Die internationale Freiwilligengemeinschaft InformNapalm beleuchtet weiterhin die russische Expansion, sei es eine militärische Komponente oder eine Aggression anderer Art, die auf das Erreichen der imperialistischen Ziele dieses „Staates“ gerichtet sind.
Wir stellten bereits Material vor, in dem wir die Folgen der russischen militärischen Aggression gegen Georgien im Jahr 2008 beleuchtet haben. Einzelheiten bezüglich okkupierten Regionen und der Probleme, die mit der sogenannten schleichenden Okkupation, die bis zum heutigen Tag anhält, verbunden sind. Siehe “Georgiens ausradierte Grenzen infolge der russischen Okkupation. Die Fortsetzung der schleichenden Aggression Russlands“.
Zur gleichen Zeit versucht Russland auch an der wirtschaftlichen Front anzugreifen, setzt alles daran, Georgien an seine Energieressourcen zu binden, insbesondere daran, das Land an die russische Pipeline zu „hängen“. Dieses Material basiert auf der Übersicht, die Anfang Oktober auf der georgischen Webseite damoukidebloba.com veröffentlicht wurde, die sich unter der Schirmherrschaft des IDFI (Institute for Development of Freedom of Information) befindet und anschaulich auf die Bedrohungen hinweist, denen Georgien gegenüber steht.
Am 9. Oktober wurde bekannt, dass das russische Staatsunternehmen „Gazprom“ womöglich auf den georgischen Energiemarkt zurückkehren wird. Das meldete der russische Verlag „Kommersant“ und später bestätigte der Minister für Energie und Vize-Premier Kacha Kaladze das in seiner Mitteilung. Am 25. September traf sich Kaladse mit dem Chef von „Gazprom“ Alexei Miller in Brüssel, wo sie über den Transit von russischem Gas nach Armenien und den Einkauf zusätzlichen Gasvolumens durch Georgien sprachen.
Die Verbreitung dieser Information durch den Vertreter der Exekutive und der georgischen Legislative traf auf eine Menge Widerhall. Der stellvertretende Minister für Energie Ilia Eloshvili sagte: „Was die Frage angeht, wie verlässlich Russland als Partner sei, möchte ich sagen, dass wir in den letzten 20 Jahren 99 Prozent der Stromenergie aus Russland bezogen haben und es keine Probleme gab. Beim Abschluss von Handelsverträgen ging die Russische Föderation stets ihren Verpflichtungen nach. Was die Vereinbarung mit „Gazprom“ betrifft, müssen wir von pragmatischen Interessen ausgehen und die Politik von der Wirtschaft trennen.“
Der Vorsitzende der Wirtschaftskommission Zurab Tkemaladze sagte: „Ich weiß nicht, ob es Verhandlungen mit „Gazprom“ gab. Und wenn es sie gab, sehe ich nichts Gefährliches an ihnen, da das russische Gas sowieso über georgisches Gebiet nach Armenien fließt und ein bestimmtes, durch den Vertrag vorgesehenes, Volumen bleibt bei uns. Sollten die Gaslieferungen steigen, sehe ich nichts Schlechtes daran, da es besser ist, von mehreren Anbietern abhängig zu sein, als von einem.“
Während Georgiens Präsident Giorgi Margwelaschwili bei der Regierungssitzung die Prüfung der Energieversorgungssicherheit forderte, versteht der Energieminister die Aufregung rund um diese Frage nicht und sieht keine Notwendigkeit darin, sie aufkommen zu lassen. Bereits am 13. Oktober verkündete Georgiens Premierminister nach seinem Besuch in Aserbaidschan, dass die Verhandlungen mit „Gazprom“ lediglich den Gas-Transit nach Armenien betrafen und es nicht darum ging, aserbaidschanisches Gas durch russisches zu ersetzen.
Letztendlich bekamen wir innerhalb weniger Tage widersprüchliche Aussagen von den Regierungsbeamten. Bevor wir diese diametral entgegengesetzten Meldungen erklären, würden wir gerne erörtern, warum die Anwesenheit von „Gazprom“ in Georgien gefährlich ist. Es ist sogar merkwürdig, dass diese offenkundige Tatsache einigen georgische Regierungsbeamten und auch georgischen Bürgern nicht ganz klar ist.
Die Entscheidung den Einkauf von russischem Gas zu steigern, wird ernste Risiken für die georgische Energieversorgungssicherheit nach sich ziehen, da Russland bekanntermaßen das Gas effektiv als Wirtschaftswaffe nutzt. Hier ist nur ein Beispiel von vielen: 2013, als sich der ehemalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch weigerte, das Assoziierungsabkommen mit der EU zu unterzeichnen, senkte „Gazprom“ unerwartet den Gaspreis um einen Drittel. Und schon im April 2014, nach den Ereignissen auf dem Kiewer Maidan, stieg der Preis für 1000 Kubikmeter Gas um 81 Prozent.
Wir erinnern, dass, laut Georgiens Nationalem Sicherheitskonzept, die Garantie und die Stärkung der Energieversorgungssicherheit des Landes die höchste Priorität besitzt.
Eine sichere Energieversorgung ist ein elementarer Bestandteil des öffentlichen und privaten Lebens. Gas wird für Heizung, Licht, Nahrungszubereitung, Verkehr und für viele andere Grundbedürfnisse benötigt. Vor nicht all zu langer Zeit verspürte Georgien bereits die Abhängigkeit von russischem Gas an sich selbst, als es 2006 unter merkwürdigen Umständen, jedoch während der wachsenden Spannungen zwischen Russland und Georgien, zur Explosion an der Gasleitung in Nordossetien kam und Georgiens Anwohner einige Tage ohne Gas und Wärme auskommen mussten. Allein diese zwei Beispiele zeigen, wie verantwortungslos und gefährlich es ist, sich auf Russland in Sachen Energieversorgung zu verlassen.
Einige EU-Mitgliedstaaten, denen die Gefahr der Abhängigkeit von „Gazprom“ bewusst ist, das vor Preismanipulationen und dem Benutzen von Gas bei politischen Zielen nicht zurückschreckt, versuchen, das russische Gas entweder vollständig zu ersetzen oder setzen auf eine Lieferantenvielfalt. Währenddessen sehen wir, wie die Frage der Versorgung zwischen Georgien und „Gazprom“ geprüft wird.
Bei der Parlamentssitzung der NATO 2015 rief die Versammlung in der Resolution 424 die NATO-Mitgliedstaaten dazu auf, die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl durch Diversifikation der Lieferanten entweder zu verringern oder aufzulösen.
Für eine genauere Vorstellung des Bildes, für die Berücksichtigung aller Risiken und zur Vermeidung von Fehlentscheidungen müssen die Angaben über die Gasversorgungssicherheit Georgiens unter die Lupe genommen werden und ebenso die Daten aus dem Bericht der USAID analysiert werden, die aufzeigen, wie stark Georgien von Energieimporten abhängt.
– Georgien versorgt sich nur zu 35 Prozent selbst von der benötigten Ressource, während die übrigen 65 Prozent importiert werden.
– Der Anteil von importiertem Gas beträgt 43 Prozent an der georgischen Energieversorgung, der Jahresverbrauch von Gas liegt bei 2400 Millionen Kubikmeter.
– Die Abhängigkeit Georgiens von Gas ist saisonabhängig. Im Frühling bis Sommer macht Wasserkraft den Großteil der Energieversorgung aus und der Gasverbrauch sinkt. Im Winter jedoch, wenn die Häuser geheizt werden müssen und die Wasserressourcen nachlassen, wird das Gas zur wichtigsten Quelle für Energie.
– Erdgas liefern das russische „Gazprom“ (0,3 Mrd. Kubikmeter) und der aserbaidschanische „SOCAR“ (2,1 Mrd. Kubikmeter).
– Russisches Gas erhält Georgien für den Transit nach Armenien.
– Nach der ersten Phase des Projekts „Schah Denis“ erhält Georgien 800 Mio. Kubikmeter für 60 Dollar pro 1000 Kubikmeter. Unterdessen sichert sich Georgien, im Falle einer vollständigen Fertigstellung des Projekts, 75 Prozent des benötigten Gasvolumens für einen Preis, der dreimal niedriger ist, als auf dem Markt.
Also bekommt Georgien kostenloses Gas aus Russland als Gegenleistung für den Transit nach Armenien und hat Aserbaidschan als zuverlässigen Partner, der Gas zu niedrigen Preisen verkauft. Berücksichtigt man dies alles, ist es unklar, welches Ziel die Behörden verfolgen, wenn sie den russischen Energiegiganten ins Land lassen und ihm freiwillig das Instrument der politischen und wirtschaftlichen Kontrolle über das Land überreichen wollen.
Wünschenswert ist es selbstverständlich nicht, dass Georgien von einem einzigen Gaslieferanten abhinge, sei es der strategische Partner Aserbaidschan oder ein anderer Staat. Diversifikation ist ein notwendiger Prozess, es sollte jedoch sorgfältig geprüft werden, für welchen Preis er realisiert werden soll. Wenn die Diversifikation den Gaseinkauf bei dem russischen Gasunternehmen vorsieht, das auf Befehl des Kreml (der 20 Prozent des georgischen Gebiets besetzt hält) den Preis ändert und das Gas als Wirtschaftswaffe für die Erreichung seiner geopolitischer Ziele einsetzt, dann ist diese Art von Diversifikation vernichtend.
Was die zwei widersprüchliche Aussagen der Regierungsbeamten angeht, können wir diese wie folgt erklären:
– die Mitglieder der georgischen Regierung koordinieren ihre Handlungen untereinander nicht, was auch der Grund für die nicht übereinstimmenden Statements ist;
– es ging nur um den Einkauf von „kommerziellem“ Gas bei „Gazprom“ und das Ziel war wahrscheinlich, die Reaktion der georgischen Bevölkerung zu testen.
Wir sollten die Politik und die Wirtschaft nicht voneinander trennen, da Russland dies selbst auch nicht macht. Wir können nicht zu Geiseln des russischen Energieunternehmens werden, da es Georgiens Souveränität noch mehr schwächen würde.
Wir sollten ein für allemal auf russisches Gas verzichten, da das Auftauchen von „Gazprom“ in Georgien ausschließlich russischen Interessen dient und der Preis für dieses Gas den Verlust der georgischen Unabhängigkeit bedeuten könnte.
Einmal mehr bestätigen das auch die Fotos russischer Speznas-Läufer, als Sponsor derer „Gazprom“ auftritt (siehe “Nostalgie eines Soldaten der 24. Speznas-Brigade nach der Donbass-Dienstreise“).
Dieses Material wurde von der georgischen Redaktion von InformNapalm, basierend auf Informationen von damoukidebloba.com, vorbereitet; übersetzt von Kateryna Matey. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf den Autor und unser Projekt erforderlich.
(CC BY 4.0)
One Response to “Ein erneuter Versuch, Georgien an die russische Gas-Nadel zu hängen”
01/09/2016
Schleichende Okkupation: Russische Besatzer bestehlen georgische Bauer - InformNapalm.org (Deutsch)[…] „Ein erneuter Versuch, Georgien an die russische Gas-Nadel zu hängen“ vom 27. November 2015 […]