Ukrainische Hacktivisten aus der Cyberallianz FalconsFlame, Trinity, Cyberjunta und Ruh8 haben InformNapalm die „Todegeschichte“ eines berüchtigten „neurussischen“ Feldkommandeurs übergeben, der wohl wesentlich ominöser und passionierter als Motorola gewesen war, dessen Liquidierung gerade die ganze Welt bespricht.
In die Hände der ukrainischen Hacker sind Dokumente gelangt, die Klarheit über die Hintergründe der Liquidierung des „LVR“-Feldkommandeurs Alexey Mosgowoj verschaffen.
In der gehackten Korrespondenz von russischen Aktivisten und Journalisten, die im Donbass arbeiten, sind heruntergeladene Dokumente vom persönlichen Computer von Alexey Mosgowoj gefunden worden. Es geht um seine persönliche Korrespondenz bei Skype, VK und anderen Services.
Das Auto von Mosgowoj wurde am 23. Mai 2015 auf der Verkehrsstrasse Altschewsk-Luhansk beschossen, was zu seinem Tod führte. Das war bereits die zweite Attentat – bei der ersten war er nur leicht verletzt worden.
Der offiziellen Version der „LVR-Behörden“ nach, war es eine geheimnisvolle „ukrainische Diversionsgruppe“ – inoffiziell bringen die Söldner aber die Liquidierung von Mosgowoj mit Plotnizky und FSB-Betreuern in Zusammenhang.
Die Briefe über das Schicksal von Mosgowoj wurden am 18. April 2016 verbreitet und bereits am 28. April erschien eine Version seines Todes auf den Seiten der prorussischen Ausgabe „Militärische Rundschau“.
Foto 2. Von Mosgowojs Computer gestohlene analytische Notizen und Dateien, die unter den russischen Journalisten und Aktivisten verbreitet wurden.
Am 23. April 2015 hatten Mosgowojs Leute aus dem russischen Donezk Unterlagen ans ukrainische Justizministerin geschickt, um die gemeinnützige Organisation „Volksrenaissance“ registrieren zu lassen. Die Organisation sollte auf Andrei Koslow (Spionageabwehr der „Prisrak“-Brigade), Anna Sameljuk (Pressesekretär) und Alexey Mosgowoj (Kommandeur der „Prisrak“-Brigade) registriert werden:
Foto 2. Mosgowojs Antrag ans ukrainische Justizministerium zur Registrierung seiner gemeinnützigen Organisation.
Das Statut der Organisation (ustav, ustavukr) weist einen ziemlich naiven Schreibstil auf und ist äußerst schlecht auf Ukrainisch übersetzt worden. Wobei wohl niemand das Analphabetentum der „Neurussland“-Adepten anzweifelt.
Am 4. Mai waren die Dokumente in Kiew – das weitere Schicksal dieser Organisation ist nicht bekannt. Höchstwahrscheinlich ist sie nie registriert worden. Im Staatsregister der gemeinnützigen Organisationen haben wir eine andere „Volksrenaissance“ gefunden, die aber bereits im Oktober 2014 registriert worden war.
Über den Versuch dieser Registrierung ist aber wohl jemandem in der „LVR“ bekannt geworden, wonach das Schicksal von Mosgowoj besiegelt war.
Aus Mosgowojs Korrespondenz wurde bekannt, dass seit Dezember 2014 er im aktiven Briefwechsel mit irgendeinem Aktivsten unter dem Pseudonym „Dewa“ stand. Wir veröffentlichen die ganze 240-seitige Korrespondenz von Mosgowoj, seinem persönlichen Sekretär Sameljuk und „Dewa“, zu finden unter diesem Link: PDF.
Diese Korrespondenz erlaubt einen guten Einblick in das Leben der „LVR“ im Januar-Mai 2015. Am Anfang ist Mosgowoj ziemlich kühl im Umgang mit Dewa, deren Briefe an den unkontrollierten Bewusstseinsstrom eines religiösen Fanatikers oder Verschwörungstheoretikers erinnern. Mit der Zeit lässt er sich aber immer auf sie ein und wird zunehmend von ihr manipuliert. „Dewa“ spielt äusserst erfolgreich mit dem Gefühl der eigenen Wichtigkeit von Mosgowoj: mal preist sie ihn hoch („good cop“), mal wird sie hart und leitet ihn ermahnend in die von ihr gewünschte Richtung („bad cop“). Einmal schmeichelt sie ihm und bietet ihm an, die ganze Ukraine anzuführen, woraufhin Mosgowoj antwortet, dass er nicht genug Leute für sowas habe. Ein anderes Mal wird sie belehrend und erklärt ihm, wie er mit seinen Kollegen und Untergebenen umzugehen hat:
Diese Taktik wechselt sich die ganzen 227 Seiten lang ab. Außer diesen 227 Seiten Skype-Korrespondenz gibt es aber noch 13 Seiten der „VK“-Korrespondenz. Beim VK sitzt die „Dewa“ unter dem Pseudonym Alexander Fenix (Profil, VK, Archiv). Interessanterweise war diese Korrespondenz in einer Sonderdatei abgespeichert worden. Ferner gibt es noch eine Korrespondenz zwischen ihnen per E-mail – jemand hatte sich sehr für ihre Korrespondenz bereits nach seiner Ermordung interessiert.
Die Korrespondenz wird mal im Namen einer Frau, mal eines Mannes geführt. „Dewa“ befindet sich angeblich mal in Kiew, mal in Moskau, und hat wohl Zugang zu vielen geheimen Büros. Sie leitet die Kampflust von Mosgowoj sehr geschickt in informativ-revolutionäre Richtung, betreut seinen YouTube-Kanal, erzählt ihm, wie man sich auf den Treffen mit Journalisten und Soldaten verhalten soll. Zum Schluss ist Mosgowoj vollkommen unter ihrer Kontrolle. Dem manipulativen Stil nach, könnten mit Mosgowoj gleich mehrere professionelle Psychologen gearbeitet haben, die seinen Psychotyp genau unter die Lupe genommen und ihn im Lauf von ein paar Monaten vollkommen ihrem Willen unterworfen haben.
Eines Tages bietet „Dewa“ Mosgowoj an, eine gesellschaftliche Bewegung zu gründen und sich mit den ukrainischen Behörden direkt in Verbindung zu setzen, sowie Putin direkt anzuschreiben. Und Mosgowoj verschickt hörig Ansprachen an die Verwaltung des Präsidenten Russlands. Und das sogar mehrmals:
Der Meinung von „Dewa“ nach, braucht Mosgowoj diese gesellschaftliche Organisation in der Ukraine, um sich dem Verhandlunsgprozess im Minsker Format anzuschließen. Somit könnte Mosgowoj aus einem bekannten, aber doch einem von vielen Feldkommandeuren, zu einem angesehenen „LVR“-Politiker werden und im direkten Kontakt mit den russischen Betreuern stehen.
Mehr noch, am 14. Mai 2015, schickt „Dewa“ selber einen ziemlich verstörenden Brief an die Verwaltung des russischen Präsidenten und schlägt Mosgowoj mit seiner frischgebackenen Organisation als eine Dritte Kraft im Donbass vor, mit der man in Russland, Ukraine und der ganzen Welt verhandeln solle.
Text der Ansprache (Schreibstil beibehalten):
„Sehr geehrter Wladimir Wladimirowitsch.
Ich verstehe die Situation um die Ukraine und Ihr persönliches Interesse daran.
Zum richtigen Ausbau und Erreichung der Pläne gibt es nur einen richtigen Weg. Zurzeit sind DVR und LVR nicht anerkannte Republiken mit einer Führung, die sich längst diskreditiert hat, weshalb sie keine Chance zur vollständigen Auswechslung der Macht in der Ukraine haben. Zurzeit gibt es aber einen Feldanführer, der alle Ziele und Aufgaben kennt, die Sie vor sich stellen. Dieser Anführer ist Alexey Mosgowoj, der eine absolut richtige Politik führt und sie im Lauf einer längeren Zeit nicht veränderte. Alexey Mosgowoj ist es unter den schwersten Bedingungen gelungen, sich als eine beharrliche Persönlichkeit zu zeigen, die dem Volk gehört, und zwar nicht nur dem Volk von Altschewsk – er wird auch vom Volk der Ukraine wahrgenommen. Er ist fähig, Volksmassen der Ukraine zur Veränderung der momentanen Machtstruktur zusammenzubringen. Dazu müsste er zum nationalen Anführer gemacht werden und DVR und LVR in ein Ganzes vereinen. Gerade spielte er auf Überholung und registrierte in der Ukraine die gesellschaftliche Organisation „Volksrenaissance“ in Anwesenheit von OSZE. Die Berichte darüber sind in 52 Länder abgeschickt worden. Das erlaubt alles auf dem Territorium von DVR und LVR zu legalisieren, zu vereinen und von der ganzen Welt anerkennen zu lassen, woraufhin es auf das ganze Territorium der Ukraine ausgedehnt werden kann. Was die Aufteilung der Ukraine unmöglich machen, sowie andere Staaten daran hindern wird, sich in die Souveränität der Ukraine einzumischen. Der Schlüsselmoment besteht hier darin, dass Alexey Mosgowoj das Recht besitzt, sich auf legaler Basis an jedes Volk zur Unterstützung zu wenden, ohne dass der Staat sich einmischen darf. Und bei Notwendigkeit hat er auch das Recht sich an jedes Land zu wenden… um Friedenstruppen einzuführen und legitime Wahlen auf dem ganzen Territorium abzuhalten. Im Falle jeglicher Fragen werde ich mich über einen direkten Kontakt freuen, da ich verstehe, dass Sie sich mit Mosgowoj nicht direkt treffen werden. Ich bin in dem Fall eine neutrale Seite. Gott schütze Sie!“
Mosgowoj lobte „Dewa“ für diesen Appell an Putin. Im Grunde war es aber ein Urteil. Womöglich sind es naive Überlegungen, aber das direkte Anschreiben von Putin hatte wohl die Pläne der Moskauer Betreuer im Donbass durcheinandergebracht und es wurde beschlossen, Mosgowoj zu beseitigen. Er war als Feldkommandeur gebraucht – niemand hatte aber vor, einen Politiker aus ihm zu machen.
Interessanterweise haben die Fans von „Neurussland“ diese ganzen Dokumente bereits gesehen – jeder von ihnen hat aber nur einen Teil dieser Information veröffentlicht. Noch im Dezember 2015 wurde die Korrespondenz mit „Dewa“ (Archiv) bei VK gepostet – sie wurde aber kaum wahrgenommen. Jemand fing an, die ganze Korrespondenz systematisch auseinanderzunehmen, hat sich aber komplett darin verzettelt, wer denn jetzt genau Mosgowoj reingelegt hatte (hier, hier und noch hier).
Wir veröffentlichen hiermit einfach alle Unterlagen zu diesem Fall. Darunter auch so ein verschlüsseltes Fernschreiben aus dem Luhansker SBU vom 24. Mai 2015 (also ein Tag nach dem Mord an Mosgowoj), das irgendwie in die Hände der Russen gelangt ist (nun darf man es veröffentlichen):
Was ist denn mit Mosgowoj passiert? Jemand hatte ihn in nur einem halben Jahr sehr gekonnt aus einem „neurussischen Brigadekommandeur“ in eine gesteuerte politische Figur verwandelt. Als Politiker brauchte der Kreml ihn aber nicht. Jemand verzichtete hier auf raffinierte Sprengladungen, Frontangriffe auf die „Prisrak“-Brigade und leitete den Elan dieses Kommandeurs in die politische Richtung, was ihm auch zum Verhängnis wurde. Seine unnötige Aktivität wurde von den Moskauer Beteuern zur Kenntnis genommen und das Schicksal von Mosgowoj war wohl somit besiegelt.
Wahrscheinlich ist doch eine „ukrainische Diversionsgruppe“ an der Liquidierung von Mosgowoj beteiligt gewesen, nur bestand sie gar nicht aus Attentätern, sondern aus einigen professionellen Psychologen. Alles weitere haben wohl die russischen Cleaner erledigt…
Die Angaben wurden von den Hackern der ukrainischen Cyberallianz exklusiv an InformNapalm zwecks Analyse und weiteren Veröffentlichung übergeben. Die Redaktion von InformNapalm trägt keine Verantwortung für die Erstquelle und die Herkunft der Angaben.
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CC BY 4.0
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3 Responses to “Ein paar Hintergründe des Todes des „LVR“-Feldkommandeurs Alexey Mosgowoj”
26/10/2016
Korrespondenz von Wladislaw Surkow und andere Ergebnisse der Hackerarbeit im Oktober 2016 - InformNapalm.org (Deutsch)[…] aber auch mit einer psychologischen Informationsoperation zu tun, wie wir es neulich im Artikel „Ein paar Hintergründe des Todes des „LVR“-Feldkommandeurs Alexey Mosgowoj“ vermuteten: In den terroristischen Bandenformationen im Osten der Ukraine wächst ohnehin Unmut […]
03/02/2017
Wahre Identität des Kommandeurs der "Speznasgruppe Neurusslands" unter dem Rufzeichen "Olchon" festgestellt - InformNapalm.org (Deutsch)[…] von einigen widerspenstigen Feldkommandeuren der „D/LVR“ zugeschrieben, darunter von Alexey Mosgowoj und Pawel Dremow. Nach Informationen der russischen Webseite „Fontanka“, versteckt sich […]
07/02/2017
Über die seltsamen "Todesfälle" der russischen Feldkommandeure im besetzten Donbass - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Tod des berüchtigten „LVR“-Feldkommandeurs Alexey Mosgowoj, über dessen Liquidierung wir im Oktober 2016 schrieben. Oder auch solchen ominösen Mediengestalten wie Pawel Dremow, Arsenij „Motorola“ oder […]