
„Persischer Transit 2.0: Wie Russland nach dem Vorfall in der Türkei Waffen in den Nahen Osten liefern wird“ – unter so einem Titel erschien am 29. November 2015 auf der russischen Website lenta.ru ein Artikel, in dem ein dreister Plan zu einem Transitkorridor vorgestellt wird, unter völliger Ignorierung der Meinung der Transitstaaten.
Hier ein paar Auszüge:
KfZ-Verkehr. „Landverkehr zwischen Russland und Iran über Transkaukasien ist nur mithilfe der Transitstrassen möglich: entlang des Kaspischen Meeres über Dagestan und Aserbaidschan und über die Georgische Heerstrasse durch den Kreuzpass – aus Nordossetien nach Georgien und weiter durch Armenien nach Iran. Bequemer ist dabei die Transkaukasische Fernstraße, die Russland mit Iran über Südossetien (durch Russland okkupierte Zchinwali-Region Georgiens), Georgien und Armenien verbindet. Zugleich beendete Russland vorzeitig die Modernisierungs- und Erweiterungsarbeiten im Roki-Tunnel, was das Transitpotential der Transkaukasischen Fernstrasse bedeutend vergrösserte“.
Eisenbahnverkehr. „Anfang August begannen die Eisenbahntruppen Russlands die Wiederherstellung der Abchasischen Eisenbahn auf der Strecke Otschamtschira-Inguri (Administrative Grenze des von Russland okkupierten Abchasiens und Georgiens).
Resümiert wird im Artikel auf folgende Weise: „Die Eröffnung der Landkorridore aus Russland nach Iran und ihre Nutzung für die Beförderung von militärischer und strategischer Fracht stößt auf das Problem der Transitstaaten. Die östliche Route des Korridors „Norden-Süden“ verläuft über das Territorium des neutralen Turkmenistan, das keine Truppenverlegung über sein Territorium erlauben wird. Die Route über das Territorium von Aserbaidschan ist für Iran nicht ganz passend. Die georgischen Routen sind wegen des Konflikts mit Russland, Südossetien und Abchasien blockiert. Zugleich werden im Herbst 2016 in Georgien weitere Parlamentswahlen abgehalten, und Veränderungen in den Machtstrukturen könnten zu einer Entblockung der Transit-Routen führen.
Die Kompetenz des Autors sei dahingestellt, zumal das Material offensichtlich provokative Elemente beinhaltet. Aber es gibt einen Anlass zur Sorge. Seine „Schlussfolgerungen“ basieren auf Fakten wie auch auf der Information aus kremlischen Quellen – und offensichtlich zeichnen sie schon Transitschemas, darunter auch durch Georgien.
In diesem Zusammenhang möchte man sich gleich an Gerüchte über die Verhandlungen hinter den Kulissen erinnern, wo es um eine mögliche Eröffnung eines Eisenbahnverkehrs aus Russland nach Armenien über das okkupierte Abchasien (Georgien) ging, wo diesen Sommer die russischen Eisenbahntruppen die Bahnstrecken teilweise wiederhergestellt haben.
Aus den letzten Verhandlungen zwischen Georgien und Russland im „Abaschidze-Karasin“- Format hat man die Message erhalten, dass Russland für Georgien ein „Zuckerbrot“ in Form der Erleichterung des Visa-Regimes mit Georgien bereithält, das es vor 10 Jahren selber einseitig eingeführt hatte.
Ergänzen wir das alles noch mit den geheimnisumwitterten Verhandlungen zwischen dem russischen Gasprom und einigen Vertretern der georgischen Regierung, die wohl mit einer russischen Gasexpansion nach Georgien einhergehen.
Alle Kontakte Georgiens mit Russland sind sehr verschleiert – die Information zu den hier vorgelegten „Nachrichten“ erhält die georgische Öffentlichkeit aus dritter Hand, oder sie wird durch die russische Seite bekanntgegeben, woraufhin georgische Politiker die eine oder andere Tatsache widerwillig zugeben müssen, wobei sie stets behaupten, dass das alles zu Nutzen Georgiens ist und keinerlei Gefahr beinhaltet.
Man sollte auch die Februar-März Ereignisse nicht vergessen, als in Tiflis und anderen Regionen Georgiens zu gleicher Zeit „UFOs“ festgehalten wurden: Unbekannte Fahrende Objekte in Form des Transittransports oder aber ausgemusterten russischen Militär-LKWs. Nach Meinung der nüchtern denkenden Georgiern aber, sah das alles nach einem Abtasten der Reaktion von Georgiern auf solches Vorgehen aus. Es gab auch andere Versuche, die öffentliche Meinung abzutasten, wie von innen so auch von aussen.
Wenn man noch die Möglichkeit der Schließung von türkischen Golfen für russische Flotte miteinbezieht, so wird ein solches Transitschema immer realer, und Gründe zur Sorge – grösser. Um so mehr, da Russland wie im infrastruktur-technischen so auch im militärischen Sinne zur Verwirklichung seines Transitplans bereit ist.
Nun ist Georgien an der Reihe, welches Standhaftigkeit und Prinzipientreue beweisen muss und soll, und sich auf keinen Fall auf die verlogene Politik des russischen Zuckerbrots einlassen darf.
Ja, die Skeptiker werden sagen, dass es billiger und sicherer ist, die militärischen Konvois über das Kaspische Meer zu transportieren, dann verlieren aber russische Investitionen in die Infrastruktur ihren Sinn, die gerade auf der georgischen Route verwirklicht werden, zumal wenn Russland auf diese Route verzichtet, es die Möglichkeit zur Realisation seiner Absicht Georgien zu „verschlucken“ verliert.
Man darf gar keinen russischen Transit und auch gar keinen Handel bezüglich dieser Frage zulassen, denn in dem Fall wird Georgien automatisch in den nahöstlichen Konflikt mit hineingezogen und wird sich unter dem russischen „Deckel“ wiederfinden.
Ja, es besteht die Gefahr, dass sich Russland dreist und provokativ einen Korridor nach Armenien durchschlägt, unter Einsatz der militärischen Komponente. Jetzt wie nie sollten die Georgier wachsam sein, ihre Einigkeit und starken Willen zeigen, und für eine Zeit lang über ihre innenpolitischen Reibungen vergessen. Aber dazu ist Georgien auch ein souveräner Staat und hat eigene Streitkräfte, deren Pflicht es ist, auf diese Art von Bedrohung zu reagieren.
Und wenn wir zu kämpfen gezwungen werden, werden wir überstehen, denn in diesem Kampf werden wir nicht allein sein. Wenn wir dem russischen Transit aber einen „roten Teppich“ auslegen, wird die Unabhängigkeit Georgiens damit beendet sein.
Dieses Material wurde von Irakli Komaxidze exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
СС BY 4.0
One Response to “Kaukasischer Transit: Georgien unter Bedrohung des Verlustes seiner Souveränität”
07/04/2016
Bergkarabach: Russland droht dem Südkaukasus mit der Keule - InformNapalm.org (Deutsch)[…] halbes Jahr ist seit der Veröffentlichung unseres Artikels “Kaukasischer Transit: Georgien unter Bedrohung des Verlusts seiner Souveränität” vergangen, in dem wir über Kremls Pläne, einen Transportkorridor durch Georgien nach Armenien und […]