
Noch eine Portion der wirtschaftlichen Finsternis aus Russland. Analyse von Ania Dorn auf dem Hintergrund der internationalen Nachrichten, die Russland direkt betreffen:
An der Stelle ein paar wichtigste internationale Nachrichten (ich werde manche juristische und finanzielle Nuancen erklären), die Russland direkt betreffen: Frankreich und Österreich haben die belgische Initiative unterstützt und das russische Eigentum auf ihren Territorien beschlagnahmt – als eine Kompensation für JUKOS-Forderungen (als nächstes kommen wohl die Niederlanden, und dann, wie Tim Osbourne bereits gewarnt hat, der in Den Haag die Interessen der Kläger vertrat, werden analoge Beschlagnahmungen auch in den USA, Grossbritannien und Deutschland stattfinden).
Und, wie es eben von einem de-facto Barbarenstaat zu erwarten war, droht Russland nun auf die Beschlagnahme seines Eigentums in Belgien mit einer illegalen, grundlosen Gegenbeschlagnahme des belgischen Eigentums auf unserem Territorium zu antworten. Wie auch mit der Anfechtung der Klagen, indem es erklärt, dass es nicht für nötig hält, eine Kompensation für Forderungen auszuzahlen, und dementsprechend auch nicht zahlen wird. Womit es für das russische Budget einhergeht… ich erkläre erst mal allgemeinzugänglich die Situation mit den europäischen Gerichtshöfen, dann wird auch alles andere verständlich. Wenn der Verklagte eine materielle Klage bei einem beliebigen internationalen europäischen Gerichtshof verliert, verpflichtet er sich, zur gegebener Zeit eine Summe laut dem Gerichtsentscheid auszuzahlen, unabhängig davon, ob er nun eine Berufung einlegte oder einlegen wird.
In dem Fall, wo der Verklagte in der Berufung obsiegt oder teilweise obsiegt, wird die Summe, die durch die Klage eingetrieben wurde, oder ein Teil dieser Summe, zurückerstattet. Für Nichtauszahlungen der Klagen werden Prozente nach der Formel berechnet, die in den Gerichtsentscheidungen vorgesehen wurde (übrigens hängen all die Gerichtsentscheide im PDF-Format im öffentlichen Zugang auf den Webseiten der europäischen Gerichtshöfe).
Wenn der Verklagte den Entscheid des internationalen europäischen Gerichtshofs ignorierte, sinken seine Chancen auf den Erfolg bei der Berufung um einiges – faktisch wird dieser mythisch. Zum jetzigen Zeitpunkt beträgt die Summe, die nach JUKOS-Klagen verloren wurde, 50 Milliarden Dollar- das sind 10% des russischen Budgets, und ab dem 15. Januar dieses Jahres werden wegen Russlands Ablehnung täglich 2,6 Millionen Dollar Strafe dazugerechnet, was in der Gesamtsumme bereits 400 Millionen Dollar beträgt.
Und je grösser die Ziffer der Klagen und Prozente wird, desto schmerzhafter wird es für das russische Budget. Und wenn wir nicht aufhören, die europäischen Gerichtshöfe mit dem Mytischinski-Gericht (Vorort von Moskau) zu verwechseln, so kann diese Banditen-Konfrontation gegenüber ihren rechtmässigen Entscheiden nicht nur mit einer Vermögensbeschlagnahme RF in allen zivilisierten Ländern enden, sondern mit einer Beschlagnahmung der Auszahlungssummen für die Rohstofflieferungen nach langfristigen internationalen Verträgen – also der 50% von Vertragssummen, wobei die langfristigen Staatsverträge nicht auf 3-5 Jahre, wie im kleinen Geschäft, sondern auf 15-50 Jahre angelegt sind.
Und das bei der Unentbehrlichkeit ihre Bedingungen zu erfüllen und trotzdem die Lieferungen der Rohstoffe weiterzumachen. Dementsprechend nehmen wir mal an, dass bei der für uns günstigsten Situation auf dem Weltmarkt das Erdöl 70$ für Barrel kosten wird- so sind es 35$ in unser Budget (wobei sich ein grosser Teil dieser 35$ noch, wie es bei uns üblich ist, in den Offshore-Konten unserer Führer und Regierungsmitglieder auflösen wird- und sie werden nicht stoppen wollen) und die russische Wirtschaft wird bildlich gesprochen Blut spucken.
Wenn der Erdölpreis aber bis zu 50-55$ für Barrel sinkt (und so eine Situation auf dem Weltmarkt zu erschaffen, zumindest temporär, ist durchaus möglich), so sind 25-27$ für uns – ein totaler wirtschaftlicher Einsturz, woher wir noch 80-100 Jahre lang herauskriechen werden- unter Einnahme dessen, dass wir noch eine Reihe Klagen bei europäischen Gerichtshöfen verlieren werden (bin ich mir faktisch sicher): wegen der Krim und des Krieges in der Ukraine, und höchstwahrscheinlich auch wegen der Boeing (wenn diese Situation auf höchstem Niveau nicht gegen irgendwas unter dem Teppich ausgetauscht wird, was immer unwahrscheinlicher wird). Am Ende drohen uns 100-120 Finanzreparationen an die von uns Beschädigten – wie Menschen, so auch Länder.
Plus fordern die USA (bürgerliche Kläger sind kein Staat) die Rückzahlung der UdSSR-Schulden, die wir als Rechtsnachfolger vererbt haben, und das 20-jährige Moratorium auf die Einforderung derer am 20. Mai dieses Jahres ausgelaufen ist (formell war es bereits Dezember 2013 abgelaufen, aber seine informelle Aufhebung erforderte einen zusätzlichen Erlass des US-Präsidenten, den es eben Ende Mai gab).
Da sind Summen nicht in Milliarden, sondern in Trillionen. Unser Stabilisierungsfonds wurde übrigens infolge eines regierungsamtlichen Abenteuers 2013 in den USA untergebracht, hauptsächlich in Form der aufgekauften Schuldverschreibungen ausländischer Staaten, und ein Teil davon, der sich in Russland befindet- entsprechend der Mai-Erklärung des Finanzministers- wird in der ersten Hälfte 2016 aufgebraucht.
Dem Finanzministerium, das den Reservefonds und den Fonds des Nationalen Wohlstands besitzt, gehören 152,1 Milliarden Dollar aus dem Gesamtvolumen der internationalen Reserven RF. Der restliche Teil- 208 Milliarden Dollar- befindet sich in der Verfügung der Bank Russlands. Entsprechend der Rechenschaftslegung der Zentralen Bank, befindet sich kein einziger Cent aus dieser Summe auf unserem Territorium. Und im Falle aller Fälle wird dieses Geld selbstverständlich beschlagnahmt. Die Situation mit den Verlusten auf dem internationalen Gasmarkt und mit der chinesischen Expansion erklärte ich recht eingängig im Artikel „Drei verlorene Kriege: Gas, Land und Menschlichkeit“ bereits vorher.
Und in unseren Rentenfonds sind die Beamten bereits in vollem Ausmass eingedrungen.
Und nebenbei hat auch Herr Erdogan gestern in Baku Putin total angegriffen- mit einem detaillierten Bericht über die Massenverfolgung der Krimtataren in Russland; und falls Ihr nicht vergessen habt, verlegen wir gerade eine Gaspipeline nach Türkei – und noch ist unbekannt, welche Entscheidungen der türkischen Regierung in Verbindung damit getroffen werden, falls sich in unserem Land alles im gleichen Sinne weiter fortsetzt.
Und nun, meine Herrschaften und ihre Kameraden, die mit ihrer Mentalität fest in der Sowjetzeit stecken geblieben sind, – möchte ich Euch doch bitten, Euer Gehirn anzuwerfen und darüber nachzudenken, was uns alle, und am Wichtigsten – was unsere Kinder und Enkelkinder, in einer absehbaren Zukunft erwartet, wenn bislang die schlimmsten Befürchtungen und Prognosen- und nicht mal die der Liberalen, oder der Komplizen vom US-Aussenministerium und auch nicht die der 5. Kolonne, sondern die Euer gutgebildeten und intellektuell entwickelten Mitbürger, die um das Schicksal ihres Landes besorgt sind- wenn sie sich alle der Reihe nach bewahrheiteten.
Und, was auch zu erwarten war: die EU setzt die antirussischen Sanktionen ohne zusätzliche Besprechungen am Freitag fort (für Europa ist es allerdings nun wirklich keine Nachricht).
Wenn aber Russland nun illegal (im Sinne des internationalen Rechts) das Eigentum von Belgien beschlagnahmt, so werden die sanktionellen Schraubenmütter wohl so dermassen zugedreht, dass die Folgen der vorigen Sanktionen, die die Hauptbevölkerung (die sich dran gewöhnt hat, entschuldigen Sie mich, aber im Dreck zu leben, denn anders kann man dieses Lebensniveau im Vergleich zum zivilisierten nicht nennen) im Unterschied zur selbstsicheren Mittelklasse und den Geschäftsbesitzern noch gar nicht auf der eigenen Haut richtig gespürt hat, uns wie ein Fest erscheinen werden. Und am Ende wird für uns zum grössten aller offensichtlichen Risiken die Abschaltung vom SWIFT-System in den nächsten Monaten (zum Beispiel zum Winter), was uns dann absolut alle betreffen wird, sogar jene, denen noch leider gar nicht bewusst ist, in was für einer Patt-Situation sich die Wirtschaft meines und Ihres gemeinsamen Landes befindet.
Dieses Material wurde von Ania Dorn vorbereitet und InformNapalm exklusiv zur Verfügung gestellt; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf den Autor und unser Projekt erforderlich.
2 Responses to “Russlands Streben nach einer stockfinsteren Zukunft.”
14/08/2015
Die Moral von der Geschichte: der Triumph der Ignoranz über das Leben. - InformNapalm.org (Deutsch)[…] – „Russlands Streben nach einer stockfinsteren Zukunft“; […]
30/08/2015
Ukraine und die Kunst der Erschöpfung - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Die russische Wirtschaft ist ebenfalls geschrumpft, obwohl nicht so stark wie die Ukraine. Während die Ukraine unter russischen Strafmaßnahmen leiden musste, wurde Russland mit Wirtschaftssanktionen belastet, die bisher bis zu rund 100 Mrd. US$ kosteten. Dazu kamen andere Reizthemen wie die Entscheidung von Den Haag, wonach 50 Mrd. US$ Schadenersatz zu bezahlen sind an die ehemaligen Investoren von Yukos. Das ist die Firma, die vor über zehn Jahren durch den russischen Staat zwangsaufgelöst wurde. Darüber hinaus erlitt die russische Wirtschaft durch Ölpreisverfall und Kurseinbrüche des Rubels Verluste. Das BIP wird voraussichtlich im Jahr 2015 um 3,5% schrumpfen. Die Kapitalflucht setzt sich fort. Sie lag im Jahr 2014 bei 150 Mrd. US$. Die Prognose für das Jahr 2015 sieht 100 Mrd. US$ vor. Für die Verbraucher ein sehr ernstes Problem ist eine Inflation, die deutlich über dem Wachstum der Löhne liegt. Im Gegensatz zur Ukraine wurde wenig getan um die russische Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und die Korruption zu bekämpfen. Angesichts dieses Drucks wird Putins Strategie beschrieben als ein „Aussitzen und auf Zeit spielen“. Warten auf eine Erholung der Erdölpreise und des Rubel, damit er seine geopolitischen Prioritäten weiter verfolgen kann. In einer an den Westen gerichteten Rede in St. Petersburg im Juni erinnerte er seine Zuhörer an Warnungen, dass es eine „tiefe Krise“ geben könne. Stattdessen beobachtete er, dass Russland „die Situation stabilisiert habe… vor allem, weil die russische Wirtschaft einen ausreichenden Vorrat an innerer Stärke angehäuft habe.“ […]