von Michail Mitkow-Baklanowski
Aus Gesprächen mit meinen amerikanischen Freunden habe ich verstanden, dass nicht viele von ihnen eine Vorstellung davon haben, was gerade in der Ukraine passiert und wie es sich auf ihr Alltagsleben in den USA auswirken kann.
Ich bin ein Nachkomme des russischen Adels, in der Ukraine geboren und lebe die letzten 23 Jahre in den USA.
Ich möchte Russland und die Ukraine frei, demokratisch, blühend sehen, ich möchte sie als Staaten sehen, die frei von Korruption sind und im Frieden und guter Nachbarschaft leben.
Meine derzeitigen Empfindungen sind ein Déjà-vu und eine schwache Hoffnung.
Ich erinnere mich selbst an den Helden einer alten sowjetischen Anekdote:
Zwei Leute schauen den Film über Tschapajew (Anm.d.Red. Held des russischen Bürgerkrieges der 1920er). Tschapajew versucht, über den Ural zu schwimmen.
Einer sagt: „Er schafft es!“
Der andere: „Nein, er wird’s nicht schaffen!“
„Wetten, dass er hinausschwimmt?“
„Gewettet!“
Tschapajew ertrinkt.
„Hör mal, woher wusstest Du denn, dass er es nicht schafft?“
„Ich hab‘ den Film schon dreimal geschaut!“
„Ich habe ihn schon 10 mal geschaut, aber ich dachte, beim zehnten Mal wird er es doch endlich schaffen!“
Diese Anekdote ist über mich: ich sehe, was passiert, hoffe aber trotzdem noch.
Nur ein Fauler hat bislang Putin nicht mit Hitler verglichen.
Die Rhetorik ihrer Reden ist gleich. Hitler positionierte sich selbst als Kämpfer für den Frieden und Beschützer der in anderen Ländern unterdrückten Deutschen. Putin schützt angeblich die unterdrückten russischsprachigen Bürger der Ukraine.
Die Kämpfer der ukrainischen Armee sprechen unter sich Ukrainisch und Russisch. Die Sprache der Kommunikation spielt für sie keine Rolle.
Die Lüge der russischen Propaganda ist auf ein ganz neues Niveau gehoben worden, im Vergleich zum Hitler-Deutschland. Russland gibt gigantische Summen für Propaganda aus. Der Unterschied zwischen Putin und Hitler besteht darin, dass Hitler keine Atomwaffen besaß. Ich schaue russisches Fernsehen. Russische Politiker, auch Putin selbst, besprechen ernsthaft die Möglichkeit eines Atomkrieges gegen die ganze restliche Welt. Die Russen, verdummt durch die Propaganda, lassen die Möglichkeit eines solchen Geschehens zu.
Das Verhalten Putins kann man mit der Psychologie eines Banditen erklären. Die Stärke eines Banditen besteht in der Angst seines Opfers und der zufälligen Passanten. Wenn das Opfer und die Passanten Angst vor ihm haben, begeht er ein Verbrechen. Wenn das Opfer und die Passanten sich wehren, flüchtet der Bandit. Zunächst droht ein Bandit immer und schaut auf die Reaktion darauf.
Die Ukrainer waren zu einem Krieg nicht bereit, Putin aber hat sich darauf vorbereitet. Er hat alles berechnet. Eine Armee als solche hatte die Ukraine nicht, die putinsche Agentur war in alle Strukturen der ukrainischen Regierung eingebettet, und die Wirtschaft der Ukraine befand sich in einem jämmerlichen Zustand. Aber es ist ein Wunder geschehen. Die Ukraine hat Putin eine Abfuhr erteilt. Aus dem Nichts ist eine vieltausendköpfige Armee von Freiwilligen aufgetaucht, aus dem Nichts ist eine kampffähige Armee der Ukraine entstanden. Das Volk der Ukraine hat die ukrainische Armee erschaffen und versorgt diese auch, und sie gebietet den professionellen Militärs Russlands Einhalt.
Es sind die besten Söhne der Ukraine. Und ihnen muss jetzt geholfen werden, ohne auf den Moment zu warten, zu dem die überlegenen russischen Streitkräfte die Städte Artemiwsk, Mariupol, Mykolajiw, Charkiw und Odessa besetzt haben…
Putin ist gefährlich. Nach Meinung des russischen Atomwaffenabrüstung-Experten, Andrei Piontkowski, eines Atomwaffen-Experten und Mitglieds der russisch-amerikanischen Kommission zur Nichtverbreitung von Atomwaffen, stellt Putin für die moderne Zivilisation die grösste Gefahr in der gesamten Zeit ihrer Existenz dar.
Putin droht und erpresst, er beobachtet die Reaktionen: Er hat die Krim besetzt – und es wurde geschluckt? Er hat die Boeing abgeschossen – geschluckt? Er hat die Armee in den Osten der Ukraine geschickt – geschluckt? Sie haben ein Friedensabkommen unterzeichnet und dieses gebrochen, haben neue Territorien besetzt, haben das zweite Abkommen gebrochen, das dritte – geschluckt? Ich versichere Ihnen, das wird so lange weitergehen, bis die Ukraine nennenswerte Hilfe vom Westen bekommt: nämlich moderne Waffen.
Meine Mutter, die den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Okkupation überlebt hat, erzählte mir detailliert, wie jener Krieg anfing. Wie Hitler wegen der Feigheit und Unentschlossenheit der europäischen Leader kampflos die Sudeten einnahm, dann die Tschechoslowakei, Österreich und einen großen Teil von Europa. Meine Mutter war Zeugin, wie Deutschland am 1. September 1939 Polen überfiel. Wie die Polen dachten, dass die Rote Armee kommt, um sie vor Hitler zu schützen, und wie enttäuscht sie waren, als sie verstanden, dass es um die Zerteilung ihres Landes geht.
Großbritannien und die Tschechoslowakei waren durch einen Vertrag über gegenseitige militärische Hilfe gebunden. 1938 hat Großbritannien die Tschechoslowakei verraten. Sich zwischen der Schande und dem Krieg entscheidend, hat Großbritannien die Schande vorgezogen, bekam aber ein Jahr später aber auch noch den Krieg.
Das erinnert an die heutige Situation mit der Ukraine. Die Ukraine hat auf ihr weltdrittgrößtes Atomwaffenarsenal im Austausch gegen Garantien für ihre Souveränität und territoriale Integrität verzichtet (im Budapester Memorandum vom 5. Dezember 1994). Als Garanten traten die USA, Russland und Großbritannien auf. Zwei andere Teilnehmer des Vertrages über die Nichtverbreitung der Atomwaffen, Frankreich und China, sprachen sich über analoge Garantien in Form entsprechender Erklärungen aus, ohne das Abkommen zu unterschreiben.
Und nun kam die Zeit der Prüfung der Festigkeit des internationalen Rechts! Einer der Garanten (Russland) hat einen Teil der Ukraine annektiert. Es sind alle Abkommen gebrochen worden.
Im russischen Dokumentarfilm über die Krim-Annexion gesteht Putin die begangenen Verbrechen: „Ja, meine Herrschaften, ich habe Sie angelogen! Ja, die Annexion der Krim wurde seit langem vorbereitet. Janukowytsch ist mein Projekt zur Vernichtung der Ukraine. Die Krim wurde von den Streitkräften Russlands besetzt.“ Eigentlich ist das eine richtige Selbstanzeige beim Haager Kriegsverbrechertribunal. Die Krimer Rede von Putin ist eine wortgetreue Übersetzung der Hitler-Rede zur Annexion des Sudetenlands.
Die Präsenz russischer Streitkräfte im Donbass ist eine bewiesene Tatsache: russische Gefangene, das Vorhandensein schwerer Militärtechnik bei den Separatisten, welche nur Teil der Bewaffnung Russlands sein kann und niemals ins Ausland verkauft wurde; es gibt Satellitenbilder, es gibt Videos, die auf beiden Seiten der Grenze aufgenommen wurden. Russland lügt weiterhin, es sei keine Konfliktseite, es habe nichts damit zu tun. Aber die Militärtechnik, Ausrüstung und Streitkräfte treffen weiterhin in einem unaufhörlichen Strom aus Russland im Osten der Ukraine ein.
Die Ukraine bittet die Weltgemeinschaft um militärische Hilfe. Die Weltgemeinschaft tut so, als ob sie nichts hört und die Hilfeschreie auch nicht versteht. Die Weltgemeinschaft drückt ihre Besorgnis aus, anstatt die Ukraine mit Waffen zu versorgen.
Die führenden europäischen Politiker tun so, als ob sie versuchen, mit dem Aggressor zu verhandeln, mit ihm Friedensabkommen zu schließen. Welchen Sinn hat es, Friedensabkommen mit einem Banditen zu schließen, der ein Messer an deinem Hals hält? Welchen Sinn hat es, einen neuen Vertrag mit einem Banditen zu schließen, der alle von ihm zuvor unterzeichneten Verträge gebrochen hat?
Das „politische Spektakel“, das Hollande und Merkel auf den Minsker Treffen 1 und 2 gespielt haben, ist nichts anderes als eine Imitation der Geschäftshuberei zur Erhöhung ihrer Ratings bei den kurzsichtigen Wählern. Jedes Mal wurde das unterzeichnete Friedensabkommen von Russland dazu genutzt, mehr Militärtechnik anzuhäufen, den Personalbestand zu vergrößern und weitere Besetzungen neuer Territorien durchzuführen. Direkt nach der Unterzeichnung des „Minsk-2“ Abkommens hat Russland den größten Eisenbahnknoten eingenommen – die Stadt Debalzewe.
Nach der Einnahme von Debalzewe konnte man die Militärtechnik und Streitkräfte über die Eisenbahn transportieren, was den Prozess der Intervention erleichterte und verbilligte.
Trotz der Einnahme von Debalzewe, trotz der alltäglichen Beschüsse der ukrainischen Stellungen durch die russischen Streitkräfte werden Erklärungen abgegeben, denen zufolge die Minsker Verhandlungen grundsätzlich eingehalten werden…
Tausende Tote auf beiden Konfliktseiten, Dutzende Dörfer und Städte sind zerstört, anderthalb Millionen Flüchtlinge, die alles, was sie je besaßen, verloren haben… Und all das nur wegen der Feigheit und Unentschlossenheit der Weltgemeinschaft, aufgrund der weichen Reaktion, der sanften Sanktionen. Die Weltanführer versuchen, wie ein Strauß den Kopf in den Sand zu stecken und die Realität nicht zu sehen, denn die Realität ist tatsächlich grauenhaft.
Die Ingenieure wissen, dass der Preis für eine Fehlerbehebung bei der Entwicklung von Computersystemen mit der Zeit in einer Exponentialkurve steigt. Die Verzögerung und die Untätigkeit lassen den Preis der Fehlerbehebung um das Mehrfache ansteigen. Je früher man etwas korrigiert, desto billiger wird der Preis.
Die Feigheit und Unentschlossenheit der westlichen Anführer erhöht für den Westen und in erster Linie für die USA den Preis der Konfliktlösung in der Ukraine. Wenn der Ukraine militärische Hilfe zur Verfügung gestellt worden wäre, als der Präsident Poroschenko im US-Senat darum bat – vor sechs Monaten (im September 2014), dann gäbe es nun keine Donezker und Luhansker „Volksrepubliken“.
Ich möchte nun den Hauptaspekt der Ukraine-Krise besprechen, der ausnahmslos jeden Bewohner dieses Planeten angeht.
Die Situation in der Ukraine wird aufmerksam von anderen Ländern beobachtet, die fähig sind, ihre eigenen Atomwaffen zu bauen, aber sich bislang auf die Garantien der USA verlassen haben. Nun sehen sie, dass man sich hier nur auf sich selbst verlassen kann und soll.
Die Absicht, das Recht auf den Besitz von Atomwaffen durchzusetzen, haben bereits manche Mitglieder der Königsfamilie von Saudi Arabien erklärt. Sie sind über die ambitionierten Nuklearpläne Irans und die fehlende Härte der USA in dieser Frage erschrocken. Ungeachtet der panischen Erklärungen der IAEO (Internationale Atomenergie-Organisation) verhält sich der US-Präsident Obama zögernd und unentschlossen.
Als Resultat könnten sich Japan, Südkorea, Taiwan, Australien, Neuseeland, Brasilien, Argentinien, die Südafrikanische Republik, die Türkei, Saudi Arabien und eine Reihe anderer arabischer Länder bald Atomwaffen zulegen. Die Ukraine könnte sich Atomwaffen wieder zurückholen. Sie besitzt die nötigen Technologien, Wissenschaftler wie auch Nuklearmaterialien.
Ob unser Planet nach all dem ein sicherer Ort zum Leben wird?
Ich denke nicht.
Angesichts der plötzlichen Erweiterung des Nuklearclubs wird es viel schwieriger werden, den Leak von Technologien zu überwachen. Die Nukleartechnologien werden unvermeidlich in die Hände von terroristischen Organisationen und Ländern fallen, eine globale Katastrophe ist unvermeidlich.
Und dann wird die Tragödie vom 9/11 wie eine kleine Unannehmlichkeit erscheinen – im Vergleich zu der globalen Katastrophe, die jeden Bewohner unseres Planeten betreffen wird.
Ich versuche es ganz einfach zu erklären:
Die Ukraine bekam eine Versicherung, indem sie auf ihr weltdrittgrößtes Atomwaffenarsenal verzichtete. Ungefähr so eine, wie Sie eine für Ihr Auto für den Fall eines Unfalls abschließen. Der Unfall ist nun passiert. Die Ukraine legt ihren Versicherungsschein vor und ihr wird aber erklärt, dass der Vertrag ein Fake ist. Andere Versicherungsnehmer, die diese Situation beobachten, könnten auf diese Versicherungsfirma verzichten. Welchen Sinn hat es, wenn es eh ein Fake ist? Das Ansehen der Versicherungsfirma muss also gerettet werden. Die USA müssen der Ukraine unverzüglich Panzerabwehrraketen zur Verfügung stellen, wie auch alles andere, was die ukrainischen Militärs nur wollen, wenn Sie nicht wollen, dass das internationale Recht zu existieren aufhört.
Jeder von Ihnen muss etwas tun, muss seinen Freunden und Bekannten davon erzählen, muss diese Information mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln verbreiten. Rufen sie die Verwaltung des Weißen Hauses an!
Man muss das tun, wenn man keine radioaktive Asche vor ihrem Haus sehen will…
Ich habe Sie gewarnt.
Quelle: Michail Mitkow-Baklanowski; übersetzt von Irina Schlegel
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