
Die russische Gosduma hat in erster Lesung einen Gesetzentwurf verabschiedet, den man wohl als „Glücksritter“-Gesetz bezeichnen kann. Russische Soldaten und Zivilisten sollen demnach die Möglichkeit bekommen, kurzzeitige Verträge zum Militärdienst zu unterzeichnen, um „gegen den Terrorismus“ ausserhalb von Russland zu kämpfen. Früher musste ein Wehrdienstleistender oder ein Zivilist, der einen Vertrag zum Militärdienst unterzeichnete, diesen für 2 oder 3 Jahre abschließen. Falls der Gesetzentwurf nun die ganze Prozedur durchläuft und das entsprechende Gesetz tatsächlich verabschiedet wird, erhält die russische Armee die Möglichkeit, bei Notwendigkeit Zeitsoldaten aus Wehrdienstleistenden und zivilen Personen für kurze Zeitperioden anzuheuern – „bis zur Auflösung der Umstände, die zur Vertragsunterzeichnung führten, aber nicht länger als ein Jahr ab dem Tag des Inkrafttretens des Zeitvertrages“ (Mitteilung).
Im Grunde wird in der russischen Armee so eine Art besonderer Truppengattung erschaffen: „Soldat für eine Stunde“ oder „Ritter der Fortune“.
Höchstwahrscheinlich versucht die russische Führung ihre Söldner im Donbass somit rückwirkend zu legalisieren, denn ihr Status ist derzeit ziemlich komisch. Wenn wir als Basis die Version der russischen Propaganda wählen, dass im Donbass ausschließlich russische Freiwillige kämpfen, so kommen viele Fragen hinsichtlich ihres Todes auf:
Im Lauf des üblichen Monitorings des russischen Netzwerks „VKontakte“ haben wir zum Beispiel das Profil des Nutzers „Alexey Kasak“ (Profil, Archiv) gefunden. Am 25. April 2016 wurde in seinem Profil folgende Mitteilung gepostet: „Der Abschied von Alexey findet am Samstag, den 30.04.2016, um 13:00 Uhr unter folgender Adresse statt: Krasnogo-Snameni-Prospekt 73. Die Beisetzung findet auf dem Marinefriedhof statt. Das anschließende Leichenmahl – im Restaurant „Cheops““ (Mitteilung, Archiv).
Im Profil von „Kasak“ wird als Wohnort die Stadt Wladiwostok angegeben – dort gibt es tatsächlich das Restaurant „Cheops“ und unter der angegebenen Adresse „Krasnogo-Snameni-Prospekt 73“ befindet sich tatsächlich ein Bürogebäude. Die Mehrheit seiner Kontakte stammt ebenfalls aus Wladiwostok.
Alexey scheint ein weiteres Opfer des putinschen Fernsehens geworden zu sein, das an den „gekreuzigten Jungen“ geglaubt hatte. Die Tatsache, dass das Foto des amerikanischen Pornostars Sascha Grey mitsamt der Behauptung, dass ukrainische „Strafkommandos“ sie angeblich mit einer Axt erschlagen haben sollen, Tausende Likes in den Gruppen der Anhänger von „Neurussland“ bekommt, lässt viel über die Fähigkeit zum kritischen Denken bei den „Volkswehrkämpfern“ schlussfolgern. Unser „Kasak“ hatte dieses Foto auch geliket (Foto, Archiv). No comment…
Dem Foto im VK-Netzwerk nach (Seite, Archiv), diente er seit 2014 im Donbass. Gehörte höchstwahrscheinlich zur Bedienungsmannschaft der Panzerhaubitze „Gwosdika“ mit der pathetischen Aufschrift „Alles ist Gottes Wille!“
Auf seiner Seite postete „Kasak“ ein Video unter dem Titel „Ich persönlich arbeite gerade die Söldner aus Polen ab!“:
In seinem Profil veröffentlichte er auch ein Foto aus dem Video (Foto, Archiv):
Ein Kosak aus Wladiwostok sucht in der Ukraine also nach polnischen Söldnern, stirbt am Ende aber selber…
Diese Haubitze ist übrigens relativ berühmt bei den Journalisten im Donbass und das Foto wurde bereits mehrmals von den russischen Propagandisten benutzt (Archiv).
Anhand der Stoppbilder aus dem Video ist es uns gelungen, die genaue Stelle zu identifizieren, von der das Feuer geführt wurde.
Link zum Foto auf Panoramio.
Das ist der Charzysk-Bezirk des Donezker Gebiets, an der Ausfahrt aus dem Dorf Sujewka.
Im April 2016 wurden Nahestehende also zur Beisetzung von „Kasak“ eingeladen. Und am 13. November 2016 posteten die Verwandten des Gefallenen Fotos seiner Kampfauszeichnungen, die der „Kasak“ postum erhalten hat.
So wurde Alexey Wladimirowitsch Krochun auf Anordnung des russischen Präsidenten vom 7. September 2016 hin mit dem Tapferkeitsorden ausgezeichnet (Ehrenurkunde Nr. 71072, Seite, Archiv). Das Foto des Ordens haben seine Nahestehenden öffentlich gepostet (Foto, Archiv).
- Tapferkeitsorden
- Von Putin höchstpersönlich
- Medaillenfluß
Aus dem Statut des Tapferkeitsordens lässt sich schwer erkennen, wofür er an Krochun vergeben werden sollte:
„Der „Tapferkeit“-Orden ist eine staatliche Kampfauszeichnung Russlands. Sie wurde durch einen Erlass des russischen Präsidenten vom 2. März 1994 gestiftet. Der „Tapferkeit“-Orden wird in Russland für Tapferkeit, Selbstlosigkeit und Mut verliehen, die beim Schutz der öffentlichen Ordnung, im Kampf gegen Verbrechen, bei Rettung von Menschen bei Naturkatastrophen und in anderen Ausnahmezuständen bekundet wurden, wie auch für entschlossene und mutige Vorgehensweise bei der Ausführung von militärischen, dienstlichen oder zivilen Pflichten, die mit einem Lebensrisiko verbunden war.“ (Beschreibung der Auszeichnung).
Wir haben aber schon gemerkt, dass der Tapferkeitsorden in der Regel an gefallene russische Militärangehörige vergeben wird. Näheres dazu hier: „Die russische Medaillenbilanz in der syrischen Militäroperation. Teil 2“.
War Alexey Krochun doch kein Zivilist?
Und wenn in der Ukraine ein „Bürgerkrieg“ läuft, warum sterben dort Russlands Staatsbürger? Und wenn der Krieg in der Ukraine ein innerer Konflikt ist, warum ordnet Putin persönlich an, Russen für die Teilnahme an diesem Krieg auszuzeichnen?
Gesondert möchten wir die russischen Journalisten darum bitten, herauszufinden, in welchem Status der russische Staatsbürger Krochun in der Ukraine gewesen ist und für welche Verdienste er denn mit dem Tapferkeitsorden geehrt wurde?
Dieses Material wurde von Kirill Mefodijew und Vidal Sorokin exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
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