Titelbild: Der Leiter von Euronews in GUS-Ländern Walid Arfusch leitete ehemals den internationalen Pressedienst von Wiktor Janukowitsch
In den letzten 10-15 Jahren hat Putins Regime seine Tentakel weit in die Europäische Union hinein ausgebreitet und baut jetzt langsam seinen Einfluss in Europa aus – solche Prozesse stellen europäische Medien fest. Eine zentrale Stelle in der russischen propagandistischen Medienmaschine nimmt der Sender RT ein, und wenige Monate vor den für die EU wichtigsten Präsidentschaftswahlen in Frankreich begann dieser mit der Ausstrahlung auch in französischer Sprache. Moskau finanziert nicht nur seine propagandistischen Sender, sondern unterstützt unter anderem – auch finanziell – eine ganze Reihe von rechten und linken Parteien sowie verschiedene Bewegungen von Euroskeptikern in Europa. Es ist kein Wunder, dass die Anführer dieser Parteien – Politiker aus verschiedenen Ländern – bei ihren Auftritten unermüdlich die der Kremlpropaganda entnommenen geopolitischen Thesen und Formulierungen wiederholen.
Wir haben eine kurze Analyse von einigen ziemlich seltsamen Euronews-Berichten vorbereitet – dem mehrsprachigen europäischen Nachrichtensender, zu deren Aktionären auch Russland gehört (durch den nationalen Sender WGTRK). Und mitunter unterscheiden sich die Berichte von Euronews kaum von denen, die die Schrittmacher der Kremlpropaganda „Perwy kanal“ und „Swesda“ ausstrahlen.
Dieser europäische Sender wurde schon wegen parteiischer Berichtserstattung und Loyalität zu Moskaus Politik zum Objekt von journalistischen Untersuchungen. 2014 führte der „Obosrewatel“-Verlag eine vergleichende Analyse der Berichte von Euronews in der englischen, russischen und ukrainischen Sprache durch und kam zu dem Schluss, dass die russische Redaktion des Senders sich auf den Kreml eingestimmt hat. Vor kurzem wurde dieses europäische Nachrichtenmedium für seine „antiukrainische Darstellung der Geschichte von „Giwi““ aufs Schärfste kritisiert.
Die Zuschauer von Euronews wurden mit einem Bericht über die Beerdigung von „Giwi“ schockiert, einem Bandenführer der prorussischen Söldnern in Donezk. Fragwürdig war schon allein die Entscheidung der Redaktion, das Begräbnis des berüchtigten Anführers der IBF „Somali“ zu übertragen, obwohl er auf der Sanktionsliste der EU stand. Denn Euronews ist ein internationaler Nachrichtensender mit europäischer Sichtweise und es ist nicht nur ungewöhnlich sondern sogar verdächtig, wenn ein solcher Bericht von so einem Sender übertragen wird. Top-Medien berichten in der Regel über Begräbniszeremonien von Regierungs- und Staatschefs, legendären Sportlern oder Stars aus dem Show-Business. Sie beleuchten aber so gut wie nie Beerdigungen von Anführern illegaler Bandenformationen.
Dieser Eindruck wurde jedoch durch Interviews in dieser Geschichte noch weiter verschlechtert. Eine „Verehrerin der DVR“ (solche Personen entpuppen sich oft als von den russischen Medien angeheuerte Schauspielerinnen) wiederholte unermüdlich propagandistische Parolen über „Faschisten in der Ukraine“, obwohl solche Behauptungen schon unzählige Male widerlegt wurden. Wie passt solche Berichterstattung mit den grundlegenden Prinzipien des unabhängigen Journalismus zusammen? Oder kann es vielleicht sein, dass Journalisten bei Euronews dermaßen voreingenommene Berichte deswegen vorbereiten, weil sie von der russischen Regierung gar nicht unabhängig sind?
So berichtet die englischsprachige Redaktion des Senders über die bei der Beerdigung anwesenden „Verehrer und Befürworter“, erwähnt aber mit keinem Wort, dass „Giwi“ für die ukrainische Regierung ein Terrorist ist. Euronews erzählt über „Aufständische“, die den „Kampf um Donezker Flughafen“ gewonnen haben, vergisst aber die des Öfteren bewiesene direkte militärische Intervention Russlands. Wenigstens fügt die englischsprachige Redaktion hinzu, dass „DVR“ eine „selbsternannte“ Republik ist, sonst wäre der Bericht noch tendenziöser.
Wirklich tendenziös ist aber die Darstellung derselben Geschichte durch die russische Redaktion des Senders. Dort werden die „prorussischen Aufständischen“ zur „Volkswehr“ – diesen Begriff hat die Kremlpropaganda eingeführt und weit verbreitet. Dieses Wort hat eine positive Konnotation und steht für „Freiwilligenverbände, die der Armee bei der Abwehr der Invasion von Aggressoren helfen“. Aber welcher Armee helfen sie? Offensichtlich nicht der ukrainischen, sondern eher der russischen. Der russische Journalist von Euronews vergisst zu erwähnen, dass die „DVR“ eine nicht anerkannte, selbsternannte Pseudorepublik ist. Und wie könnte der Korrespondent überhaupt die Wahrheit über diese von Russland gebildete und finanzierte Formation berichten? Der Autor des Berichts erwähnt auch nicht, dass die ukrainische Regierung „Giwi“ für einen Terroristen hielt, vergisst aber nicht, die Erklärung der sogenannter Regierung der „DVR“ zu zitieren, dass Michail Tolstych bei einem „Terroranschlag“ ermordet worden sei.
Der Berichterstatter von Euronews spricht vom „Südosten der Ukraine“ – derselbe Begriff wird auch von der Kremlpropaganda verwendet. Moskau zweifelt die territoriale Integrität der Ukraine an und erweckt den Anschein, als würde es die Unterstützung der Regionen im Osten und Süden des Landes genießen, obwohl der Krieg nur in einem kleinen Teil des Donbas geführt wird.
In der ukrainischen Fassung wurde diese Geschichte selbstverständlich ganz anders dargestellt. Jedoch achtet die Leitung des Senders auf dermaßen unterschiedliche Lesarten anscheinend nicht.
Gehen wir zu einer anderen Geschichte über, um zu sehen, wie der Sender Euronews den russischen Standpunkt zu Trump als US-Präsident vertritt. Die Reporterin Galina Polonskaja wählte für die Rolle des Experten Leonid Sluzkij aus, einen Mitglied der ultranationalistischen Partei LDPR. Wir möchten anmerken, dass Leonid Sluzkij zusammen mit anderen russischen Politikern bereits in die allererste Sanktionsliste der EU für die Annexion der ukrainischen Krim aufgenommen worden war. Die EU vermerkte, dass der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Fragen der GUS-Länder, der eurasischen Integration und Beziehungen mit der Öffentlichkeit, Leonid Sluzkij, zu den aktivsten Befürwortern der Annexion der Krim gehörte. Er nutzt die Sendezeit aus und lässt sich die Möglichkeit, Barack Obama zu kritisieren, nicht entgehen.
Ein weiterer Experte, ein Redakteur der englischsprachigen Ausgabe „Russland in der Globalpolitik“ und Vorsitzender des außerparlamentarischen Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, Fjodor Lukjanow, erzählt über irgendwelche Verschwörungen gegen Donald Trump und beschreibt ihn – wie Putin auch – nur positiv. Hätten Sie erwartet, eine Gegenmeinung im Bericht zu hören? Wir müssen Sie enttäuschen. Am Ende des Berichts, im Standup-Teil, erzählt der Journalist über Donald Trump und bezieht sich dabei auf den Pressesprecher von Wladimir Putin. Warum auch nicht? Was könnte man wohl noch im Fernsehen berichten?
In einem Bericht zu einem anderen Thema wählt sich dieselbe Polonskaja eine weitere ominöse Person für ein Interview aus. Sergej Schelesnjak, stellvertretender Generalsekretär des Rates der Partei Putins, erzählt den Zuschauern von Euronews über die „Erwartungen Russlands an die Präsidentschaft Trumps“. „Versuche, Trumps Vorgehen zu lähmen, wären katastrophal“, behauptet Schelesnjak. Aber warten Sie mal, er ist doch auch auf der Sanktionsliste! Es ist tatsächlich schwer, einen Politiker in der Umgebung von Putin zu finden, der nicht unter Sanktionen stehen würde. Und das alles trotz der Tatsache, dass Schelesnjak schon einmal bei der Verbreitung seiner ukrainophoben Äußerungen mit gefälschten Informationen erwischt wurde. Im Standup-Teil bestätigt der Korrespondent, dass „Moskau bereit ist, Trump mehr Zeit für die Lösung seiner Probleme zu geben“. Als würde jemand daran zweifeln.
Die Sonderkorrespondentin von Euronews erregte unsere Aufmerksamkeit und wir fanden mit der Schnellsuche ihre Berichte über die russische Innenpolitik. So hat Polonskaja den Zuschauern erzählt, die Regierende Partei „Einiges Russland“ habe die Wahlen in der RF überzeugend gewonnen. Man wartet hier vergeblich auf Kritik an Putin, Informationen über Wahlmanipulationen oder die Erwähnung von inhaftierten oder ermordeten Oppositionsführern. Im Bericht wurde nur der Sieg des „Einigen Russlands“ gefeiert.
Galina Polonskaja schließt die Geschichte mit einem aufschlussreichen Fazit ab: „Der Hauptkampf wird momentan von Prätendenten auf Silber und Bronze ausgetragen“. Haben Sie sich bei den russischen Wahlen schon einen fairen Konkurrenzkampf mit Aussicht auf Silber- und Bronzemedaillen vorgestellt? Und für Euronews ist das durchaus realistisch. Die russische Fassung dieser Geschichte unterscheidet sich kaum von Berichten des russischen „Perwy Kanal“. Schon in der Überschrift wird dort Putin zitiert: die Russen hätten „Stabilität gewählt“. Und auch wenn die russischen Zuschauer die Objektivität ihrer Sender anzweifeln und auf einen europäischen umschalten würden, hätten sie dort dasselbe gehört.
Es wird jedoch noch schlimmer mit der Berichterstattung von Euronews: Beispielsweise in einem Bericht ganz im Stil des Senders „Swesda“ (ein Fernsehsender des Verteidigungsministeriums RF). Ein weiterer Sonderkorrespondent, Denis Loktew, besuchte den Militärflugplatz Hmeimim in der Nähe von Latakia in Syrien, der von russischen Bombern für die Luftangriffe auf das syrische Territorium benutzt wird. Der Reporter von Euronews behauptet, dass russische Militärflugzeuge „Objekte der terroristischen Infrastruktur“ zerstört hätten. Im Bericht geht es darum, dass russische Piloten „Terroristen“ und „Islamisten“ bombardiert hätten, es werden aber mit keinem Wort die Zivilisten und Kinder erwähnt, die infolge dieser Luftangriffe ums Leben gekommen sind.
Auf die gleiche Art präsentiert der Sender „Swesda“ seine Berichte. Das Interview mit dem russischen Generalmajor Igor Konaschenko liefert den professionellen militärischen Standpunkt. Der Sonderkorrespondent Loktew schließt den Bericht so ab, dass keine Zweifel mehr bleiben: „Die russische Heeresführung teilt mit, dass Bombenflugzeuge ihre Ziele so lange angreifen werden, wie es nötig ist“. Der europäische Nachrichtensender versichert seinen Zuschauern in Russland und der ganzen Welt, dass Moskau in Syrien nur Stellungen der Terroristen bombardiert und die Militäroperation reibungslos abläuft. Jedoch wirft diese Behauptung große Zweifel auf und widerspricht mehreren Fakten, über die in den westlichen Medien schon berichtet wurde.
Wenn Sie sich die Rubrik „Kein Kommentar“ beim Sender Euronews nicht regelmäßig anschauen, haben Sie vermutlich dieses Video verpasst, das russische Seeleute verherrlicht, die aus Syrien nach Hause zurückkehren – dort haben sie an Kampfhandlungen teilgenommen, bei denen Zivilisten ums Leben gekommen sind.
Nicht alle Berichte von Euronews sind jedoch mit Kremlpropaganda infiziert. Bei der Berichterstattung über die letztmalige Eskalation der Kampfhandlungen im ukrainischen Awdijiwka (Donezker Gebiet) konnte man verschiedene Ansätze beobachten:
In einem der Berichte zeigte der Reporter die Zerstörungen und die Evakuierung der Einwohner, die ohne Strom und Heizung geblieben sind, erwähnt aber nicht, dass Awdijiwka sich unter der Kontrolle der ukrainischen Regierung befindet. Er verschweigt auch, dass die Zerstörungen durch russische Raketen verursacht wurden, die die von Russland unterstützten und finanzierten illegalen Bandenformationen abgefeuert hatten. Obwohl die ukrainische Flagge im Video schwer zu übersehen ist, erzählt der Reporter, dass „Kiew und prorussische Rebellen sich gegenseitig wegen des Vorstoßes auf Awdijiwka beschuldigen“. Aber wie könnte ukrainische Armee auf Awdijiwka vorstoßen, wenn sie die Stadt schon längst unter ihrer Kontrolle hat?
In einer anderen Geschichte über die Eskalation der Kämpfe wird immerhin die Erklärung des Verteidigungsministeriums der Ukraine zitiert, dass „russische Okkupationskräfte die frontnahe Stadt Awdijiwka beschossen“.
Es ist also nicht schwer zu merken, dass Euronews unter dem Motto „Alle Sichtweisen“ Geschichten überträgt, die den Standpunkt von Moskau repräsentieren, darunter auch die reinste Propaganda oder sogenannte posttruth.
Das wäre nicht dermaßen verwerflich, wenn Euronews keine Finanzierung von der EU bekommen würde. Vor kurzem hat die Europäische Kommission eine Vereinbarung über die Verlängerung der Finanzierung von Euronews für weitere vier Jahre unterzeichnet. Laut dem Vertrag wird der Sender für das Jahr 2017 insgesamt 24 Millionen Euro bekommen. In 2016 teilte die Europäische Kommission nach ihrer eigenen Einschätzung dem Sender Euronews etwa 24,7 Millionen Euro zu, diese Gelder wurden für die Finanzierung der Sprachenredaktionen und die Beleuchtung europäischer Angelegenheiten und EU-Initiativen verwendet. Im Bezug auf die Subventionierung durch die Europäische Union ist Euronews auf dem ersten Platz unter allen Medien: 240 Millionen Euro seit der Entstehung des Senders in 1992. Die Europäische Kommission erwartet, dass Euronews seinerseits „die Unantastbarkeit der redaktionellen Unabhängigkeit beibehält und die Mission der Beleuchtung europäischer Interessen fortsetzt“.
Man muss aber anmerken, dass Euronews erst vor kurzem zu einem Privatunternehmen wurde. Sein Inhaber – der ägyptische Oligarch Naguib Sawiris hat 2015 über sein Medienunternehmen Media Globe Networks das Kontrollpaket (53% der Aktien) aufgekauft. Dies fand kurz nach dem Besuch des Präsidenten Wladimir Putin in Ägypten statt. Der Vertragsabschluss rief damals eine Polemik über die Aufrechterhaltung der unabhängigen Redaktionspolitik von Euronews in der Zukunft hervor. Die restlichen 47% der Aktien gehören seinen historischen Aktionären – 21 öffentlichen TV-Unternehmen und drei regionalen Regierungsorganen. Bis 2015 zählte das russische staatliche TV-Unternehmen WGTRK mit 16,9% der Aktien zu den größten Aktionären.
Naguib Sawiris behauptet, dass Euronews dem Druck seitens europäischer Politiker entgegentreten sollte, wenn sie westliche Medien dazu aufrufen, zum Gegengewicht der Kremlpropaganda zu werden, berichtet die britische Ausgabe The Guardian. Die europäische Ausgabe EurActive veröffentlichte einen beunruhigenden Artikel, in dem der Autor anmerkt: „Es gibt ernsthafte Gründe anzunehmen, dass Euronews, der von Millionen Menschen auf der Welt als der Sender der EU wahrgenommen wird, zur Stimme von Moskau wird“. Ein nicht genannter Journalist von Euronews erzählte EurActiv, dass man bei dem Sender versucht, offensichtlich kritische Berichte über die „draufgängerische Außenpolitik Russlands“ in Bezug auf seine Nachbarn und die Europäische Union zu vermeiden.
Es bleiben also keine Zweifel daran, dass der Kreml tatsächlich seinen Einfluss auf Euronews beizubehalten versucht. Eine Bestätigung dafür wurde auch in den FrolovLeaks gefunden, in den Daten aus der E-Mail-Korrespondenz des russischen Politikers Kirill Frolow, des stellvertretenden Direktors des Instituts der GUS-Länder. Diese Daten wurden von Hacktivisten der Ukrainischen Cyberallianz (UCA) beschafft und an die Gemeinschaft InformNapalm zur Analyse übergeben. In einem der Briefe von Frolow geht es um die Organisation eines inoffiziellen Treffens des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem Direktor von Euronews in den GUS Ländern Walid Arfusch, dessen Bruder Omar Arfusch sowie dem französischen Milliardär und Mediengeschäftsmann und ehemaligen französischen Außenminister Philippe Douste-Blazy, dem jetzigen stellvertretenden Generalsekretär der UNO für innovative Entwicklungsfinanzierung. Aus dem Brief wird klar, dass die Delegation für ein Treffen nach Moskau reiste, das von russischer Seite initiiert und vom Präsidenten der RF bestätigt wurde. „Die Delegationsmitglieder Omar und Walid Arfusch sind meine alten Freunde, und momentan arbeiten wir an unserem internationalen Informationsprojekt…“ Wir können nur vermuten, was genau der russische Präsident Wladimir Putin bei dem Treffen mit dem Direktor von Euronews in den GUS-Ländern zum Thema „internationales Informationsprojekt“ besprochen hat.
Wir möchten daran erinnern, dass Walid Arfusch im August 2011 den Posten des Vizepräsidenten des NTU (Nationales Rundfunkunternehmen der Ukraine) besetzte, genau in der Zeit, als das nationale Rundfunkunternehmen eine Vereinbarung mit Euronews über die Gründung des ukrainischsprachigen Dienstes des Senders abschloss. Im Sommer 2013 verließ Herr Arfusch jedoch das NTU und wurde zum Direktor von Euronews in den GUS-Ländern.
Und von August 2007 bis Februar 2010 leitete Herr Arfusch die internationale Abteilung des Pressedienstes des damaligen Präsidentschaftskandidaten (und späteren Präsidenten der Ukraine) Wiktor Janukowytsch. Nach Angaben der englischsprachigen Ausgabe Kyiv Post tauchte sein Name im Buch der „schwarzen“ Buchhaltung der Partei der Regionen auf. Laut Dokumenten, die der Redaktion von Kyiv Post vorliegen, bekam Arfusch am 17. September 2009 10.000 Dollar für einen Artikel über Janukowytsch und am 25. Oktober 2009 weitere 9.530 Dollar für die Organisation eines Besuchs eines „französischen Delegierten“. Auf die Anfrage von Kyiv Post, diese Information zu kommentieren, antwortete Herr Arfusch mit einer Absage.
Ein weiteres beunruhigendes für Europa Signal erklang im März 2015, als der ominöse ukrainische Magnat Dmitrij Firtasch zum neuen Sponsor des ukrainischen Dienstes von Euronews wurde. In Europa erinnert man sich an Firtasch als einen Verbündeten des prorussischen Ex-Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowytsch, der nach Russland geflohen war. 2015 wurde Firtasch auf eine Anfrage der USA im Zusammenhang mit Beschuldigungen wegen Bestechungen und Finanzmanipulationen in Wien verhaftet, der Gewahrsam wurde anschließend durch einen Hausarrest und eine Kaution in Rekordhöhe ersetzt. Jedoch erlaubte das österreichische Gericht im Februar 2017 die Auslieferung von Firtasch in die Vereinigten Staaten.
Die Ausgabe „EU Observer“ kritisierte eine Vereinbarung von Euronews mit Firtasch scharf und merkte an, dass „der milliardenschwere Geschäftsmann mit Aktivvermögen in Bank-, Gas- und Chemiesektoren sehr enge Beziehungen zum Kreml und – laut den Datenleaks aus den diplomatischen US-Dienstmeldungen – zur russischen Mafia hat“.
Euronews unterzeichnete die Vereinbarung mit Firtasch (über seinen Sender „Inter“), nachdem die neue Leitung des ukrainischen nationalen Rundfunkunternehmens NTU im Februar 2015 den Vertrag aufgelöst hatte und angab, das Unternehmen sei nicht mehr im Stande, 5,5 Millionen Euro im Jahr zu zahlen. Dies ist die Summe für eine Ein-Jahres-Lizenz der ukrainischsprachigen Abteilung, die im Vertrag festgehalten wurde, der zwischen der ehemaligen Leitung der NTU (Benkendorf und Arfusch) und Euronews unterzeichnet worden war. Außerdem hatte die NTU eine Verschuldung in Höhe von 10,8 Millionen Euro gegenüber dem europäischen Partner angehäuft.
Das Europäische Parlament äußerte seine Empörung darüber, dass die ukrainische Version von Euronews von Firtasch finanziert wurde, der für seine Unterstützung des ehemaligen Präsidenten der Ukraine Wiktor Janukowytsch und seine Geschäftsbeziehungen mit Russland bekannt ist. 2015 veröffentlichte das Europäische Parlament einen Bericht über russische Manipulationen in der Berichterstattung über die Ukraine. In den Dokumenten lautet die Frage: „Wer beeinflusst Euronews?“. „Alle großen europäischen Medien sind unter Druck wegen Finanzierungskürzungen oder – wie im Falle des von der Europäischen Union subventionierten Euronews – wegen Beziehungen zu prorussischen Geschäftsinteressen“, steht im Bericht. Die Autoren fügen hinzu, dass „Befürchtungen bezüglich der redaktionellen Unabhängigkeit oder ihrer vermutlichen Abwesenheit bei Euronews ständig wachsen“.
Laut dem Bericht des Europaparlaments „wurde Information zum Schlüsselfaktor in der Ukrainischen Krise, manche Analysten reden sogar von einem Informationskrieg, den Russland führt“. Und weiter: „Nur einige Wochen vor der Unterzeichnung des Vertrags sendete Euronews ein Interview mit Firtasch, das gegenüber dem Oligarchen sehr wohlwollend war. Das praktische Nichtvorhandensein von scharfen Fragen erlaubte Firtasch, seine politischen Ansichten zu äußern, die nach Meinung von Spezialisten so klangen, als wären sie vom Präsidenten Russlands Wladimir Putin abgesegnet worden“.
Und vor diesem Hintergrund schließt Euronews die ukrainische Redaktion inmitten des anhaltenden russisch-ukrainischen Konflikts, während der russische Dienst des Senders auf Sendung bleibt. Eine große Gruppe der Journalisten schickte eine Petition über das Schicksal des ukrainischen Dienstes an die Leitung von Euronews. Das Dokument wurde von Journalisten unterschrieben, die fast alle Sprachredaktionen vertreten. Sie äußern ihren Missmut darüber, dass die Leitung des Senders ihrer Meinung nach keine Versuche unternahm, einen potentiellen neuen Investor für den Erhalt der ukrainischen Redaktion zu finden.
Im Februar schrieben die Journalisten von Euronews einen offenen Brief an den Vizepräsidenten der Europäischen Kommission in Fragen des digitalen Binnenmarktes Andrus Ansip und richteten seine Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen, mit denen das Unternehmen sich auseinandersetzen muss. Die Mitarbeiter seien aufgrund von Kündigungen und angesichts der Schwäche des Redaktionsprojektes beunruhigt. Die Europäische Kommission versprach, das Problem Euronews „ernsthaft zu betrachten“. Ansip bestätigte in seinem Antwortbrief, dass er damit „völlig einverstanden“ sei, dass Europa seine Sendestimme beibehalten und seine Werte verteidigen sollte. Wir möchten daran erinnern, dass die Europäische Union im März 2015 sich dazu entschlossen hat, Maßnahmen zur Gegenwirkung zum neuen Propagandakrieg mit Russland zu ergreifen.
Zum Schluss möchten wir erneut betonen, dass Russland ein größtenteils von der EU finanziertes Unternehmen frei nutzt, um seine eigenen Ansichten zu verbreiten, die des Öfteren pure Propaganda darstellen. Zur gleichen Zeit verliert die Ukraine ihre Stimme in Europa. Angesichts dieser dramatischen Situation reagierte die Europäische Kommission lasch: Den Funktionären in Brüssel mangelt es an Entschlossenheit, ihnen fehlt ein System für eine schnelle Beschlussfassung. Die voreingenommenen Berichte von Euronews bestätigen ein weiteres Mal, dass die Zuschauer bei der Wahl ihrer Informationsquellen sehr vorsichtig sein sollten und alle Fakten, die ihnen verdächtig vorkommen, sowie alle Themen, die politisch beeinflusst werden könnten, zusätzlich überprüfen sollten.
Um sich eine eigene, gut bedachte Meinung zu den Hauptereignissen und geopolitischen Problemen bilden zu können, muss der Zuschauer glaubwürdige Informationen erhalten. Jedoch bedarf Informiertheit größere Anstrengungen in der heutigen Welt der posttruth, Fake-News und der Propaganda seitens aggressiver Staaten.
Autor: Alex Bosk
Dieses Material wurde exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko; editiert von Irina Schlegel/Klaus H. Walter. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
Besuchen Sie uns beim Facebook: InformNapalmDeutsch
No Responses to “Wie Moskau seine Propaganda über Euronews in die ganze Welt sendet”