Am Jahrestag des syrischen Abenteuers der Kreml-Führung wurde das durch Journalisten ausgewertete Budget für ihre Durchführung zu einer Bilanzierung der Militärkampagne. Die Sicherstellung aller Flüge, die Kosten der eingesetzten Munition, die Vergütung der „Arbeit“ der eingesetzten russischen Militärangehörigen und sonstige Nebenkosten beziffern sich auf 58 Mrd. Rubel, oder 920 Mio. Dollar.
Im März 2016 – und das war praktisch ein halbes Jahr (oder 167 Tage) nach Beginn der russischen „Bekämpfung“ des internationalen Terrorismus – nannte Wladimir Putin die Kosten dieser Militäroperation: seinen Worten nach betrugen sie genau 33 Mrd. Rubel (524 Mio. Dollar).
Doch bereits Ende März wurde ein Teilabzug russischer Gruppierungen aus Syrien gemeldet. Wir haben diese Nachricht wiederholt in Frage gestellt und wie wir sehen, bestätigt die Jahresbilanz unsere Vermutungen. Die Summe für das zweite Halbjahr hat im Vergleich zum ersten nicht sonderlich abgenommen. Die durchschnittlichen Ausgaben übersteigen ungefähr um das Doppelte die von Putin genannte Zahl.
Allem Anschein nach konnte es auch nicht anderes sein. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Probleme wird keiner jemals die tatsächlichen Kosten nennen. Das Land ist bereit, Geld für einen sinnlosen Krieg auf dem Gebiet eines anderen Landes zu verschleudern und vergisst dabei die Probleme der eigenen Bürger.
Womöglich finden sich Interessierte, die alle syrischen Kostenstellen genauer abschätzen. Wir hingegen sehen uns die Geldleistungen für die Militärangehörigen an, indem wir Informationen anderer Veröffentlichungen als Quellen heranziehen.
Nach dem Stand von Ende Oktober 2015 berichteten RBC zwei dem Verteidigungsministerium nahestehende Quellen, dass die Gefechtsstärke in Syrien 1 600 Mann beträgt. Im November 2015 schrieb die Agentur Reuters von 4 000 Mann. Im September 2016 zeigten Daten des Allrussischen Zentralen Exekutivkomitees darauf, dass auf dem Stützpunkt Hmeimim 4 378 Mann gewählt haben.
Hierdurch vermuten Journalisten von RBC, dass die monatliche durchschnittliche russische Gefechtsstärke in Syrien, ohne die Bedienungsmannschaft, im Laufe des Jahres nicht unter 3 000 fiel. Das ist unsere erste Zahl.
Zweitens. RBC kalkulierte in seinen Berechnungen der Geldleistungen an den Mannschaftsbestand lediglich die Tagespauschale in Höhe von 19 Dollar (1 200 Rubel) am Tag pro Person. Summa summarum wurden Spesen im Umfang von mehr als 1,3 Mrd. Rubel (1 200 x 3 000 x 365 Tage) ermittelt. Dabei wurde gesagt, dass die Tagespauschalen die einzigen zusätzlichen Leistungen aus dem russischen Haushalt sind, die die Soldaten für den Einsatz bei der syrischen Operation erhalten. In dieser Hinsicht jedoch hat InformNapalm einige Ergänzungen. Führen wir eine Analyse mithilfe von Informationen aus öffentlichen Quellen durch.
Wie entstand die Zahl von 19 Dollar? Laut der Anlage 1 k der Bestimmung Nr. 812 „Über den Zahlungsumfang und das -verfahren von Tagespauschalen in ausländischer Währung… bei Dienstreisen auf dem Gebiet fremder Staaten…“ wurde festgelegt, dass die Tagespauschale in Syrien 62 Dollar beträgt. Die Anordnung des Verteidigungsministeriums Nr. 2700 besagt, dass falls der Soldat Verpflegung erhalte, zahlt ihm die entsendende Seite 30 Prozent der festgesetzten Tagespauschale in ausländischer Währung (18,6 Dollar, von RBC auf 19 aufgerundet).
Die Dauer der Dienstreise wird durch Ankunfts- und Abfahrtsstempel in den ausgestellten Reisepässen bestimmt. Dienstreisepässe werden allen Militärangehörigen ausgestellt, die zum Dienst außerhalb Russlands entsendet werden. „Syrer“ bilden keine Ausnahme.
Allerdings erscheint in den Foren eine etwas andere Information: 30 Prozent Tagespauschale in Fremdwährung wird unmittelbar auf dem Stützpunkt auf die Hand ausbezahlt, die restliche Summe zum Wechselkurs umgerechnet und in Rubel auf die Karte des Soldaten überwiesen. Das Bargeld zahlen die Finanzmänner unmittelbar auf dem Militärstützpunkt aus. Diese Information wird auch mit Fotos untermauert, die von den Soldaten, die in Syrien gewesen sind, veröffentlicht werden.
Erste Frage. Wie hoch ist denn nun die Tagespauschale: 62 Dollar (3 900 Rubel) oder nur 18,6 Dollar pro Tag? Die erste Zahl erhöht automatisch die Kostenstelle der Dienstreise um das Dreifache, von 1,3 Mrd. Rubel (laut den Angaben von RBC) auf 4,3 Mrd. Rubel (3 900 x 3 000 x 365). Für die letzte Zahl sprechen auch die inoffiziellen Angaben von Soldaten, die ihren Dienst in der Arabischen Republik Syrien hinter sich haben.
Womöglich wird die Tagespauschale von 62 Dollar am Tag nicht dem gesamten Mannschaftsbestand ausgezahlt, sondern nur denjenigen, die, wie es in den Pressemitteilungen des russischen Verteidigungsministeriums hieß, nicht an der Bodenoperation in Syrien teilnehmen, doch allem Anschein nach sich weit von den organisierten Stützpunkten in Hmemim und Tartus befinden.
Die Geldleistung in Höhe der dreifachen Dienstgradvergütung wird ebenfalls durch nichts geregelt. Und da man die Soldaten nicht allein durch Tagespauschalen und der Propaganda von der Bekämpfung des IS nach Syrien locken kann, hat die russische Militärführung ein Mittel für den Ansporn der Soldaten gefunden: ein Besoldungsbetrag wird in der Arabischen Republik Syrien auf die Hand ausgezahlt, die zwei anderen – auf die Karte nach Russland, die Versorgungsbezüge in Russland nicht mitgezählt. Über die Summen dieser zusätzlichen Gehälter (Dienstgradvergütungen) ist nichts bekannt, doch allem Anschein nach, sammelt sich eine ordentliche Summe und beläuft sich zusammen mit den Dienstreisegeldern auf circa 100 Tausend Rubel im Monat pro Person. Den Berichten im Forum nach zu urteilen, kommt es auf ungefähr 3,6 Mrd. Rubel im Jahr (100 Tausend x 3 000 x 12 Monate), oder 57,1 Mio. Dollar. Die vollständige Information über die Zuschläge und die Vergütungen werden von dem Generalstab der Russischen Streitkräfte geheim gehalten. Gewiss gibt es was zu verbergen. Erst recht, da jegliche Barzahlungen in der russischen Armee eine gute Gelegenheit für Machenschaften wie der Unterschlagung und Abschreibung von Geld bieten.
Ebenso kommen Fragen bei den Soldaten bezüglich der Anwendung des durch die Anlage 7 k der Bestimmung Nr. 2700 festgesetzten Multiplikationsfaktors auf: „Militärangehörigen, bei der Ausführung von Aufgaben bei Notstandssituationen, bewaffneten Konflikten wird zu den Versorgungsbezügen der Multiplikationsfaktor von 1,5 festgesetzt“.
Die Soldaten fragen sich, ob dieser Faktor angewendet wird, ob er jedem zusteht. Um die Versorgungsbezüge mit dem Multiplikationsfaktor 1,5 zu erhalten, hat es eine Sonderregelung der russischen Regierung erfordert, nach der Syrien zu den Zonen für bewaffnete Konflikte zählen würde.
Zu solch einer formellen Entscheidung wurden wie uns scheint die im Juli 2016 beschlossenen Änderungen des Gesetztes „Über die Veteranen“. Abschnitt III, der die Aufzählung der Staaten, Städte, Territorien und den Zeitraum von Kampfhandlungen unter der Beteiligung von Bürgern der Russischen Föderation verzeichnet, wurde ergänzt durch die „Ausführung von Sonderaufgaben auf dem Gebiet der Arabischen Republik Syrien: Ab dem 30. September 2015“.
Somit haben die Soldaten das Recht die Bescheinigung eines Veteranen von Kampfhandlungen zu erhalten, die ihnen zusätzliche Beihilfen bringt. „Die Zahl der russischen Bürger, die den Status eines Veteranen von Kampfhandlungen in Syrien erhalten können, beläuft sich auf ungefähr 25 Tausend Mann“, – meldete der russische Vize-Verteidigungsminister Anatoly Antonov in der Staatsduma. Auf diese Bürger werden durch das Gesetz „Über die Veteranen“ beschlossenen Maßnahmen zur sozialen Unterstützung ausgeweitet; für die Deckung ihrer Sozialleistungen für das Jahr 2016, werde geplant 967,8 Mio. Rubel, oder 15,4 Mio. Dollar bereitzustellen.
Fasst man die Kalkulation zusammen, können wir sagen, dass die von den russischen Journalisten erstellte Bilanz der einjährigen syrischen Kampagne ungenau ist: Die Kostenstelle wie die Gehaltsauszahlung und sonstige Vergütungszahlungen, ist um mindestens das Dreifache zu niedrig angesetzt, ebenso sind keine Auszahlungen von Beihilfen in die Kalkulation eingeflossen. Aus öffentlichen Informationsquellen wird ersichtlich, dass die Auszahlungen an die Militärangehörige nicht transparent verlaufen. Die Summen laufen nicht durch den einheitlichen Verrechnungszentrum des russischen Verteidigungsministeriums und die Personalbüros der Militärangehörigen. Unklar ist auch die Herkunft und die Summen des Bargeldes, die in den russischen Finanzbehörden in Syrien landen. Und wenn solche Ausgaben wie die dreifache Vergütung nicht im Gesetz verankert sind, bedeutet es, dass diese Mittel von einem anderen föderalen Haushaltsposten abgezogen werden. Nur auf diese Weise lassen sich die Ausgaben für die syrische Operation decken.
Möglicherweise ist dem einfachen russischen Bürger die Sprache der Zahlen nicht ganz klar, doch wenn ihr minderwertige Straßen seht oder mit einer unzureichenden medizinischen Versorgung konfrontiert werdet, lohnt es sich vielleicht zu fragen: Wo ist denn das Geld? Wir denken, die Antwort ist offensichtlich.
Dieses Material wurde von Victory Krm exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Kateryna Matey. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf die Autoren und unser Projekt erforderlich.
(CC BY)
Eine aktive Verbreitung unserer Publikationen in den Sozialnetzwerken, in Foren und Medien wird begrüßt. Die Verbreitung der Untersuchungen im öffentlichen Diskurs, kann den Lauf des informativen und des militärischen Widerstands verändern.
One Response to “Schwarze Buchhaltung: Wohin wird das Geld in Syrien abgeschrieben?”
04/11/2016
InformNapalms krönika: Ett år av Rysslands förstörelse av Syrien - InformNapalm på svenska[…] vad har Ryssland åstadkommit under det gångna året? Som minst har man spenderat en miljard dollar på kriget. När man tittar på kartan ser en miljard dollar ut så […]