Die Abwehr der aggressiven russischen Propaganda wird in den NATO-Ländern erst seit kurzem auf die Tagesordnung gesetzt. Früher schenkte der Westen dieser Richtung nicht die nötige Beachtung und erst Ende 2016 unternahm das Europaparlament erste Schritte zur Problembewusstwerdung, indem es in einer seiner Resolutionen Russlands Medien mit der IS-Propaganda gleichgesetzt hat. In dieser Hinsicht ist die Erfahrung der Ukraine einzigartig, da die Problembewusstwerdung viel früher stattfand. Und zur Herausbildung dieses Know-hows trug nicht das Staatssystem bei, sondern die nicht regierungsamtlichen Zusammenschlüsse und freiwillige Organisationen. Heute kann man sagen, dass die Ukraine langsam von der Rolle eines hilflosen Opfers, deren Hilfeschreie tiefe Besorgnis bei den Nachbarn hervorrief, zur aktiven Abwehr übergeht und gewisse intuitive Fertigkeiten zu Gegenmaßnahmen entwickelt. Und der Cyberraum wurde zu einem „Element“, in dem ukrainische Freiwillige die Effektivität eines aktiven Gegenangriffs gegenüber einer flauen Verteidigung bewiesen haben.
Heute verraten die Hacktivisten der UCA (Ukrainische CyberAllianz) den Lesern von InformNapalm neue Details der Operation, die vor fast einem Jahr durchgeführt worden war. Das ist eins der Beispiele einer effektiven Kampagne direkter Einwirkung, deren Durchführung uns ein UCA-Vertreter, der Hacktivist der Gruppe FalconsFlame unter dem Nickname @16FF255, beschreibt.
„Es ist fast ein Jahr nach jener Operation vergangen, wir haben alle gebrauchten Informationen gesammelt, die auch effektiv bearbeitet worden sind. Nun ist es an der Zeit, manche Einzelheiten der erfolgreichen Aktionen von UCA im Feindlager offenzulegen – diesmal der Operation gegen die russischen Propagandisten. In der ersten Etappe hatten wir aktive prorussische Gruppen aufgedeckt, die im sozialen Netzwerk VK arbeiteten, und die Verbindungen zwischen den Profilen sowie die User-Aktivität analysiert. Das hat Klarheit bei der Auswahl des Zieles geschaffen. Zu einem von diesen Zielen wurde das russische analytische Zentrum „Katechon“, das sich als eine „unabhängige Expertengemeinschaft“ positioniert. Der Beobachterrat des analytischen Zentrums „Katechon“ besteht aus solchen ominösen Persönlichkeiten wie dem russischen Milliardär Konstantin Malofejew, der einer der Sponsoren der russischen Aggression im Donbass ist, dem russischen Präsidentenberater Sergei Glasjow, dem Mitglied des russischen Föderationsrats Andrej Klimow und einigen russischen Generälen. Auch der berüchtigte russische Funktionär, „der kriegerische Philosoph“ Alexander Dugin ist ein Mitglied dieses Beobachterrats.
Zur Bekanntmachung mit der „inneren Küche“ der russischen Propagandisten hat sich UCA Zugang zur Webseite von „Katechon“ beschafft und einige Zeit lang die Versuche der Seitenadmins beobachtet, den Zugang zur Ressource wiederherzustellen. Es handelte sich um irgendeinen „sechsten Stock“, sie selbst nannten sich „Mitarbeiter“, teilten gegenseitig Sicherheitseinweisungen und setzten die Verschuldeten mit „Arbeitern“ gleich.
Auch haben wir fast alle Anführer dieser Organisation aufgedeckt und ihre Verantwortungszone durchanalysiert. So sind wir ins Innere der Gemeinschaft „NoworossInform“ gelangt. In der sich die Propagandistengruppe ebenfalls auf den Einfluss auf den Informationsraum der Ukraine konzentrierte.
Natürlich reichten diese Leute nicht ans Niveau der Erfinder des „gekreuzigten Jungen in Slowajnsk“ und wurden nicht von den föderalen TV-Kanälen Russlands erwähnt. Andererseits aber arbeiteten sie unmittelbar mit den russischen Söldnern im Feld, und Feldspieler sind auch ein nicht unbedeutendes Glied der Propaganda. Das ist genau der Fall, wenn zum Verständnis der inneren Küche der russischen Tätigkeit im Donbass kein russischer General gebraucht wird – man kann sich einfach mal den Briefwechsel zwischen einem einfachen Feldwebels und einem einfachen Propagandisten der Watnik-Quellen durchlesen.
Manchmal begannen die Redakteure und die einfachen Propagandisten zu ahnen, dass sie unter einem Deckel sind, und es begann eine Hexenjagd – sie suchten krampfhaft nach dem Feind im eigenen Umkreis. Und schrieben sogar mal über einen Hackerangriff auf ihre Webseite. Wir müssen gestehen, dass wir ihnen dabei sehr behilflich waren und stets „Verratsstimmungen“ in ihren Reihen säten.
Manche unserer Beobachtungspersonen witterten Unrat und wollten schleunigst nach Russland auswandern, aber das Charkiwer Konsulat zog die Ausgabe ihrer Papiere in die Länge.
Wobei viele sowieso schon russische Pässe besaßen und aus Russland arbeiteten.
Des Öfteren wechselten die russischen Propagandisten ihre Kommunikationsplattformen -und wir teilten durchaus ihre Sorge, denn die Ukros waren tatsächlich viel näher als es schien)
Im Ergebnis einer langen Beobachtung von dieser ganzen Dugin-Bande, Fans von Eurasien und Admins der Webseiten von „Neurussland“ haben wir ein ganzes Netz prorussischer Agenten aufgedeckt, Angaben zu denen wir anonym an ukrainische Behörden weiterleiteten. Uns hat dabei die systematische Arbeit unserer Opponenten sehr geholfen. Zum Bespiel diese Datei, die von Wladimir Prokopenko eingegangen war, und in der Angaben zu über 4 000 Adepten „Neurusslands“ erfasst sind – ihre persönliche Angaben stammen aus ihren Bewerbungen für die Aufnahme bei der „Volkswehr“ oder für die Agenturarbeit für die Russen.
Russlands Bürger führen einen systematischen Informationskrieg gegen die Ukraine und betreiben parallel Rekrutierung von Freiwilligen für den Krieg. Diese ganze Arbeit wird ebenfalls von Russlands Staatsbürgern finanziert – von russischen Politikern, Geheimdiensten, Geschäftsmännern etc.
Als Bonus legen wir ein paar Dumps der Korrespondenz zwischen den russischen Propagandisten im VK-Netzwerk aus: Alexander Bowdunow, Anton Brjukow, Oleg Kriworotow.
Das war ein Beispiel eines effektiven Kampfes gegen die russische Propaganda, beschrieben durch die Hacktivisten von UCA. Wenn die russische Propaganda nämlich genauso gefährlich wie die terroristische IS-Tätigkeit ist, so können auch die Methoden der Gegenwirkung nicht allein aus öffentlichem Tadel bestehen, sondern gebrauchen aktiver Handlungen im Cyberraum, die auf die Vereitelung und Desorientierung der aggressiven Pläne des Gegners gerichtet sind. Wie die Hacktivisten aber selbst sagen, wird die Offenlegung der Details dieser Operation das weitere Vorgehen der ukrainischen Patrioten im Cyberraum in keinster Weise beeinträchtigen, sondern ist im Gegenteil Teil eines weitaus größeren Puzzles, dessen Teile wir noch zusammenfügen müssen werden.
Dieses Material wurde exklusiv von Kirill Mefodijew für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
Die Angaben wurden von den Hackern der ukrainischen Cyberallianz exklusiv an InformNapalm zwecks Analyse und weiteren Veröffentlichung übergeben. Die Redaktion von InformNapalm trägt keine Verantwortung für die Erstquelle und die Herkunft der Angaben.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
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