Am Mittwoch, dem 23. November 2016, verabschiedete das Europaparlament eine Resolution zur Bekämpfung der russischen Propaganda in Europa.
In der Resolution wird darauf hingewiesen, dass Russland mittels solcher Massenmedien wie RT (Russia Today) und Sputnik, sowie der Fonds „Russische Welt“ und „Rossotrudnitschestwo“ (zu dt. „Russische Zusammenarbeit“) Propaganda auf dem Territorium der Europäischen Union betreibt. In der Resolution wird vermerkt, dass Russland seine Propaganda zwecks Schwächung der Einigkeit der EU führt, bestimmte politische Kräfte in der EU zu beeinflussen beabsichtigt und bei den EU-Einwohnern ein negatives Bild ihrer östlichen Nachbarn zu kreieren versucht, unter anderem auch der Ukraine. Russische Regierungsbehörden und entsprechende Strukturen nutzen zu diesem Zweck weitgehend das Internet, darunter auch die sogenannten „Trolle“ in sozialen Netzwerken. Den EU-Ländern wird geraten, ihre Bemühungen im Kampf gegen die russische Propaganda untereinander zu koordinieren, energischer gegenüber der russischen Propaganda aufzutreten, wobei das Prinzip der Meinungsfreiheit nicht vergessen werden soll. Auch wird geraten, die operative Gruppe in strategischer Kommunikation im Osten von Europa (East StratCom Task Force) zu verstärken, die eine vollwertige Behörde im Bestand des europäischen Dienstes für Aussenverbindungen (EEAS, faktisch – Außenministerium der EU) werden soll.
Das Projekt der Resolution wurde von der polnischen Abgeordneten Anna Elżbieta Fotyga eingebracht. Die Resolution fand Unterstützung bei 304 Abgeordneten, gegen ihre Verabschiedung waren 179 und weitere 208 Abgeordnete haben sich enthalten.
Der russische Präsident Wladmir Putin nannte die Resolution des Europaparlaments ein „Zeugnis für politische Degradierung“´ und äußerte die Hoffnung, dass es keine realen Einschränkungen für die russischen Medien in Europa geben wird. „Ich rechne mit einem Triumph der Vernunft,“– sagte der russische Präsident. Und gratulierte den Mitarbeitern von RT und Sputnik zur „ergebniswirksamen Arbeit“ (Zitat). Somit beweist der russische Führer ein weiteres Mal seine völlige Missachtung für die westlichen Institutionen und zeigt sich absolut unberührt von dem Vergleich der russischen Propaganda mit der IS-Propaganda, die in der Resolution faktisch gleichgesetzt wurden.
Wozu genau er seinen Propagandisten gratuliert, ist auch relativ klar: Für die gesellschaftliche Meinung in Italien, die mehrheitlich auf der Seite Russlands ist und an „Faschisten in der Ukraine“ glaubt, für die bulgarischen Wahlen, bei denen eine prorussische Partei an die Spitze kam, für deutsche Abgeordnete, die trotz Sanktionen auf die Krim reisen, für französische Politiker, die für ihren Wahlkampf Geld beim Kreml leihen. Furchterregend an seiner Aussage ist dabei die Tatsache, dass dahinter die Leben von über 8 000 Ukrainern, sowie die Leben von russischen Soldaten stehen, die in einem Krieg sterben mussten, der von Russland entfesselt wurde und dessen wichtiger Bestandteil die Kreml-Propaganda ist.
Die Tatsache, dass eine solche Resolution endlich im europäischen Parlament verabschiedet wurde, ist zwar sehr erfreulich, nun muss man deren Empfehlungen aber auch folgen und entsprechend handeln.
In 2014 diente die russische Propaganda über „Banderowzy“ und „Faschisten-Nationalisten“, die angeblich auf die Krim fahren, um die russische Bevölkerung dort auszulöschen, dafür, die Annexion des ukrainischen Territoriums zu rechtfertigen. Direkt danach wurde unter denselben propagandistischen Slogans über „ukrainische Nazis“ der Krieg im Donbass entfesselt.
Gerade beobachten wir ein absolut identisches Szenario. „Haltet den Dieb!“- schreit der Kreml und bereitet sich auf Annexion von neuen Territorien vor, wobei er sein Vorgehen mit „nationalen Interessen“ rechtfertigt.
Neulich machte Putin einen Witz, dass „Russlands Grenzen nirgends enden“ würden. Ein Witz ist es aber nur für uns, nicht für den Kreml. Während Europa zaghaft Besorgnis äußert und Russland nur sehr vorsichtig Vorwürfe macht, um bloß nicht die Gefühle des russischen Präsidenten zu verletzen, bereitet sich Russland auf einen großen Krieg vor. Und dieser Krieg wird früher oder später beginnen.
Gestern, am 25. November, berichteten gleich mehrere HUMINT-Quellen von InformNapalm (Anm. Red.: eng. human intelligence: dt. Erkenntnisgewinnung basierend auf menschlichen Quellen), die auf dem besetzten Territorium agieren, dass russische Besatzungskräfte eine Massenaktion in der „DVR“ unter Heranziehung von 2 bis 4 000 Menschen vorbereiten.
Das Ziel der Aktion soll die Erschaffung eines Informationsanlasses für angereiste russische Propagandisten von RT, LifeNews und anderen werden. Es sollen möglichst viele Menschen mit antiukrainischen Plakaten und Slogans herauskommen, die Unmut über das „Minsker Abkommen“ äußern und sich gegen die eventuelle Rückgabe von Debalzewe unter die Kontrolle der Ukraine stellen sollen. Höchstwahrscheinlich steht diese Aktion im Zusammenhang mit der Forderung der ukrainischen Seite, die Kräfte auf die Demarkationslinie vom 19. September 2014 zu bringen. Demnach muss sich Debalzewe unter ukrainischer Kontrolle befinden. Am 23. November erklärte die ukrainische Seite im Lauf der Verhandlungen, dass die weitere Erfüllung der Bedingungen des Minsker Abkommens nur nach Demilitarisierung von Debalzewe möglich ist.
Uns erreichen gerade auch viele beunruhigende Meldungen aus Ländern, die an Russland angrenzen.
Die Russische Föderation bereitet für Belarus wohl das Donbass-Szenario vor, womöglich sogar das Krim-Szenario. Ob es nun eine Besetzung oder Annexion sein wird, wird die Zeit zeigen.
Das erste Anzeichen für diesen Plan ist die Verstärkung russischer Truppen und die Erschaffung von neuen Militärbasen an der Grenze zu Belarus (Diese Entwicklung beobachtete InformNapalm im Frühling dieses Jahres und veröffentlichte einige Untersuchungen zu diesem Thema).
Offizielle Sprachrohre des Kremls (wie der TV-Sender des russischen Verteidigungsministeriums, „Swesda“) haben die informative Vorbereitung auf die Aggression bereits begonnen: Sie werfen in den Informationsraum Propagandareportagen ein, mit der Behauptung, dass polnisch-litauische Geheimdienste angeblich einen eigenen „Rechten Sektor“ in Belarus erschaffen, zwecks Destabilisierung der Situation im Land.
Permanente Provokationen unter Teilnahme der russischen Flugzeuge an den Grenzen der baltischen und skandinavischen Ländern, „nicht-identifizierte“ Drohnen, die die Aufklärung von militärischen Objekten in Finnland, Polen und Schweden durchführen, die Platzierung von Küstenraketenkomplexen „Bal“ und „Bastion“ auf der besetzten Krim und auf den Kurilen, und vieles vieles andere deutet darauf hin, dass Russland seine geopolitischen Ambitionen nicht aufgegeben hat. Es wird bluffen und Angst einjagen, solange es unbestraft bleibt.
Unter dem Strom der russischen Propaganda kommen in Europa prorussische Politiker an die Macht, die auf der Welle des Populismus die russische Weltvorstellung in die Massen bringen. Es findet gerade eine schleichende Okkupation von Territorien statt – die von Russland geführte schleichende Okkupation von menschlichen Geistern und Gedanken ist womöglich aber noch schlimmer. Jene, die sich von der russischen Mafia nicht kaufen lassen, die von der russischen Propaganda unberührt bleiben, die keine Angst empfinden – gegen sie werden Waffen, Armee, Atomwaffen-Erpressung usw. angewendet. „Wer zwischen der Schande und dem Krieg die Schande wählt, wird den Krieg und die Schande bekommen“.
Die Frage ist, ob wir tatsächlich das Endzeitszenario im XXI. Jahrhundert sehen möchten, bei dem wir uns alle in einem riesigen Konzentrationslager namens „Russische Welt“ wiederfinden werden, das Russland gerade aufbaut. Wir werden in diesem Krieg siegen – eine andere Wahl haben wir gar nicht, aber der Preis und die Einsätze werden immer weiter erhöht, die 5. Kolonne frisst die Kräfte auf und bereitet den Boden für die Ankunft der Bestien der „russischen Welt“ vor.
Dieses Material wurde von Irina Schlegel und Roman Burko exklusiv für InformNapalm vorbereitet. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
5 Responses to “„Die Grenzen Russlands enden nirgends“ oder wie die Kremlpropaganda Europas Geist zersetzt”
03/01/2017
Medienterror in Debalzewe: Erneute Provokationen zwecks Erschaffung eines Propagandabildes im Donbass - InformNapalm.org (Deutsch)[…] es wird ein Informationsknoten erschaffen, der aus verzerrten Fakten besteht. Nicht zufällig verabschiedete das Komitee des Europaparlaments in internationalen Fragen ein Resolutionsprojekt, in dem die […]
22/01/2017
InformNapalm Experten: Vorlesungen bei der Resilience League 2016 in Estland - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Lasst uns doch als Beispiel die Schlagzeilen auseinandernehmen (Das Europäische Parlament hat ja nicht umsonst die russischen Medien mit der IS-Propaganda gleichgesetzt): […]
26/01/2017
Wie die UCA nach russischen Propagandisten im industriellen Maßstab fischte - InformNapalm.org (Deutsch)[…] 2016 unternahm das Europaparlament erste Schritte zur Problembewusstwerdung, indem es in einer seiner Resolutionen Russlands Medien mit der IS-Propaganda gleichgesetzt hat. In dieser Hinsicht ist die Erfahrung der Ukraine einzigartig, da die Problembewusstwerdung viel […]
01/02/2017
Russische Propaganda manipuliert die CNN-Journalisten im Donbass - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Oktober 2016 verabschiedete das Komitee des Europaparlaments eine Resolution, in der die russischen Medien (z.B. die Nachrichtenagenturen RussiaToday, RIA Novosti, Sputnik […]
26/04/2017
Russische Waffen in Mosul in den Reportagen der Kremlpropaganda - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Wir möchten daran erinnern, dass am 10. Oktober 2016 das Komitee des Europaparlaments in internationalen Fragen ein Resolutionsprojekt verabschiedete, in dem die Arbeit der russischen Medien mit den propagandistischen Materialien der terroristischen Gruppierung IS gleichgesetzt wurde. […]