
„Einschätzung der Lage der Kohlenindustrie der DVR“ – so wurde ein Dokument betitelt, das im gehackten E-Mail-Account des „Kohlen- und Energieministeriums“ der prorussischen terroristischen Gruppierung „DVR“ gefunden wurde. Die Requisiten dieses Dokuments sind nicht weniger interessant, als sein Inhalt. Die Bescheinigung wurde im Energieministerium der Russischen Föderation im Januar 2016 vorbereitet.
InformNapalm bedankt sich bei der Hacktivisten-Gruppe FalconsFlame für die bereitgestellten Email-Dumps, anhand derer wir Ihnen eine zusammengefasste Charakteristik des Zustands der Kohlenindustrie in den besetzten Territorien von Donbass präsentieren möchten.
Vorwort
Die Anführer der „Volksrepubliken“ werden nicht von ungefähr als „Marionettenregierungen“ bezeichnet. Und man findet überall Beweise dafür, dass die Verwaltung aller Aktionsbereiche auf okkupierten Territorien – wirtschaftliche und militärische – aus Kreml ausgeübt wird. Dies wurde nicht nur durch indirekte Indizien bewiesen. Die Reihe von Hackerangriffen auf die E-Mail-Accounts und Rechner im Empfangsbüro des Assistenten des Präsidenten der Russischen Föderation W. Surkow, die kürzlich von ukrainischen Hacktivisten der Cyberallianz durchgeführt wurden (SurkovLeaks | SurkovLeaks2), hat deutlich gemacht, dass jede und alle Kaderfragen in den „Marionettenrepubliken“ zentralisiert in Moskau entschieden werden. Die Tatsache der direkten Subordination terroristischer Gruppierungen „D/LVR“ unter Moskau wird auch durch andere Hackerangriffe bestätigt.
Bis Mitte 2015 fehlten in der „DVR“ viele Verwaltungseinheiten. Eine Eidechse kann ihren Schwanz nachwachsen lassen, aber keinen Kopf. So, zum Beispiel, lebte das „Informationsministerium“ von abgezwackten Werbungsflächen und bettelte „Rostelekom“ (russisches Telekommunikationsunternehmen) um Nachlässe fürs Internet; und das „Außenministerium“ versuchte fieberhaft, die Besonderheiten des diplomatischen Protokolls im Netz herauszufinden, um vor der „ausländischen Delegation“ aus Abchasien nicht auf die Nase zu fallen.
Statistik des Energieministeriums Russlands
Das „Kohle- und Energieministerium“ der „DVR“ wurde Mitte 2015 gegründet. Genau in dieser Zeit wurden die Konten in der Abwicklungsbank der Republik eröffnet und in Moskau fing man an, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was man mit einer Industrie mit mehreren Hunderttausenden beschäftigter Arbeiter tun sollte. Die Frage ist nicht neu. Es gibt 270 Bergwerke in der Ukraine (wir benutzen die o.g. Bescheinigung des Energieministeriums RF, um unsere Zeit für die Suche entsprechender Statistiken zu sparen), 157 von denen sich auf den okkupierten Territorien befinden. Und nur 37 von diesen 157 sind gewinnbringend. 120 Bergwerke sind „unwirtschaftlich“, verursachen also mehr Unkosten als Einnahmen. Und die Probleme dieser Bergwerke wachsen wie ein Schneeball – die Restrukturierung (Verkauf und Schließung unrentabler Unternehmen) bedeutet Entlassungen (und nicht nur bei Bergwerkunternehmen, sondern auch bei der Eisenbahn), Steigerung der Strompreise und die daraus resultierenden Schwierigkeiten für die jeweilige Regierung. Deswegen wurde das Problem durch Dotationen gelöst, die bis zu 1 Milliarde Dollar jährlich betrugen. Die Mehrheit der Bergwerke besaßen Restrukturierungspläne noch vor dem Kriegsausbruch und die russische Besatzungsmacht führte die Projekte fort.
Laut des Dokuments sollen 4 Bergwerke in Donezk, 8 in Horliwka, 5 in Jenakijewe und 3 in Tores geschlossen werden. Über 30.000 Menschen werden entlassen. Übrigens, betrug die Lohnverschuldung der „DVR“ vor Bergwerkarbeitern zum Zeitpunkt der Verfassung dieser Analyse über 2 Milliarden Rubel. (Als wir uns das letzte Mal zu dieser Frage erkundigt haben, haben die Bergwerkarbeiter einen Teil ihres Gehalts für Mai bekommen – im September).
Liebe Bergarbeiter, versuchen Sie auch unter „DVR“, sich „von den Knien“ zu erheben und mit den Helmen zu klopfen? Vermutlich ist es in der Anwesenheit „burjatischer Traktoristen“ mit vorgehaltenen Maschinengewehren aber eine komplizierte Angelegenheit, nicht wahr?
Die Russen führen auch jährliche Analysen der Kohlenindustrie in den nicht anerkannten Republiken durch. Sie haben sogar eine Arbeitskarte der Bergwerke auf okkupierten Territorien zum 2015 erstellt. Bemerkenswert, dass die Städte Horliwka und Donezk hier als „soziale Brennpunkte“ markiert sind. Genau hier ist der Anteil inaktiver und zu schließender Bergwerke am höchsten.
Die Restrukturierung der Bergwerke ist kostspielig, laut einer anderen Hacker-Gruppe namens RUH8 wurden in den Jahren 2015-2016 rund 800 Millionen Rubel vom Kohleministerium vergeben, 966 000 davon gingen an das Unternehmen „Dongiproschacht“; an das „staatliche Unternehmen“ namens „Vereinigte Verwaltung zur Restrukturierung der Kohlenindustrieunternehmen in Donbass“ wurden 760,249 Millionen Rubel (oder über 95% des Jahresbudgets) überwiesen. Dabei beziffert Russland die „restlichen Unkosten“ (ein Teil der Arbeiten wurde noch von der Ukraine durchgeführt) auf 7,2 Milliarden Rubel. Und die Gesamtausgaben bis 2020 und später erreichen 96 Milliarden Rubel, 69 Milliarden von denen aus dem Staatshaushalt RF genommen werden. (Die Bilanztabelle der Kohleabbau bis 2020 (pdf) deutet auf die Pläne hin, den Vorkriegsstand zu erreichen). Wir möchten anmerken, dass diese Prognosen noch ziemlich optimistisch sind.
In jedem Bericht, der in der Korrespondenz gefunden wurde, sind Informationen über Verspätungen der Gehaltsauszahlungen und einen möglichen sozialen Ausbruch, die Unmöglichkeit der Güterabsetzung, Überflutungen und Materialmangel bei Reparaturmaßnahmen enthalten.
Laut des Dokuments gibt es Pläne für die Beschäftigung eines Teils der Bergarbeiter in Russland (über 1700 Menschen).
Beschluss des russischen Energieministeriums über den Fortbestand der Kohlenindustrie in den südöstlichen Bezirken der Donezker und Luhansker Gebiete:
- Fortsetzung der Abschaffung der Bergwerke in verschiedenen Abschaffungsstadien (51 Bergwerke in der „DVR“ und 36 in der „LVR“);
- Absage der Subventionierug aktiver Bergwerke, was zur Abschaffung von 23 höchst verlustbringenden Bergwerke in der „DVR“ führen würde;
- Nutzung der Ausrüstung aus geschlossenen Bergwerken für die technische Ausstattung funktionierender Bergwerke;
- Beschäftigung entlassener Bergarbeiter (etwa 28 500 Menschen, darunter 20 800 in der „DVR“). Geplant wird die Beschäftigung von mindestens 12 700 Menschen bei aktiven Bergwerkunternehmen (darunter 8800 in der „DVR“ und mindestens 1700 in Russland) und die Stimulation entlassener Bergarbeiter zur vorzeitigen Rente, mindestens 8500 Menschen;
- Stimulation der ukrainischen Seite zum Erwerb der Kohle aus südöstlichen Bezirken der Donezker und Luhansker Gebiete durch die Fortsetzung der Regulierung der Lieferungen von Energie- und Kokskohle aus Russland in die Ukraine.
- Zwecks Unterstützung der Kohlenindustrie in den südöstlichen Bezirken der Donezker und Luhansker Gebiete werden Ausgaben aus dem föderalen Haushalt Russlands vorgeschlagen, unter anderem auch für die Beschäftigung von 1700 Bergarbeitern aus den zu schließenden Bergwerken von „D/LVR“ bei den Unternehmen des Rostower Gebiets („Kingcoal GmbH“).
[Bemerkung: Unter den Briefen in der Korrespondenz des Kohleministeriums gab es Mitarbeiterlisten mit Personaldaten, die aus bestimmten Gründen einer Anstellung bei den Bergwerken im Rostower Gebiet zugestimmt hatten].
Auf diese Weise, durch Kürzungen und Schließungen der Bergwerke, zieht Russland billige Arbeitskräfte für die Arbeit bei eigenen Bergwerken heran. Die in den Dokumenten erwähnten Pläne, die in der „DVR“ entlassenen Bergarbeiter bei russischen Unternehmen von „Kingcoal“ zu beschäftigen, sehen naiv aus, während russische Bergleute Hungerstreiks wegen einer Lohnverschuldung erklären, deren Betrag 300 Millionen Rubel übersteigt. Wie ein Klassiker einmal sagte, „mit Verstand ist Russland nicht zu erfassen…“.
Die Handelsfrage
Die Kohlenindustrie im Donbass ist auf den ukrainischen Abnehmer zugeschnitten. Russland besitzt eigene Kohle. Damit die funktionierenden Unternehmen rentabel bleiben, muss die Ukraine die Kohle bei den Kollaborateuren und Okkupanten einkaufen, was wir Ukrainer auch machen, denn trotz aller Versuche, Kohlenlieferungen zu diversifizieren (durch Lieferungen aus Südafrika), liegt das Hauptvorkommen „südafrikanischer Kohle“ nach wie vor bei uns im Donbass (in Luhanda und Donbabwe). Und so kauft die Ukraine weiter Kohle bei den Kollaborateuren ein – und es sind Kollaborateure, die beispielsweise die Abfertigung der Kohle vom SU „Makejewugolj“ (zu dt. „Makijiw-Kohle“) für das Heizkraftwerk in Trypillja (ZentrEnergo, Kiew) kontrollieren. SU steht für „staatliches Unternehmen“ der „DVR“, die Löhne bekommen die Bergarbeiter in der „DVR“ und die Steuer werden auch alle in der „DVR“ bezahlt. Man darf keine Packung Medikamente durch die Kontrollen bringen – ein Güterzug mit Kohle ist dagegen kein Problem. Und Russland bemüht sich sehr darum, dass diese Situation unverändert bleibt. Manchmal wird die Kohle aus Donbass als russisch getarnt, und manchmal werden russische Exporte in die Ukraine künstlich reduziert, um die Ukraine zum Kauf der Kohle von den Terroristen zu zwingen.
Die Handelsvolumen sind beeindruckend. Nach den Daten, die uns vorliegen, passierten im Oktober 2016 TÄGLICH Dutzende von Güterzügen beladen mit Kohle, Koks, Metallschrott und anderen wertvollen Gütern die „Grenze“. Als Bürger der Ukraine haben wir darauf bestanden, dass staatliche Bedarfsdeckung offen, fair und auf Konkurrenzbasis abgewickelt wird. Und währenddessen findet in unserem Hinterhof ein kolossaler Warenaustausch mit Besatzern und Kollaborateuren statt. Wenn der Handel mit ihnen für die Ukraine überlebenswichtig ist, wäre es logisch, ein Register der Unternehmen zu führen, die mit okkupierten Territorien Handel betreiben.
Wenn Sie den Dump der Korrespondenz des „Kohle- und Energieministeriums“ der „DVR“ herunterladen, können Sie sich mit weiteren Informationen vertraut machen und eine eigenständige Analyse der Kohlenindustrie in Donbass durchführen.
Wir möchten Sie auch daran erinnern, dass im März 2016 Hacker aus Ewgenij Dokukins Gruppe „Ukrainische Cybertruppen“ die Mailbox des „Transportministeriums“ (Donezker Eisenbahn) gehackt und Einzelheiten über die Kohlelieferungen aus okkupierten Territorien von Donbass preisgegeben haben.
Auf diese Weise haben die Bergarbeiter von Donbass dank ukrainischen Hacktivisten anhand dieser Analyse des veröffentlichten E-Mail-Dumps erfahren, welche Bergwerke abgeschafft werden und welche Perspektiven auf sie bei der Arbeitsanstellung im Rostower Gebiet warten. Und die Bürger Russlands haben objektive Daten zu den Ausgaben aus dem Staatshaushalt RF bekommen. Ein Teil der erteilten Gelder wird traditionsgemäß von Verwaltungsbeamten veruntreut, der Rest wird für die Schließung von Unternehmen auf okkupierten Territorien zum Fenster rausgeworfen.
Dieses Material wurde von Victory Krm und Sean Townsend exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Volodymyr Cernenko; editiert von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
Die Angaben wurden von den Hackern der ukrainischen Cyberallianz exklusiv an InformNapalm zwecks Analyse und weiteren Veröffentlichung übergeben. Die Redaktion von InformNapalm trägt keine Verantwortung für die Erstquelle und die Herkunft der Angaben.
(Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
4 Responses to “Einschätzung der Lage der Kohlenindustrie in den besetzten Territorien von Donbass”
26/02/2017
Cyberkrieg: Die erfolgreichsten Operationen der UCA (Ukrainische CyberAllianz) 2016 - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Die aufgebrochene Korrespondenz des sogenannten „Kohle- und Energieministeriums“ der besetzten Territorien des Donezker Gebiets offenbarte die Pläne der Besatzer hinsichtlich der Kohlenindustrie im Donbass: die Schließung der Mehrheit der Unternehmen des regressiven Industriezweigs und die Ausfuhr ukrainischer Bergwerkausrüstung und Mitarbeiter nach Russland. […]
10/05/2017
Flygspaningen släpper ut tusentals flygblad över ockuperade Gorlovka - InformNapalm på svenska[…] som var gjort av både volontärer och hacktivister bar titeln “Bedömning av kolindustrin i de ockuperade områdena i […]
11/05/2017
Luftrekognoseringen dropper tusenvis av flygeblader over okkuperte Horlivka - InformNapalm på norsk[…] som ble gjort av både frivillige og hacktivister bar tittelen “Vurdering av kullindustrien i de okkuperte områdene av […]
15/05/2017
Ukrainische Luftaufklärung warf Flugblätter über dem besetzten Horliwka ab - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Am 9. Mai warf ukrainische Luftaufklärung mehrere Tausende Postkarten und Flugblätter über dem besetzten Horliwka ab. Die Flugblätter erinnerten die Einwohner vom besetzten Teil des Donbas daran, dass die Ukraine sie nicht vergessen hat und weiterhin um ihre Befreiung von der russischen Okkupation kämpft. Solche Aktionen verhelfen zum Durchbruch der Informationsblockade, die auf den besetzten Territorien herrscht. In den Flugblättern wurde mithilfe einer einfachen Infografik erklärt, wie die Besatzer Arbeitsplätze zu liquidieren und die Bergwerke im Donbas zu schließen planen. Detaillierte Informationen waren in einen QR-Code auf der Rückseite der Postkarten eingenäht, der zu einer Untersuchung führte, die Ende 2016 von den Hacktivisten der UCA und unseren Freiwilligen durchgeführt worden war: „Einschätzung der Lage der Kohlenindustrie in den besetzten Territorien von Donbas“. […]