Die russische Hybridaggression im Osten der Ukraine stellt eine komplizierte Kombination aus klassischen militärischen Operationen, Terrorismus und verbrecherischer Vorgehensweise zur Erreichung der politischen Ziele der Kreml-Elite dar. Im Vorwort des Handbuchs Military Balance wird der Hybridkrieg als der Einsatz von militärischen und nichtmilitärischen Instrumenten in einer integrierten Kampagne gedeutet, die auf Überraschung, Ergreifung der Initiative und Erlangen von psychologischen Vorteilen gerichtet ist, wobei diplomatische Möglichkeiten genutzt, allumfassende und schnelle Informations-, Daten- und Cyber-Operationen durchgeführt und wirtschaftlicher Druck eingesetzt werden, die militärische und aufklärerische Tätigkeit aber vertuscht und verschleiert wird.
In nachfolgender Untersuchung analysiert InformNapalm ein Beispiel für Ausnutzung der Informationsfront durch die russischen Okkupationskräfte im Kampf gegen die Ukraine. Das meist übliche Szenario, das die russische Informationskampagne benutzt, besteht in der regelmässigen Erschaffung eines „Kriegsverbrechers“ aus dem Bestand der Streitkräfte der Ukraine. Dieses Ziel wird auf folgende Weise erreicht: An der Demarkationslinie veranstalten die Besatzer provokative Beschüsse eines Wohnsektors. Daraufhin werden nach ein und derselben Vorlage informative „Einwürfe“ kreiert, in denen die ukrainische Truppen dieser Beschüsse beschuldigt werden. Ziemlich oft begehen dabei die Besatzer aber fatale Fehler.
Am 13. August erschien in einer russischen hybriden Informationsquelle eine Videomitteilung unter dem Titel „Jassynuwata. Ukrainisches Geschoss schlug in ein Haus ein. Ein Mann wurde verletzt“. Der üblichen Vorlage nach werden am Beschuss des Wohnhauses und der Verletzung eines Zivilisten aus Jassynuwata (Donezker Gebiet) die ukrainischen Streitkräfte beschuldigt. Ist es so? Lasst uns das Video genau analysieren.
Bei der Minute 0:03 sehen wir die Hausfassade, mit Rot haben wir die Einschlagsstelle markiert, die durch das angeflogene Geschoss und die Explosion im ersten Stockwerk verursacht wurde. Beachtet bitte, dass die durch die Explosion ausgerissenen Bauglasplatten nun durch Grobspannplatten ersetzt worden sind. Auch sehen wir ausgerissene Stücke des Wärmeschutzstoffes um den Fensterrahmen herum. Mit Grün haben wir das Fenster im Erdgeschoß markiert, das ebenfalls mit einer Grobspannplatte zugestopft wurde.
Bei der Minute 0:12-0:23 wird uns das Erdgeschoß des Hauses gezeigt. Auf dem Screenshot unten haben wir mit Grün die Einschlagstelle im Fenster des Erdgeschosses markiert. Beachtet bitte die charakteristischen Spuren, die das Endstück der Granate hinterlassen hat, wie auch das Blumenmuster auf den Tapeten.
Bei der Minute 0:37 sehen wir eine Spur der eingeschlagenen Granate. Den Tapeten mit Blumenmuster nach, ist es ein Zimmer im Erdgeschoß. Im Bild sieht man sehr deutlich die Spuren des Endstücks von der PG-9 Granate, die zum Schießsatz des Geschützes SPG-9 oder aber der Glattrohr-Waffe 2A28 Grom (die auf einen BMP-1 installiert wird) gehört. Interessanterweise hat der Zünder der Granate nicht funktioniert. Die Granate hat die Bauglasplatte im Erdgeschoß und die innere Trennwand aus Gipskarton im Haus durchgeschlagen. Vermutlich hatten die russischen Soldaten in der Eile ihrer Provokation vergessen, die Sicherungshaube vom Zünder zu nehmen.
Bei der Minute 0:43 sehen wir den Aufschlagspunkt der zweiten Granate – an der Dachschräge und der zwischenstöckigen Decke, unter dem Fensterrahmen. Hier sehen wir Tapeten in blauer Farbe.
Bei der Minute 0:47 sieht man aus dem durch die Explosion zerstörten ersten Stock zwei andere Häuser. Das erste Haus besitzt ein helles Dach, das zweite – ein rotes. Beachtet bitte die Grobspannplatte statt einer Bauglasplatte und den ausgerissenen Wärmeschutzstoff.
Nun haben wir die Möglichkeit, die ungefähre Flugbahn des Geschosses bezüglich des Wohnhauses (auf dem Screenshot rot und grün markiert) zu bestimmen. Anhand der charakteristischen Zerstörungen kann man schlussfolgern, dass im ersten Stockwerk der Zünder der Granate losgegangen war.
Mithilfe der Satellitenbilder ist es uns gelungen, das zerstörte Haus zu identifizieren. Dieses befindet sich in Jassynuwata auf der Kalinin Strasse 7. Auch konnten wir die Flugrichtung der eingeschlagenen Granaten bezüglich der Nachbarhäuser und Himmelsrichtungen bestimmen.
Es kommt darauf hinaus, dass die Granaten aus der östlichen Richtung kamen, also von den Stellungen der Besatzer. Zur Anschaulichkeit führen wir einen Screenshot von liveuamap an, auf dem das den russischen Besatzern unterstellte Territorium mit Rot markiert ist. Mit dem blauen Pfeil haben wir die Richtung der Beschießung markiert.
Schlussfolgerung: Russische Okkupanten setzen alle möglichen Mitteln und Methoden zur Erschaffung von Informationsanlässen in ihrem Hybridkrieg gegen die Ukraine ein. Selbst solche, die zum Tod von Zivilisten führen. Für das putinsche Regime sind die Leben von Ukrainern und Russen eben nichts wert. Man braucht sich nur an die vom FSB veranstalteten Wohnhäusersprengungen in Wolgodonsk und die durchgefallenen Operation „Rjasan-Manöver“ zu erinnern.
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Dieses Material wurde von Kusma Tutow und Michail Kusnezow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Irina Schlegel. Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich.
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
One Response to “Jassynuwata im Visier der russischen Hybridaggression”
16/09/2016
Der Mörser "SchMON" und ein neuer Patzer der russischen Propagandisten - InformNapalm.org (Deutsch)[…] Die Lügen der Besatzer in ihren gestellten Videos hat InformNapalm bereits mehrmals aufgedeckt. Zum Beispiel, in der russischen Videoreportage über den Beschuss eines Wohnhauses in Jassynuwata, den die Propagandisten für einen Beschuss durch ukrainische Streitkräfte ausgegeben hatten: „Jassynuwata im Visier der russischen Hybridaggression“. […]