Heute, am 3. April 2017, erschütterte eine Explosion eine U-Bahn-Station in Sankt-Petersburg. In den Medien erschienen bereits schreckliche Fotos vom Ort des Geschehens: die Bahnwagen sind nur noch ein Wrack, die Menschen sind schockiert und verletzt, überall sind Blutspuren zu sehen.
Interessanterweise befindet sich auch der russische Präsident W.Putin zurzeit in St-Petersburg, wo er an einer Plenarsitzung des jährlichen Medienforums der Allrussischen Volksfront (AVF) teilnimmt. Aber Putin fährt ja keine U-Bahn – das ist etwas für einfache Bürger. Übrigens, gerade in St-Petersburg fand am 26. März eine der zahlreichsten Demonstrationen gegen die Korruption statt: am Marsch vom Mars-Feld bis zum Dworzowaja-Platz und entlang des Newski-Prospekts nahmen über 10 000 russischer Bürger teil. Wie die Webseite mr7.ru berichtete, kamen zu dieser Demonstration, im Unterschied zu vorigen Kundgebungen, die weniger zahlreich waren und hauptsächlich von liberalen Bürgern im Alter besucht wurden, sehr viele Jugendliche. Das Mars-Feld war gefüllt mit Studenten, die skandierten: „Putin ist ein Dieb!“, „Millionen für das Volk, nicht für Dimon! (Anm.d.Red.: „Dimon“ – Abkürzungsform für Dmitry Medwedew), „Nemzow verzeihen wir euch nicht!“, „Medwedew zum Rücktritt!“, „Russland wird frei!“, „Erbärmlich gierig!“
Diese Situation beunruhigte natürlich den Kreml – es folgten Repressionen und Massenverhaftungen. Und obwohl föderale Medien die Informationen über die Massenproteste strenger Zensur unterzogen haben und faktisch gar nicht darüber berichteten oder versuchten, es als unbedeutende Flashmobs irgendwelcher Freaks darzustellen, gingen Informationen von den Teilnehmern der Aktionen über soziale Netzwerke ein. In den westlichen Medien erschienen erste Publikationen über diese Ereignisse und erste Reaktionen auf die Festnahmen der Aktivisten. Putin schwieg ziemlich lange und kommentierte die Kundgebungen erst am 30. März, während seines Auftritts in Archangelsk auf dem IV. Internationalen Arktis-Forum: „Das ist ein Instrument des arabischen Frühlings, genau das wurde auch zum Anlass für den Putsch in der Ukraine und stürzte dieses Land in Chaos“.
Putins Angst vor einem „Maidan“ wird seit geraumer Zeit in Expertenkreisen diskutiert, des Öfteren wird gerade diese seine Furcht vor Volksprotesten und Revolutionsakten als die Ursache für den Beginn des anhaltenden Hybridkrieges Russlands gegen die Ukraine genannt. Die Annexion der Krim und die Verlegung von russischen Militärangehörigen in den Donbas war für die russische Führung unentbehrlich wie Luft, um von der Situation im eigenen Land abzulenken.
Der steigende Druck der Hysterie mit Hilfe der Propaganda in der Vorkriegszeit, die zum „Kampf um die Existenz der russischen Welt“ aufrief (dabei seltsamerweise auf dem Territorium der Nachbarländer), wurde für Putin zum einzigen Strohhalm in seinem Kampf um die Hinauszögerung von unvermeidlichen Revolutuionsprozessen innerhalb Russlands selbst.
Die Methoden des Kremls zur „Konsolidierung“ und „Stabilisierung“ der russischen Gesellschaft sind dabei stets die gleichen: es ist ein Aufeinanderfolgen von innerem Terror und der Suche nach einem Außenfeind. Über den inneren Terror hat die breite Öffentlichkeit dank dem Buch von Yuri Felschtinski „FSB sprengt Russland“ erfahren. In dem auch der Ex-FSB-Mitarbeiter, Oberst des russischen Staatssicherheitsdienstes, Alexander Litwinenko, zu Wort kam und über die Beteiligung der Geheimdienste Russlands an der Organisation von Terrorakten in den russischen Städten Bujnaksk, Moskau und Wolgodonsk am 4-16. September 1999 erzählte, deren Ziel der glimpfliche Amtsantritt Putins war. Für seine Geständnisse wurde Litwinenko mit Polonium-210 vergiftet und starb 2006 in London.
Die Aggression gegen Georgien, die Annexion der Krim-Halbinsel unter den Slogans des „Russischen Frühlings“ und „KrimUnser„, der verdeckte Krieg gegen die Ukraine und das Projekt „Neurussland“ im Donbas, die Militäroperation in Syrien – das alles ist bei weitem noch keine vollständige Liste der Unternehmen, die auf der Suche nach Außenfeinden zur „Konsolidierung“ der Russen vom Kreml initiiert wurden.
Aber wie die Aktivisten der sozialen Gemeinschaft „Protest in St.Petersburg“ richtig vermerkten:
„Die Geschichte ist ein stures Ding und den kremlischen Zwergen-Tyrannen ist es nicht bestimmt, sie zu verändern. Auf dem Foto seht Ihr die Kundgebung gegen die Monarchie am Dworzowaja-Platz im Januar 1917. Vor 100 Jahren fiel das Regime nur einen Monat später und die Monarchie verschwand. Zum Vergleich – ein Foto vom 26.03.2017“:
Und während jemand wieder Russland sprengt, ob Terroristen oder Putin, berichtet ein Aktivist aus St-Peterburg, Dinar Idrisow, auf seiner FB-Seite, dass wegen der Gefahr eventueller weiterer Explosionen in St.Petersburg alle U-Bahn Stationen, sowie für den Abflug der Flughafen Pulkowo nun geschlossen sind.
Draußen ist das Jahr 2017. Genau 100 Jahre seit der letzten russischen Revolution…
Dieses Material wurde von Roman Burko exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
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