von Irina Schlegel
In den letzten Wochen war die Krim mehrmals Thema in den deutschen Medien. Der Skandal mit den Siemens-Turbinen setzt sich fort, nun verhängte die Europäische Union gegen insgesamt drei russische Firmen und drei Einzelpersonen zusätzliche Strafmaßnahmen wegen der verbotenen Turbinen auf der Krim. Siemens versucht sich aus der Sache herauszuwinden und klagt nun vor einem Moskauer Gericht gegen das eigene Tochterunternehmen Siemens Technologii Gasowych Turbin (STGT), das die Erdgasturbinen herstellte. Siemens beteuert, 2015 sei vertraglich vereinbart worden, die Turbinen nicht auf die Krim zu liefern. Es fällt allerdings schwer daran zu glauben, dass Siemens nichts von diesen Lieferungen wusste, wenn sogar die russische Zeitung Wedomosti bereits Ende Juni 2015 darüber berichtet hatte…
Die Staatsanwaltschaft Karlsruhe ermittelt derzeit gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss. Er soll gegen die Krim-Sanktionen der EU verstoßen haben. Den Vorwürfen zufolge soll der Verein West-Ost-Gesellschaft (WOG) eine Gruppenreise auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim organisiert haben, wie SWR berichtet.
Ein weiterer deutscher Staatsbürger zeigt sich ebenfalls völlig unberührt von Sanktionen und fährt auf die Krim, um dort ein Konzert zu geben: Scooter war neulich das Thema aller ukrainischen Nachrichten. Auf seinen illegalen Besuch der Halbinsel hat bereits der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, reagiert. Über andere Anhänger von Reisen auf die besetzte Halbinsel schrieben wir im April dieses Jahres – da war es eine Delegation aus deutschen Linken und anderen Verschwörungstheoretikern, die sich „Journalisten“ nennen. Wobei einer davon, Andreas Maurer, letzte Woche schon wieder die Krim besuchte, was darauf schließen lässt, dass sich einige deutsche Politiker nicht sonderlich um internationale Gesetze kümmern…
Der wahre Brüller kam aber, als der FDP-Chef Christian Lindner vorschlug, den Status quo auf der von Russland annektierten Krim vorerst zu akzeptieren. Erstaunlich, dass ein deutscher Politiker dieser Größe nach drei Jahren Krieg Russlands gegen die Ukraine meint, dass „Sicherheit und Wohlstand in Europa auch von den Beziehungen zu Moskau abhängen“. Er befürchte gar, dass man „die Krim zunächst als dauerhaftes Provisorium ansehen muss“.
In diesem „dauerhaften Provisorium“ leben aber Menschen, die Russland für ihre proukrainische Position verfolgt, verhaftet und zu schauderhaften Haftstrafen verurteilt. Über den Regisseur Oleh Senzow, der von russischen Sicherheitsbehörden aus seiner eigenen Heimatstadt Simferopol entführt, später zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde und nun im fernöstlichen Sibirien im Gefängnis sitzt, wissen ja viele.
Im Grunde ist aber faktisch jeder Einwohner der Krim, der sich als ein ukrainischer Patriot zeigt, genauso gefährdet. Wir erzählen über ein einziges weiteres Beispiel für die russische totalitäre Willkür, der die Einwohner der Krim ausgesetzt sind: Am 4. August wurde bekannt, dass gegen den ukrainischen Aktivisten Wladimir Balucha ein Strafurteil verhängt wurde: 3 Jahre und 7 Monate Haft, sowie eine Strafe in Höhe von 10.000 Rubel. Der Angeklagte vermerkte den politischen Charakter des Gerichtsverfahrens gegen ihn. Am Anfang der Sitzung forderte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von 5 Jahren und einem Monat für Balucha. Er wurde des Besitzes von Munition und Sprengstoffen beschuldigt. Der FSB hatte Wladimir Balucha am 8. Dezember 2016 festgenommen. Nach Aussage seiner Frau, kamen die FSB-Mitarbeiter zu einer Hausdurchsuchung in sein Dorf Serebrjanka im Bezirk Rasdolnenski auf der Krim. Die Durchsuchung im Haus von Balucha und seiner Mutter dauerte vier Stunden. Die FSB-Mitarbeiter gaben an, sie hätten am Dach des Hauses von Wladimir Balucha 90 Patronen und einige Trotyl-Sprengkörper gefunden. Die dem Kreml unterstellten Krim-Behörden forderten Wladimir Balucha dazu auf, das Schild „Straße der Himmlischen Hundertschaft 18“ (in Erinnerung an die Maidan-Helden) von seiner Hauswand abzunehmen, das er am 29. November 2016 aufgehängt hatte. Die Verteidiger von Balucha und die Mitarbeiter von Menschenrechtsorganisationen beteuern ihrerseits, dass er wegen seiner proukrainischen Position zu einem Repressionsopfer wurde – auf Grund des Schilds an seiner Hauswand und einer Ukraine-Flagge, die im Hof seines Hauses war.
Und das sind nur zwei Fälle für Inhaftierungen von ukrainischen Staatsbürgern auf der Krim aus politischen Gründen. Russland praktiziert auf der Krim die altbewährte stalinistische Praxis von Repressionen und Verfolgungen, die schon in den 1940er Jahren Millionen Menschen das Leben kostete und sie ihrer Heimat beraubte. Seit 2014 wurde die Vergangenheit wieder zur Gegenwart – die Krimtataren werden wieder verfolgt und aus ihrer Heimat vertrieben. Darüberhinaus zwingt Russland die Einwohner der Krim, deren größter Peiniger Stalin war, diesen wieder zu verehren und stellt Denkmäler für diesen Massenmörder auf der Halbinsel auf.
Dabei lässt Russland wahre Terroristen und Mörder auf freiem Fuß und reagiert nicht mal auf Anfragen des Interpol, wie es im Fall von einem Einwohner der Krim, dem russischen Terroristen und „DVR“-Söldner, Wadim Pogodin, gewesen ist, der nachweislich an der Ermordung des ukrainischen 16-jährigen Schülers Stepan Tchubenko beteiligt gewesen war und um dessen Auslieferung die Ukraine Russland bat.
Das totalitäre Vorgehen der Russischen Föderation auf der Krim beschränkt sich aber nicht nur auf ihre Einwohner. Dieser Staat verwandelt diesen „sakralen“ Ort für Russen, wie W.Putin ihn nennt, in einen einzigen riesigen Flugzeugträger, der vollgespickt mit Atomwaffen ist und als Aufmarschgebiet für Kriegshandlungen im Schwarzen Meer dienen kann. Dabei kümmert sich Russland überhaupt nicht um die Natur der Krim und beutet ihre Naturressourcen aus. Was den milliardenschweren Diebstahl des ukrainischen Eigentums auf der Halbinsel angeht, so wird das wohl auch zu einem Gegenstand von internationalen Ermittlungen gegen Russland, wie zum Beispiel der illegale Diebstahl von ukrainischen Boiko-Bohrtürmen auf der Krim.
Das Verhalten Russlands auf der Krim zeigt das wahre Gesicht dieses Unterimperiums, wobei hinter den schwülstigen Worten der russischen Staatspropaganda über die eigene Größe und Erhabenheit nichts dahinter steckt. Russland verhält sich wie ein Ganove, der nur stehlen, foltern, vergewaltigen und töten kann. Man braucht sich nur die Bilder aus Abchasien und dem Donbas anzuschauen, um zu verstehen, was die „Russische Welt“ in Wahrheit bedeutet: Verwüstung und Zerstörung – überall, wo sie nur hinkommt. Es gibt kein einziges Beispiel dafür, dass Russland irgendeiner Region, die sie gewaltsam besetzt oder an sich gerissen hat, irgendetwas Gutes gebracht hat. Komischerweise werden all diese Tatsachen im Westen noch immer übersehen, runtergespielt und vergessen, was darauf schließen lässt, dass das imperialistische und chauvinistische Gedankengut in Europa noch immer Zuspruch findet, denn Russland ist in Bezug auf seine souveränen Nachbarstaaten nichts anderes als ein Aggressor und ein Peiniger, dem weder menschliche Schicksale noch das Leben als solches wichtig oder wertvoll sind. Im Grunde muss diese letzte Hochburg des europäischen Imperialismus endlich zu Fall gebracht werden, damit Europa frei atmen kann.
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Dieses Material wurde von Irina Schlegel exklusiv für InformNapalmDeutsch vorbereitet; editiert von Klaus H. Walter.
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