In der neuen OSINT-Untersuchung von InformNapalm beschäftigen wir uns mit gleich mehreren Militärangehörigen der russischen 8. Gebirgsbrigade (ME 16544, Südlicher Militärbezirk Russlands), die an Kampfhandlungen in der Ukraine teilgenommen haben. Am Beispiel nachfolgender Publikation zeigen wir den Algorithmus der Datenerfassung aus offenen Quellen und Aufdeckung von sozialen Verbindungen russischer Kriegsverbrecher.
Entgegen dem verbreiteten Irrtum, veröffentlicht InformNapalm persönliche Angaben russischer Militärangehörige, die im Donbass kämpfen, nicht auf der Stelle. Des Öfteren werden sie lange beobachtet, es werden zusätzliche Verbindungen aufgedeckt und ergänzende Informationen gesammelt. Dieser Prozess kann manchmal Monate und sogar Jahre in Anspruch nehmen, wobei die Mehrheit der Militärangehörigen diese Beschattung nicht merken. Wenn wir aber merken, dass ihre Aktivität in den sozialen Netzwerken abnimmt, oder es die Gefahr besteht, dass unser Untersuchungsobjekt abspringen und die Indizien seiner Verbrechen löschen könnte, bringen wir sie mitsamt der Beweise und Archive an die Öffentlichkeit. Ein gutes Beispiel für diese Arbeit ist die langfristige Beobachtung des russischen Militärangehörigen Denis Gordow.
Zum Ausgangspunkt für diese Publikation diente seine Nachricht, die er ans „Myrotworez“-Zentrum schickte, nachdem er in dessen Datenbank als Kriegsverbrecher eingetragen worden war. Denis Gordow war wohl nicht ganz damit einverstanden und versuchte, eine „Versetzung“ in eine andere Kategorie zu erzwingen: in die Kategorie „Terroristen“, also keine Militärangehörige der russischen Streitkräfte, sondern Söldner, die im Donbass kämpfen. Der Vollständigkeit halber führen wir den Screenshot dieser Nachricht an.
(Anm.d.Red.: Wir möchten anmerken, dass der Text haarsträubende Rechtschreibfehler aufweist und vor Schimpfwörtern regelrecht strotzt).
Text der Nachricht: „Hallo, Ihr Nazi-Deppen, teile euch mit – ich bin kein Kriegsverbrecher, da ich nicht bei den Streitkräften Russlands diene, sondern in der „Prisrak“-Brigade namens Alexey Borisowitsch Mosgowoy. Also korrigiert die Information bei euch in der Datenbank auf der Webseite Myrotworez. Seid ihr aber dumm, ihr solltet wenigstens richtige Informationen posten, und ihr postet hier alles Veraltete, Idioten. Das hat Denis Gordow geschrieben“.
Interessanterweise hat das Faktum der Registrierung in der Datenbank Denis Gordow wohl sehr beunruhigt, da er sofort begann, seine Profilseite zu reinigen: zunächst hat er fast alle Fotos gelöscht, die ihn mit dem Militärdienst bei den Streitkräften Russlands in Verbindung brachten. Als ihm später wohl bewusst wurde, dass Archive nicht brennen und alle Infos längst abgespeichert sind, wählte er eine andere Strategie und positionierte sich als ein „ehemaliger Militärangehöriger“. In 2016 veröffentlichte er zum Beispiel erneut Fotos von 2015. Er glaubt wohl, dass seine Kriegsverbrechen straffrei bleiben, wenn er nur die Spuren verwischt. Die Tatsache, dass er in die Bandenformation „Prisrak“ aus der russischen Armee hinzukommandiert worden war, lässt sich aber gut an seinen Verbindungen zurückverfolgen.
Achtet bitte auf die „ehrlichen“ Angaben im VK-Profil von D. Gordow. Besonders interessant ist für uns der Teil seiner Profilseite, wo Angaben zu seinem Militärdienst stehen:
Zur Info: ME L-55055 ist ein „selbstständiges Aufklärungsbataillon“, das als Deckung für die Hinzukommandierung von russischen Militärangehörigen in die „LVR“-Bandenformationen dient. In diesem Bataillon waren auch die berüchtigten GRU-Speznassoldaten der russischen Streitkräfte Kapitän Jerofejew und Feldwebel Alexandrow registriert, die am 16. Mai 2015 im Lauf eines Gegenangriffs auf eine russische Diversionsgruppe im Raum der Ortschaft Schtschastja gefangengenommen wurden. Im Lauf des Angriffs der Russen wurde der ukrainische Militärangehörige, Feldwebel Wadim Pugatschew getötet. Am 25. Mai 2016 wurden diese Kriegsverbrecher aus dem russischen GRU gegen Nadeschda Sawtschenko ausgetauscht.
Zurück zu unserem Untersuchungsobjekt: Im Mai 2016 platzierte D.Gordow sein Resümee auf einer Arbeitssuche-Webseite in seiner Heimatstadt Sabajkalsk, in dem er unter „Zusätzliche Angaben“ schrieb: „Leistete Grundwehrdienst von 2012 bis 2013 ab, diente als Zeitsoldat in 2014-2015, lerne schnell, bin zuverlässig“.
Wie wir sehen, stimmen die Dienstjahre in seinem Resümee und im VK-Profil überein. Also ist Mai 2016 das ungefähre Ablaufdatum seines Vertrages und das bedeutet wiederum, dass er sich im Donbass nicht als russischer Terrorist, sondern als ein berufsmässiger russischer Kriegsverbrecher befand.
Zurück zur Chronologie: Wir betonen, dass am 28. Juni 2014 Denis begann, sich über den Dienst in der Militäreinheit 16544 (Stadt Borsoj) zu erkundigen. Am Screenshot lässt sich auch das ungefähre Datum seines Vertragsbeginns bei dieser russischen Militäreinheit ablesen:
„Hallo an alle Mitlesenden. Hab‘ meine Unterlagen zum Zeitvertrag abgegeben. Mir wurde Borsoj angeboten, keine Ahnung, welche ME, ins Pionierbataillon, da ich beim Grundwehrdienst ein Pionier gewesen bin, habe die Munition verwertet. Bin ein gemeiner Soldat. Sagt mal, wie ist die Lage da bei euch, kann man ausserhalb von ME leben, wieviel Wehrsold gibt es, was machen bei euch überhaupt die Pioniere?“
Und nun gehen wir zu konkreten Beweisen für seine Teilnahme an den Kampfhandlungen im Donbass über:
Ein Foto vom Herbst 2015 im Dorf Sokolniki, das direkt an der Demarkationslinie im Luhansker Gebiet liegt:
Dieses niedergebrannte Fahrzeug BTR-80 sieht man sehr deutlich auf den Satellitenbildern. Koordinaten: 48.7486376, 38.8585165. Wir möchten auf die Spur hinter dem verbrannten Panzerfahrzeug aufmerksam machen, die darauf hinweist, dass es womöglich zum Strassenrand bewegt worden ist, da es der Durchfahrt vom anderen Transport im Wege stand.
Um den ungefähren Zeitabschnitt festzulegen, der im Foto festgehalten wurde, zeigen wir ein paar Archivbilder von der Webseite terraserver.
20. September 2015: Man sieht Spuren der Verschiebung des Panzerfahrzeugs.
18. Juni 2016. Das Panzerfahrzeug fehlt auf dem Bild, man sieht aber noch immer die Stelle, auf der es vernichtet worden war:
Nach genauer Prüfung der Satellitenbilder können wir behaupten, dass das Foto mit dem BTR im Herbst 2015 aufgenommen wurde. Dem Wetter nach (keine Blätter auf den Bäumen, Raufrost auf dem Grass) war es November 2015.
Als wir den Kriegsverbrecher prüften, haben wir in der Datenbank vom „Myrotworez“ diesen Screenshot eines Fotos entdeckt, das von Denis Gordow gepostet worden war und unter dem Michail Tujew den Kommentar „Bin irgendwie ‚runter“ hinterlassen hatte. Auf dem Foto sind russische Militärangehörige zu sehen.
Michail Tujew beschloss, dem Beispiel seines Dienstkollegen zu folgen und postete ebenfalls einige Fotos seiner „ukrainischen Dienstreise“. Wir veröffentlichen die interessantesten davon (1, 2, 3, 4).
Ihr gemeinsamer Freund Maxym Lopuschor stellte uns zusätzliche Fotobeweise ihrer Verbindung bereit.
Und wieder ein Selfie (wie kommt man auch ohne aus!) Das Selfie wurde vor einem Bahnwärterhäuschen „57 Km“ aufgenommen, das am Rand des Dorfes „Donezky“ des Luhansker Gebiets liegt.
Ein paar Fotos zum Vergleich:
In unseren Archiven im halbautomatisierten Datenerfassung- und Identifizierungssystem „UKROPalantir“ haben wir Fotos von Denis Gordow gefunden, die er zu löschen versucht hatte.
ME 16544 (Stadt Borsoj)
Foto von einem Truppenübungsplatz im Rostower Gebiet Russlands, von welchem russische Militärangehörige weiter in die besetzten Territorien des Donezker und Luhansker Gebiets verlegt werden. Dort hat sich Denis Gordow auch fotografieren lassen.
Denis Sergejewitsch Gordow und Michail Tujew sind Staatsbürger der Russischen Föderation, die im Status von Zeitsoldaten der 8. motorisierten Schützenbrigade (Gebirgsbrigade; ME 16544, Südlicher Militärbezirk Russlands) an den Kampfhandlungen in der Ukraine teilnahmen. Sie sind Kriegsverbrecher. Dieser Status hat keine Verjährungsfrist, darum ist es Denis Gordow auch nicht gelungen, sich aus einem Kriegsverbrecher in einen Terroristen versetzen zu lassen.
Dieses Material wurde von Vidal Sorokin exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
CC BY 4.0
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
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