
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel!
Sehr geehrte Präsidenten der Ukraine und Frankreichs!
An dem Tag, an dem Sie sich in Berlin treffen werden, werden es genau 542 Tage (seit dem 27. Februar 2014) sein, seit die ganze Welt vor die Tatsache der offen begonnenen militärischen Spezialoperation Russlands gegen die Ukraine gestellt wurde, deren Folge die Okkupation der Krim und bis heute andauernde blutige Kämpfe auf einem Teil der Territorien der Luhansker und Donezker Gebiete wurden.
542 Tage lebt die ukrainische Gesellschaft unter Bedingungen des faktischen Krieges Russlands gegen die Ukraine, im Laufe dessen viele Tausende Menschen (Zivilisten und Soldaten) getötet wurden, Zehntausende Menschen wurden verwundet und verstümmelt, und über 1 500 000 Menschen waren gezwungen, den Ort, an dem sie bislang lebten, zu verlassen.
Auf der durch die Russische Föderation okkupierten Krim droht die direkte Gefahr für die eigentliche Existenz des krimtatarischen Volks – der Ureinwohner der Krim, die im Februar-März 2014 mit Massenkundgebungen und Protesten gegen die Invasion der russischen Streitkräfte auftraten und noch immer die Resolution der UN-Generalversammlung A/RES/68/262 vom 27. März 2014 über die territoriale Integrität der Ukraine vertreten.
Dabei bleiben die zahlreichen Erklärungen internationaler Organisationen, inklusive der UNO, EU, Europarats und OSZE, wie auch der politischen Führer verschiedener Länder mit dem Ausdruck der Besorgnis und den Aufrufen, die Rechte des krimtatarischen Volkes und anderer Einwohner der Krim zu respektieren, ohne jegliche Aufmerksamkeit seitens der Russischen Föderation, die die Krim annektierte.
Die ohnehin tragische Lage der Krimtataren verschlechtert sich von Tag zu Tag. Repressalien gegen die Mitglieder des Medschlis des krimtatarischen Volkes setzen sich fort. Während dem Vorsitzenden des Medschlis Refat Tschubarow, den Aktivisten der Bürgerbewegung Sinawer Kadyrow und Ismet Juksel Verbote auf die Einreise und den Aufenthalt auf der Krim erteilt wurden, werden in FSB-Gefängnissen monatelang der stellvertretende Vorsitzende des Medschlis Achtem Tschijgos, die Aktivisten Ali Asanow und Mustafa Degermendschi rechtswidrig festgehalten und Folter ausgesetzt.
Dutzende junge Krimtataren wurden gewaltsam entführt, manche von ihnen wurden später tot aufgefunden, das Schicksal der anderen bleibt unbekannt. Hunderte Aktivisten der krimtatarischen nationalen Bewegung werden Repressionen und Schikanen seitens der Strafbehörden der Besatzungsverwaltung der Krim ausgesetzt.
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel!
Sehr geehrte Präsidenten der Ukraine und Frankreichs!
Von der Geschichte wurde Ihnen, und mit Ihnen zusammen auch den Anführern anderer souveräner Staaten, die kolossale Verantwortung nicht nur für ihre eigenen Völker und ihre eigenen Länder auferlegt, sondern, ohne jegliche Übertreibung und Pathos, auch für die Zukunft der ganzen Menschheit.
Die menschliche Zivilisation, die die tödlichen Gefahren des 20. Jahrhunderts überstanden hat, die durch das faschistische und kommunistische Regimes verursacht wurden, darf und soll nicht wieder zu einer Geisel der verantwortungslosen Handlungen der jetzigen Anführer Russlands werden, die alle Normen des internationalen Rechts verletzten und den Willen und das Recht der Völker auf Freiheit und Frieden missachten.
Im gleichen Maße ist die Opferung eines einzelnen Landes oder einzelner Völker dem Aggressor zuliebe unmöglich. Das ukrainische und krimtatarische Volk, die die Katastrophen des Holodomors und der Deportationen überlebten, haben ein Recht auf allseitige Hilfe und Unterstützung der internationalen Gemeinschaft, deren Teil sie auch sind.
Mit dem Wunsch, daß Sie im Lauf Ihres Treffens am 24. August 2015 in Berlin wirksame Maßnahmen beschließen mögen, die die territoriale Integrität der Ukraine wiederherstellen und die Souveränität der Ukraine auf ihrem gesamten Territorium, einschließlich der Autonomen Republik Krim gewährleisten,
Der Vorsitzende des Medschlis des krimtatarischen Volkes,
Präsident des Weltkongresses der Krimtataren Refat Tschubarow.
Kiew, den 22. August 2015.
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