
von Juri Butusow
Wer hat den Krieg im Donbas begonnen und den Terror in der Ukraine entfesselt? Warum begann man in anderen ukrainischen Städten so verzweifelt gegen russische Helfershelfer zu kämpfen – in Odessa, Charkiw, Dnipropetrowsk, Saporischschja, Mykolajiw? Die Antwort liegt in den Schicksalen dieser Menschen…
Helden der Ukraine Volodymyr Rybak, Juri Poprawka, Juri Djakowski.
43 Jahre alt, 19 Jahre alt, 25 Jahre alt.
Horliwka, Kyjiw, Stryj.
Am 17. April wurde in Horliwka der Stadtrat-Abgeordnete Volodymyr Rybak entführt. Ein ehemaliger Polizeioffizier, echter Bürger, angstloser Mann. In jenen Tagen kämpften die Ukrainer verzweifelt um Frieden, versuchten, den Krieg vom Donbas wegzuleiten, mit bloßen Händen und aufrichtigem Friedensprotest, durch Überzeugung die Gewalt zu stoppen, welche die russischen Diversanten mit sich brachten. Rybak machte sich auf verschiedenen Kundgebungen offen für die Ukraine stark. Am 17. April beschloss er am Stadtratsgebäude die von den Verbrechern abgerissene Flagge der Ukraine wieder zu hissen. Am helllichten Tage. Trotz der Söldner in Masken, die den Stadtrat eingenommen hatten. Es gibt keine Worte, um die Furchtlosigkeit von Volodymyr Iwanowitsch zu beschreiben. Als ein Kriminalpolizei-Offizier verstand er ausgezeichnet, mit wem er es hier zu tun hat, wozu die Terroristen fähig sind. Aber für die Flagge der Ukraine ist Volodymyr Rybak bis zum Ende gegangen. Er wurde von den russischen Söldnern festgenommen. Wie die Materialien des Ermittlungsverfahrens und die Funksprachabhörung belegen, wurde die Entführung von Rybak auf einen Befehl des internationalen Terroristen und Kommandeurs der russischen Diversionsgruppe, des Oberstleutnants des GRU des Generalstabs Russlands Igor Besler ausgeführt.
Am selben Tag, dem 17. April, haben russische Terroristen nahe Slowjansk eine Gruppe unbewaffneter junger Menschen festgenommen, Aktivisten des „Rechten Sektors“: Juri Poprawka, Juri Djakowski und Witalij Kowaltschuk, die gekommen waren, um die Lage in Slowjansk mit ihren eigenen Augen zu sehen. Sie hatten nicht mal ein Taschenmesser dabei.
Und leider beschlossen an jenem Tag die russischen Geheimdienste – jemand, der ganz weit weg dort in Moskau saß, aber auch jemand hier in der Ukraine, den point-of-no-return hinter sich zu lassen.
Kowaltschuk wurde geschlagen, aber am Leben gelassen, damit er den Fernsehsendern Interviews gibt.
Und Rybak, Djakowsji und Poprawka wurden von den russischen Diversanten in einem Keller in Horliwka gemeinsam festgehalten.
Man zwang sie, der Ukraine abzuschwören, aber sie haben dies abgelehnt. Hier wurde das ganze Arsenal der Folter angewendet. Es gab einen Skalp, der vom lebendigen Menschen abgenommen wurde, ausgeschlagene und ausgezogene Zähne, gebrochene Finger, Arme, Beine, schwerste Verstümmelungen. Als Letztes hat man ihnen, die noch am Leben waren, die Bäuche aufgeschlitzt, und sie in den Fluss geworfen…
Volodymyr Rybak war kein bösartiger Typ vom „Rechten Sektor“. Er war ein gewöhnlicher gebürtiger Einwohner von Horliwka, wo ihn fast jeder kannte. Er verschmähte nie die russische Sprache und passte wohl kaum in die Rolle eines Unterdrückers der Russen im Donbas. Er war selber ein Russe, seiner Sprache nach. Aber er war ein Ukrainer in seinem Gewissen und seinem Geist, ein Ukrainer seiner Zivilcourage nach… Und genau er wurde zum ersten Opfer der russischen Söldner im Donbas.
Der aus Winnyzja angereiste Witalij Kowaltschuk ist der einzige Überlebende von Beslers Gefangenen, die am 17. April festgenommen wurden. Ihn hat seine Mutter gerettet, Halyna Iwaniwna Kuprij, geb. 1966. Die Mutter, eine Frau mit einem schweren Krebsleiden, schmiss ihren Heilungskurs hin und fuhr nach Horliwka, sobald sie die Reportage mit ihrem zusammengeschlagenen Sohn gesehen hatte. Sie machte Lärm unter ausländischen Journalisten, sie forderte die Freilassung ihres Sohnes und dank ihres Willens und ihrer Bitten haben die russischen Terroristen Witalij nicht getötet. Er wurde am 30. Mai gegen gefangene Söldner ausgetauscht. Aber seine Mutter, die den Terroristen so viele Sorgen bereitete, ist am 8. Mail 2014 in Horliwka verschwunden. Seitdem gibt es keinen Kontakt zu ihr und eine Hoffnung, dass man die heldenhafte Mutter noch wiederfindet, gibt es auch noch nicht…
Am Abend des 22. April rief mich Arsen Awakow an. Ich bin ins Ministerium gekommen und hörte einem trockenen und professionellen Vortrag des Leiters des Kriminaldienstes namens Paskal zu. Paskal sprach leise, als er die Fotos der Opfer zeigte und bekannte Tatsachen, Verstümmelungen, Umstände, Informationen über die russischen Terroristen, die dieses Verbrechen begangen hatten, aufzählte.
Am Ende sagte Paskal über Rybak: „Ich kannte ihn, er war unser Mitarbeiter… Die Banditen wollten, dass wir es sehen. Die Leichen wurden extra nicht ertränkt, es wurde ihnen nur ein kleines Gewicht angehängt… Sie wollten, dass wir sie zusammen finden. Das ist eine Abschreckungsaktion.“
Awakow wurde zu einer dringenden Sondersitzung der Regierung gerufen, zum selben Anlass. Er sagte zum Schluss: „Die Russen wollen uns Furcht einflößen und friedliche Proteste unterbinden, damit die Menschen aufhören, sich auf den Straßen miteinander zu unterhalten“. Ich sagte: „Da stimme ich Ihnen zu. Nun werden gar nicht mehr so viele Menschen für die Ukraine eintreten – es ist zu gefährlich. Nun wird es im Donbas nicht mehr friedlich zugehen. Russland wird einen Krieg führen.“ Awakow sagte: „Sie werden versuchen, auch an anderen Orten die Situation hochzuschaukeln und solche Aktionen zu veranstalten, mit Opfern.“
17. April. An diesem Tag haben die russischen Diversanten zum ersten Mal den Prozess der friedlichen Regulierung vereitelt, an jenem Tag wurden alle friedlichen Demos eingestellt. Der Krieg im Donbas schwappte über die Grenzen von Slowjansk über, das durch die Diversanten des FSB-Obersts Igor Girkin besetzt wurde. Nach den Morden an unbewaffneten ukrainischen Patrioten auf der Krim, in Slowjansk und Horliwka wurde klar, dass Friedensdemos den Lauf des Krieges nicht mehr stoppen können: Die „Russische Welt“ wird in der ganzen Ukraine die Bäuche aufschlitzen.
Man braucht sich nicht zu fragen, warum man in Mykolajiw, Odessa, Charkiw, Dnipropetrowsk, Saporischschja mit den prorussischen Söldnern nicht mehr zimperlich umging. Die Ukrainer hatten gesehen, was die „Russische Welt“ für sie bedeutet. Also, was wundert es einen, dass auf nachfolgende Aktionen der russischen Kräfte in den anderen ukrainischen Regionen eine harte Reaktion der lokalen Patrioten folgte.
Aber zunächst gab es doch die Menschen des Friedens – jene, die zu Friedensdemos und Kundgebungen kamen, die ihre Angst vor den Drohungen der maskierten Banditen überwanden, die zu reden und zu überzeugen versuchten und riesige ukrainische Fahnentücher entfalteten, die ihre Menschlichkeit zu bewahren suchten…
Ewiges Andenken an Euch, die Patrioten Volodymyr, Juri, Juri…
Drei Freiheitsmärtyrer – Ihr habt alles getan, was Ihr nur konntet. Die Ukraine hielt stand. Wir werden Eure Heldentat und Eure Qualen nicht vergessen, und wir werden Euren Mördern nie verzeihen.
Autor: Juri Butusow, Chefredakteur von Zensor.net; übersetzt von Irina Schlegel.
CC BY 4.0
2 Responses to “Juri Butusow: Wer hat den Terror in der Ukraine entfesselt?”
22/01/2016
19-21. Januar 2015: Im Gedenken an die Cyborgs - InformNapalm.org (Deutsch)[…] von Russland. Ukrainische Patrioten, die versucht haben, dagegen vorzugehen, wurden abgeführt und später mit aufgeschlitzten Bäuchen in den Wäldern gefunden. Menschen verschwanden. Viele schlossen sich zuhause ein und wollten […]
29/04/2017
Mediale Manipulationen, oder wie ein osteuropäisches Land dafür gepeinigt wird, sich aus seiner sowjetischen Vergangenheit befreien zu wollen - InformNapalm.org (Deutsch)[…] dass sie ukrainische Flaggen hissen und sich für die Ukraine aussprachen, wie es im Fall von Wladimir Rybak gewesen war, und dann zunächst seine wahnsinnigen kriegsbetrunkenen Freiwilligen wie Strelkow und […]