Artilleristen der 3. motorisierten Schützendivision der Russischen Streitkräfte nahmen an den Kampfhandlungen in Syrien teil. Man weiß von mindestens einem gefallenen russischen Offizier, dessen Spur zu dutzenden anderen heimlich an der Bodenoperation teilnehmenden Soldaten führte. Die internationale Aufklärungsgemeinschaft InformNapalm hat anhand von Fotos und Schriftstücken russischer Soldaten eine Chronologie der Entsendung von Einheiten nach Syrien, die Stützpunkte und die Stellungen bestimmt, die von den Artilleristen zur Provokationen benutzt werden könnten, um Angriffe auf syrische Rebellen vom türkischen Gebiet vorzutäuschen. Am Ende dieser Untersuchung werdet ihr einen kreativen Videoclip finden, erstellt von Freiwilligen von InformNapalm nach dem Text von Schriftstücken eines russischen Zeitsoldaten.
Vorrecherche über „Cargo 200“
Am 31. Januar 2017 veröffentlichte InformNapalm eine OSINT-Untersuchung über den im Juni 2016 bei Palmyra getöteten russischen Hauptmann der Artillerie Marat Akhmetschin. Erst nach unserer Veröffentlichung wurde diese Information von russischen Medien aufgegriffen und das Foto von Marat mit dem Abzeichen des Russischen Helden verbreitete sich in den Sozialnetzwerken.
Nach einigen Monaten ist es gelungen, herauszufinden, warum die russische Führung sorgfältig versuchte, Informationen über ihre „Cargo 200“ zu verbergen. Und erst nach Publikwerden haben russische Propagandisten schnell eine Geschichte fabriziert, Marat als Aufklärungskommandeur des Stabes der Panzerhaubitzendivision habe angeblich „im Alleingang einen Angriff von zweihundert IS-Kämpfern abgewehrt“. Diesen Versuch der Heroisierung des getöteten Artilleristen sehen wir mit Skepsis. Unser Interesse erweckte, wer in der Nähe des Toten war. In der geheimen Bodenoperation sterben nämlich russische „Militärberater“ in Syrien auffallend oft an vorderster Linie, manchmal sogar beim Zurücklassen von Waffenlagern.
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Wir haben uns die Gedenktafel für Marat angesehen, auf der steht, dass er seit 2015 seinen Wehrdienst in der 9. selbständigen motorisierten Schützenbrigade der Russischen Streitkräfte ableistete, die später 2016 in die 3. motorisierte Schützendivision integriert wurde. Das ist genau die motorisierte Schützendivision, die in der unmittelbaren Nähe zur ukrainischen Grenze aufgestellt ist.
Während der Analyse der Sozialnetzwerkprofile von Akhmetschins Kameraden, ist es uns gelungen, eine Vielzahl an Beweisen für die Beteiligung der Artillerieeinheit der Militäreinheit Nr. 54046 aus der Stadt Bogutschar an den direkten Kampfhandlungen in Syrien zu finden. Gefunden wurde auch ein Gemeinschaftsfoto, auf dem 65 russische Militärangehörige in Syrien fixiert sind. Auf dem Foto befindet sich auch der getötete Marat Akhmetschin.
Nicht weniger farbig als die Fotos von der syrischen Dienstreise, sprechen auch die Gedichte eines der Zeitsoldaten, der glasklar die Ziele und die Aufgaben des Aufenthalts seiner Einheit in Syrien beschrieb. Anhand dieser Dokumente und Fotos haben die Freiwilligen von InformNapalm die Chronologie aufgestellt und einen Beat über den Sprechgesang gelegt, der von dem russischen Soldaten geschrieben wurde (siehe den Videoclip am Ende des Artikels).
Was nachgewiesen werden konnte
Die Dienstreise der russischen Artilleristen begann zunächst Anfang 2016 nach einer dreimonatigen Vorbereitung auf dem Truppenübungsplatz im Moskauer Gebiet. Zuerst wurden sie alle mit einem Flugzeug auf den Luftwaffenstützpunkt Hmeimim geflogen. Anschließend wurde ein Gebäude in Beit Avan der Provinz Aleppo zum Stützpunkt der Artilleristen aus Bogutschar (Foto).
Das Foto mit dem Fingerzeig auf das Minarett im Album eines Militärangehörigen (1, 2).
Syriens lokale Koordinationskomitees sprachen regelmäßig von sich angeblich in den Bergen im Norden der Provinz festgesetzten Kampfeinheiten aus „Islamisten-Kämpfern“, die eine Reihe von Granatwerferangriffen auf Stellungen der syrische Regierungstruppen am Rande der Ortschaft Beit Avan verübt haben.
Wie russische Artilleristen ein falsches Spiel mit der Türkei spielen
Die Msta-B-Geschütze, vor denen sich die Militärangehörige der 3. motorisierten Schützendivision fotografieren ließen, befanden sich gleich hier in der Nähe. Es ist gelungen, das Foto einer Region zuzuordnen und die Geolokation zu bestimmen.
Die Richtung des Pfeils auf der Karte zeigt auf die Richtung des Geschützlaufes. Die Größe des Pfeils ist die maximale Reichweite von Sprengbrandmunition (24 700 Meter), was bedeutet, dass die russischen Militärangehörigen von dieser Position aus die syrischen Aufständischen beschießen und dabei Beschüsse vom türkischen Territorium vortäuschen konnten (Auf der Karte: Das unter der Kontrolle des Baschar-Assad-Regimes stehende Gebiet ist rot markiert, grün das der syrischen Rebellen und weiß das Gebiet der Türkei).
Russische Artilleristen machten sich auch an der türkisch-syrischen Grenze auf der Anhöhe 745 bemerkbar, besser bekannt als „45“ oder „Shakhids Hügel“. Über diese Anhöhe, als strategische Anhöhe, wurde eine ganze Reportage gedreht. Auf dem Satellitenbild vom 16. April 2016 sind die Militärtransporter und die Haubitzen Msta-B der Russen deutlich zu erkennen (Foto).
Es waren die Militärangehörige der Artillerieeinheit, die sich auf dem Fahrzeug KamAZ-53501 mit dem installierten kleinen Störsender RP-377WM1 haben fotografieren lassen.
Palmyra
Der Endpunkt wurde Palmyra, wo Marat Akhmetschin auch getötet wurde. Die aktive Phase der Zusammenstöße fiel auf Anfang Mai. Die „Maiosterfeier“, wie die Militärangehörigen in ihrem Gedicht selbst betont haben, werden sie für eine lange Zeit in Erinnerung behalten. Der Granatwerfertrupp der Kämpfer hat rund um die Uhr gearbeitet. Schritt für Schritt nahmen die Artilleristen die Positionen des Flugplatzes ein und rückten dabei weiter ins Innere von Palmyra vor.
Vergessenheit
So viele Zeugen, doch kein einziger Militärangehöriger hat in der Timeline seines Sozialnetzwerkprofils auch nur mit einem Wort erwähnt, unter welchen Umständen Marat Akhmetschin starb. Erst ab dem Moment der Offenlegung und der Veröffentlichung der Nachricht in den russischen Medien, tauchten traurige Posts auf. Das Stillschweigen der Zeitsoldaten wurde mit Metallklimbim und Bescheinigungen als Veteranen von Kampfhandlungen bezahlt. Und erzählen können die allem Anschein nach Vieles. Wie konnte sich Marat bei solch einer Einheitstärke plötzlich als „einer gegen zweihundert IS-Kämpfer“ entpuppen? Oder wurde er doch zurückgelassen und die eigenen Kameraden sind geflüchtet?
Wir sind bereit, alle von uns gefundenen Kontaktdaten von russischen Militärangehörigen nach einer getrennten Anfrage über die offizielle Facebook-Seite von InformNapalm Journalisten bereitzustellen. Falls sie dazu bereit sind, diese Geschichte vertieft zu recherchieren und zu versuchen, sich mit den unmittelbaren Beteiligten der Ereignisse zu unterhalten.
Wir stellen unseren Lesen das „Tagebuch der syrischen Dienstreise“ der Artilleristen der 3. motorisierten Schützendivision mit persönlichen Fotos der Artilleristen und der Chronologie der Ereignisse nach dem Manuskript der Gedichte vor, die in einem Sozialnetzwerkprofil des russischen Militärangehörigen Igor Wodopjanow gefunden wurden.
Dieses Material wurde von Victory Krm und Michail Kusnezow exklusiv für InformNapalm vorbereitet; übersetzt von Kateryna Matey.
Beim Nachdruck und Verwenden des Materials ist ein Hinweis auf unsere Ressource erforderlich (Creative Commons — Attribution 4.0 International — CC BY 4.0 )
Wir rufen unsere Leser dazu auf, unsere Publikationen aktiver in den sozialen Netzwerken zu verbreiten. Das Verbreiten der Untersuchungen in der Öffentlichkeit kann den Verlauf von Informationskampagnen und Kampfhandlungen tatsächlich brechen.
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