anfang – der 70er waren in den sowjetischen Konzentrationslagern viele junge Dissidenten aus der Ukraine, darunter auch viele Juden.
Genau diese, die mit den sowjetischen Lehrbüchern und Familiensagen über den Krieg großgewachsen sind, gaben nun mit allen möglichen Mitteln Informationen über die zu 25 Jahren verurteilten Soldaten der ukrainischen Armee an den Westen weiter. „Normalerweise“ hätten sie sich wahrscheinlich nie kennengelernt. Und hier nannte Michail Heifetz in seinem Buch „Ukrainische Silhouetten“ diese alten ukrainischen Soldaten die „heiligen Alten“. Es kam nämlich manchmal vor, dass ein junger Dissident der 60er zu einem Juden in die Zelle kam, der dort 20 Jahre Haft für „ukrainischen Bourgeoise-Nationalismus“ absaß. Und erst jetzt können wir über die Tragödie und den Kampf, der hinter diesem äußerst seltsamen Urteil standen, etwas erfahren.
Ärzte und Schützen
„Bis ich die entsprechenden Dokumente in die Hände bekam, dachte ich, dass die UPA mit den Faschisten zusammen gearbeitet habe,“ sagt der israelische Historiker Aaron Weiss, dessen Familie mit ihm von Ukrainern gerettet wurde. „Viele, die 1942 aus den Ghettos der westlichen Regionen der Ukraine geflohen sind, haben auf die eine oder andere Art ukrainische Aufständische getroffen. Das ist kein einfaches Bild, im größten Teil positiv gezeichnet,“ betont Professor Doctor Felix Lewitas: „Ich habe persönlich mit Dokumenten gearbeitet, aus denen hervorgeht, dass viele Juden sich selbst Waffen angeschafft und den ukrainischen Aufständischen angeschlossen haben. Aber die Einheiten waren unterschiedlich, die Feldkommandeure waren unterschiedlich.“ Felix Lewitas besitzt eine der größten Bibliotheken in der Ukraine zum Thema Faschismus und Hitlerismus, die er 20 Jahre lang gesammelt hat. Seine Dissertation zum Thema „Die Juden in der Ukraine während des Zweiten Weltkriegs“ verteidigte er 1997.
In den Archiven des Sorbonne-Professoren Wladimir Kosik gibt es Dokumente darüber, auf welche Weise die Juden in den Wäldern aufgetaucht sind. Die UPA organisierte massenhafte Aktionen zur Flucht von jüdischen Ärzten aus den Ghettos. Ein Teil der Aufständischen befand sich im schweren Zustand, es fehlte an Waffen und Proviant, und – nach den Materialien von Kosik – gab es viele aufständische Einheiten, die für die Flüchtlinge Lager für Zivilisten organisierten. Diese Lagerbewohner halfen den Aufständischen, und im Gegenzug beschützten die Aufständischen die Lager. Aus den Lagern suchte man Ärzte und junge kampfbereite Leute für die Kampfeinheiten aus. „Die Juden haben tapfer in UPA-Einheiten gekämpft, wir kennen keinen einzigen Fall von unehrenhaftem Verhalten von ihnen.“ schreibt der berühmte Historiker Jaroslaw Daschkewytsch.
„Sie alle haben ehrenhaft ihre Pflicht erfüllt, sie haben nicht nur Soldaten geholfen, sondern allen Bewohnern, ohne dabei die Kampftruppen zu verlassen, auch dann nicht, wenn sie die Möglichkeit hatten, zu den Roten überzulaufen. Viele von ihnen sind heldenhaft bei der Verteidigung von denselben Idealen gefallen, für die auch das ukrainische Volk kämpfte.“ – Mit diesen Worten bewertete der UPA-Befehlshaber Mykola Lebid in der vielbändigen Geschichte der UPA die Teilnahme von Juden in der ukrainischen Armee.
In mehreren verschiedenen Quellen wird Stella Krenzbach aus Roschnjatiw erwähnt, die in ihren Erinnerungen schrieb: „Ich verdanke der UPA meinen Leben“. Ein Teil ihrer Erinnerungen wurde von „New York Times“ veröffentlicht. Als sie Angestellte des Außenministeriums Israels wurde, überzeugte sie die Diplomaten, dass „der freie ukrainische Staat zu einer Garantie und einem Beweis des gerechten Friedens auf der Welt werden wird“. Stella Krenzbach schilderte, wie sie nach der Rückkehr der Sowjets durch ein Urteil des örtlichen NKWD zum Tode verurteilt wurde. Sie saß mit weiteren 42 Menschen in der Todeszelle. „Wir beteten die ganze Nacht und flehten zu Gott um ein Wunder. Morgens ist das Wunder tatsächlich geschehen: Die Tür ging laut auf – und wie sahen die bewaffneten Rebellen. Damals war die Kleinstadt Roschnjatiw vier Tage lang in den Händen der UPA. Ab dem Moment ging ich in den Untergrund, und mein Leben hat sich auf engste Weise mit dem Leben der Rebellen verflochten. Ich ging mit ihnen von einem Ort zum anderen, und so gelangte ich in die Karpaten, in ein Rebellen-Lazarett für Verwundete“. In ihrer Gruppe waren 12 Juden, acht davon Ärzte.
„Die deutsche Propaganda hat den Moment der ukrainisch-jüdischen Einigung sehr genau erkannt und versuchte diese zu zerstören,“ erzählt Felix Lewitas: „In den Archiven gibt es zwei deutsche Flugblätter. Im ersten heißt es: „Höre, ukrainisches Volk! Moskau erteilt geheime Befehle an die OUN. Aus den geheimen Befehlen, die wir in die Hände bekommen haben, sieht man, dass die Kreml-Juden in einer engen Beziehung zur OUN stehen, die angeblich gegen die Bolschewiken kämpft. In der OUN-Führung sitzen Agenten, die die Befehle des blutrünstigen Stalin und seiner jüdischen Helfer ausführen“. Im zweiten steht: „Was will die sogenannte UPA? Bewohner, denkt daran – die UPA beraubt das ukrainische Volk, mordet und entwürdigt es. Und wer ist der Anführer dieser Armee? Das sind Lemberger Juden und deren Helfer in Kreml!“
„Töte nicht!“
„Die Nazipropaganda hatte einen gewissen Einfluss auf einen bestimmten Teil der Gesellschaft,“ meint Felix Lewitas: „Die ukrainischen Politiker hatten keinen gemeinsamen Standpunkt in Bezug auf die „jüdische Frage“. In den westlichen Regionen der Ukraine wandten sich die OUN-Mitglieder wie der Autor und Publizist Jurij Lipa, der Redakteur und Ökonom Lew Lukaschewitsch und der berühmte Dichter Jewhen Malaniuk entschieden gegen die Methoden und Provokationen Hitlers. Aus den Dokumente geht hervor, dass ein gewisser Anteil der OUN-Mitglieder unsicher war, ein anderer Teil meinte, dass man dem deutschen Weg folgen sollte“. Unterdessen reagierten die Nazis auf den Akt der Wiederherstellung des Ukrainischen Staates vom 30. Juni 1941 mit Massenrepressionen, Konzentrationslager, und genauer gesagt Auschwitz. Die OUN-Mitglieder, die nach Auschwitz kamen, gehörten zu den Ersten, die die Wahrheit über die Massenhinrichtungen jüdischer Bevölkerung berichteten, unter anderem auch über die Vernichtung in den Gaskammern.
Neue Untersuchungen werfen ein Licht auf die Frage, warum die Armee von Borowez-Bulba aufgelöst wurde. SS-Vertreter hatten die Einheit „Polesische Sitsch“ aufgefordert, sich an den Strafaktionen gegen die jüdische Bevölkerung zu beteiligen. Die meisten Kosaken haben dies abgelehnt. Daraufhin entstand ein Konflikt mit der SS. Die Geschichtswissenschaftlerin Schanna Kowba forscht seit Jahren über die ukrainisch-jüdischen Beziehungen in Galizien. Sie präsentiert eine Zeugenaussage von Iwan Charyw aus der Gegend von Sambir, der im August-Oktober 1941 vier jüdischen Frauen und einem Mann Essen in ein Versteck in den Wäldern brachte. Dorfbewohner haben heimlich Lebensmittel für sie gesammelt. Später erfuhr Iwan aus den Erzählungen seines Vaters, dass das Versteck von einem Kollaborateur aus dem Nachbardorf verraten wurde. Der Kollaborateur diente bei der deutschen Polizei und wurde 1943 von der UPA getötet.
Die Einstellung der einheimischen Bevölkerung kann man aus den damaligen Hitler treuen Zeitungen erkennen. Die „Sambirska Gazeta“ („Sambirer Zeitung“) aus dem Gebiet Lwiw berichtete am 1. März 1944: „Wegen Verstecken und Beistand von Juden wurden folgende Personen hingerichtet: Kryschowska Maria, Dmytrowska Sofia, Suchorutsch Stepan, Kortschmar Maria, Maslar Hanna, Nazar Maria, Kuliak Mykola, Kowaltschuk Mychailo, Suschtsch Nastja, Ukrainer“.
„Diese Zeitungen bieten viel Material für die Forscher, die dadurch erkennen werden, dass sich die einheimische Bevölkerung dem Genozid an den Juden widersetzte,“ sagt Felix Lewitas.
Metropolit Andrej Scheptyzkyj lebte die Völkerverständigung durch seine eigene Liebe vor. Bereits 1913 hatte er sich gegen den Prozess „Beilis-Affäre“ ausgesprochen, der in Kyjiw durch die Organisation der Schwarzen Hundertschaft fabriziert worden war. 1939 sagte er in einem Interview für die zionistische Organisation Galiziens, dass er schon immer ein Befürworter der Wiederbelebung des jüdischen Volkes und des Wiederaufbaus des jüdischen Staates war. Unter dem Einfluss des Oberhaupts der Ukrainischen Griechisch-Katholischen Kirche wurden in den Kirchen und Klöstern Hunderte von Juden von Galiziern gerettet. Unter der persönlichen Obhut von Scheptyzkyj haben 15 Rabbiner überlebt (Dawid Kagan, der von Scheptyzkyj gerettet wurde, war in den 70ern Oberrabbiner von Tel Aviv). Im November 1942 veröffentlichte Scheptyzkyj seinen Brief „Töte nicht!“. In dem Brief rief er die Ukrainer dazu auf, die deutschen Nazi-Provokationen nicht zu unterstützen.
Verbrecher und Friedensmacher der Geschichte
Antijüdische Agitation in der Ukraine wurde sowohl von den Nazis als auch von den Bolschewiken betrieben. „Die Nazis brachten eine mächtige Propaganda-Maschine mit sich, die meisterhaft mit den komplizierten ukrainisch-jüdischen Beziehungen, die im Laufe der Geschichte entstanden waren, spielte,“ erzählt der Historiker Felix Lewitas.
Nachdem sie Lemberg besetzt hatten, führten die Nazis unvorstellbare Provokationen aus. Sie öffneten die Türen des Lemberger Gefängnisses, wo der NKWD am Tag zuvor Massenhinrichtungen begangen hatte, und behaupteten, dies sei das „Handwerk der Juden“ gewesen. Es hieß, alle Juden seien NKWD-Mitarbeiter, die gnadenlos das ukrainische Volk vernichteten. Den Dokumenten der Nazis zufolge, reagierte die Mehrheit der einheimischen Bevölkerung auf diese Provokation nicht. Ausgenommen die Kollaborateure in der deutschen Polizei. Obwohl NKWD-Angehörige die Gesichter der Erschossenen mit Chlor und Säure übergossen haben, konnte man unter den Toten im Hof des Lemberger Gefängnisses mehrere Rabbiner und Mitglieder jüdischer Parteien sowie gesellschaftlicher Organisationen erkennen.
Im Laufe des Kampfes gegen die Bolschewiken haben die Banderowzy die radikalsten Ideen des totalitären Nationalismus aufgegeben und änderten das Motto „Die Ukraine für die Ukrainer“ in ein anderes: „Freiheit für die Völker – Freiheit für den Menschen!“
Im Februar-März 1943 haben Nationalisten im griechisch-orthodoxen Wolhynien die UPA gegründet. Die aufständische Armee nahm mehrere Tausende Ukrainer sowie Vertreter anderer Nationen in ihre Reihen auf: Tataren, Georgier, Aserbaidschaner, Armenier, Usbeken und Russen. Ende 1943 zählte sie etwa 15.000 Rebellen, die sich auf eine verzweigte Struktur des Bandera-Untergrundes sowie die breite Unterstützung des Volkes stützten.
In dieser Phase der ukrainischen Freiheitsbewegung wurden Einsätze von Juden dokumentarisch festgehalten. So beschreibt der Vorsitzende der OUN von 1941-1943 Mykola Lebid den Einsatz von Juden im ukrainischen Widerstand: „Die Mehrheit der Ärzte bei der UPA waren Juden, die die UPA vor den Nazis gerettet hat. Die jüdischen Ärzte wurden als gleichberechtigte Bürger der Ukraine und Befehlshaber der ukrainischen Armee angesehen. Hier sollte man betonen, dass sie alle ehrlich ihre schwere Pflichten erfüllten. Sie halfen nicht nur den Soldaten, sondern der ganzen Bevölkerung, sie bereisten verschiedene Gebiete, organisierten Feldlazarette und Kliniken in den Ortschaften. In den schwersten Situationen verließen sie die Kampfreihen nicht, auch wenn sie die Möglichkeit hatten, zu den Roten überzulaufen. Viele von ihnen sind heldenhaft im Kampf für dieselben Ideale gefallen, für die das ganze restliche ukrainische Volk kämpfte.“
In einem Funkspruch an das „Zentrum“ (NKWD) vom 30. Oktober 1943 berichten Begma und Timofejew – die Befehlshaber einer kommunistischen Partisaneneinheit: „In Dubrowyzja haben die Nationalisten alle Schneider für die Herstellung warmer Winterkleidung mobilisiert. Anhand der letzten Anordnung aus dem Hauptquartier nehmen die Nationalisten zurzeit alle außer Polen bei sich auf. Momentan gibt es unter den Nationalisten viele Juden, hauptsächlich Ärzte“.
Die sowjetischen repressiven Organe haben ebenfalls den Einsatz von Juden in der UPA erwähnt. In einer Sonderdienstmeldung des Leiters für Spionageabwehr „Smersch“ der 1. Ukrainischen Front, Generalmajor Osjotrow, an den Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Ukraine, Nikita Chruschtschow, wird von der Festnahme eines „aktiven Mitglieds der OUN, eines Juden“ namens Lejba Iosifowitsch Dobrowski (Pseudonym „Waleri“) am 1. Februar 1944 berichtet. Aus dem Text folgt, dass er 1910 in der Ortschaft Olschanizja, in der Nähe von Rokytne bei Kyjiw, geboren wurde und zwischen 1929 und 1941 ein Mitglied der Kommunistischen Partei (WKP) war“. Er studierte Rechtswissenschaften an Kyjiwer Universität. Am Anfang des deutsch-sowjetischen Krieges wurde er in die Rote Armee einberufen. 1941 wurde er im Kampf verwundet und geriet in deutsche Gefangenschaft. Weil er seinen Namen und die Nationalität aber auf einen Ukrainer namens Leonid Panfilowitsch Dobrowskij geändert hatte, gelang ihm die Flucht aus der Nazi-Gefangenschaft. Er setzte sich in der Stadt Riwne ab und nahm Ende 1941 Verbindung zur Organisation der Ukrainischen Nationalisten auf. Mit Beginn des bewaffneten Widerstands in 1943 wurde er Mitarbeiter der politischen Abteilung der Ukrainischen Aufständischen Armee. Hier sollte man betonen, dass es sich dabei um die höchste politische Struktur der UPA handelte. Während der Arbeit in der Politabteilung, schrieb Leiba Dobrowski eine Reihe „konterrevolutionäre nationalistische Flugblätter, Broschüren und Aufrufe“, in denen er die „Sowjetunion verleumdete“ und verkündete, „dass Moskau die nichtrussischen Völker unterdrücke“, zudem rief er die unterdrückten Völker „zum bewaffneten Kampf gegen den sowjetischen Staat“ auf. Unter den von ihm vorbereiteten Materialien gibt es Aufrufe an das usbekische, tadschikische, armenische und andere Völker. Im August 1943 schrieb der Angeklagte eine Broschüre „Wie der Moskauer Zarismus die Völker unterdrückte““.
Interessant ist, dass gemäß diesem Dokument nicht die Nationalisten ihn in die OUN hineingezogen haben, sondern er selbst „die Verbindung zu den Banderowzy aufnahm“ (unter einem Schlagstock kann man wohl kaum feurige Aufrufe und Broschüren schreiben). Übrigens, über ähnliche Initiativen von anderen Juden zeugt ein Ausschnitt aus dem Bericht eines Hinterland-Leiters eines UPA-Wehrkreises „Sarewo“ (dt. „Morgenröte“), der die Situation in der Nähe der Stadt Kostopil nahe Rowno im August 1943 beschreibt: „Es gibt in diesen drei Regionen keine Volksminderheiten, ausgenommen ein paar Juden, die vor kurzem freiwillig zu uns zum Arbeiten kamen…“ .
Einer der besten Ärzte in einem UPA-Trupp, der den Namen Iwan Bohun trug und in der südlichen Region von Wolhynien stationiert war, war Ader Wanderarzt Schaja Dawydowitsch Warma (Pseudonym „Geigenspieler“). Wenn man dem Protokoll des Verhörs nach seiner Festnahme durch den NKWD im August 1944 folgt, ist er 1909 in Warschau geboren. Ein Jahr studierte er in Frankreich, 1937 beendete er sein Medizinstudium in Warschau, seine Frau hieß Bronislawa. Bis 1939 arbeitete er in einem jüdischen Hospital in Warschau. Später, während des deutsch-polnischen Krieges, flüchtete er vor den Nazis in das Städtchen Wolodymyr-Wolynskyj in der Westukraine. Dort arbeitete er als Epidemiologe und wurde später Arzt einer Ambulanz in einem kleinen Dorf, in dem er auch während der deutschen Besatzung arbeitete. Im Mai 1943 wurde er in die UPA aufgenommen und blieb dort bis August 1944. Dabei behandelte er, nach seinen eigenen Angaben während des Verhörs, 200 ukrainische Rebellen.
Uns liegen die Erinnerungen der ehemaligen UPA-Aufklärerin Halyna Ostrowezka (Pseudonym „Kochanska“) über Schaja Warma vor: „Warma war ein guter Arzt, der unter Bunker-Bedingungen komplizierte Eingriffe durchführte, er konnte wunderbar Geige spielen, von der er sich niemals trennte. Er hat sogar das Pseudonym „Geigenspieler“ bekommen. Wenn es eine freie Minute gab, versammelten sich die Aufständischen auf einer Waldlichtung und haben Warma gebeten, für sie zu spielen. Alle haben ihn geliebt und sorgten sich um ihn“. Nach der Aussage von Halyna Ostrowezka, wurde Schaja Warma wegen seiner Tätigkeit in der UPA zu 20 Jahren Konzentrationslager verurteilt.
Den Erinnerungen des Kommandeurs einer UPA-Hundertschaft W.Ninowski zufolge, der im nördlichen dicht bewaldeten Teil des Gebiets Riwne kämpfte, hatte er in seinem Bataillon einen Juden mit dem Pseudonym „Tschornyj“ („Schwarzer“) als Arzt. Der Autor erzählte, dass Doktor „Tschornyj“, wenn es viele Verwundete gab, außer der UPA regelmäßig auch andere Sanitätsstellen besuchte, um Dorfbewohnern Hilfe zu leisten, da es sonst keine anderen Ärzte in dieser Region gab.
Quelle: „Korni“
Die Ehefrau von Roman Schuchewytsch, Nataliya, versteckte bei sich vom September 1942 bis Februar 1943 ein jüdisches Mädchen aus der Nachbarschaft namens Irina Reichenberg. Schuchewytsch hat bei der Anfertigung neuer Papiere für das Mädchen geholfen, nach welchen sie dann den ukrainischen Namen Iryna Ryschko trug und Tochter eines gefallenen Offiziers der Roten Armee war. Nachdem Nataliya Schuchewytsch von der Gestapo verhaftet worden war, brachte Roman Schuchewyytsch das Mädchen in ein Waisenhaus beim griechisch-katholischen Bassilianerkloster im Ort Pylypiw nahe Kulykiw, 30 km von Lwiw entfernt. Diese Information ist erst 2008 bekannt geworden, nachdem der SBU die Archive publik gemacht hatte.
„Die ukrainische Nationalistenbewegung war nicht antisemitisch. Anführer der Bandera-Bewegung retteten Juden in den Jahren des Holoсaust und kämpften mit ihnen zusammen in den Reihen der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA),“ sagt der Historiker Wiatrowytsch, basierend auf den veröffentlichten KGB-Archiven.
Zusammenfassung:
- In der Ukraine gab es Antisemitismus, aber dessen Organisatoren und Inspiratoren waren zunächst Zaren-Russland und später Hitler-Deutschland.
- Bis 1941 hob die OUN die Juden in ihrem Kampf in keinster Weise hervor
- 1941 wurden die Juden hervorgehoben. Es gab Aufrufe, sie als Helfer der Bolschewiken zu bekämpfen, wobei auf die Sinnlosigkeit von Pogromen hingewiesen wurde, da diese als Moskaus Waffe wahrgenommen wurden, den Zorn des Volkes von sich auf jemand anderen umzulenken.
- Stepan Bandera selbst befand sich von 1941 bis 1944 in deutscher Haft und war an der Entstehung der UPA nicht beteiligt, ist aber eine ihrer Symbolfiguren.
- Nach der Befreiung der Ukraine von den deutschen Nazis wurde als erster von der OUN verabschiedeter Akt 1944 beschlossen, sich an keinerlei Kämpfen gegen die Juden zu beteiligen. Die Juden wurden auf die gleiche Ebene mit allen anderen Nationalitäten gestellt, denen Kultur- und Glaubensfreiheit garantiert wurde.
- Alle Dokumente, die die Beteiligung von Mitgliedern der OUN-UPA am Genozid der Juden belegen sollten, wurden in den Nürnberger Prozessen und später auch vom amerikanischen Kongress in seiner Sitzung bezüglich der Naziverbrechen abgewiesen.
Zum Schluss wiederhole ich das am Anfang Gesagte: Es gab unter den ukrainischen Aufständischen Verbrecher, Mörder und Antisemiten – genauso wie es sie unter den Roten Partisanen gab. Unsere Aufgabe ist die ganze Wahrheit zu erfahren, anstatt sich nur einzelne Stückchen davon herauszufischen.
Autor: Alexej Schelesnow; übersetzt von Zoya Schoriwna/ Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf den Autor und unsere Quelle erforderlich.
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