Die russische Michailowskaja-Artillerieakademie (St.Petersburg, Russische Föderation) führte für die Kämpfer der terroristischen „7. selbständigen motorisierten Schützenbrigade des 2. LVR-Armeekorps“ in ihrem Bildungszentrum, das sich in dem Militärstädtchen LUGA-3 (Gebiet Leningrad, Russland) befindet, Fortbildungskurse durch. Dies schlussfolgerten die OSINT-Aufklärer von InformNapalm auf der Basis von Angaben in offenen Quellen.
Anhand der Bilder, die ein Kämpfer aus Donezk namens Andrij Hrintschenko mit dem Kampfnamen „Tier“ (sein Profil auf der Website „Myrotworez“) im russischen Sozialnetzwerk VK gepostet hatte, haben die InformNapalm-Ermittler Beweise dafür finden können.
Zu Beginn der Besetzung des Donbas wohnte Andrij Hrintschenko (geb.17.07.1986 in Donezk) auf der Powitriana Str. 8. Er hatte sich damals faktisch unmittelbar den russischen Besatzungstruppen angeschlossen. Im Sommer 2014 nahm er an den Kämpfen um die Stadt Schachtarsk teil, im Winter 2015 kämpfte er gegen die ukrainische Armee in Debalzewe.
Am 15. Juni 2015 wurde Hrintschenko mit dem Orden „Für militärische Tapferkeit des III. Grades“ ausgezeichnet.
Im Herbst 2015 wurde Andrej Hrintschenko bei einem Kampf verwundet. Infolge der Verwundung wurde ihm eine Niere entfernt und ein Splitter aus dem Bein gezogen. Doch er benötigte einen weiteren ernsten Eingriff, den Ärzte aus Sankt-Petersburg zu machen bereit waren. Für seine Operation wurde öffentlich Geld gesammelt.
Wiktor Peschkow, Koordinator der Organisation „Phönix von Donbas“, die sich mit dem Sammeln von Spenden für die medizinische Behandlung von Kämpfern beschäftigt, postete am 14. Dezember 2015 ein Video auf seinem YouTube-Kanal, in dem Andrej Hrintschenko sich bei den Spendern für die geleistete Hilfe bedankt.
Nach der Operation denkt Hrintschenko gar nicht daran, mit dem Krieg aufzuhören. Er kehrt in den Donbas zurück, und einige Zeit später sehen wir in seinem Album sehr interessante Fotos:
Im Flugzeug mit einer Gruppe von Personen in Militäruniform ohne Abzeichen. Bei zwei Mitgliedern der Gruppe, inklusive Hrintschenko, kann man Truppenabzeichen der Artillerie erkennen.
Auf dem Flugplatz:
Auf irgendeiner Militärbasis, auf der Hrintschenko sich neben einer 152 mm Haubitze „Msta-B“ ablichten ließ:
Interessanterweise ist auf dem letzten Foto ein Militär-Trainingsgerät im Hintergrund zu sehen, auf dem ein Hubschrauber MI-2 platziert wurde.
Wohin ist denn Hrintschenko gereist bzw. geflogen? Die Antwort lieferte uns eben dieses Trainingsgerät. Die Art der Vegetation im Hintergrund lässt annehmen, dass sich die Militärbasis weit außerhalb der Grenzen des Donbas befindet – nämlich im Norden Russlands. Wir haben einige Zeit für die Suche gebraucht, bis wir endlich genau diese Stelle mit dem Hubschrauber gefunden haben:
Der Hubschrauber wird für die Ausbildung von Kadetten bei der Schießkorrektur gebraucht und befindet sich auf dem Gelände des Ausbildungszentrums von Michailowskaja-Artillerieakademie, Stadt Luga-3, Gebiet Leningrad. Koordinaten: 58°45’48″N 29°47’58″E.
Zur besseren Visualisierung führen wir die Geolokalisierung an, die belegt, dass Hrintschenko an genau diesem Ort fotografiert wurde.
Ein weiteres Foto, das belegt, dass der Kämpfer sich auf der Basis der Artillerieakademie (Militäreinheit 34035) befindet, ist ein Foto aus der Kantine:
Im Netz haben wir gleich zwei Videoaufnahmen aus den Jahren 2016 und 2017 gefunden, auf denen die Kantine des Ausbildungszentrums gut zu erkennen ist. Anhand von diesen Videoaufnahmen kann man problemlos erkennen, dass sich Hrintschenko genau in dieser Kantine aufhielt. Noch einfacher lässt sich das anhand eines Fotos (Archiv) erkennen, das auf der Seite der Gruppe des Ausbildungszentrums im VK-Netzwerk veröffentlicht wurde. Weiter unten vergleichen wir das Foto aus der Gruppe mit dem Foto von Hrintschenko:
Beachten Sie bitte, dass die Tabletts und die Teller auf allen Fotos und Videos identisch sind:
Wenn Hrintschenko im Ausbildungszentrum ausgebildet wurde, bedeutet dies folgendes: Die russische Militärakademie führt spezielle Ausbildungen von Ausländern in der Militäreinheit durch, die sich auf dem russischen Territorium befindet und dem Verteidigungsministerium Russlands untersteht. Inwieweit ist das legal?
Punkt 23 des Regierungsbeschlusses der Russischen Föderation vom 29. Oktober 2015 N 1164 „Über die vom Verteidigungsministerium der Russischen Föderation bereitgestellten Leistungen im Bereich der Vorbereitung und Ausbildung von Militärangehörigen und dem militärisch-technischen Personal aus dem Ausland“ besagt ganz klar:
Die Prozedur der Vorbereitung und Ausbildung von Armeeangehörigen und militärisch-technischem Personal aus dem Ausland sowie die Bedingungen für den Aufenthalt von Fachkräften der Streitkräfte der Russischen Föderation auf ausländischem Territorium wird durch Verträge geregelt, die zwischen dem Verteidigungsministerium Russlands und den Verteidigungsministerien oder anderen Behörden des jeweiligen Staates unterzeichnet wurden, sowie durch Abkommen, die zwischen dem Verteidigungsministerium Russlands und den Subjekten der militärisch-technischen Zusammenarbeit, den Hersteller-Organisationen und/oder Organisationen-Entwicklern von Produkten für militärische Zwecke geschlossen wurden.
Selbstverständlich hat das ukrainische Verteidigungsministerium und ganz allgemein die Regierung der Ukraine keinerlei solche Verträge mit dem Verteidigungsministerium Russlands unterschrieben. Mit welcher Begründung also bildet die Michailowskaja-Akademie ukrainische Bürger aus? Verstößt der Leiter der Akademie, General-Leutnant Bakanejew, nicht etwa direkt gegen das Gesetz Russlands, indem er unter Umgehung des russischen Verteidigungsministers Schoigu agiert?
Doch die Angelegenheit begrenzt sich nicht nur auf den Beschluss der russischen Regierung. Es gibt einen Befehl des Verteidigungsministeriums, der die Prozedur der Ausbildung von Ausländern auf russischen Militärbasen festlegt. Der Titel des Beschlusses lautet „Über die Vorbereitung und Ausbildung von Armeeangehörigen und militärisch-technischem Personal aus dem Ausland bei russischen Militäreinheiten und militärischen Bildungsorganisationen der höheren Bildungsstufe beim Verteidigungsministerium der Russischen Föderation“. Dort gibt es jedoch eine Nuance: Dieser Beschluss vom 10. Dezember 2000 mit nachfolgenden Änderungen in den Jahren 2001 und 2009, hat Ende August 2016 seine Gültigkeit verloren.
In Februar 2016 hatte das russische Verteidigungsministerium eine neue Fassung des Beschlusses „Über die Vorbereitung und Ausbildung von Armeeangehörigen und militärisch-technischem Personal aus dem Ausland bei russischen Militäreinheiten und militärischen Bildungsorganisationen der höheren Bildungsstufe des Verteidigungsministerium Russlands“ vorbereitet. Die interessantesten Punkte in dieser Fassung sind die Absätze 19 bis 22:
II. Organisation der Arbeit zur Ausbildungsaufnahme von ausländischen Wehrspezialisten
Punkt 19.
Die Aufnahme zur Ausbildung von ausländischen Militärspezialisten in militärischen Bildungsorganisationen erfolgt auf der Basis von Verträgen, die zwischen dem Verteidigungsministerium und den nationalen militärischen Bildungsorganisationen geschlossen werden, sowie auf der Basis von Verträgen über die Ausbildung von Spezialisten aus dem Ausland bei den militärischen Bildungsorganisationen, die zwischen dem Verteidigungsministerium mit den Subjekten der militärische-technischen Zusammenarbeit, Organisationen-Produzenten und/oder Organisationen, die sich mit der Entwicklung von Produkten zu militärischen Zwecken beschäftigen, abgeschlossen wurden.
Die zusätzlichen Maßnahmen für den Schutz der Daten, die an die anderen Staaten übergeben werden, die mit der 8. Leitung des Generalstabs sowie bei Notwendigkeit auch mit interessierten Militärinstitutionen vereinbart werden, dürfen in den Vertragsdokumenten in einem separaten Kapitel festgehalten werden.
20. Die Vorbereitung von Vertrags-und Vereinbarungsdokumenten wird von der Hauptpersonalverwaltungsstelle durchgeführt, auf der Basis von geschlossenen Vereinbarungen über die militärische (militärisch-technische) Zusammenarbeit.
21. Die durch die Vertreter der national-militärischen Führung oder Subjekte der militärisch-technischen Zusammenarbeit, Hersteller-Organisationen und/oder Entwicklungsorganisatonen für Produkte militärischer Art unterschriebenen Exemplare der Vertrags- und Vereinbarungsdokumente werden dem Verteidigungsminister der Russischen Föderation oder der durch den Verteidigungsminister bevollmächtigten Person zur Unterschrift vorgelegt, die die Interessen des Verteidigungsministeriums vertritt und die befugt ist, Verträge (Vereinbarungen) abzuschließen, um Dienstleistungen für ausländische Militärspezialisten zu erbringen.
Alle unterschriebenen Exemplare von Vertrags- und Vereinbarungsdokumenten werden durch die Wappensiegel des Verteidigungsministeriums gesichert.
22. Die Aufnahme von ausländischen Militärspezialisten in militärischen Bildungsorganisationen auf kostenloser oder vergünstigter Basis erfolgt auf Basis der Entscheidung des Präsidenten der Russischen Föderation bezüglich der Leistung von militärisch-technischen Hilfe an fremde Staaten im Rahmen von durch die Regierung der Russischen Föderation festgelegten Quoten.
Besonderes Interesse erweckt der Punkt 22, der besagt, dass die militärische Ausbildung von ausländischen Bürgern auf kostenloser oder vergünstigter Basis auf Entscheidung des russischen Präsidenten, also Putin persönlich, erfolgt.
Auf der offiziellen Webseite des russischen Verteidigungsministeriums fehlen jegliche Informationen darüber, ob dieser Gesetzentwurf verabschiedet wurde, und falls ja, wann genau. Diese Informationen fehlen auch auf den anderen Regierungswebseiten sowie in den staatlichen Systemen der rechtlichen Informationen Russlands
Das alte Gesetz ist nicht mehr rechtskräftig, ob der neue verabschiedet ist oder doch nicht, ist nicht klar, die Ausländer werden aber weiterhin ausgebildet. In letzter Zeit umhüllt Moskau sprichwörtlich alles mit Geheimnissen, daher ist es kein Wunder, dass selbst die Entscheidungen der obersten Führung Russlands im hybriden Modus „WirSindDaNicht“ agieren.
Man sollte anmerken, dass die Verbindungen der Michailowskaja-Akademie mit der Besatzungsverwaltung im Donbas wesentlich tiefer gehen als die bloße Ausbildung von Kämpfern im Ausbildungszentrum auf russischem Territorium. Rekruten der Michailowskaja-Akademie besuchen regelmäßig den Donbas für „Betriebspraktika“.
Zum Beispiel berichtete der bekannte ukrainischer Freiwilliger Roman Donik noch im Mai 2015, dass Absolventen von Michailowskaja-Akademie in den Donbas fuhren, um dort schießen zu üben.
Ähnliche Aussagen traf der Pressedienst des Militärnachrichtendienstes des Verteidigungsministeriums der Ukraine im April 2016: „Am 27. April dieses Jahres traf eine Teilnehmergruppe (ca. 50 Offiziere) der Michailowskaja Militär- und Artillerieakademie (Sankt-Petersburg) der russischen Streitkräfte im ehemaligen Donezker Militär-Lizeum (Kuprin Str 1) ein“.
2017 setzten Absolventen der Michailowskaja-Militärakademie die Tradition des Schießens auf lebendige Ziele fort. Darüber berichtete der Koordinator der Gruppe „Informationswiderstand“ Dmytro Tymtschuk am 26. Juli 2017 auf seiner Facebook-Seite: „Ab dem 17. Juli laufen die monatlichen Übungen der Artillerieeinheiten des “1. DVR-Armeekorps“, als Teilnehmer sind Rekruten der Michailowskaja Artillerieakademie (St. Petersburg) angereist. Insgesamt wurden ca. 30 Personen registriert. Wie üblich, sind die Teilnehmer zusätzlich zu den Camp-Versammlungen auch bei den „praktischen Übungen“ mit dabei – und zwar bei der Organisation und Durchführung von Artillerieangriffen auf Stellungen der ukrainischen Streitkräfte und von ihnen kontrollierten Wohnorte“.
Die Michailowskaja-Akademie führt außerdem spezielle Studien über den Einsatz eines neuen Aufklärungskomplexes mit Drohnen im Donbas durch. Darüber haben wir bereits 2016 detailliert geschrieben: „Ukraine as Testing Range for New Russian Weaponry and Tactics„.
Wie wir sehen, findet hier permanenter Erfahrungsaustausch statt. Seltsam nur, dass der Kreml und die russische Militärführung bei dieser Anzahl von unmittelbaren Belegen und Beweisen weiterhin beteuern, dass reguläre russische Einheiten nichts mit den Kriegshandlungen im Donbas zu tun hätten. Entgegen allen Mythen der russischen Propaganda dauert der Krieg zwischen Russland und der Ukraine bereits seit über vier Jahren an. All diese Jahre schickt Russland seine regulären Truppen in den Donbas und bildet Kampfeinheiten aus, es liefert Waffen und Geld zur Versorgung der Besatzungsarmee. Die Dauer dieses Krieges beträgt bereits zwei Drittel der Zeit des Zweiten Weltkrieges, und die Weltgemeinschaft hat bis heute keinen Weg gefunden, wie man Moskau dazu bringt, seine Truppen abzuziehen und die Ukraine in Frieden zu lassen.
Dieses Material wurde von Michail Kusnezow und Christina Dobrovolska exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Zoya Schoriwna; korrigiert von Klaus H. Walter/Irina Schlegel.
Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich (Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
Besuchen Sie uns auf Facebook: InformNapalmDeutsch
No Responses to “Eine russische Artillerieakademie bildet Terroristen für den Donbas aus”