von Andrei Piontkowski „Und es sprach Wenediktow…“
Heute möchten wir Ihnen einen Teil des Artikels von A. Piontkowski über den Auftritt vom Chefredakteur von „Echo Moskau“ A.Wenediktow im Carnegie Center in Washington präsentieren. Da sich die MH-17 Katastrophe am 17. Juli jährt, bieten wir Ihrer Aufmerksamkeit Details nur zum Thema MH-17.
Das Debüt der Sonne des russischen Journalismus im Auditorium des Washingtoner Carnegie-Zentrums hat einen unauslöschlichen Eindruck auf meinen alten Freund Anders Aslund gemacht. Er schickte mir eine sehr emotionale Botschaft:
„Anna and I just heard Alexei Venediktov speaking at Carnegie, what a shame and what a tragedy! I do not think that he will be invited to speak in Washington again. This town is quietly very cruel. If somebody appears an idiot, they are not invited again.“
Nach dem Durchschauen der Videoaufnahme stimme ich Anders völlig zu und füge aber zu seiner Charakteristik das leninsche Adjektiv „nützlicher“ hinzu. Wie alle kreative Menschen hat Alexej Alexeewitsch seine eigenen kleinen Schwächen, die auf ihre eigene Weise andere Menschen berühren. Also, er liebt es, den faszinierten Zuhörern sein Insider-Wissen über die Taten und Gedanken der Personen zu demonstrieren, die in Russland wichtige Entscheidungen treffen und ihm in einem vertraulichen Gespräch ganz familiär zuwerfen können: „Weißt du, Alexej, du setzt dich in diesen Sessel und nach der dritten Minute „fliegt dir dein Dach davon“.
Auch diesmal drehten sich die Sinnesströme des Chefredakteurs von „Russlands einzigem oppositionellen Sender“ um die üblichen Konstrukte: „Ich und Putin“, „Ich und die Sicherheitskräfte, die mich über persönliche Gefahr warnten“, „Ich und meine sechs Leibwächter“… “
Es ist sinnlos, über die „politischen Bewertungen“ eines narzisstischen Apologeten des Regimes zu diskutieren, der im Stil von „RT für Intelligenzija“ auftrat. Drei Verbrechen, deren Umstände der Redner kommentierte und damit ungewollt ihre Details enthüllte, verdienen hier erwähnt zu werden. (Wir geben nur den Ausschnitt zur MH-17 wieder)
Wenediktows Performance zu diesem Thema stellte eine Weile eine anthologische Demonstration des Unterschieds zwischen der Kreml-Propaganda für Pöbel und der Kreml-Propaganda für in- und ausländische „Intelligenzija“, die sich belügen will, dar.
Nur der geisteskranke TEFI-Preisträger Kisjelew kann seine Zuschauer in ein- und derselben Sendung davon überzeugen, dass die Boeing von einem ukrainischen Jagdflieger UND von einer ukrainischen „Buk“-Rakete abgeschossen wurde. Der für ein ganz anderes Publikum arbeitender und für ganz andere Aufgaben zuständiger Wenediktow glaubt, dass das Passagierflugzeug irrtümlich von Separatisten abgeschossen wurde. Woher sie das „Buk“-System hatten – aus Russland oder von den Ukrainern erbeutet, sei nicht wichtig und die ganze Wahrheit würden wir sowieso nie erfahren. Und ob es überhaupt die wahre Wahrheit gibt, unterstrich philosophisch der Herr Schullehrer: „Einige werden so denken, die anderen – anders“.
Das Problem liegt darin, dass diese Version paradoxerweise bei näherer Betrachtung noch weniger überzeugend ist, als die vom verrückten Kisjelew. Die Motorolas, Givis oder Batmans (Rufzeichen von bekannten Terroristen) sind nicht in der Lage „Buk“-Systeme zu bedienen. Dies erfordert ein eingespieltes Team von hoch qualifizierten Fachleuten. Niederländische Ermittler haben bereits einen Bericht an alle interessierten Länder zur Stellungnahme geschickt (darunter die Russische Föderation), in dem all die Namen der russischen Soldaten aus der „Buk“- Besatzung aufgeführt wurden, die am 17. Juli 2014 aus Russland nach Donezk kam, das malaysische Flugzeug vernichtete und sofort zurückkehrte.
MH-17 wurde natürlich aus Versehen zerstört. Das ist das Einzige, wo Wenediktow in der ganzen „Boeing“- Geschichte Recht hatte. Die politischen Folgen des Todes von 283 Passagieren aus vielen Ländern waren für die russische Führung monströs. Also, worin bestand der fatale Fehler?
Profis konnten die in einer Höhe von 10 000 Metern fliegende Boeing mit einem ukrainischen Militärtransporter „AN-26“, der in einer Höhe von 5000 Metern fliegt, nicht verwechseln. Profis konnten eine in einer Höhe von 10 000 Metern fliegende Passagierboeing nur (!) mit einer anderen in einer Höhe von 10 000 Metern fliegenden Passagierboeing verwechseln.
Und dann erinnerte sich Wenediktow plötzlich an eine andere Boeing: das Flugzeug von „Aeroflot“ (Mailand – Moskau), das zwei Stunden vorher in demselben Luftkorridor durchflog: „Aber stellen Sie sich mal vor, was gewesen wäre, wenn die Separatisten aus Versehen diese Boeing abgeschossen hätten? Was bliebe Putin dann noch zu tun? Stellen Sie sich mal vor: ein russisches Flugzeug wäre über dem ukrainischen Gebiet abgeschossen. An Putins Stelle hätte ich Panzer nach Kiew geschickt“.
Was für ein Wenediktow! Was für ein Hurensohn! (Anm.d.Red: Anspielung auf Puschkin, der sich selbst auf diese Weise ironisch lobte). Noch präziser kann man nicht sagen! Selbst der äußerst freundliche Moderator Andrew Weiss war dermaßen von dieser kannibalischen Maxime schockiert, dass er eingreifen und eine ziemlich scharfe Bemerkung von sich geben musste: „It doesn’t have logical sense.“
Nun, warum denn, Herr Weiss? Es existiert für SIE mit ihrer bourgeoisen Engstirnigkeit keinen logischen Sinn! Für große Menschen mit der Mentalität eines Putin oder Wenediktow ist dies ein ganz normaler Gedankengang. Der Perfekte „Gleiwitz“, den vor einem Jahr die russische Regierung suchte, um ihr wahnsinniges Projekt „Neurussland“ in Erfüllung zu bringen.
Wenediktow hat es nicht begriffen, was er denn so Unanständiges gesagt hat. In der Tat, er hat einfach nur eine einzig für den heutigen Tag logische Antwort auf die Frage angeboten: worin bestand der Fehler der „Buk“- Besatzung, die das malaysische Passagierflugzeug abgeschossen hat?
Die berauschende Luft von Washington, und die nicht weniger berauschende Anwesenheit von teuflisch attraktiven Lesja Rjabtsewa (russische Journalistin) in der ersten Sitzreihe spielten mit unserem „nützlichen Idioten“ einen bösen Witz. Seine romantische Geschwätzigkeit erlaubt es uns nun besser, die Vorgehensweise der „Gottesgnädigen“ in diesen schicksalhaften Minuten zu verstehen, die ihn so bereitwillig als einen Gesprächspartner zu einem Bankett im Kreml einladen und denen längst „ihr Dach weggeflogen ist“.
Quelle: Andrei Piontkowski in kasparov.ru; übersetzt von Andrij Topchan; redaktiert von Irina Schlegel.
Zum Thema: „Konstantin Eggert- Das alles werden nun nicht Girkin, Puschilin&Co ausbaden müssen, sondern der Kreml“.
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