von Irina Schlegel
Bei der Bevölkerung in den temporär besetzten Territorien im Donbas wächst offenbar der Unmut über die Anwesenheit und Aktivitäten der russischen Besatzungstruppen. Darüber berichtet der Militärnachrichtendienst des Verteidigungsministeriums der Ukraine in seinem täglichen Bericht zur Lage in der ATO-Zone.
Nach Angaben der ukrainischen Aufklärung schoss ein Stabsoffizier des „1. Armeekorps“ und Major der Streitkräfte Russlands namens Alexey Tschirwa im betrunkenen Zustand in einem Park von Donezk um sich. Er wurde von einer Gruppe Bürger der Stadt abgefangen und später mit zahlreichen Verletzungen ins lokale Krankenhaus eingeliefert. Kürzlich gab es einen ähnlichen Vorfall in Nowoasowsk, bei dem sich die Einwohner der Stadt an einem „DVR“-Marineinfanteristen für seine Willkür gerächt haben: Sie schlugen ihn halbtot und verbrannten sein Auto.
Die Willkür und Gesetzlosigkeit auf den okkupierten Territorien machen nun auch den Russen selbst zu schaffen, denn die russischen Staatsbürger kehren meist nach einer gewissen Zeit zu sich nach hause nach Russland zurück, wobei sie nicht nur Waffen und Drogen schmuggeln sondern auch die eigene Aggressivität und Gewaltbereitschaft mitbringen. Vor ein paar Tagen erschütterte ein grausamer Mord die russische Gesellschaft. Zwei Männer brachen in ein Haus in Sysran (Gebiet Samara, Russland) ein, vergewaltigten die Frau und ermordeten sie, ihren Ehemann und ihre kleine Tochter auf äußerst grausame Art und Weise, indem sie sie stundenlang folterten. Wie es sich herausgestellt hat, waren die Verbrecher erst kürzlich aus dem Donbas zurückgekommen, wo sie als „Freiwillige“ bei den IBFs in der „LVR“ gedient hatten. Man kann sich an der Stelle denken, was sie während ihrer „Dienstzeit“ den Einwohnern des Gebiets Luhansk und gefangenengenommenen ukrainischen Soldaten angetan hatten, als keiner sie kontrollierte und niemand etwas von ihren Verbrechen erfuhr…
Das ist wohl auch der Grund für die Bildung der „Rosgarde“ in Russland, die nun Befugnisse besitzt, „Kampfaufgaben außerhalb der Landesgrenzen auszuführen, darunter auch in den okkupierten Territorien der Ukraine. Darüber berichten Quellen, die sich mit der Situation auskennen,“ berichtet Kommersant.
„In den letzten zwei Jahren sind an der russischen Grenze zwei neue nicht-anerkannte Republiken entstanden. Für die Mitarbeiter der FSB-Grenzdienste sind sie ein Kopfschmerz: sie können gegen den illegalen Drogenhandel und Waffenschmuggel in ihren Regionen nicht effektiv kämpfen, da das Gesetz es ihnen verbietet, Russlands Territorium zu verlassen, selbst wenn es nötig ist, eine bestimmte Operation auf dem Territorium der angrenzenden nicht-anerkannten Republiken durchzuführen. Die Rosgarde besitzt nun diese Befugnisse,“ erzählten die Quellen.
Wobei es an der Stelle fraglich ist, ob die FSB-Mitarbeiter das Territorium Russlands nie verlassen haben. Wir haben da ganz andere Informationen, die immer wieder in unseren Untersuchungen zur Sprache gebracht werden. Zum Beispiel die Tatsache, dass der FSB im Grunde all die Tätigkeit der Anführer der sogenannten „D/LVR“ kontrolliert.
Die Entscheidung des russischen Präsidenten sieht die Teilnahme der „Rosgarde“-Soldaten an der „Tätigkeit zur Unterstützung und Wiederherstellung vom internationalen Frieden und Sicherheit“ vor. Das seit 1996 in Russland geltende Gesetz „Über die Innentruppen“ hatte die Ausführung von Aufgaben außerhalb der Landesgrenzen durch die Innentruppen nämlich nicht vorgesehen.
In den selbsternannten „Republiken“ bleiben auch die Kinder nicht verschont. In den sogenannten „Klassenstunden des Staatsbewusstseins“, die von den selbsternannten „DVR“ und „LVR“ eingeführt wurden, werden die Kinder gezwungen, Referate über die „Helden von Neurussland“ wie den „DVR“-Anführer Sachartschenko und die Terroristen Motorola und Giwi anzufertigen. Darüber wird in einer Reportage des separatistischen TV-Kanals „Union“ gesprochen. Auch singen die Schüler in diesen Klassen die „Hymne“ der „DVR“.
„Die Schüler haben nun Beschäftigung: sie bereiten Referate vor, über die prominenten Persönlichkeiten unserer Region, über die Volkswehr,“ teilte stolz die Leiterin der Schule Nr.3 in Kirowske (Donezker Gebiet) Swetlana Sibirewa in einer „Offenen Stunde“ am 18. April mit.
Die russische Journalistin Marina Achmedowa gab kürzlich zu, dass russische Medien zielgerichtet Heldenbilder aus bestimmten Terroristen kreiert haben, die am Krieg im Donbas beteiligt sind.
„Gerade die russischen Journalisten haben wahlweise aus manchen „Volkswehr“-Mitgliedern Helden kreiert. Sie blieben ununterbrochen bei ihnen, fuhren mit ihnen zusammen an die vorderste Linie, führten Live-Übertragungen ihres Kriegs- und Alltagslebens… Diese aktiv lobgepriesenen Taten haben aus diesen Menschen Helden gemacht,“ schrieb sie.
Was die Industrie angeht, die vor dem Krieg im Donbas durchaus hoch entwickelt war und Arbeitsplätze für viele Menschen bereitstellte, so ist sie nun auch im äußerst jämmerlichen Zustand. Abgesehen davon, dass die Russen ganze Betriebe auseinandergenommen und nach Russland gebracht haben, können auch die anderen, vor dem Krieg bekannten Betriebe in Donezk unter Okkupationsbedingungen das einstigen Produktionsniveau nicht mehr erreichen. Darüber berichtete der Leiter des Stadtverwaltung des Leninski-Bezirks von Donezk, Oleg Belajew, in einem Interview an die Zeitung „Abendliches Donezk“, die im okkupierten Territorium herausgegeben wird.
„Die Lebensmittelbetriebe arbeiten mit wechselndem Erfolg. Das betrifft „Herkules“, „Winter“, die Milchfabrik Nr.2, die Süßwaren-Fabriken „Konti“ und „AWK“, die nun die Namen „Tor“ und „Lakond“ tragen. Sie haben Probleme mal mit Rohstoffen mal mit dem Absatz. Zum Beispiel produzierte „Konti“ vor dem Krieg 500 Tonnen Süßigkeiten und nun bloß 300-350 Tonnen im Monat,“ berichtete er.
Seinen Worten nach hat man den Betrieb „Nord“, der Kühlschränke produziert, umbenannt, aber der neue Name hat nicht geholfen, die Arbeit zu regulieren. „Nord“, nun „Intertechnika“ lebte im Februar kurz auf, seit April wurde die Produktion aber eingestellt, zumindest bis Mitte Mai,“ erzählte Belajew.
Das ist wohl das, was die „Russische Welt“ jenen bringt, die sie gerufen hatten. Willkür, Drogen- und Waffenschmuggel, Zerstörung der Psyche von Kindern, Verlust der Arbeitsplätze, Armut und Anarchie. Was anderes hat diese Welt nach den zwei Jahren nicht vorzuweisen.
Dieses Material wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalm vorbereitet. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
2 Responses to “Russische Welt im Donbas: Kurzer Einblick in das Leben in den okkupierten Territorien”
27/06/2016
Wie "absurd" es ist, von Russland die Erfüllung des Minsker Abkommens zu erwarten... - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Das nur als kleines Beispiel für die Skrupellosigkeit der Kreml-Regierung, die in Sportlagern, die direkt dem russischen Verteidigungsministerium unterstehen, Kinder nicht nur seelisch verdirbt. Was die “Russische Welt” an sich bedeutet, haben wir im folgenden Artikel analysiert: “Russische Welt im Donbass: Kurzer Einblick in das Leben auf den okkupierten Territorien”… […]
21/08/2017
Krim als Prüfstein für die Prinzipientreue des Westens - InformNapalm (Deutsch)[…] stehlen, foltern, vergewaltigen und töten kann. Man braucht sich nur die Bilder aus Abchasien und dem Donbas anzuschauen, um zu verstehen, was die „Russische Welt“ in Wahrheit bedeutet: Verwüstung und […]